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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Zum Normenhandbuch Eurocode 7

1.1 Allgemeines

1.2 Einwirkungen, geotechnische Kenngrößen, Widerstände

1.3 Charakteristische und repräsentative Werte

1.4 Grenzzustände

1.5 Bemessungssituationen und Teilsicherheitsbeiwerte

1.6 Bemessungswerte

1.7 Rechnerische Nachweisführung der Tragsicherheit

1.8 Beobachtungsmethode

2 Frost im Baugrund

2.1 Allgemeines und Regelwerke

2.2 Homogener und nicht homogener Bodenfrost

2.3 Frostkriterien

2.4 Frosttiefen und frostfreie Gründungen

2.5 Frostschäden und Maßnahmen zu ihrer Vermeidung

3 Baugrundverbesserung

3.1 Allgemeines und Regelwerke

3.2 Verdichtung von Böden

3.3 Bodenaustauschverfahren

3.4 Injektionsverfahren

3.5 Düsenstrahlverfahren

4 Flachgründungen

4.1 Allgemeines und Normen

4.2 Begriffe und Grundlagen

4.3 Entwurf, Auswahl und konstruktive Forderungen

4.4 Einwirkungen und Widerstände

4.5 Äußere Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit

4.6 Einzelfundamente

4.7 Streifenfundamente

4.8 Gründungsbalken

4.9 Gründungsplatten

5 Pfähle

5.1 Allgemeines und Regelwerke

5.2 Einteilungen der Pfähle

5.3 Verdrängungspfähle

5.4 Bohrpfähle

5.5 Mikropfähle

5.6 Pfahlkopfanschlüsse

5.7 Tragverhalten von Pfählen

5.8 Tragverhalten von Pfählen gemäß DIN EN 1997-1

5.9 Horizontalbelastungen von Pfählen

5.10 Axial belastete Vertikalpfahlgruppen, äußeres Tragverhalten

5.11 Horizontal belastete Vertikalpfahlgruppen, Einwirkungen und Widerstände

5.12 Probebelastung von Pfählen

5.13 Dynamische Integritätsprüfung bei Pfählen

6 Pfahlroste

6.1 Allgemeines

6.2 Einteilungen von Pfahlrosten

6.3 Kriterien zur Wahl und Anordnung der Pfahlrostpfähle

6.4 Pfahlkraftermittlung statisch bestimmter ebener Pfahlroste

6.5 Berechnung statisch unbestimmter Pfahlroste

6.6 Geländebruch bei Stützkonstruktionen mit Pfahlrosten

6.7 Ausführungsbeispiele für Pfahlroste

7 Verankerungen

7.1 Allgemeines und Regelwerke

7.2 Abtragung von Verankerungskräften

7.3 Begriffe für Verpressanker

7.4 Korrosionsschutz für Verpressanker

7.5 Herstellung von Verpressankern

7.6 Verpressankerbemessung und -nachweise

7.7 Prüfungen von Verpressankern gemäß DIN EN 1537

7.8 Herauszieh-Widerstände und Kriechmaß

7.9 Voraussetzungen für die Verwendung von Verpressankern

7.10 Wahl geeigneter Ankersysteme

7.11 Entwurfsregeln für Verpressankerlänge und -anordnung

7.12 Standsicherheit des Gesamtsystems bei Ankergruppen

8 Wasserhaltung

8.1 Allgemeines und Regelwerke

8.2 Grundwasserströmung

8.3 Hydraulischer Grundbruch

8.4 Erosionsgrundbruch

8.5 Verfahren der Wasserhaltung

8.6 Schwerkraftentwässerung

8.7 Unterdruckentwässerung

8.8 Gesetz von Darcy, Gültigkeitsgrenzen

8.9 Arten von Grundwasserleitern

8.10 Berechnungsformeln

9 Stützmauern (Gewichtsstützwände)

9.1 Allgemeines

9.2 Regelwerke und Begriffe

9.3 Bedingungen und Gesichtspunkte beim Entwurf

9.4 Stützmauertypen

9.5 Einwirkungen und Widerstände

9.6 Nachweis der Tragfähigkeit

9.7 Nachweis der Gebrauchstauglichkeit

9.8 Entwässerung

10 Spundwände

10.1 Allgemeines und Regelwerke

10.2 Einsatz von Stahlspundwänden

10.3 Profile von Stahlspundwänden

10.4 Einbringung von Stahlspundbohlen

10.5 Berechnung von Spundwänden

11 Pfahlwände

11.1 Allgemeines

11.2 Anwendungsbereiche

11.3 Regelwerke

11.4 Wandtypen

11.5 Herstellung

11.6 Tragverhalten

11.7 Bemessung

12 Schlitzwände

12.1 Allgemeines

12.2 Anwendungsbereiche

12.3 Regelwerke und Begriffe

12.4 Aushubwerkzeuge

12.5 Herstellungsverfahren

12.6 Herstellung von Schlitzwänden

12.7 Tonsuspensionen, Fließgrenze und thixotrope Verfestigung

12.8 Übertragung des Stützflüssigkeitsdrucks

12.9 Standsicherheit des gestützten Schlitzes

12.10 Standsicherheit der erhärteten Wand

13 Aufgelöste Stützwände

13.1 Allgemeines

13.2 Zulässige Böschungswinkel β nach DIN-Normen

13.3 Grundlagen

13.4 Raumgitterwände

13.5 Bewehrte Erde

13.6 Bewehrung mit Geokunststoffen

13.7 Bodenvernagelung

14 Europäische Normung in der Geotechnik

14.1 Allgemeines

14.2 Deutsche und europäische Normung

14.3 Eurocode 7

14.4 Europäische geotechnische Ausführungsnormen

14.5 Weitere europäische geotechnische Normen

14.6 Bauaufsichtliche Einführung

Literaturverzeichnis

Firmenverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Inserentenverzeichnis

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Für Susanne

Vorwort

Mit der bauaufsichtlichen Einführung von DIN 1054:2005-01 ist das Konzept der Teilsicherheiten auch bezüglich der Geotechnik in die Bauordnungen der Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen worden. Verbunden mit einer ca. 2-jährigen Übergangszeit wurde das Konzept der globalen Sicherheiten abgelöst. Dieser Vorgang erfolgte zwar mit Blick auf die europäische Normung, bei den in die Liste der Technischen Baubestimmungen aufgenommen Normen handelte es sich aber, mit Ausnahme von DIN EN 1535 (Ausführung von Bohrpfählen), durchweg um rein nationale Normen.

In diesem Jahr (2012) werden in der Bauordnung die rein nationalen Normen durch europäische Normen ersetzt (im Bereich der Geotechnik ist dies vor allem der Eurocode 7). Nationale Normen dienen in Zukunft der Ergänzung der europäischen Normen. Für diesen Schritt wird es keine Übergangszeit geben.

Für die in der Praxis tätigen Ingenieurinnen und Ingenieure ist dies verbunden mit dem Kennenlernen vieler neuer Normen. Da nun zur gleichen Thematik oftmals gleichzeitig mehrere Normen zu berücksichtigen sind und dieses als wenig anwenderfreundlich zu bewerten ist, wurden auf dem Gebiet der Geotechnik zwei Normen-Handbücher veröffentlicht, mit denen das Arbeiten mit den Normen erleichtert werden soll. Beide Bände beinhalten jeweils drei Normen, bei denen es sich um den Eurocode 7, den zugehörigen Nationalen Anhang und eine ergänzende nationale Norm handelt. Im Band 1 (Allgemeine Regeln) sind das DIN EN 1997-1, DIN EN 1997-1/NA und DIN 1054. Insgesamt ist festzustellen, dass der Seitenumfang der im jeweiligen Anwendungsfall zu berücksichtigenden Normen enorm zugenommen hat.

Mit dem vorliegenden Buch wird eine Unterlage zur Verfügung gestellt, die den Umgang mit dem neuen Regelwerk erleichtern soll. Neben einer Vielzahl von Formeln, Tabellen, Grafiken, Bildern und Verweisen auf zu beachtende Textstellen in Normen findet sich zusätzlich eine Reihe von Anwendungsbeispielen, da auch im Berufsleben stehende Ingenieure Neues gern anhand von Fallbeispielen erlernen.

Trotz des nicht unerheblichen Umfangs des Buches waren, auch aus Kostengründen, Einschränkungen bezüglich der Auswahl und der Behandlung der einzelnen Themengebiete erforderlich. Wegen des damit verbundenen teilweisen Verzichts auf Vollständigkeit bzw. Ausführlichkeit wird an vielen Stellen auf weitergehende Literatur verwiesen.

Anregungen und kritische Stellungnahmen meiner Leser erhoffe ich, denn erst durch das Infragestellen und neue Überdenken eröffnen sich Wege zur Verbesserung des Erreichten.

Berlin im Februar 2012

Gerd Möller

1

Zum Normenhandbuch Eurocode 7

1.1 Allgemeines

Die neuesten Fassungen von DIN EN 1997-1:2009-10 [107], DIN 1054:2010-12 [41] und DIN EN 1997-1/NA:2010-12 [108] wurden in dem Normen-Handbuch „Geotechnische Bemessung“ [242] zusammengeführt, um die Verwendung dieser Normen für den Nutzer (Bauherren, Planer, Unternehmer und Verwaltungen) anwenderfreundlicher zu gestalten. Alle drei Normen basieren auf dem Teilsicherheitskonzept und regeln den Entwurf, die Berechnung und Bemessung in der Geotechnik sowie die geotechnischen Einwirkungen bei Gebäuden und Ingenieurbauwerken sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene.

Während die in DIN EN 1997-1 zu findenden Regeln europaweit gelten, beinhalten DIN EN 1997-1/NA und DIN 1054 nur für Deutschland geltende Bestimmungen. Der Nationale Anhang (DIN EN 1997-1/NA:2010-12) enthält Verfahren, Werte und Empfehlungen mit Hinweisen, die gemäß DIN EN 1997-1 der nationalen Festlegung vorzubehalten sind (Näheres z. B. im Vorwort von DIN EN 1997-1). Da DIN 1054 ausschließlich ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-1 beinhaltet, ist sie nur in Verbindung mit DIN EN 1997-1 und DIN EN 1997-1/NA anwendbar.

Bei den einzelnen Regelungen in DIN EN 1997-1 ist zwischen „Grundsätzen“ und „Anwendungsregeln“ zu unterscheiden. Die Grundsätze betreffen

– allgemeine Feststellungen und Begriffsbestimmungen, zu denen es keine Alternative gibt,
– Anforderungen und Berechnungsmodelle, von denen ohne ausdrückliche Zustimmung nicht abgewichen werden darf.

Grundsätze sind daran zu erkennen, dass ihnen der Buchstabe P vorgestellt ist.

Bezüglich der Anwendungsregeln gilt, dass sie

– Beispiele anerkannter Regeln sind, die den Grundsätzen entsprechen,
– durch alternative Regeln ersetzt werden dürfen, wenn diese

Die in DIN 1054 zu findenden nationalen Ergänzungen zu DIN EN 1997-1 sind Anwendungsregeln. Ein Beispiel hierfür ist die Einteilung der Bemessungssituationen.

In den folgenden Abschnitten wird auf einige Punkte eingegangen, die zur geotechnischen Bemessung auf der Basis von Berechnungen gehören (DIN EN 1997-1, 2.4).

Der Vergleich der oben aufgeführten Normen mit DIN 1054:2005-01 [42] zeigt eine Vielzahl von Änderungen, die insbesondere auch die geotechnischen Bemessungen auf der Basis von Berechnungen betreffen (DIN EN 1997-1, 2.4 und DIN 1054, 2.4). Hierfür werden u. a. Angaben zu

– Einwirkungen und ihren Kombinationen,
– Beanspruchungen,
– geotechnischen Kenngrößen,
– Widerständen,
– Grenzzuständen,
– Bemessungssituationen

benötigt, auf die in den nachstehenden Abschnitten näher eingegangen wird.

Zuvor sei allerdings noch darauf hingewiesen, dass das Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN) über das Internet u. a. Antworten auf Auslegungs-Anfragen zu DIN-Normen des Bauwesens zusammengestellt hat, mit deren Hilfe sich das Verständnis aktueller Normen vertiefen lässt. Der entsprechende Zugang ist kostenlos und erfolgt über http://www.din.de (Homepage des DIN), verbunden mit den aufeinanderfolgenden Mouseclicks auf den Button „Normen erarbeiten“, den Button „Normenausschüsse“, den Button „NA 005 Normenausschuss Bauwesen (NABau)“, den Button „Aktuelles“, den Button „Auslegungen zu DIN-Normen“ und schließlich den Button „Antworten zu Auslegungs-Anfragen“. Am Ende der so aufgerufenen Seite finden sich eine Reihe von Normen, zu denen entsprechende Informationen vorliegen. Mit einem Mouseclick auf z. B. „Auslegungen zu DIN 1054“ öffnet sich eine weitere Seite, an deren Ende über „Auslegungen zu DIN 1054“ ein entsprechendes pdf-File geöffnet und auch heruntergeladen werden kann. Es enthält neben Antworten zu Auslegungs-Anfragen auch Berichtigungen.

1.2 Einwirkungen, geotechnische Kenngrößen, Widerstände

Nach DIN EN 1997-1, 1.5.2 und DIN EN 1990 [99], 1.5.1 ist ein

– Bauwerk (Tragwerk) die planmäßige Anordnung miteinander verbundener Bauteile (einschließlich während der Bauausführung vorgenommener Auffüllungen) zum Zweck der Lastabtragung und zur Erzielung ausreichender Steifigkeit,
– Bauteil ein physisch unterscheidbarer Teil eines Tragwerks (z.B. Stütze, Träger, Deckenplatte, Gründungspfahl usw.).

Bei der Führung der in DIN EN 1997-1 geforderten Sicherheitsnachweise muss u. a. die Größe der Einwirkungen und Beanspruchungen, der geotechnischen Kenngrößen und der Widerstände bekannt sein.

Die nachstehenden Bezeichnungen sind DIN EN 1990, 1.5.3 [99] und DIN EN ISO 14689-1 [127] entnommen.

Einwirkung (F) Sammelbegriff für

– eine Gruppe von Kräften (Lasten), wie z. B. Eigenlasten sowie Wind-, Schnee- und Verkehrslasten, die auf ein Tragwerk einwirken (direkte Einwirkung),
– eine Gruppe aufgezwungener Verformungen oder Beschleunigungen (physikalisch oder chemisch verursacht), wie sie durch Temperaturänderungen, Feuchtigkeitsänderungen, Quellen oder Schrumpfen des Bodens, ungleiche Setzungen, Erdbeben usw. hervorgerufen werden können (indirekte Einwirkung).

geotechnische Einwirkung eine Einwirkung, die vom Boden, durch Bodenverfüllung oder Grundwasser auf das Bauwerk übertragen wird.

Kombination von Einwirkungen erfasst alle gleichzeitig auftretenden Einwirkungen bezüglich ihrer Bemessungswerte, wie sie für den Nachweis der Tragwerkszuverlässigkeit für einen Grenzzustand benötigt werden.

Auswirkung von Einwirkungen (E) durch Einwirkungen hervorgerufene

– Beanspruchungen von Bauteilen, wie z. B. Schnittkräfte, Momente, Spannungen und Dehnungen oder
– Reaktionen des Gesamtbauwerks, wie z. B. Durchbiegungen und Verdrehungen.

Zu den weiteren Begriffen in Verbindung mit der „Einwirkung“ gehören nach DIN EN 1990, 1.5.3 [99] u. a.

ständige Einwirkung (G),
veränderliche Einwirkung (Q),
statische Einwirkung,
dynamische Einwirkung,
quasi-statische Einwirkung,
charakteristischer Wert einer Einwirkung (Fk),
Bemessungswert einer Einwirkung (Fd),
repräsentativer Wert einer Einwirkung (Frep).

In DIN EN 1997-1, 1.5.2.7 findet sich die Definition für

Widerstand als mechanische Eigenschaft eines Bauteils oder Bauteil-Querschnitts, Einwirkungen ohne Versagen zu widerstehen (z. B. Widerstand des Baugrunds, Scherfestigkeiten, Steifigkeiten oder auch Biege-, Eindring-, Erd-, Herauszieh-, Knick-, Scher-, Seiten-, Sohl- und Zugwiderstand).

1.2.1 Einwirkungen

Einwirkungen können bezüglich ihrer anzusetzenden zahlenmäßigen Größen den verschiedenen Teilen von DIN EN 1991 entnommen werden. Die auszuwählenden Werte der geotechnischen Einwirkungen sind ggf. Schätzwerte, die sich im Zuge der Berechnung noch ändern können.

Für geotechnische Bemessungen sollten u. a. nach 2.4.2 von DIN EN 1997-1 und DIN 1054 als Einwirkungen berücksichtigt werden:

– geotechnische Einwirkungen wie
– Einwirkungen aus Bauwerken (Gründungslasten) wie z. B.

die im Regelfall in Höhe der Oberkante der Gründungskonstruktion anzugeben sind.

1.2.2 Geotechnische Kenngrößen

Nach DIN EN 1997-1, 2.4.3 sind für rechnerische Nachweise charakteristische geotechnische Kenngrößen zahlenmäßig anzugeben, mit deren Hilfe die Eigenschaften der Boden- und Felsbereiche zu erfassen sind, die für die Berechnungen bedeutsam sind. Die Ermittlung der Zahlenwerte kann z. B. durch Versuche auf direktem Wege oder über Korrelationen erfolgen. Der letztendlich zu wählende charakteristische Wert soll eine vorsichtige Schätzung des im Grenzzustand wirkenden Wertes darstellen. Bei der Festlegung des jeweiligen Werts sind auch vergleichbare Erfahrungen zu berücksichtigen.

1.2.3 Widerstände

Widerstände von Boden und Fels sind Schnittgrößen bzw. Spannungen, die im oder am Tragwerk oder auch im Baugrund wirken können und sich infolge der Festigkeit bzw. der Steifigkeit der Baustoffe oder des Baugrunds ergeben. Gemäß DIN 1054, Tabelle A 2.3 (identisch mit Tabelle 1-3) können sie auftreten als

– Scherfestigkeiten,
– Sohlwiderstände (Grundbruch- bzw. Gleitwiderstand),
– Erdwiderstände (Relativbewegung zwischen Konstruktion und Boden beachten),
– Eindring- und Herauszieh-Widerstände von Pfählen, Zuggliedern oder Ankerkörpern.

1.3 Charakteristische und repräsentative Werte

1.3.1 Charakteristische Werte

Für die Bemessung geotechnischer Bauwerke sind in einem ersten Schritt charakteristische Werte (Kennzeichnung mit dem Index „k“) festzulegen. Sie betreffen

– Einwirkungen Fk und Beanspruchungen Ek,
– geotechnischen Kenngrößen Mk,
– Widerstände Rk.

Die Werte charakteristischer Einwirkungen sind nach DIN EN 1997-1, 2.4.5.1 gemäß DIN EN 1990 [99] und den verschiedenen Teilen von DIN EN 1991 festzulegen.

Handelt es sich um charakteristische Werte von geotechnischen Kenngrößen, sind bei deren Wahl u. a. (vgl. 2.4.5.2 von DIN EN 1997-1 und DIN 1054)

– geologische und zusätzliche Informationen (wie z. B. Projekterfahrungen),
– Streuungen von Messgrößen,
– der Umfang der Feld- und Laboruntersuchungen sowie die Art und Anzahl der Bodenproben,
– die Ausdehnung des Baugrundbereichs, der das Verhalten des geotechnischen Bauwerks maßgeblich beeinflusst,
– die Möglichkeit, dass das geotechnische Bauwerk Lasten aus weicheren in festere Baugrundbereiche umlagert

zu beachten. Darüber hinaus sind die charakteristischen Werte anhand der Ergebnisse und abgeleiteter Werte aus Labor- und Feldversuchen zu wählen, wobei auch vergleichbare Erfahrungen zu berücksichtigen sind. Als charakteristischer Wert einer geotechnischen Kenngröße ist eine vorsichtig geschätzte Größe des Wertes zu vereinbaren, der im Grenzzustand wirkt. Handelt es sich bei der geotechnischen Kenngröße um die Scherfestigkeit, darf diese als vorsichtig geschätzter Mittelwert festgelegt werden, wenn sich der Boden ausreichend duktil verhält. Dies ist dann der Fall, wenn sich ein Verlust der Tragfähigkeit durch große Verformungen ankündigt. Nicht duktil verhalten sich z. B. wassergesättigte Böden mit sehr großen Porenzahlen n, die schon bei einer geringen Störung flüssig werden können (insbesondere zum Setzungsfließen neigende Sande oder Quicktone). Bei der Festlegung der charakteristischen Scherparameter ist zu beachten, dass die Werte der Kohäsion c' stärker streuen als die Werte des Reibungswinkels φ'.

Nach [42], 5.3, sind charakteristische Bodenkenngrößen grundsätzlich so festzulegen, dass die Ergebnisse der damit durchgeführten Berechnungen auf der sicheren Seite liegen.

1.3.2 Repräsentative Werte

Repräsentative Werte sind in den Normen DIN 1054, DIN EN 1990 [99] und DIN 1997-1 mit Einwirkungen verbunden. Zu ihrer Kennzeichnung wird der Index „rep“ verwendet.

Nach DIN EN 1997-1, 2.4.6.1 berechnet sich der repräsentative Wert einer Einwirkung mit dem charakteristischen Wert Fk der Einwirkung und dem Kombinationsbeiwert ψ zu

Gl. 1-1 c01_image001.jpg

Handelt es sich bei Fk um eine ständige Einwirkung oder um die Leiteinwirkung der veränderlichen Einwirkungen (dominierende Einwirkung), gilt nach DIN 1054, 2.4.6.1

Gl. 1-2 c01_image002.jpg

In Fällen, in denen mehrere veränderliche und voneinander unabhängige charakteristische Einwirkungen Qk, i gleichzeitig auftreten können, sind diese in einer „Kombination“ zusammenzufassen. Dies setzt allerdings Tragwerke voraus, die linear-elastisch berechnet werden können, da nur dann das Superpositionsprinzip gültig ist. Nachdem eine dieser Einwirkungen als Leiteinwirkung Qk, 1 festgelegt ist, ergibt sich der repräsentative Wert dieser Kombination mit Qk, 1 sowie den übrigen veränderlichen Einwirkungen Qk, i und den ihnen zuzuordnenden Kombinationswerten ψ0, i aus

Gl. 1-3 c01_image003.jpg

Die Zeichenkombination "=" hat darin die Bedeutung „ergibt sich aus“ und die Kombination "+" die Bedeutung „in Verbindung mit“. Bezüglich der Größe der zu wählenden Kombinationsbeiwerte ist auf DIN EN 1990 [99] sowie auf die für Hochbauten geltende Tabelle A 1.1 in DIN EN 1990/NA [100] hinzuweisen. In der Geotechnik ist nach DIN 1054, A 2.4.6.1.1 A (3) der Wert ψ0 = 0,8 zu verwenden.

1.4 Grenzzustände

Mit Grenzzuständen wird mögliches Versagen des Bauwerks oder des Baugrunds oder auch gleichzeitiges Versagen von Bauwerk und Baugrund erfasst. Zu entsprechenden Nachweisen gehörende Anforderungen hinsichtlich der Festigkeit, Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit von Bauwerken sind in DIN EN 1997-1 und DIN 1054 zu finden. Für rechnerische Nachweise benötigte Teilsicherheitsbeiwerte, die zu

– Einwirkungen und Beanspruchungen,
– geotechnischen Kenngrößen,
– Widerständen

gehören, lassen sich der jeweiligen Tabelle in DIN 1054 entnehmen (siehe Abschnitt 1.5).

Bei den Grenzzuständen ist zwischen dem Grenzzustand der

– Gebrauchstauglichkeit SLS (Serviceability limit state) und
– Tragfähigkeit ULS (Ultimate limit state)

zu unterscheiden. Der Grenzzustand SLS erfasst den Zustand von Bauwerken oder Bauteilen, in dem deren Nutzung nicht mehr zulässig ist, obwohl ihre Tragfähigkeit noch nicht verloren ging (die zu erwartenden Verschiebungen und Verformungen sind mit dem Zweck des Bauwerks oder Bauteils nicht mehr vereinbar). Bei entsprechenden Nachweisen werden ausschließlich zu Einwirkungen und Beanspruchungen gehörende Teilsicherheitsbeiwerte benötigt, die zum Grenzzustand SLS gehören (vgl. Tabelle 1-2)). Der bei Tragfähigkeitsnachweisen (Festigkeit und Standsicherheit) zu beachtende Grenzzustand ULS gliedert sich hingegen in die Grenzzustände

– HYD (hydraulic failure, Grenzzustand des Versagens durch hydraulischen Grundbruch), er betrifft das Versagen infolge Strömungsgradienten im Boden (Beispiele: hydraulischer Grundbruch, innere Erosion und Piping) und ist, bezüglich der Teilsicherheitsbeiwerte, mit Einwirkungen, Beanspruchungen und geotechnischen Kenngrößen verbunden (vgl. Abschnitt 1.5),
– UPL (uplift, Grenzzustand des Verlustes der Lagesicherheit des Bauwerks oder Baugrunds infolge von Aufschwimmen), er betrifft den Gleichgewichtsverlust von Bauwerk oder Baugrund infolge Aufschwimmen durch Wasserdruck (Auftrieb) oder anderer vertikaler Einwirkungen und ist, bezüglich der Teilsicherheitsbeiwerte, mit Einwirkungen, Beanspruchungen und geotechnischen Kenngrößen verbunden (vgl. Abschnitt 1.5),
– EQU (equilibrium, Grenzzustand des Verlustes der Lagesicherheit), er betrifft den Gleichgewichtsverlust des als starren Körper angesehenen Tragwerks oder des Baugrunds (für den Widerstand sind dabei die Festigkeit der Baustoffe und des Baugrunds ohne Bedeutung) und ist, bezüglich der Teilsicherheitsbeiwerte, mit Einwirkungen und Beanspruchungen verbunden (vgl. Abschnitt 1.5),
– STR (structure failure, Grenzzustand des Versagens von Bauwerken und Bauteilen), er betrifft das innere Versagen oder sehr große Verformungen des Bauwerks oder seiner Bauteile, einschließlich der Fundamente, Pfähle, Kellerwände usw. (für den Widerstand ist dabei die Festigkeit der Baustoffe und des Baugrunds entscheidend) und ist, bezüglich der Teilsicherheitsbeiwerte, mit Einwirkungen, Beanspruchungen und Widerständen verbunden (vgl. Abschnitt 1.5),
– GEO (geotechnic failure, Grenzzustand des Versagens von Baugrund), er betrifft das innere Versagen oder sehr große Verformungen des Baugrunds (für den Widerstand ist dabei die Festigkeit der Locker- und Festgesteine entscheidend) und ist, bezüglich der Teilsicherheitsbeiwerte, mit Einwirkungen, Beanspruchungen, geotechnischen Kenngrößen und Widerständen verbunden (vgl. Abschnitt 1.5),
– GEO-2 (Grenzzustand des Versagens von Baugrund, bei dem das Nachweisverfahren 2 anzuwenden ist), er betrifft das innere Versagen oder sehr große Verformungen des Baugrunds (für den Widerstand ist dabei die Festigkeit der Locker- und Festgesteine entscheidend),
– GEO-3 (Grenzzustand des Versagens von Baugrund durch den Verlust der Gesamtstandsicherheit, bei dem das Nachweisverfahren 3 anzuwenden ist), er betrifft das innere Versagen oder sehr große Verformungen des Baugrunds (für den Widerstand ist dabei die Festigkeit der Locker- und Festgesteine entscheidend).

Bezüglich des zum Grenzzustand GEO-2 gehörenden Nachweisverfahrens 2 bzw. des zum Grenzzustand GEO-3 gehörenden Nachweisverfahrens 3 sei auf DIN EN 1997-1, 2.4.7.3.4.3 bzw. 2.4.7.3.4.4 sowie die zugehörigen Anmerkungen von DIN 1054 hingewiesen.

Zur Erleichterung des Verständnisses der neuen Grenzzustandsdefinitionen wird nachstehend noch ein Vergleich mit Grenzzuständen gemäß DIN 1054:2005-01 vorgenommen (vgl. hierzu Schuppener (Beitrag in [286], Tabelle B 2.2). Dem bisherigen Grenzzustand

– GZ 1A (Grenzzustand des Verlustes der Lagesicherheit) entsprechen die „neuen“ Grenzzustände EQU, UPL und HYD ohne Einschränkung,
– GZ 1B (Grenzzustand des Versagens von Bauwerken und Bauteilen) entspricht der Grenzzustand STR ohne Einschränkung als „innere“ Tragfähigkeit (Materialfestigkeit); hinzu kommt der Grenzzustand GEO-2 in Zusammenhang mit der „äußeren“ Bemessung von Gründungselementen (z. B. „äußere“ Pfahltragfähigkeit),
– GZ 1C (Grenzzustand des Verlustes der Gesamtstandsicherheit) entspricht der Grenzzustand GEO-3 in Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Scherfestigkeit beim Nachweis der Sicherheit gegen Böschungsbruch und Geländebruch.

1.5 Bemessungssituationen und Teilsicherheitsbeiwerte

Im Zuge von Berechnungen zum Nachweis der Tragfähigkeit bzw. der Gebrauchstauglichkeit werden für Einwirkungen und Beanspruchungen sowie für geotechnische Kenngrößen und Widerstände Bemessungswerte benötigt (vgl. Abschnitt 1.6), deren Größe u. a. mit Hilfe von Teilsicherheitsbeiwerten (vgl. Abschnitt 1.5.2) zu bestimmen ist. Aus den Tabellen des Abschnitts 1.5.2 geht hervor, dass die Zahlenwerte der Teilsicherheitsbeiwerte neben anderen Aspekten auch von der jeweils anzunehmenden Bemessungssituation (BS) abhängig sind.

1.5.1 Bemessungssituationen

Gemäß DIN EN 1997-1/NA sind grundsätzlich vier Bemessungssituationen zu unterscheiden, die im Folgenden erläutert werden (vgl. DIN 1054, 2.2 A (4)):

– BS-P ständige Situationen (Persistent situations), die den üblichen Nutzungsbedingungen des Tragwerks entsprechen. Zu berücksichtigen sind ständige Einwirkungen und veränderliche Einwirkungen, die während der Funktionszeit des Bauwerks regelmäßig auftreten.
– BS-T vorübergehende Situationen (Transient situations), die sich auf zeitlich begrenzte Zustände beziehen, wie etwa
Außer den vorübergehenden Einwirkungen erfasst die Bemessungssituation BS-T auch die ständigen Einwirkungen der Situation BS-P. Zu BS-T kann darüber hinaus auch eine selten auftretende Einwirkung gehören, wie z. B. eine
Mehrere voneinander abhängige Einwirkungen sind dabei als eine Einwirkung zu behandeln.
– BS-A außergewöhnliche Situationen (Accidental situations), die sich auf außergewöhnliche Gegebenheiten des Tragwerks oder seiner Umgebung beziehen. Hierzu gehören z. B.
Neben den außergewöhnlichen Einwirkungen erfasst diese Bemessungssituation aber auch ständige und regelmäßig auftretende veränderliche Einwirkungen so wie das in den Bemessungssituationen BS-P und BS-T der Fall ist.
Als außergewöhnlich sind auch Situationen zu betrachten, bei denen gleichzeitig mehrere voneinander unabhängige seltene Einwirkungen zu berücksichtigen sind, wie etwa eine
– BS-E für Erdbebeneinwirkungen geltende Bemessungssituationen (Earthquake situations).

Bei den Bemessungssituationen BS-A oder BS-E lässt sich nicht ausschließen, dass das jeweilige Bauwerk nach Eintritt einer solchen Situation den Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit nicht mehr genügt und außerdem in entsprechender Weise geschädigt ist. Zur Vermeidung solcher Schäden sind Maßnahmen zu empfehlen, mit denen die Gebrauchstauglichkeit nachgewiesen werden kann.

Bei Baumaßnahmen, die Baugrubenkonstruktionen betreffen, darf in besonderen Situationen gemäß EAB, EB 24, Absatz 4 [136] die Bemessungssituation BS-T mit abgeminderten Teilsicherheitsbeiwerten unter der Bezeichnung BS-T/A eingefügt werden (vgl. hierzu DIN 1054, 2.2 A (6) und EAB, EB 79 [136]). Bei den veränderlichen Einwirkungen, die dabei neben den Lasten des Regelfalls zusätzlich zu berücksichtigen sind, handelt es sich um

– Fliehkräfte, Bremskräfte und Seitenstoß (z. B. bei Baugruben neben oder unter Eisen- oder Straßenbahnen),
– selten auftretende Lasten und unwahrscheinliche oder selten auftretende Kombinationen von Lastgrößen und Lastangriffspunkten,
– Wasserdruck infolge von Wasserständen, die über den vereinbarten Bemessungswasserstand hinausgehen können (z. B. Wasserstände, bei deren Eintreten die Baugrube überflutet wird oder geflutet werden muss),
– Temperaturwirkungen auf Steifen, (z. B. bei Stahlsteifen aus I-Profilen ohne Knickhaltung oder bei schmalen Baugruben in frostgefährdetem Boden).

In EAB, EB 24 [136] finden sich auch Beispiele für ständige, regelmäßig auftretende veränderliche Einwirkungen sowie für Lasten, die ggf. neben den Lasten des Regelfalls zu berücksichtigen sind.

Zum schnelleren Verständnis der neuen Bemessungssituationen sei auf ihre Beziehung mit den Lastfällen aus DIN 1054:2005-01 hingewiesen (vgl. hierzu EA-Pfähle, 1.2.2 [137]). Dem bisherigen Lastfall

– LF 1 entspricht die Bemessungssituation BS-P,
– LF 2 entspricht die Bemessungssituation BS-T,
– LF 3 entspricht die Bemessungssituation BS-A.

Zu diesen drei Fällen kommt noch die „neue“ Bemessungssituation BS-E hinzu.

1.5.2 Teilsicherheitsbeiwerte

In den nachstehenden Tabellen werden Teilsicherheitsbeiwerte angegeben, die bei der Berechnung der Bemessungswerte von

– Einwirkungen und Beanspruchungen (Tabelle 1-2),
– Widerständen (Tabelle 1-3),
– geotechnischen Kenngrößen (Tabelle 1-1)

zu verwenden sind und deren zahlenmäßigen Größen abhängen von der jeweils anzusetzenden Bemessungssituation (BS-P oder BS-T oder BS-A) bzw. von dem jeweils zu betrachtenden Grenzzustand (HYD oder UPL oder EQU oder STR und GEO-2 oder GEO-3 oder SLS).

Tabelle 1-1 Teilsicherheitsbeiwerte γM (Materialeigenschaft M im Einzelfall) für geotechnische Kenngrößen; nach DIN 1054, Tabelle A 2.2

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Anmerkung zu Tabelle 1-1: In der Bemessungssituation BS-E werden nach DIN EN 1990 [99] keine Teilsicherheitsbeiwerte angesetzt.

Es sei hier noch darauf hingewiesen, dass die Einführung des Teilsicherheitskonzepts einen über mehrere Jahrzehnte gehenden Prozess darstellte, in dessen Verlauf sich die Ansätze der Herangehensweise erheblich veränderten. Hierzu gehört u. a., dass dieses neue Sicherheitskonzept an dem alten „globalen“ Sicherheitskonzept „geeicht“ wurde (vgl. hierzu z. B. Weißenbach [315]). Bezüglich der Festlegung der Zahlenwerte für die verschiedenen Teilsicherheitsbeiwerte führte das zu der Forderung, dass die sich im Rahmen des Teilsicherheitskonzepts ergebenden Sicherheiten des Bauwerks bzw. Bauteils möglichst weitgehend den Sicherheiten entsprechen sollten, die sich bei der Anwendung von „Globalsicherheitsbeiwerten“ („altes“ Sicherheitskonzept) ergeben.

Tabelle 1-2 Für Einwirkungen und Beanspruchungen geltende Teilsicherheitsbeiwerte γF (Einwirkung F im Einzelfall) bzw.γE (Beanspruchung E im Einzelfall); nach DIN 1054, Tabelle A 2.1

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Tabelle 1-3 Teilsicherheitsbeiwerte γR (Widerstand R im Einzelfall) für Widerstände (nach DIN 1054, Tabelle A 2.3)

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1.6 Bemessungswerte

Bemessungswerte, die für die Bemessung geotechnischer Bauwerke erforderlich sind, basieren auf entsprechenden charakteristischen Werten (Bild 1-1) und sind als

– Einwirkungen Fk und Beanspruchungen Ek,
– geotechnische Kenngrößen Mk,
– Widerstände Rk

zu ermitteln. Bezüglich der charakteristischen Werte und insbesondere der zu geotechnischen Kenngrößen gehörenden Werte sei auf Abschnitt 1.3.1 verwiesen.

Bemessungswerte sind mit dem Index „d“ zu kennzeichnen.

Bild 1-1 Flussdiagramm für die Ermittlung von Bemessungswerten geotechnischer Eigenschaften (nach DIN EN 1997-2 [109])

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1.6.1 Bemessungswerte von Einwirkungen

Gemäß DIN EN 1997-1, 2.4.6.1 ist der Bemessungswert Fd einer Einwirkung nach DIN EN 1990 [99] zu bestimmen. Der Wert ist entweder direkt festzulegen oder aus repräsentativen Werten mittels

Gl. 1-4 c01_image008.jpg

zu bestimmen (mit Teilsicherheitsbeiwerten γF aus Tabelle 1-2). Handelt es sich um eine ständige Einwirkung oder um eine Leiteinwirkung gilt

Gl. 1-5 c01_image009.jpg

Bezüglich der Ermittlung des repräsentativen Werts einer Kombination von mehreren veränderlichen und voneinander unabhängigen charakteristischen Einwirkungen sei auf Abschnitt 1.3.2 hingewiesen. In Fällen der direkten Festlegung von Bemessungswerten von geotechnischen Einwirkungen dienen Teilsicherheitsbeiwerte γF als Orientierungsgrößen für das anzustrebende Sicherheitsniveau.

Bemessungswerte von Einwirkungen, die im Rahmen eines Nachweises der Sicherheit gegen Aufschwimmen (Grenzzustand UPL) oder gegen hydraulischen Grundbruch (Grenzzustand HYD) benötigt werden, berechnen sich nach DIN 1054, 2.4.6.1.1 für die Bemessungssituationen BS-P, BS-T und BS-A mit Hilfe von Teilsicherheitsbeiwerten γF der Tabelle 1-2 zu

Gl. 1-6 c01_image010.jpg

Kombinationsbeiwerte sind dabei nicht zu berücksichtigen.

1.6.2 Bemessungswerte von geotechnischen Kenngrößen

Gemäß DIN EN 1997-1, 2.4.6.2 sind Bemessungswerte Xd von geotechnischen Kenngrößen entweder direkt festzulegen oder mit Hilfe von charakteristischen Werten Xk und Teilsicherheitsbeiwerten γM aus Tabelle 1-1 sowie der Gleichung

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zu berechnen. Werden Bemessungswerte direkt festgelegt, sind die Teilsicherheitsbeiwerte γM als Orientierungsgrößen für das anzustrebende Sicherheitsniveau zu verstehen.

Bemessungswerte von Scherfestigkeiten, die bei Gesamtstandsicherheitsnachweisen (Grenzzustand GEO-3) verwendet werden, sind nach DIN 1054, 2.4.6.2 A (4) mit den Gleichungen

Gl. 1-8 c01_image013.gif

zu berechnen. Darin stehen die charakteristischen Größen für den Reibungsbeiwert tanφ' und die Kohäsion c' des dränierten Bodens sowie den Reibungsbeiwert tanφu und die Kohäsion cu des undränierten Bodens. Diese Größen sind verknüpft mit den entsprechenden Teilsicherheitsbeiwerten aus Tabelle 1-1.

1.6.3 Bemessungswerte von Bauwerkseigenschaften

Nach DIN EN 1997-1, 2.4.6.4 sind ggf. erforderliche Bemessungswerte für Festigkeiten von Baustoffen und für Bauteilwiderstände nach den Normen DIN EN 1992 bis DIN EN 1996 sowie DIN EN 1999 zu ermitteln.

1.7 Rechnerische Nachweisführung der Tragsicherheit

Gemäß DIN EN 1997-1, 2.4.1 müssen bei rechnerischen Nachweisen die grundsätzlichen Anforderungen und speziellen Regeln von DIN EN 1990 [99] berücksichtigt werden. Die Nachweisführung kann mit Hilfe von

– analytischen Verfahren,
– halbempirischen Verfahren (berücksichtigte empirische Beziehungen müssen für die vorherrschenden Baugrundverhältnisse gelten),
– numerischen Verfahren (Beispiele: Finite-Elemente-Methode (FEM), Steifemodulverfahren, Bettungsmodulverfahren)

erfolgen.

Nach DIN EN 1997-1, 2.4.7.1 ist im Allgemeinen nachzuweisen, dass ausreichende Sicherheit gegeben ist gegen

– den Verlust der Lagesicherheit des als starrer Körper angesehenen Bauwerks oder des Baugrunds (Grenzzustand EQU),
– inneres Versagen oder gegen sehr große Verformung des Bauwerks oder seiner Bauteile, einschließlich der Fundamente, Pfähle, Kellerwände usw. (Grenzzustand STR),
– das Versagen oder gegen sehr große Verformungen des Baugrunds (Grenzzustand GEO),
– den Verlust der Lagesicherheit des Bauwerks oder des Baugrunds infolge Aufschwimmen (Auftrieb) oder anderer vertikaler Einwirkungen (Grenzzustand UPL),
– hydraulischen Grundbruch, innere Erosion und Piping im Boden (Grenzzustand HYD).

1.7.1 Verlust der Lagesicherheit (EQU)

Der rechnerische Nachweis, dass das Gleichgewicht des als starren Körper angesehenen Tragwerks bzw. des Baugrunds eingehalten werden kann, lässt sich mit der Einhaltung der Ungleichung

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führen. Die in den Beziehungen verwendeten vier Größen sind

Edst,d Bemessungswert der Resultierenden der destabilisierenden Beanspruchungen,
Estb,d Bemessungswert der Resultierenden der stabilisierenden Beanspruchungen,
Td Bemessungswert der Resultierenden des gesamten mobilisierbaren Scherwiderstands in einer Fuge zwischen Baugrund und Bauwerk oder des gesamten Scherwiderstands, der sich an einen Bodenblock mobilisieren lässt, welcher z. B. eine Zugpfahlgruppe enthält,
µ Ausnutzungsgrad.

Nach DIN EN 1997-1, 2.4.7.2 betrifft der Grenzzustand EQU vorwiegend die innere Bemessung des Tragwerks. In der Geotechnik erfolgen somit Nachweise in diesem Grenzzustand eher selten (Beispiel: starre Gründung auf Fels), da mit EQU weder die Gesamtstandsicherheit noch die Sicherheit gegen Aufschwimmen erfasst wird.

1.7.2 Versagen im Tragwerk und im Baugrund (STR und GEO)

Die Sicherheit gegen das Auftreten von Brüchen oder sehr großen Verformungen in einem Tragwerk, einem Tragwerksteil oder im Baugrund lässt sich mit den Bemessungswerten der Beanspruchungen Ed und der Widerstände Rd sowie mit der Erfüllung der Ungleichung

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nachweisen (vgl. DIN EN 1997-1, 2.4.7.3). In der zweiten der beiden Ungleichungen ist μ der Ausnutzungsgrad. Die Bemessungswerte sind stets in den maßgebenden Schnitten durch das Bauwerk und den Baugrund sowie in den Berührungsflächen zwischen Bauwerk und Baugrund zu ermitteln.

Im allgemeinen Fall sind die Bemessungswerte der Beanspruchungen für die Bemessungssituationen BS-P und BS-T mit Hilfe von

Gl. 1-11 c01_image016.jpg

für die Bemessungssituation BS-A mit Hilfe von

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und für die Bemessungssituation BS-E mit Hilfe von

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zu berechnen. In den drei Gleichungen hat die Zeichenkombination "+" die Bedeutung „in Verbindung mit“. Die einzelnen Größen der Gleichungen sind:

Gk, j j-te ständige charakteristische Einwirkung (j ≥ 1),
γG, j Teilsicherheitsbeiwert γG für Gk, j,
Pk charakteristische Einwirkung aus Vorspannung,
γP Teilsicherheitsbeiwert für Pk,
Qk, 1 Leiteinwirkung der veränderlichen charakteristischen Einwirkungen
γQ, 1 Teilsicherheitsbeiwert für Qk, 1,
Qk, i i-te begleitende veränderliche charakteristische Einwirkung (i ≥ 2)
γQ, i Teilsicherheitsbeiwert für Qk, i,
ψ0, i Kombinationswert ψ0 für Qk, i,
Ad Bemessungswert einer außergewöhnlichen Einwirkung,
ψ1 Kombinationswert zum Festlegen des häufigen Werts von Qk, 1,
ψ2 Kombinationswert zum Festlegen des quasi-ständigen Werts von Qk, 1,
ψ2, i Kombinationswert ψ2 zum Festlegen des quasi-ständigen Werts von Qk, i,
AEd Bemessungswert einer Erdbebeneinwirkung nach DIN EN 1990, Tabelle A.1.3 [99],
Qk, j j-te veränderliche charakteristische Einwirkung (j ≥ 1),
ψ2, j Kombinationswert ψ2 zum Festlegen des quasi-ständigen Werts von Qk, j.

Bezüglich des „häufigen Werts“ und des „quasi-ständigen Werts“ einer veränderlichen Einwirkung sei auf DIN 1990, 1.5.3.17 und 1.5.3.18 [99] hingewiesen. Im Hochbau ist der häufige Wert der Wert, der in ≥ 1% des Bezugszeitraumes überschritten wird; bei der Verkehrsbelastung von Straßenbrücken ist er der Wert mit einer Wiederkehrperiode von einer Woche. Beispiele für den quasi-ständigen Wert einer veränderlichen Einwirkung sind z. B. die Größe von Stapellasten unter Berücksichtigung eines mittleren Beschickungsgrads oder die Größe von Nutzlasten auf einer Decke, die in ≥ 50% des Bezugszeitraums überschritten wird, oder der Mittelwert von Wind- bzw. Verkehrslasten, der zu einem bestimmten Zeitintervall gehört.

Bei der Indizierung von Kombinationsbeiwerten gilt generell, dass der Index

0 zu einem Kombinationsbeiwert veränderlicher Einwirkungen,
1 zu einem Kombinationsbeiwert für häufige Werte veränderlicher Einwirkungen,
2 zu einem Kombinationsbeiwert für quasi-ständige Werte veränderlicher Einwirkungen

gehört. Bezüglich der Größe der zu wählenden Kombinationsbeiwerte ist auf DIN EN 1990 [99] sowie auf die für Hochbauten geltende Tabelle A 1.1 in DIN EN 1990/NA [100] hinzuweisen. In der Geotechnik sind nach DIN 1054, 2.4.6.1.1 A (3) die Werte ψ0 = 0,8, ψ1 = 0,7 und ψ2 = 0,5 zu verwenden.

Zur Ermittlung des Bemessungswerts der Widerstände Rd aus Gl. 1-10 werden Teilsicherheitsbeiwerte benötigt, die bei der Berechnung von Rd auf Baugrundeigenschaften (X) oder auf Widerstände (R) oder auch auf Baugrundeigenschaften und Widerstände angewendet werden können. Hinsichtlich weitergehender Ausführungen sei auf DIN 1997-1, 2.4.7.3.3 verwiesen.

1.7.3 Versagen durch Aufschwimmen (UPL)

Der Nachweis der Sicherheit gegen das Aufschwimmen von Bauwerken oder Bauwerksteilen wird nach DIN EN 1997-1, 2.4.7.4 mit Hilfe des Bemessungswerts der

– Kombination von destabilisierenden ständigen und veränderlichen vertikalen Einwirkungen Vdst, d,
– Summe der ständigen stabilisierenden vertikalen Einwirkungen Gstb, d (z. B. Eigenlast von Tragwerk und Bodenschichten),
– Summe zusätzlicher ständiger Widerstände gegen Aufschwimmen Rd (z. B. Wandreibungskräfte Td und Ankerkräfte Pd),
– Summe der destabilisierenden veränderlichen vertikalen Einwirkungen Qdst; d geführt. Mit der Gültigkeit der Ungleichung (µ = Ausnutzungsgrad)

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gilt der Nachweis als erbracht. Da zusätzliche Widerstände gegen Aufschwimmen behandelt werden dürfen wie stabilisierende ständige vertikale Einwirkungen und die Bemessungswerte der Einwirkungen ohne Berücksichtigung von Kombinationsbeiwerten berechnet werden dürfen (vgl. Abschnitt 1.6.1), kann die Ermittlung aller Bemessungswerte der Gl. 1-14 ausschließlich mit Teilsicherheitsbeiwerten aus Tabelle 1-2 erfolgen.

1.7.4 Versagen durch hydraulischen Grundbruch (HYD)

Beim Nachweis der Sicherheit gegen das Versagen durch hydraulischen Grundbruch ist nach 2.4.7.5 von DIN EN 1997-1 und DIN 1054 zu zeigen, dass für jedes untersuchte Bodenprisma die Ungleichung

Gl. 1-15 c01_image021.jpg

gilt. Die darin verwendeten Größen sind:

Sdst, d destabilisierende Strömungskraft in dem Bodenprisma,
G'stb, d stabilisierende Eigengewichtskraft des Bodenprismas unter Auftrieb,
µ Ausnutzungsgrad.

Die Ermittlung aller Bemessungswerte der Gl. 1-15 kann ausschließlich mit Teilsicherheitsbeiwerten aus Tabelle 1-2 erfolgen (vgl. auch Abschnitt 1.6.1).

1.8 Beobachtungsmethode

Ist das Verhalten des Baugrunds einer geplanten Baumaßnahme mit vorab durchgeführten Baugrunduntersuchungen und entsprechenden Berechnungen nicht hinreichend zuverlässig prognostizierbar, kann es sinnvoll sein, die „Beobachtungsmethode“ anzuwenden. Diese Methode kombiniert übliche geotechnische Untersuchungen und Berechnungen (Prognosen) mit laufenden messtechnischen Kontrollen des Baugrunds und des Bauwerks während dessen Herstellung (ggf. auch in dessen Nutzungszeit). Auf dieser Basis lassen sich die Prognoseunsicherheiten durch fortlaufende Anpassungen des Entwurfs an die tatsächlichen Verhältnisse weitestgehend verringern.

Als Sicherheitsnachweis ist die Beobachtungsmethode ungeeignet, wenn davon ausgegangen werden muss, dass ein mögliches Versagen nicht frühzeitig zu erkennen ist bzw. dass es sich nicht rechtzeitig ankündigt.

Lassen sich aus den Messungen Gegebenheiten ableiten (z. B. geotechnische Kenngrößen und hydrogeologische Verhältnisse), die günstiger sind als erwartet, dürfen die Bemessung und der weitere Bauablauf mit Hilfe der Beobachtungsmethode optimiert werden.

Im Zuge der Anwendung der Beobachtungsmethode ist nach DIN EN 1997-1, 2.7 noch vor dem Beginn der Baumaßnahmen dafür zu sorgen, dass

– für das Verhalten des Bauwerks zulässige Grenzen festgelegt werden,
– die Schwankungsbreite des möglichen Bauwerksverhaltens bewertet wird und dass gezeigt wird, dass das tatsächlich eintretende Verhalten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit innerhalb der festgelegten zulässigen Grenzen liegen wird,
– ein Konzept für die Messungen erstellt wird, mit dem sich feststellen lässt, ob die Schwankungen des Bauwerksverhaltens im Toleranzbereich bleiben bzw. diesen überschreiten,
– die Messungen ein mögliches Überschreiten des Toleranzbereichs so früh anzeigen, dass entsprechende Gegenmaßnahmen noch erfolgreich vorgenommen werden können,
– für diese Gegenmaßnahmen und ihre mögliche Anwendung eine Planung vorgelegt wird,
– die Reaktionszeiten der Messgeber sowie die Zeitspannen für die Ergebnisaus- und -bewertung in Bezug auf die Geschwindigkeit möglicher Systemveränderungen ausreichend kurz sind.

Hinsichtlich der Umsetzung dieser Forderungen empfiehlt DIN 1054, 2.7 die Beteiligung von Bauherrschaft, geotechnische Beratung, Tragwerksplanung, Bauausführung und Bauaufsicht. Darüber hinaus verlangt die DIN, dass der Schwankungsbereich des Bauwerksverhaltens auf der Basis vorliegender Erkundungsergebnisse rechnerisch ermittelt wird und dass zum Nachweis der Gebrauchstauglichkeit eine rechnerische Prognose erstellt wird, die insbesondere dazu dient

– das Baugrund- und Bauwerksverhalten in den Hauptmerkmalen zu verstehen,
– zu prüfen, ob sich vorab festgelegte Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit in den maßgebenden Bauzuständen einhalten lassen,
– das Messprogramm sinnvoll planen zu können,
– die Wirkungsweise bautechnischer Maßnahmen beurteilen zu können, die für den Fall einer Überschreitung von Gebrauchstauglichkeitskriterien vorgesehen sind.

Nach DIN 1054, 2.7 kann die Anwendung der Beobachtungsmethode insbesondere bei Baumaßnahmen zweckmäßig sein, die in die geotechnische Kategorie GK3 (Maßnahmen mit hohem Schwierigkeitsgrad) einzuordnen sind und

– mit ausgeprägten Wechselwirkungen zwischen Bauwerk und Baugrund verbunden sind (z. B. Gründungsplatten oder nachgiebig verankerte Stützkonstruktionen),
– durch erhebliche und veränderliche Wasserdruckeinwirkungen gekennzeichnet sind (z. B. Trogbauwerke oder Ufereinfassungen im Tidegebiet),
– bei denen Baugrund, Baugrubenkonstruktion und angrenzende Bebauung in komplexer Weise miteinander in Wechselwirkung stehen,
– bei denen Porenwasserdrücke die Standsicherheit vermindern können,
– an Hängen zur Ausführung kommen.

2

Frost im Baugrund

2.1 Allgemeines und Regelwerke

2.1.1 Allgemeines