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Zwischenstopp Burnout

Praktische Hilfe für den geordneten Aus- und Wiedereinstieg: Rechte, Finanzen, Versicherungen

2. Auflage

Iris Riffelt

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Für meine beiden Kinder Philipp und Sophie

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Einleitung – über dieses Buch und wie es dazu kam …

In meinem beruflichen Alltag habe ich sehr oft mit den Existenzsorgen von Arbeitnehmern zu tun. Gerade Menschen, die an Burnout erkrankt sind, wissen nicht, wie es weitergehen soll. Die Erkrankung wird zusätzlich durch die finanziellen Ängste verschlimmert. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Betroffenen leichter mit der Krise zurechtkommen, wenn sie wissen, was in beruflicher und finanzieller Hinsicht auf sie zukommen kann.

Wichtig ist mir, den Betroffenen einen Weg aufzuzeigen, wie sie aus dem Berufsalltag aussteigen können und dann auch wieder zurückkehren können, und dies möglichst schonend, denn es gilt, einen Rückfall zu vermeiden.

Dieses Buch soll nicht nur den Menschen eine Hilfe sein, die aus dem Berufsalltag aussteigen möchten oder dies bereits getan haben. Es soll auch einen Weg für diejenigen aufzeigen, die ihren Arbeitsplatz nicht verlassen können oder wollen. Darüber hinaus ist von der Burnout-Krise nicht nur der unmittelbar Erkrankte betroffen, es gibt auch mittelbar Betroffene. Damit sind die Menschen im Umfeld eines Erkrankten gemeint, wie Ehepartner, Kinder und Freunde. In der kritischsten Phase eines Burnouts ist der Erkrankte oft nicht in der Lage, ein Buch zu lesen. Dann können die mittelbar Betroffenen anhand dieses Buches erfahren, was zu tun ist und wie sie helfen können. Sie können dem Erkrankten damit eine riesige Last abnehmen und ein Stück zu seiner schnelleren Genesung beitragen. Ich bin froh, dass dieses Buch mittlerweile auch von Arbeitgebern und Betriebsräten genutzt wird, aus diesem Grund sind in Kapitel 6 umfangreichere Ausführungen nötig geworden, mit vermehrten Hinweisen auf die Rechtsprechung. Für Arbeitnehmer verständlich durch die Beispiele.

Dieses Buch erhebt nicht den Anspruch, den wissenschaftlich medizinischen Bereich wiederzugeben oder seine Aussagen durch statistische Erhebungen zu belegen. Dieses Buch ist aus einer Überzeugung heraus – meiner Überzeugung – geschrieben. Diese habe ich anhand von Beobachtungen gewonnen, zunächst meiner selbst, meiner Familie, in meinem freundschaftlichen Umfeld und letzten Endes vor allem aufgrund meiner beruflichen Erfahrungen.

Da ich weiß, dass solche eher sachlichen Bücher schwer zu lesen sind, habe ich beschlossen, das Buch möglichst so zu formulieren, wie ich in Gesprächen mit Freunden darüber sprechen würde.

Ich freue mich jedenfalls, dass Sie dieses Buch aus vielen ausgewählt haben. Vielleicht ist es auch das »xte« auf dem Gebiet, das Sie lesen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie mit Hilfe dieses Buches ein paar weitere Erkenntnisse gewinnen, vielleicht auch etwas Gelassenheit, Hoffnung und Mut. Falls Sie sich dieses Buch für sich selbst gekauft haben, stehen Sie sicherlich entweder am Anfang oder am Ende eines Burnout-Prozesses und befinden sich vielleicht schon auf dem Weg der Besserung. Ich weiß aus eigener leidvoller Erfahrung, dass man, sofern man sich in der Extremphase des Burnout-Prozesses befindet, nicht in der Lage ist, ein Buch zu diesem Thema zu lesen, weil man dies entweder nicht möchte und nach wie vor auf der Flucht vor seinen Gedanken und Ängsten ist, oder aber weil man sich in einer so mächtigen Depression befindet, in der einen nichts und schon gar nicht ein Buch erreichen oder gar helfen kann. Falls Sie am Anfang eines Burnout-Prozesses sind, finden Sie in diesem Buch hoffentlich das eine oder andere Kapitel, das Ihnen hilft, gerade noch davonzukommen oder rechtzeitig alles Erforderliche in die Wege zu leiten, um dann in Ruhe gesund werden zu können. Falls Sie am Ende eines Burnout-Prozesses sind, kann ich Ihnen versichern, dass Sie das Schlimmste hinter sich haben und Ihnen dieses Buch hoffentlich Mut macht und eine Anleitung dazu gibt, wie Sie wieder in den Alltag und das Berufsleben zurückfinden können. Auch wenn Sie dieses Buch geschenkt bekommen haben und irgendwann einmal beginnen, es zu lesen, hat es jedenfalls einen Sinn und wird Sie in Ihrem Prozess weiterbringen, denn nichts im Leben geschieht ohne Sinn. Leider kann man dies immer nur im Nachhinein erkennen.

Nichts im Leben geschieht ohne Sinn.

Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, dass dieses Buch in höchstens 4 Stunden lesbar sein muss. Sie brauchen es nicht von Anfang bis Ende ganz zu lesen, wenn dies für Sie jetzt noch zu anstrengend ist. Es kann Ihnen auch als Nachschlagewerk dienen, in dem Sie nach Bedarf die Kapitel lesen können, die Sie ansprechen. Keines der Kapitel soll mehr Zeit als 30 Minuten in Anspruch nehmen. Mit Ausnahme der Kapitel 5, 6 und 7. Dort benötigen Sie pro Unterkapitel nicht mehr als 30 Minuten.

Ich selbst bin an einer typischen Burnout-Depression vorbeigeschlittert, vielleicht befand ich mich zeitweise auch mittendrin, wollte es jedoch nicht wahrhaben. Jedenfalls hatte ich immer genügend Argumente, mich abzulenken und nicht genau hinzuschauen. Es begann schleichend in den vergangenen Jahren. Ich hatte alles, was der allgemeinen gesellschaftlichen Moralvorstellung entspricht, soweit auf den Weg gebracht. Ich hatte studiert, meinen Beruf als Rechtsanwältin begonnen, geheiratet und habe zwei wundervolle Kinder. Ich hatte also die besten Voraussetzungen, ein glücklicher Mensch zu sein. Äußerlich schien alles intakt zu sein, innerlich fühlte es sich aber erstarrt und kraftlos an. Als ich diesen Zustand dann nicht mehr länger ignorieren konnte, dachte ich: »Kein Wunder, mit zwei Kindern und diesem anstrengenden Beruf« (das war wohl eher das kleine Männchen, das mit ewigem Negativen und »Schwarzmalen« beschäftigt ist). Auf der anderen Seite sagte das Positive in mir: »Das ist doch wunderbar, du hast zwei gesunde wundervolle Kinder, die an sich relativ stressfrei sind, wenn man sich alle anderen in der Umgebung so anschaut. Darüber hinaus hast du einen super interessanten Beruf, indem du mit den verschiedensten Menschen zusammenkommst und die Möglichkeit hast, diesen zu helfen und diesen den Ärger und Streit mit anderen abzunehmen. Was will man mehr!?« Ich wollte natürlich mehr, ich wollte auch noch die eigene Kanzlei, denn bei mir stand das gruselige Alter von 40 Jahren vor der Tür. Mein Traum war es immer gewesen, eine eigene Kanzlei zu haben. Auch dieser Traum wollte und musste noch erfüllt werden. Mir gelang es also, mich mit noch mehr Stress weiterhin prächtig abzulenken und wie gewohnt vor meinen Gefühlen und Gedanken zu fliehen. Ich befand mich somit auf direktem Wege in das »Ausgebrannt sein«.

Zu Hause und in der Beziehung zu meinem Mann hat dann natürlich nichts mehr so recht funktioniert. Ich hatte an allem etwas auszusetzen, mein Mann hatte ein nörgelndes, unzufriedenes Monsterweib an seiner Seite.

Wie habe ich es also geschafft, gerade noch mal davon zukommen?

Ich hatte das große Glück, Freundinnen an meiner Seite zu haben, die immer wieder in der Lage waren, mir schrittweise weiterzuhelfen. Eine davon mit den spirituellen und psychologischen Fähigkeiten, die sie im Laufe ihres Lebens erworben hatte, die andere Freundin durch ihre unendliche Geduld und Beharrlichkeit, sich alles anzuhören und mich mit ihren Fragen geduldig weiterzubringen, ohne jemals irgendeinen meiner Schritte zu beurteilen.

Ich begann, mich mit den Dingen hinter den Dingen zu beschäftigen, kaufte mir psychologische Bücher, Glücksbücher und auch spirituelle Bücher. Im Anhang dieses Buches finden Sie eine Liste mit Buchempfehlungen dazu. Diese Bücher haben mir alle, jedes auf seine Weise, Stückchen für Stückchen weitergeholfen, weil ich eine andere Sichtweise auf die Dinge erhalten habe und diese verinnerlichen konnte. Ich habe auch die verschiedensten Behandlungsmethoden ausprobiert, begonnen bei der Schulmedizin und der Chinesischen Medizin über Heilpraktiker und Homöopathie, Osteopathie bis hin zur Heilbehandlung. Ich war nur noch mit meinen Problemen beschäftigt und ging mehr und mehr meinen eigenen Weg, wobei das Beziehungsleben auf der Strecke blieb. Dies war auch durch die unzähligen Glücks- und Beziehungsbücher, die ich während dieser Zeit gelesen habe, nicht zu leugnen oder gar zu ändern. Sie mögen sich jetzt fragen, ob Sie ein Beziehungsbuch gekauft haben. Hier kann ich Sie beruhigen, ich möchte Ihnen an dieser Stelle lediglich klarmachen, dass Sie auf dem Weg in das Burnout-Syndrom, mittendrin, oder auf dem Weg aus dem Burnout heraus, immer auch Ihre funktionierende Beziehung im Auge behalten müssen. Burnout kann auch in gewisser Weise »ansteckend« sein. Es sind hier beide Partner gefragt, um die Krise zu bewältigen und sie nicht in eine noch größere münden zu lassen.

Parallel zu meinem Privatleben war in meinem Berufsalltag der eklatante Anstieg von Mandaten auffällig, die eindeutig in diesen Bereich einzuordnen waren. Da ich mich als Fachanwältin für Arbeitsrecht natürlich überwiegend mit arbeitsrechtlichen Mandaten beschäftige, ist mir die zunehmende Zahl der Arbeitnehmer aufgefallen, die über einen längeren Zeitraum krankgeschrieben waren oder aber der Ansicht waren, dass sie an ihren Arbeitsplatz nach einer längeren Krankheit unmöglich zurückkehren könnten. Noch vor circa 10 Jahren hatte ich immer wieder mit so genannten »Mobbingfällen« zu tun, die in zunehmendem Maße in den vergangenen zwei bis drei Jahren in »Mandaten« mündeten. Ich stellte mir daher die Frage, ob die früheren »Mobbingfälle« nicht auch im Zusammenhang mit Burnout standen, man dafür aber vor wenigen Jahren noch keinen Begriff gefunden hatte.

Früher »Mobbing« – heute »Burnout«?

Aufgrund der leidvollen persönlichen Erfahrungen war ich dann relativ schnell in der Lage, meinen Mandanten auf den Kopf zuzusagen, dass sie wahrscheinlich an einem klassischen Burnout-Syndrom und dessen Auswirkungen litten. Erstaunlich war für mich, die Erleichterung meiner Mandanten zu sehen, als sie erkannten, dass sie offen sprechen konnten und auf Verständnis für ihre Erkrankung trafen. Teilweise war mein Hinweis auf eine mögliche Burnout-Erkrankung auch die Erklärung für viele zurückliegende Krankheitsmonate, für die sie bisher immer nach Entschuldigungen gesucht hatten. Immer wieder musste ich auch erleben, dass diese psychische Erkrankung in den Köpfen der Menschen als »peinliche« Erkrankung möglichst unter dem Deckmantel des Schweigens gehalten werden sollte. Immer wieder kamen Mandanten zu mir, die in den zurückliegenden Jahren bei dem gleichen Arbeitgeber gut und gerne gearbeitet hatten und nun davon überzeugt waren, ihren Arbeitsplatz selbst fristlos kündigen zu müssen. Dies darf und muss nicht sein, wie ich Ihnen in den dafür vorgesehenen Kapiteln noch näher erläutern werde.

Burnout ist für viele eine »peinliche oder eingebildete« Erkrankung, wenn es überhaupt als Krankheit gesehen wird.

Aufgrund dieser zunehmenden Zahl von Burnout-Mandaten keimte in mir der Gedanke auf, hierüber zu schreiben. Wenige Wochen nach den ersten Gedanken hierzu war ich auf einem Fachseminar, bei dem ich eine frühere Studienkollegin getroffen habe. Man kam freudig ins Gespräch. Wie dies für Frauen so typisch ist, ging es auch recht schnell um das Thema Beziehung. Am Ende dieses Gespräches waren wir umringt von mehreren Kolleginnen und Kollegen, die mit riesigen Ohren meinem Erfahrungsbericht lauschten und am Ende der Meinung waren, sie befänden sich alle auf direktem Wege in diese Erkrankung. Ein Kollege hat zu mir direkt gesagt, ich müsste darüber ein Buch schreiben und Vorträge hierüber halten. Spaßeshalber habe ich ihm geantwortet: »Das werde ich wohl tun müssen.« Auf dem Heimweg ging mir dieser Gedanke nicht mehr aus dem Kopf, und als ich zu Hause angekommen war, erfuhr ich von einer Bekannten, dass ihr Mann unter dem Burnout-Syndrom leide. Dem nicht genug, war ich am Abend zu einer Weinprobe eingeladen, bei der ich mit der Frau neben mir ins Gespräch kam. Diese berichtete mir von ihren Depressionen und von dem Burnout, unter dem ihr Mann litt. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass dies ein anregendes Gespräch war. Am Ende des Abends hatte ich meinen Entschluss gefasst. Dieses Buch musste ich schreiben. Es ließ mich einfach nicht in Ruhe, weil mir das Thema überall begegnete, und in der Zwischenzeit ist es eine echte Herzensangelegenheit geworden.

Das Thema begegnet einem überall und zunehmend.

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Was ist Burnout?

Immer mehr Menschen fühlen sich erschöpft oder ausgebrannt. Es gibt Menschen, die sagen, Burnout sei gar keine richtige Krankheit, nur eine »Modeerkrankung«, eine Entschuldigung für die eigene Untätigkeit und Faulheit. Dies sind in der Regel ganz junge dynamische Menschen, die noch voller Energie sind, deren Batterien also noch vermeintlich voll aufgeladen sind, oder aber Menschen, die ein schweres arbeitsreiches Leben größtenteils bereits hinter sich gebracht und sich mit viel Arbeit über alle Erkrankungen und Erschöpfungen hinweggeholfen haben.

Burnout ist von vielen Menschen erstmals bewusst wahrgenommen worden, als der Skispringer Sven Hannawald unter einem Burnout-Syndrom litt und sich deswegen eine Auszeit nehmen musste. Als dies durch die Presse ging, hat sicherlich der eine oder andere aufmerksam zugehört. Unlängst ist Burnout dann schon fast »salonfähig« geworden und hat zu einem Aufhorchen vor allem in der Männerwelt geführt, als der Fußballer Robert Enke sich in einem akuten Zustand der Depression das Leben nahm. Auch im Zusammenhang mit seinem Tod ging das Thema durch die Presse. Auch der SPD-Politiker Matthias Platzeck trat wegen eines Hörsturzes und Burnouts 2006 von seinem Amt zurück. Der Spiegel berichtete Anfang 2011 sogar: »Sind wir ein Volk der Erschöpften?«

Modeerkrankung oder nur ein neueres Wort für Stress?

In unserer schnelllebigen Zeit und in der leistungsorientierten Gesellschaft gehört es mitunter scheinbar sogar dazu, auch unter Burnout zu leiden. Denn nur wer Stress hat, ist auch wichtig, wer wichtig ist, hat Anerkennung verdient. In früheren Jahren hatte man bislang von negativem Stress gesprochen. Wer früher gestresst war, hat heute »Burnout«? Dies mag vom Grunde her stimmen. Ich denke, dass der Zustand von negativem Stress fließend in ein Burnout-Syndrom übergehen kann, ebenso wie jeder Burnout in der Endphase in einer Depression münden kann. Nicht jede Depression ist immer auch ein Burnout und nicht jeder Negativstress muss in einem Burnout enden. Es muss daher jederzeit kritisch geprüft werden, ob tatsächlich bereits ein Burnout vorliegt oder möglicherweise eine andere Erkrankung. Es muss ferner kritisch von ärztlicher Seite überprüft werden, ob eine Depression vorliegt, die nicht im Zusammenhang mit einem Burnout steht.

Burnout wird auch als »Schnittmenge von Stress, Depression und Erschöpfung« angesehen.

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Abbildung 1 (Quelle: Nach: Schmiedel, Burnout. Trias in MVS Medizinverlage Stuttgart, Stuttgart 2010)

Es ist in den letzten Jahren wohl nicht mehr zu ignorieren, dass immer mehr Menschen die Kriterien eines Burnouts erfüllen und ihren normalen Alltagsbelastungen kaum noch oder gar nicht mehr nachkommen können. Manche haben einen so enormen Leidensdruck, dass sie sogar in eine tiefe Depression verfallen.

Rund 4 Millionen Bundesbürger leiden unter behandlungsbedürftigen Depressionen. Von 1998 bis 2009 haben die Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen um 76 Prozent zugenommen. 38 Prozent der Frühverrentungen in 2009 wurden aufgrund seelischer Krankheiten bewilligt. Im Jahr 2010 war fast jeder zehnte Fehltag auf eine psychische Erkrankung zurückzuführen. Hinzu kommen immer mehr Fälle von Burnout und totaler Erschöpfung, die nicht zu den Statistiken der psychischen Erkrankungen zählen. Allein mit der Diagnose »Burnout« waren 2010, hochgerechnet auf nur die gesetzlich versicherten Beschäftigten, knapp 100 000 Menschen mit 1,8 Millionen Fehltagen krankgeschrieben (Quellen: Robert-Koch-Institut; AOK; Deutsche Rentenversicherung). Arbeitnehmer mit Depressionen fehlten im ersten Halbjahr 2016 im Schnitt 35 Tage. Zum Vergleich: Bei Krebserkrankungen waren es 32 Tage. So eine Auswertung von Daten der Krankenkasse DAK. Da diese Erkrankung zunehmend auf der Ebene der Besserverdienenden zu finden ist, also auch in den Reihen der Privatversicherten, können Sie sich vorstellen, dass die Zahl der Erkrankten und damit die Auswirkungen immens sind.

Mir persönlich gefällt der Begriff »Burnout« eigentlich nicht, ich finde die Bezeichnung als »Erschöpfungssyndrom« treffender, will jedoch aufgrund der begrifflichen Kürze von Burnout sprechen.

Der Begriff »Burnout« selbst wurde 1974 von Herbert Freudenberger geprägt. Er kann auch oder unter anderem als »Verschleiß der Seele« gesehen werden. Allen Definitionen gemeinsam ist, dass Burnout als Zustand »körperlicher, seelischer und emotionaler Erschöpfung« beschrieben wird. Die Tendenz dieser Erkrankung ist jedenfalls rasant steigend!

Burnout ist ein Verschleiß der Seele und objektiv nicht messbar.

Das Problem beim Burnout ist, dass es objektiv nicht messbar ist. Sie können daher nicht zum Arzt gehen, sich Blut abnehmen lassen und dann anhand der Blutwerte erkennen, dass Sie unter einem Burnout-Syndrom leiden. Das Burnout-Syndrom ist in erster Linie nur anhand der Beschreibung des Leidensweges des jeweils Betroffenen erkennbar. Sicherlich geht es meist einher mit körperlichen Auswirkungen, wie zum Beispiel Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck, Eisenmangel etc. Eine Behebung dieser Symptome durch Medikamente wird jedoch meist nicht zur Heilung des Burnout-Syndroms führen. Die ebenso auftretenden Schlafstörungen oder Angstzustände sind für Dritte, wie den Arzt, nicht messbar. Und das ist das Gemeine an der Erkrankung. Sie ist nur dann heilbar, wenn der Betroffene selbst sie ernst nimmt.

Nehmen Sie die Erkrankung ernst, nur dann ist sie heilbar.

Auf eines möchte ich Sie noch ganz besonders aufmerksam machen: Ich habe mich mit vielen »Erschöpften« unterhalten. Alle haben nicht begriffen, dass sie unter einer »echten« Krankheit leiden. Dies, obwohl sie auf der Suche nach Heilung und Hilfe zum Arzt gegangen sind und dieser sie auch mit der Diagnose »Erschöpfungssyndrom« krankgeschrieben hat.

Das finde ich beachtlich. Gerade die Betroffenen, die ja ihren Zustand spüren, wollen es immer noch nicht wahrhaben. Sie wehren sich mit Händen und Füßen dagegen zuzugeben, dass sie schlicht nicht mehr können. So groß ist die Verleugnung und Missachtung ihrer selbst! Die Erkrankung hat ja offensichtlich erheblich mit der Psyche zu tun, und das ist immer noch ein Tabuthema, auch wenn man sich nach außen locker gibt. Das kann ja nur den anderen passieren!

Ich werde nicht den völlig erstaunten Gesichtsausdruck vergessen, als ich einer meiner Mandantinnen klargemacht habe, dass Burnout eine »Krankheit« ist und sie krankgeschrieben sei und daher auch nicht arbeiten gehen könne. Man hätte den Eindruck bekommen können, dass sie dies zum ersten Mal hörte, obwohl ihr Arzt dies bereits diagnostiziert hatte.

Burnout ist eine Krankheit!

Leider gibt es immer wieder Menschen, die sagen: »Das ist doch nur ein anderer Begriff für Stress, der jetzt modern ist, auf dieser Welle kann man reiten, weil die Erkrankung eigentlich nicht messbar ist.« Jeder, der einmal einen Burnout gehabt hat oder mit einem Betroffenen zusammengelebt hat, wird bestätigen, dass dies nicht stimmt. Die Erkrankung beginnt sicher meist mit dauerhaftem Stress, geht dann aber massiv an die Gesundheit, mit erheblichen körperlich messbaren und psychischen Auswirkungen. Mich persönlich ärgert es, dass sogar manche Ärzte die Erkrankung nicht als solche erkennen oder anerkennen. Dies hat zur Folge, dass oftmals die körperlichen Symptome, nicht aber die Ursache behandelt wird, was leider meist zu einer Verschlimmerung führt. Je später die Erkrankung ernst genommen wird, desto länger wird sie dauern.

Im Folgenden habe ich Ihnen einige Aussagen von Betroffenen aufgelistet. Schauen Sie, ob Sie sich in der einen oder anderen Aussage vielleicht wiederfinden.

»Es fällt mir unglaublich schwer, morgens aufzustehen, am liebsten würde ich den ganzen Tag im Bett liegen bleiben, mir die Decke über den Kopf ziehen und nie wieder aufstehen.«

(K., 28 Jahre)

»Mir ist alles zu viel, ich glaube, ich schaffe das nicht, an manchen Tagen kann ich gar nicht mehr klar denken, ich möchte einfach nur, dass es aufhört.«

(E., 47 Jahre)

»Ich habe meine Arbeit immer geschafft, im Augenblick ist es so, dass mir alles vor den Augen verschwimmt und ich keinen klaren Gedanken mehr fassen kann und dann eine Panik in mir aufsteigt.«

(M., 41 Jahre)

»Wenn ich dann auf dem Weg zum nächsten Kunden bin, bekomme ich Herzrasen und habe das Gefühl, dass alles, was ich jahrelang an Wissen parat hatte, wie ausgelöscht ist.«

(E., 31 Jahre)

»Ich kann selbst im Urlaub keine Ruhe finden, weil ich ständig das Gefühl habe, dass ich gehetzt bin und irgendetwas tun muss.«

(N., 38 Jahre)

»Ich habe mein Lachen verloren, ich habe das Gefühl, dass ich mich über nichts in meinem Leben mehr freuen kann, nicht einmal über meine Kinder.«

(M., 37 Jahre)

»Ich bin ständig krank und stolpere von einer Erkältung in die nächste und habe das Gefühl, dass ich zwischendurch eigentlich gar nicht mehr gesund werde.«

(F., 41 Jahre)

»Ich bin abends so kaputt. Um zur Ruhe zu kommen, muss ich dann erst mal einen Whiskey trinken, damit ich das Gefühl habe, mich entspannen zu können.«

(H., 51 Jahre)

»Ich fühle mich permanent abgeschlafft, auch beim Sport habe ich das Gefühl, dass ich gar keine Power mehr habe.«

(B., 37 Jahre)

»Ich habe überhaupt keine Energie mehr, es ist mir einfach alles zu viel.«

(M., 42 Jahre)

»Ich kann nachts nicht mehr schlafen, bin tagsüber müde und bin ständig gereizt.«

(U., 40 Jahre)

»Ich habe ständig Verspannungen und Kopfschmerzen und sehe alles nur noch negativ.«

(E., 44 Jahre)

»Ich würde mich am liebsten auf eine einsame Insel beamen, nur raus aus allem!«

(H., 33 Jahre)

»An manchen Tagen weiß ich nicht mehr, wie und ob ich bei der Arbeit war. Ich kann mich abends an nichts erinnern, der Tag ist wie ausgelöscht!«

(D., 47 Jahre)

»Derzeit wächst mir alles über den Kopf, jeder zerrt an mir! Ich fühle mich, als würde mir der Hals zugedrückt werden, ich bekomme immer weniger Luft zum Atmen!«

(K., 56 Jahre)

»Ich habe das Gefühl, aus Beton zu bestehen, und bin nicht in der Lage, morgens aufzustehen!«

(P., 35 Jahre)

»Wenn ich morgens aufwache, ergreift mich regelmäßig diese grässliche und lähmende Angst vor dem Tag, den ich wieder irgendwie überleben muss!«

(V., 50 Jahre)

Diese Liste könnte ich noch seitenweise mit Beispielen fortsetzen. Vielleicht haben Sie selbst den einen oder anderen Gedanken wiedererkannt?