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Stefan Bartel

Kulturwandel

Wie Führungskräfte mit Arbeitssicherheit Unternehmen zu Spitzenleistungen führen

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Vorwort

Das Wort »Unternehmenskultur« begegnet uns in den letzten Jahren immer häufiger in den einschlägigen Fachartikeln namhafter Managementzeitschriften. Doch welche Bedeutung ordnen wir diesem Wort zu? Wikipedia definiert darunter einen Begriff aus der Organisationslehre, der die Entstehung und Entwicklung kultureller Wertemuster innerhalb von Organisationen versteht. Der Organisationspsychologe und Professor am MIT in Cambridge, Edgar Schein, wiederum beschreibt eine Unternehmenskultur als ein »tiefgründiges, komplexes (und damit facettenreiches) moralisch neutrales Phänomen«.1 Für ihn äußert sich diese Kultur auf dreifache Weise: in sichtbaren Artefakten, also beispielsweise an Statussymbolen, in bekundeten Werten und Normen sowie in – meist nur schwer zu erkennenden, dennoch existenten – Grundannahmen über Verhaltensweisen oder Erfolgsfaktoren. Schein macht außerdem deutlich, dass Unternehmenskultur und Führung untrennbar miteinander verbunden sind, aufeinander abgestimmt werden müssen und sich gegenseitig bedingen.

Demzufolge spiegelt sich die Unternehmenskultur im Führungsverhalten ebenso wider, wie Leadership die Leitkultur in Unternehmen selbst maßgeblich bestimmt. Mit anderen Worten können wir also getrost behaupten, die Kultur einer Organisation befindet sich auf einem moralisch neutralen Niveau. Wird diese Kultur von ihren Führungskräften so umgesetzt, können wir von einem gut entwickelten Unternehmen ausgehen. Darunter verstehe ich einen Betrieb, in dem hoch motivierte wie gleichermaßen loyale Mitarbeiter arbeiten. Schließlich zählen Motivation und Loyalität zu wichtigen Kennzahlen für Mitarbeiterzufriedenheit, die wiederum einen wesentlichen Faktor für die Basis des Unternehmenserfolges darstellt.

Das US-amerikanische Meinungsforschungsinstitut Gallup veröffentlicht alle zwei Jahre eine Studie zur Mitarbeiterzufriedenheit und hier wird das Dilemma deutlich, in dem wir uns – seit Jahren – befinden: Demnach gehen in Deutschland nur rund 17 Prozent aller Mitarbeiter ihrer Tätigkeit auf hochmotivierte Weise nach. Der Rest, also in etwa 83 Prozent aller Arbeitnehmer, verrichtet eher Dienst nach Vorschrift oder hat bereits sogar schon innerlich gekündigt.2

An dieser Stelle wird deutlich: Deutsche Unternehmen haben ein gewaltiges Problem, und schuld daran ist in erster Linie eine Unternehmenskultur, die entweder niemand kapiert, keiner beachtet oder nicht die gelebten Werte und Normen glaubwürdig widerspiegelt. In meiner inzwischen beinahe dreißigjährigen Tätigkeit als Trainer für Führungskräfte konnte ich immer wieder feststellen, dass nur wenige Teilnehmer meiner Seminare ihre eigene Firmenkultur überhaupt kennen, geschweige denn benennen können! Dem Rest ist diese zwar bekannt, doch erscheint sie ihm oft zu theoretisch, in der beruflichen Praxis wenig umsetzbar oder einfach zu abgehoben und die Realität zu wenig reflektierend.

Wenn wir also von Unternehmenskultur sprechen, dann meinen wir automatisch auch Unternehmenserfolg und Mitarbeiterzufriedenheit. Gleichzeitig – und diese Schlussfolgerung wird für viele Leser wohl neu sein – müssen wir darunter auch Arbeitssicherheit verstehen. Schließlich wirkt sich diese im erheblichen Maße auf den Unternehmenserfolg aus. Es besteht daher ein direkter Zusammenhang zwischen der Unternehmenskultur und der Arbeitssicherheit, wobei der Umgang damit als Safety Culture Management bezeichnet wird. Ein Begriff, der sich seit einigen Jahren speziell in den USA immer stärker etabliert. Warum dieser Zusammenhang existiert und wie moderne Führungskräfte mit Safety Culture Management umgehen sollten, beschreibe ich in den nächsten Kapiteln ausführlicher.

Als ich vor einiger Zeit dieses Thema in meine Trainings aufnahm, ahnte ich noch nicht, welche Resonanz es hervorrufen würde. Ich führe Seminare im Bereich der Führungskommunikation und Arbeitssicherheit durch. Darin trainiere ich meine Teilnehmer in Methoden, um sie im Umgang mit Mitarbeitern und Kollegen erfolgreicher zu machen, so dass Führung wirksam wird. Diese Führungskräfte lernen aber auch, wie sie ihr Team dazu bringen, Dinge durchzuführen, die man als Vorgesetzter gerne erledigt sehen möchte. Ich formuliere diesen Teil ganz bewusst so, schließlich handelt es sich meist weniger um klare Arbeitsanweisungen, die unerledigt bleiben. Weit häufiger sind es die sogenannten »kleinen Aufforderungen«, die bei Mitarbeitern auf Ablehnung stoßen.

»Herr Maier, bitte machen Sie bei Gelegenheit an der Anlage sauber.«

Diese Dinge meine ich. In meinen Seminaren stellte sich heraus, viele Teilnehmer lehnen oftmals notwendige Veränderungen oder Vorgehensweisen ab, bevor sie verstanden haben, worum es dabei überhaupt geht. Wenn so etwas bei Führungskräften durchaus vorkommt, wird das Thema »Ablehnung oder Widerstand« in deren Teams ebenfalls zum Führungsalltag gehören. Hier handelt es sich lediglich um einen willkürlich herausgegriffenen Punkt. Einer von einer Vielzahl an Themen im Führungsalltag, der sich jedoch auf die Arbeitssicherheit auswirken kann und letztlich häufig Teil der Unternehmenskultur darstellt. Bereits nach kurzer Zeit fragten mich meine Teilnehmer, ob ich nicht meine Ausführungen zu Safety Culture Management in kompakter Form aufschreiben könnte. Sozusagen eine Anleitung zur besseren Führungsarbeit im immer anspruchsvolleren betrieblichen Umfeld.

Neben dem Thema Arbeitssicherheit wird die Qualität der Unternehmenskultur auch in den krankheitsbedingten Fehlzeiten direkt und klar sichtbar. Beide Werte, Arbeitssicherheit sowie Fehlzeiten, stellen somit ein Maß für den Reifegrad der Kultur des Unternehmens dar. Fehlzeiten können somit als direkter Ausdruck der Kultur und auch damit des Führungsverhaltens betrachtet werden. Führungskräfte erhalten in diesem Buch eine genaue Anleitung zu Hintergründen von krankheitsbedingten Fehlzeiten und welche Rolle die Führungskraft bei der Verminderung der Fehlzeiten einnimmt. Außerdem wird genau dargestellt, wie ein Prozess zur Verbesserung der Anwesenheit aussehen sollte.

Schließlich entschied ich mich, dieses Buch zu veröffentlichen, in dem die genauen Anforderungen an einen sogenannten »Safety Culture Manager« beschrieben werden. Sie erhalten also nicht nur eine exakte Beschreibung der Rahmenbedingungen dieser Rolle, sondern auch klare Leitlinien und Checklisten, damit Sie diese Aufgabe künftig durchführen können.

Dieses Buch vermittelt daher zum einen eine ausführliche Übersicht, welche Anforderungen die Führungskräfte von Morgen zu bewältigen haben. Gleichzeitig soll es Sie dabei unterstützen, die Unternehmenskultur in Ihrem Betrieb zu entwickeln, um so die Arbeitssicherheit und damit den Unternehmenserfolg zu verbessern. Zum anderen ist dieses Werk auch als Arbeitsbuch für den künftigen Safety Culture Manager zu verstehen.

Ganz gleich, welche Überlegungen Sie dazu führten, dieses Buch zu lesen: Ich wünsche Ihnen gute Erkenntnisse, viele Einsichten und dann viel Erfolg in der Umsetzung Ihrer Tätigkeit als Führungskraft.

Ihr

Stefan Bartel

1
Was bedeutet Kulturwandel?

Besitzt Ihr Unternehmen, dem Sie vorstehen oder in dem Sie als Führungskraft arbeiten, eine definierte Unternehmenskultur? Also Leitlinien und Werte, an denen sich alle Mitarbeiter im Kontakt mit Kunden, Lieferanten und Kollegen orientieren sollten? Auch weiter gefasste Rahmenbedingungen, wie Firmen ihren Umgang mit der Umwelt verstehen, welche ethischen Ansätze sie fordern – als Beispiel sei hier Fair Trade genannt – und vieles mehr finden sich in solcherart selbst auferlegten Werten, die Konzerne wie mittelständische Unternehmen weltweit definieren.

Definition schön und gut, doch was folgt nun? Was meinen Sie, wie weit werden diese Werte in Ihrem Betrieb auch gelebt?

Nach meiner Erfahrung in beinahe dreißig Jahren als Trainer für Führungskräfte müssen wir uns an dieser Stelle einem ziemlich ernüchternden Ergebnis stellen: Nur in den wenigsten Firmen wird die gewünschte Unternehmenskultur tatsächlich in der täglichen Praxis gelebt. Meist sind diese Leitsätze das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Leider.

Obwohl die Kommunikation einer neu verfassten Unternehmenskultur häufig von höchster Stelle, oftmals vom CEO persönlich, nach »unten« getragen wird, setzt bereits die nächste Managementlinie diese neuen Werte bestenfalls nur halbherzig um.

Ein Teilnehmer erzählte mir vor kurzem von der Einführung der neuen Unternehmenskultur in seinem Unternehmen, ein Konzern mit etwa 3000 Mitarbeitern weltweit. Jeder Angestellte erhielt einen persönlichen Brief des CEO, also nicht nur eine profane E-Mail, in dem diese Unternehmenskultur, bestehend aus neun Punkten, vorgestellt und im Detail beschrieben wurde. Außerdem bekamen die Mitarbeiter eine kleine Plastikkarte im Scheckkarten-Format mit den Werten des Unternehmens. Wenige Tage, nachdem die Personalabteilung das Schreiben und die Karten weltweit verteilte, führte der Konzern zusätzlich einen Onlinetest durch. Dabei mussten alle Mitarbeiter einen Multiple-Choice-Test durchführen, in dem die neun Punkte zur frisch entwickelten Firmenkultur hinterfragt wurden. Dem Ganzen nicht genug gab kurz darauf die Personalabteilung die Anweisung an die Abteilungsleiter heraus, in den folgenden Wochen zu prüfen, ob wirklich jeder dieses Kärtchen bei sich trug und dessen Inhalt kannte. Dieser Konzern investierte also eine Menge Zeit und auch Geld, in erster Linie für die Entwicklung dieses Online-Tests, den ein externer Dienstleister durchführte, mit den entsprechenden Lizenzen in sämtlichen Sprachen.

Doch was geschah mit dieser neuen Unternehmenskultur? Es kannten sie zwar fast alle auswendig, jedoch beinahe niemand hielt sich daran. Dabei handelte es sich um durchaus sinnvolle Themen wie beispielsweise Nachhaltigkeit in Umweltfragen oder Vertrauenswürdigkeit gegenüber Kunden, Lieferanten und Kollegen sowie Einhaltung von Sicherheitsrichtlinien. Trotz dieser ziemlich aufwändigen Kampagne scheiterte dieses Projekt bereits kurz nach dessen Einführung. Dieser Fall zeigt für mich symptomatisch auf, wie es in den meisten Betrieben weltweit in Sachen Unternehmenskultur zugeht. Warum ist das der Fall? Die Gründe hierfür sind vielfältiger Natur, doch ich sehe im Wesentlichen drei Punkte für dieses Scheitern als hauptverantwortlich:

  1. 1. Die Kultur ist schlichtweg zu abgehoben für eine tatsächliche Umsetzung.
  2. 2. Die Mitarbeiter erkennen keinen Sinn in der Einhaltung dieser Werte oder empfinden diese als hinderlich.
  3. 3. Weder das Topmanagement, und schon gar nicht die Führungskräfte der nächstfolgenden Ebenen, stehen hinter dieser Unternehmenskultur.

Während bei Punkt 1 ein häufig zu strategischer Ansatz gewählt wurde, der einen starken Fokus auf Unternehmensvisionen legt, fehlt bei Punkt 2 der praktische Ansatz für die Mitarbeiter.

Visionen eignen sich für eine Unternehmenskultur nur in bedingtem Maße, da sie sich für gewöhnlich in einer Art »strategischer Metaebene« befinden und – ehrlich gesagt – kann der »normale« Mitarbeiter damit normalerweise herzlich wenig anfangen.

Was ich also ausdrücken möchte, beschreibe ich an einem abstrakten Beispiel, und zwar anhand eines Projektes der US-Raumfahrtsbehörde NASA, nämlich der bemannte Flug zum Mars.

Ein gutes Beispiel für den ersten Punkt wäre hier die Verabschiedung einer Kultur, wonach alles dafür unternommen werden muss, damit sich bei einem eventuellen Kontakt mit Marsbewohnern diese nicht bedroht fühlen. Beginnend bei einer harmonischen Konstruktion der Raumfähre, bis hin zur Ausarbeitung exakter Verhaltensrichtlinien für die Astronauten. Eine solche Wertedefinition klingt zwar gut und schön, doch momentan ist weder klar, ob überhaupt Leben auf dem Mars existiert, geschweige denn, wie man eigentlich zu diesem Planeten gelangt, da die meisten technischen Aspekte bislang ungeklärt sind. Dieser Wert wäre also viel zu weit von der aktuellen Realität entfernt. Trotzdem setzen viele Unternehmenskulturen dort bereits an und verlieren auf diese Weise sehr schnell ihre Mitarbeiter.

Bei Punkt 2 wäre es so, als müssten die Astronauten nach ihrer Landung auf dem Mars die Kolonialisierung nur unter Berücksichtigung eines späteren Ortsbildes durchführen. Die Dachkonstruktionen sowie die Geschosshöhe sollten folglich in sich harmonisch bleiben. Dieses Beispiel mag vielleicht zu absurd erscheinen, jedoch bekam ich häufig genau diese Rückmeldung von Teilnehmern in Bezug auf die Umsetzung ihrer Unternehmenskultur. Wenn sich – bereits oben erwähnte – Werte wie ein »nachhaltiger Umgang mit der Umwelt« mit der Forderung, »mit dem Firmenwagen mindestens einmal wöchentlich durch die Waschstraße zu fahren«, duellieren, entfernen sich Mitarbeiter sehr schnell von solchen Unternehmenskulturen.

Doch am häufigsten zeigt sich Punkt 3 für das Scheitern einer Kulturentwicklung verantwortlich. Wenn die Einführung einer Kultur nicht unmittelbar mit dem Unternehmenserfolg im Zusammenhang gebracht wird, verlieren Führungskräfte in kurzer Zeit den Fokus darauf. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die meisten Unternehmen messen die Manager an betrieblichen Kennzahlen. Jegliche Werte, die nicht im Einklang mit diesen Vorgaben stehen, büßen schnell an Priorität ein. Die Unternehmenskultur verkommt so zu einem notwendigen Übel.

2V2A-Technik

Selbst wenn alle Mitarbeiter diese Unternehmenskultur verstehen, diese praxisorientiert verfasst wurde und sich durchaus mit der Unternehmensentwicklung im Einklang befindet, stellt sich dadurch immer noch nicht sicher, dass diese neuen Werte tatsächlich umgesetzt werden. Der Grund liegt darin, wie wir mit Veränderungen umgehen, aber auch wie Unternehmen Veränderungsprozesse normalerweise durchführen. Unter diesen Prozessen verstehe ich nicht nur die Einführung einer Unternehmenskultur. Darunter verstehe ich sämtliche »Innovationen« die in Betrieben implementiert werden und deren mangelnde Umsetzung sich mitunter gravierend auswirken kann.

Damit Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, dies künftig nicht passiert, stelle ich Ihnen nun gleich zu Beginn eine Lerntechnik vor, die ich seit inzwischen zwei Jahrzehnten einsetze und in meinen Seminaren vermittle.

Sie stammt von einem Mann namens Napoleon Hill, und er veröffentlichte sie erstmals in seinem berühmten Buch Denke nach und werde reich. Dieser Autor befand sich in seinem Jurastudium und verdiente sich nebenbei als Journalist etwas Geld dazu, als ihm im Alter von etwa zwanzig Jahren einer der damals reichsten Amerikaner, der Stahl-Baron Andrew Carnegie, einen interessanten Auftrag unterbreitete: Hill sollte untersuchen, ob bestimmte Erfolgsfaktoren existierten. Also Faktoren, an denen man Lebenserfolg festmachen konnte. Das Ganze spielte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts ab, und Napoleon Hill interviewte daraufhin die 500 erfolgreichsten Amerikaner, darunter Personen aus Wirtschaft, Industrie, Politik, Sport und Öffentlichkeit. Daraus entwickelte er, in zwölf Regeln, seine Thesen zum Erfolg im Leben. Sein wohl berühmtestes Werk, das den eingangs erwähnten deutschen Titel Denke nach und werde reich trägt, veröffentlichte Napoleon Hill erst im Jahre 1937. Dieses Buch wird heute noch gedruckt und es verkaufte sich weltweit etwa sechzig Millionen Mal. 3

Die Lerntechnik, die Hill aus seinen Recherchen entwickelte, lautet in ihrer deutschen Übersetzung »2V2A-Technik«, wobei die Bezeichnung für die jeweiligen Anfangsbuchstaben der einzelnen Schritte dieser Technik steht.

»Verstehen« lautet der erste Begriff daraus. Erst wenn wir etwas – einen Zusammenhang – verstehen, können wir sinnvolle Tätigkeiten ableiten. Naturgemäß neigen die meisten Menschen jedoch dazu, neues Wissen oder Anwendungen erstmal abzulehnen, sobald dadurch Bisheriges in Frage gestellt wird. Wir verhalten uns also lieber ein wenig misstrauischer, bevor wir vielleicht einen Fehler machen, der uns schaden könnte. Doch diese Einstellung muss nicht immer hilfreich sein und »Verstehen« hilft uns, diese Hürde zu überwinden.

Ehe wir demnach etwas ablehnen, sollten wir versuchen zu erfahren, welches Wissen beispielsweise hinter einer Sache steckt, welche Energie, welche Lebenserfahrung. Natürlich muss man das alles auch richtig einordnen können, also in den Kontext einer Aufgabe setzen. Im Laufe der Jahre durfte ich schon viele Teilnehmer erleben, die gegen neue Gedanken waren, ohne diese verstanden zu haben. An der Mimik und an der Körpersprache erkenne ich genau, teilweise noch bevor ich einen Satz zu Ende gesprochen habe, wenn jemand dagegen ist, bevor er die wirklichen Möglichkeiten umfassend verstanden hat. Das ist doch schade, so entgehen uns große Chancen. Hinterher darf man schon dagegen sein, aber bitte nicht von vorneherein.

Wenn man es dann verstanden hat, im ersten Schritt, muss man in der Lage sein, Verbindungen herzustellen, womit wir bereits beim zweiten Punkt der Lerntechnik nach Napoleon Hill ankommen. Verbindungen herstellen, und zwar passend zur eigenen Situation, dies versteht Hill im Wesentlichen darunter. Man sollte daher in der Lage sein, übertragen zu können. »Abstraktionsfähigkeit« lautet an dieser Stelle das Zauberwort. Diese hilft uns, einen Bezug zwischen vorhandenen Informationen herzustellen und wie uns diese dabei helfen, unser Ziel zu erreichen. Abstraktionen sind sicherlich auch ein Gradmesser für praktische Intelligenz, denn wer nichts übertragen kann, um den müssen wir uns wirklich Sorgen machen.

Nachdem ich übertragen habe, folgt Schritt drei der 2V2A-Technik, nämlich »Anpassen«.

An dieser Stelle gebe ich zu, diesen Punkt selbst viele Jahre vernachlässigt zu haben. Nicht nur das, ich wendete diesen Schritt sogar falsch an, weil ich einen wesentlichen Punkt dabei völlig unberücksichtigt gelassen habe. Hier spreche ich vom sogenannten »Tiefenwissen«. Als Tiefenwissen bezeichne ich ein Verständnis, das sich von angelerntem Wissen elementar unterscheidet. Was ich darunter verstehe, möchte ich Ihnen an einem Beispiel näherbringen: Ich laufe leidenschaftlich gerne, und zwar lange Distanzen. Als ich damit begann, konnte ich mir alles über Langstreckenlaufen anlesen. Ich wusste also bereits nach kurzer Zeit wunderbar darüber Bescheid, welche Schritttechnik auf unterschiedlichem Gelände optimal wäre, wie ich meine Atmung kontrolliere und welche mentalen Hindernisse mich während eines Marathons belasten könnten. Durch meine Recherchen erwarb ich also ein durchaus beachtliches Maß an angelesenem – theoretischem – Know-how, jedoch fehlt diesem ein fundamentaler Aspekt. Hier spreche ich von Erfahrung, von praktischem Wissen. Tiefenwissen entsteht erst dann, wenn ich Theorie mit praktischer Erfahrung verbinde, entsprechend meinem Beispiel: wenn ich meinen ersten Marathon gelaufen bin.

Nur dann weiß ich, wie wenig mir alles theoretische Wissen über Lauftechniken hilft, wenn sich nach zwanzig Kilometern die erste Blase an der Ferse bildet, oder ich am liebsten sofort stehen bleiben möchte und ich nun mein angelesenes Wissen über Mentaltechniken in der Praxis einsetzen kann. Ab diesem Moment bekommt für mich theoretisches Wissen einen Wert, nämlich einen Erfahrungswert. Erst dann stelle ich wahrscheinlich fest, welche Techniken für mich, also in meinem höchst individuellen Fall, funktionieren und welche nicht!

Alle Menschen, die nur über angelerntes Wissen, oder Sekundärwissen, verfügen, gehen den dritten Schritt der Lerntechnik nach Napoleon Hill falsch an. An dieser Stelle gibt es auch nichts zu beschönigen.

Was bedeutet das? Diese Personen setzen erlerntes Wissen eins zu eins um, ohne auf die jeweiligen Rahmenbedingungen zu achten, die zwischen diesem Wissen und meinem Ziel stehen. Wenn die Erfahrung fehlt, orientieren wir uns an unserem erlernten Wissen, mehr noch: Wir klammern uns mitunter sogar daran, wie der Ertrinkende an einen Strohhalm. Da diese Menschen also nicht wissen, worauf es in der Praxis ankommt, erheben sie Methoden zum Selbstzweck. Hier geht es dann nicht mehr darum, das angestrebte Ziel bestmöglich zu erreichen, sondern sie unternehmen alles, um die Methode selbst umzusetzen. Das bedeutet wiederum, alles muss der Methode angepasst werden, manchmal sogar das eigentliche Ziel.

Meine Bitte an Sie als Leser lautet daher: Passen Sie alle Instrumente an. Bedingungslos.

Und zwar an Ihre Stärken, an das, was zu Ihnen passt, aber auch an die Kultur sowie die Geschichte Ihres Unternehmens.

Sämtliche Methoden, die Sie in diesem Buch kennenlernen, sind weder gut noch schlecht; sie können zu Ihnen und Ihrer Geschichte passen oder auch nicht. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Sie alles darauf überprüfen: Passen sie zu Ihrem Unternehmen, zu den Mitarbeitern, zur Kultur Ihres Betriebes? Dies formulierte der Philosoph Odo Marquart auf sehr anschauliche Weise: »Zukunft braucht Herkunft.«4

Das bedeutet, die Methode ist immer nur Mittel zum Zweck und nie Selbstzweck. Wichtiger als eine Methode selbst ist jedoch die Fähigkeit, Menschen mitzunehmen. Deshalb müssen alle Verfahren immer an die Spezifika einer Unternehmenskultur angepasst werden.

Diese Fragen sollten Sie sich im Laufe dieses Buches immer wieder stellen. Erst dann sorgen Sie für einen intelligenten Anpassungsprozess und vermeiden die Gefahr, angelerntes Wissen mit Tiefenwissen zu verwechseln.

Nach der Anpassung folgt der vierte Schritt und dieser lautet: »Anwenden.«

Sie kennen bestimmt den Spruch: »Wissen ist Macht.«

Aus meiner Sicht ist dieses Zitat unvollständig, denn letztlich bedeutet nur angewandtes Wissen Macht!

Aus diesem Ansatz heraus möchte ich Sie motivieren, alle Ideen, Vorschläge und Empfehlungen in diesem Buch auch praktisch anzuwenden. Die Erfahrungen, die Sie dabei machen, sorgen nämlich dafür, dass Sie sämtliche Techniken aus diesem Buch so lange anpassen werden, bis diese zu Ihnen, Ihren Mitarbeitern und der Kultur Ihres Unternehmens optimal passen. Wenn Sie das so durchführen, werden Sie feststellen, Veränderungen benötigen Zeit. Mehr noch: Es existieren keine Abkürzungen. Aus meiner, inzwischen langjährigen, Erfahrung durfte ich so oft feststellen, dass jegliche scheinbare Abkürzung sich letztlich doch als Umweg erweist, dass ich heute sicher behaupten kann: Abkürzungen in Lern- und Erfahrungsprozessen sind im Endeffekt nichts anderes als – meist – schmerzhafte Abstecher, die auf den ursprünglichen Weg zurückführen.

Sie erfahren in der Phase »Anwenden«, dass jeder, der Dinge verändern möchte, sich an irgendeiner Stelle eine blutige Nase holt. Ich habe es zumindest noch nie anders erlebt. Der Grundsatz, den wir alle kennen: »Der Zwillingsbruder der Veränderung ist der Widerstand«, wird sich in jedem Veränderungsprozess hinderlich auswirken. Ob wir wollen oder nicht. Mit anderen Worten bedeutet es, Veränderungen benötigen Beharrlichkeit. Wir müssen also an diesen angestoßenen Prozessen dranbleiben, auch falls wir – in der Anfangsphase – scheinbar gegen Windmühlen ankämpfen.

Wenn wir von Kulturveränderungen in Unternehmen reden, sprechen wir für gewöhnlich von einem Zeitraum von 3 bis 8 Jahren, bis diese Umwälzungen Früchte tragen.

In der Praxis verläuft es normalerweise so, dass wir uns so lange zwischen den Schritten »Anpassen« und »Anwenden« hin und her bewegen, bis wir unser eigentliches Ziel erreichen. Wir passen also Wissen, Angelerntes sowie Tiefenwissen, der uns vorherrschenden Situation an, bis wir die für uns jeweils optimale Methode finden.

Never give up!

An dieser Stelle sei gesagt, bei jeglicher Art von Veränderungen wird es zu Schwierigkeiten in der Umsetzung kommen. Ganz gleich, wie perfekt ich diese vorbereite.

Dazu erteilte mir der Marathonlauf eine Lehre fürs Leben. Wie ich bereits ein Stück weiter oben andeutete, zählt der Laufsport zu meiner bevorzugten Freizeitaktivität. Als ich mich 2011 für den New-York-City-Marathon vorbereitete, sagte mein damaliger Lauftrainer den wohl wichtigsten Satz in meinem Leben, den ich jedoch bis zu diesem Zeitpunkt nie wirklich ernst nahm: »Never give up!«

Niemals aufgeben.

Mein Trainer lief diesen Marathon bereits einige Male und er verriet mir, gerade in dieser Stadt seien die Anforderungen an die Läufer unvorstellbar hoch. Beginnend mit der gewaltigen Zahl an Teilnehmern, die einem insbesondere auf den ersten Kilometern ein beklemmendes Gefühl geben können, hinzu kamen die vielen Steigungen und selbst das Wetter kann Kapriolen schlagen.

»Never walk«, ergänzte er. Gehe niemals!

Auch wenn ich mich total kaputt fühlte, durfte ich keinen Meter gehen, sondern musste immer in meinem Laufmodus bleiben. Diese Worte hörte ich im Training gefühlte hundert Male, bis es endlich soweit war und ich im Startbereich eines der berühmtesten Veranstaltungen für Marathonläufer Adrenalin durchflutet, mit Gänsehaut und feuchten Augen darauf wartete, dass es endlich losging.

Auf der Pulaski Bridge in Queens stand ein Schild: »half way to heaven.« Hier beginnt der Marathon eigentlich erst. Mit Beginn der zweiten Hälfte beginnen sich die kleinen Fehler zu rächen, die ich auf den ersten Kilometern machte. Obwohl ich auf mein Tempo achtete, lief ich nämlich, adrenalindurchflutet, doch etwas zu schnell.

Nun wirkten sich das hohe Anfangstempo und die sich ständig ändernde Bodenbeschaffenheit schmerzhaft aus. Kopfsteinpflaster löste Asphaltstraßen ab, gefolgt von Abschnitten mit einer Menge an Schlaglöchern. Auch die Brücken mit ihren insgesamt knapp fünfhundert Höhenmetern, die ich im Laufe dieses Marathons überqueren musste, forderten ihren Tribut bei mir ein.

»Never walk« lautete die Regel und ich verstieß einige wenige Male dagegen. Der Satz »einmal ist keinmal« gilt hier nicht. Sobald man einmal nachlässt, liegt das nächste Mal bereits in der Luft.

Letztlich musste ich alles geben und über meine Grenzen hinausgehen, um es ins Ziel zu schaffen. Dort erlebte ich dann zehn Sekunden wirklichen Glücks, ein unvergleichbares Gefühl, wofür sich alleine deshalb die ganze Anstrengung gelohnt hatte.

Was bedeutet diese kleine Geschichte nun für uns?

Wenn es schwer wird, wird es auch wieder leichter. Darauf können Sie sich verlassen und niemals habe ich es anders erlebt. Vorausgesetzt, ich habe mich jedes Mal der Herausforderung gestellt und diese letztlich zu Ende durchgeführt.

Dieser Marathon war extrem anstrengend, und phasenweise dachte ich, ich hätte keine Kraft mehr. Doch plötzlich kam sie wieder und ich konnte weiterlaufen. Wie aus dem Nichts spürte ich diese Energie im Körper, die mich weiter vorwärts trug. Genau das wird Ihnen widerfahren, sobald Sie in Ihrem Unternehmen Veränderungen durchführen: Hindernisse bauen sich auf, und falls Sie beharrlich bleiben, lösen sich diese wieder auf. Manchmal wie von Zauberhand, dann wieder nur durch Ihren eisernen Willen.

Ein weiterer Punkt erscheint mir an dieser Stelle wichtig: Grenzen existieren meist nur im Kopf. Wir alle können viel mehr erreichen, als wir uns selbst zutrauen.

Schließlich gibt es noch etwas, das ich Ihnen besonders ans Herz legen möchte. Wenn es einmal richtig schwer wird und beinahe keine Energie mehr vorhanden ist, nehmen Sie den Blick weg vom weit entfernten Ziel und richten Sie diesen nur noch auf das Hier und Jetzt. Wenn Sie denken, bei Kilometer 33 geht nichts mehr, dann versichere ich Ihnen, die nächsten drei Schritte klappen immer noch. Und dann gehen auch wieder fünfhundert Meter, und so weiter. Wenn in einem Veränderungsprozess viele Schwierigkeiten auftreten und das Ziel in weiter Ferne scheint, dann fokussieren Sie sich ganz auf den nächsten, kleinen Schritt. Wie uns Goethe schon wissen ließ, es ist besser, zehn Prozent zu 100 Prozent erledigt zu haben, als hundert Prozent zu 10 Prozent.

Doch am Ende des Tages zählt immer nur das Ergebnis, und wenn Sie wirklich etwas erreichen wollen, schaffen Sie das auch.

Bleiben Sie dran und geben Sie Ihr Bestes! Wenn Sie das machen, kommt die Energie irgendwann wieder. Hier zeigt sich das Denkgesetz von Nikolaus Enkelmann: »Nur verbrauchte Energie fließt nach.«5

An dieser Stelle möchte ich Ihnen ein weiteres Beispiel zum Thema »Never give up!« geben. Vielleicht erinnern Sie sich an die Olympischen Spiele 1992 in Barcelona. Im 400-Meter-Halbfinale der Herren trat unter anderem der Brite Derek Redmond an, der als einer der Mitfavoriten für einen Platz auf dem Podest galt.

Wenige Sekunden nach dem Start ging ein Raunen durch die Zuschauermenge, denn Redmond sprang kurz hoch, verkrampfte sich und fasste sich an sein rechtes Bein. Während die anderen Läufer an ihm vorbei zogen, humpelte er einige Meter lang und wahrscheinlich jeder im Stadion ahnte, sein Traum von einer Olympischen Medaille war an dieser Stelle Geschichte. Er konnte das Rennen also aufgeben, denn mehr als ein letzter Platz war nicht drin. Außerdem erlitt er augenscheinlich einen Muskelfaserriss und riskierte womöglich eine schwerwiegende Verletzung, wenn er sich nicht sofort schonte.

Doch Derek Redmond gab nicht auf.

Mehr humpelnd als laufend setzte der Brite schließlich nach einer kurzen Pause, mit schmerzverzehrtem Gesicht seinen Weg fort. Nach und nach realisierte das Publikum, was unter ihnen passierte und es setzte tosender Applaus im Olympiastadion in Barcelona ein. Einhundert Meter vor dem Ziel kam sein Vater auf die Bahn gelaufen, wich immer den zahlreichen Sicherheitsleuten aus, um schließlich seinen Sohn zu stützen, damit sich dieser, inzwischen unter Tränen, auf den letzten Metern seinen Traum doch noch erfüllen konnte.

Sein Traum bestand nämlich darin, bei den Olympischen Spielen im 400-Meter-Finale das Ziel zu erreichen. Dafür arbeitete der junge Mann unglaublich hart, und er ließ sich dabei von nichts und niemanden abbringen, wie er später in einer TV-Sendung erzählte.

Was möchte ich mit dieser Geschichte ausdrücken? Obwohl Derek Redmond nicht aufgab, erreichte er sein Ziel nicht, eine Medaille zu gewinnen? Keiner ahnte zu diesem Zeitpunkt, welche Türen sich für den Briten mit dem eisernen Willen öffneten. Letztlich verdiente er weit mehr als der damalige Goldmedaillen-Gewinner im 400-Meter-Lauf, Quincy Watts aus den USA, denn plötzlich wollte jeder seine Geschichte hören. Redmond hielt Vorträge über Motivation und dabei erzählte er immer wieder von seinem schicksalsreichen Tag in Barcelona und warum er nicht aufgab, sondern weiterlief. Sein Schicksal machte ihn zu einem reichen Mann. So wurde er zu einem Gewinner, obwohl er sich seinen eigentlichen Traum nicht erfüllen konnte.

Was lernen wir daraus? Wenn wir dranbleiben, erreichen wir etwas. Auch falls es vielleicht nicht das ursprünglich angestrebte Ergebnis ist, wir werden am Ende des Tages Erfolg haben, eben weil sich plötzlich neue Möglichkeiten erschließen. Wege, an die wir zu Beginn überhaupt nicht dachten.

Anders ausgedrückt: Am Ende steckt immer ein Gewinn dahinter, wenn ich bereit bin, das Beste zu geben.

Geben Sie Ihr Bestes

Viktor Frankl, einer der größten Psychologen des vorigen Jahrhunderts neben Freud, Jung und Adler, schreibt man folgendes Zitat zu: »Der einzige Weg zu Glück und Zufriedenheit besteht darin, mache das, was du tust, mit voller Hingabe und gib dabei dein Allerbestes. Dann erhältst du Lebensglück als Nebenprodukt geschenkt.«

Vielleicht mag dieser Ansatz philosophisch anmuten, doch er enthält einen wichtigen Aspekt für alle Manager, die in ihren Unternehmen etwas bewegen wollen: Es geht niemals darum, etwas irgendwie zu machen. Es geht immer darum, alles mit voller Leidenschaft durchzuführen. Erst dann bekommen wir als Produkt ein Ergebnis, das uns und unser Unternehmen erfolgreicher werden lässt. Selbst wenn es nicht das ursprünglich angestrebte Ziel ist, kann sich daraus ein wertvoller Gewinn entwickeln. Wenn Sie so wollen, liegen genügend Goldstücke auf Ihrem Lebenspfad verteilt. Die meisten davon jedoch versteckt unter dem Laub, und erst wenn Sie Ihren Blick auch mal nach links oder rechts richten, entdecken Sie diesen Schatz, der Ihnen womöglich sonst verborgen geblieben wäre. Unter diesen Aspekten erkennen wir auch die Bedeutung des Satzes: Der Weg ist das Ziel.

An dieser Stelle möchte ich Franklin D. Roosevelt zitieren: »Tue dort, wo du bist, mit dem, was du hast, das, was du kannst.«6 Nicht mehr und nicht weniger. Wer mehr gibt, der macht sich letztlich kaputt. Wer weniger gibt, wird immer unzufrieden bleiben, wird niemals ein inneres Glücksempfinden entwickeln können.

Alle diese Zitate entstammen meinen persönlichen Erfahrungen. Wobei ich die Erfahrungen im Laufe der letzten nahezu dreißig Jahre als Trainer machen durfte und jedes Mal, wenn ich ein passendes Zitat dazu entdeckte, schrieb ich es mir auf.

Ich studierte ursprünglich Maschinenbau, und als im Jahre 1990 meine Karriere als Trainer begann, galt ich als fachfremd. Damals stellte ich fest: Auch wenn ich nicht über ein perfektes Wissen und vollkommene technische Fertigkeiten verfüge, jedoch immer alles an Leidenschaft und Energie gebe, bekomme ich die Chance, andere Menschen zu erreichen. Wenn ich etwas perfekt mache, aber nicht alles gebe, erreiche ich niemanden. Nur wenn ich tatsächlich Vollgas gebe, mich total verausgabe, nichts dabei zurückhalte, alles, das ich an Energie besitze, habe ich die Chance, Menschen zu erreichen. Sonst nicht.

Dazu möchte ich Ihnen eine passende Metapher erzählen: Ein Flugzeugpilot wird beim Starten immer Vollgas geben. Er weiß nämlich ganz genau, wenn er lediglich 70 Prozent Schub gibt, wird es ihm nicht gelingen, das Flugzeug zum Abheben zu bringen. Erst bei 100 Prozent wird er erfolgreich sein, leistet er weniger, scheitert er. Dann liegt er bei null Prozent Erfolg. Umgelegt auf die Entwicklung einer Unternehmenskultur bedeutet dies, nur wenn man sich voll einbringt und man sein Bestes gibt, hat man die Chance, andere Menschen zu erreichen. Das gilt natürlich gleichermaßen für die Mitarbeiterführung, Projektarbeit und sämtliche Aspekte der unternehmerischen Tätigkeit.

Das meine ich mit: Mein Bestes geben.

Aus meiner Erfahrung legen viele Führungskräfte bei ihrem Handeln den Fokus zu sehr auf das gewünschte Ergebnis, statt sich in der Interaktion im Hier und Jetzt zu befinden. Oftmals nutzen sie diese Interaktion als Mittel zum Zweck, um das Ziel zu erreichen, doch letztlich sollte es sich genau andersrum verhalten: Nur wenn wir uns mit unseren Mitarbeitern, Kollegen, Lieferanten etc. im Kontakt befinden, nur dann können wir diese Menschen berühren. Nur dann kann unser Handeln unser erwünschtes Ergebnis erzielen. Das bedeutet aber auch, wir müssen uns mit diesen Personen komplett einlassen. Sollten wir während eines Gespräches gedanklich bereits zum übernächsten Schritt wandern, wird es der Gesprächspartner ziemlich schnell merken. Mit dem Ergebnis, dass dieses Gespräch qualitativ anders verläuft, als wäre man voll und ganz anwesend gewesen. Sobald wir unsere Aufmerksamkeit nicht völlig unserem Gegenüber widmen, verändern wir bereits den direktesten Weg zum Ziel. Mehr noch: Wir können es dadurch sogar torpedieren und das nur, weil wir den Fokus zu sehr auf das Ziel selbst richten, als auf den Weg dorthin.

Unternehmen verändern ihre Kultur permanent, auch wenn es die meisten von ihnen nicht merken. Mit jedem neuen Großkunden, mit jeder Produkteinführung, mit jeder neuen Führungskraft passt sich automatisch die Unternehmenskultur an. Hier sprechen wir nicht von großen Veränderungen, sondern es handelt sich um manchmal minimale Anpassungen. Diese Entwicklungen müssen im ersten Schritt bewusst wahrgenommen und anschließend mit der 2V2A-Technik umgesetzt werden. Nur so kann eine Kulturschädigung vermieden werden, ein Abweichen vom ursprünglichen Ziel. Ein wesentlicher Indikator, der auf Kulturveränderungen hinweist, ist die Arbeitssicherheit. Jegliche Veränderung dabei ist immer ein untrügliches Zeichen dafür, dass eine Kulturänderung im Unternehmen stattfand. Wie Sie künftig damit umgehen sollten und wie sich Arbeitssicherheit als bedeutender Faktor für die Unternehmenskultur, aber auch für den Erfolg eines Betriebes ausdrückt, erfahren Sie in den folgenden Kapiteln.