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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Wie diese Karten zu verstehen sind

1 Exkurs

Fossilisation: Wie aus Pflanzen und Tieren Fossilien werden

Lithostratigrafie: das Übereinander von Gesteinspaketen

Stratigrafie: geologische Schichten und ihre Bezeichnungen

Vom Alter der Erde – wie man zu Milliarden Jahren kommt

Massenaussterben

Literatur

2 Die Wiege des Lebens

Die Wiege des Lebens im Präkambrium

Das moderne Leben kurz vor dem Durchbruch

Erhaltungsfenster: Die Schnappschüsse der Evolution

Wettrüsten am Ende des Präkambriums und die Kambrische Explosion

Literatur

3 Exkurs

Was macht das Leben aus?

Die Verhältnisse in der Uratmosphäre

Die Ursuppe und ihre Zutaten

Räuber ohne Beute

Sauerstoff – Gift und Lebenselixier

Literatur

4 Als das Leben „explodierte“ und eine völlig neue Welt entstand

Ein Puzzlespiel: Paläogeografie

Sedimentationsräume im Kambrium

Die Geburt einer neuartigen Welt

Die Innovationsphase der Evolution

Literatur

5 Überschwemmungen, eine Eiszeit und die Eroberung des Festlandes

Fossilien – eine stürmische Entwicklungszeit

Die Eroberung des Festlands durch Pflanzen und Tiere

Ein Ozean schließt sich – und ein Gebirge entsteht

Eine ordovizische Eiszeit – Spuren in der Sahara

Die Trennlinie zwischen Ordovizium und Silur

Literatur

6 Exkurs

Das Paläozoikum der Osteuropäischen Tafel

Kalksteine des Ordoviziums

Kalksteine des Silurs

Kreide und Tertiär der Mitteleuropäischen Senke

Die Kreidekalke von Seeland und Schonen

Literatur

7 Quastenflosser und Nacktpflanzen

Ein alter Kontinent und sein Meer

Das Unterdevon – Schutt vom Festland

Mitteldevon – Zeit der Vulkane und Korallen

Eisenerze, Salzlager und Baustoff für Kirchen

Karbonate

Oberdevon – „Ameisenbauten” im Stein und Massenaussterben

Wirbeltierwelt des Devons

Conodonten

Beute der Fossiliensammler

Pflanzenleben

Literatur

8 Mehr als „nur“ Steinkohle

Karbonische Gesteine und die Wirtschaft

Flachmeere, tiefe Becken, Kohlenwälder

Die küstennahen Flachmeere

Die Fauna der tiefen Becken

Leben in Kohlenwäldern

Lagerstätten jenseits der Kohlenwälder

Effekte globaler Meeresspiegelschwankungen

Literatur

9 Farnwälder, Glutwolken und Salzwüsten

Schnappschüsse der Evolution

Ein Wald edler Steine

Lebensräume und Begräbnisstätten

Relative Zeitmessung mittels Fossilien

Rotliegend im wahrsten Sinne des Wortes

Starkregen und schlammige Tümpel

Kupferhering, Riffe und weißes Gold

Sterben ist Teil des Lebens

Literatur

10 Eine lebensfeindliche Wüste oder doch mehr?

Das Klima der Buntsandsteinzeit

Die Lebewelt des Buntsandsteins

Aussterbeereignis und Neubeginn

Einblicke in die Pflanzen- und Tierwelt aus dem Voltziensandstein

Die Saurierspuren von Hildburghausen

Rogensteine und Stromatolithen

Literatur

11 Mitten in der Trias

Das Muschelkalkmeer

Die Lebewelt des Muschelkalkmeeres

Fest- und Schillgrundgemeinschaften

Schlammbodengemeinschaften

Sand- und Kalksandgemeinschaften

Weidegänger, Räuber und Aasfresser

Stratigrafie – Ordnung in der Schichtenfolge

Ausblick

Literatur

12 Die Welt der ersten Dinosaurier

Klimawandel im Wüstengürtel

Wechselnde Salzgehalte

Artenreiche Fischfauna

Lungenfische und Riesenlurche

Meterhohe Schachtelhalme

Die blühenden Farnsamer von Coburg

Wälder und Waldbrände

Käfer und Krokodile

Schildkröten im Dinosaurierfriedhof

Säugetiere am Triasstrand

Literatur

13 Lebensraum Jurameer

Stein und Eisen aus dem Meer

Archipel Europa

Ein versunkenes Biotop

Revolution im Kohlenstoffkreislauf

Herumtreiber im Jurameer

Tintenfische im Haifischbauch

Saurier in Fischverkleidung

„Nützlinge“ im Meeresgrund

Wechselhaftes Jurameer

Unser besonderer Dank ...

Literatur

14 Karibische Verhältnisse in Deutschland

Bankkalke und Massenkalke

Kieselschwamm-Riffe eroberten den Schelf

Ammoniten – Sekundenzeiger im Messen geologischer Zeit

Artenvielfalt eines Tropenmeeres auf der Rauen Alb

Solnhofener Plattenkalke: Fossillagerstätten von Weltgeltung

Der Nusplinger Plattenkalk

Das Ende der Jurazeit

Knochen, Fährten und Korallen – der Oberjura in Norddeutschland

Literatur

15 Ein Meer am Ende des Mesozoikums

Die Schreibkreide – ein außergewöhnliches Gestein

Die Lebewelt des Schreibkreide-Meeres

Feuersteine und andere lithologische Besonderheiten

Dinosaurier der Oberkreide

Das Ende der Kreidezeit

Literatur

16 Exkurs

Was löste das große Sterben aus?

Ordovizium: Vereisung im Treibhausklima

Devon: das Ende der großen Riffe

Perm: gewaltiger Vulkanismus

Trias: Aufblühen und Vergehen

Kreide: das Ende der Dinosaurier

Der Mensch profitierte vom Aussterben der großen Reptilien

Literatur

17 Grube Messel – ein Schaufenster in die Vergangenheit

Subtropisch-tropische Insel Europa

Am Anfang stand eine Naturkatastrophe

Erhaltung mit Haut und Haar

Tierisches Leben im und um den Messelsee

Die Messeler Säugetierfauna

Literatur

18 Subtropisches Leben in einem langen, schmalen Meer

Subtropische Verhältnisse in Mitteleuropa

Aus einer Meeresstraße wird ein See

Der Basalt als schützende Decke

Everglades in Deutschland

Literatur

19 Die Umrisse des heutigen Europas werden deutlich und früheste Vorfahren des Menschen erscheinen

Im Fokus: An den Ufern des Ur-Rheins

Die Säugetiere

Menschenaffen

Umweltwechsel und Faunenwandel

Fazit

Literatur

20 Exkurs

Ardipithecus

Australopithecinen

Die Gattung Homo

Homo habilis, Homo rudolfensis

Homo ergaster

Homo erectus

Homo floresiensis

Homo heidelbergensis

Die „frühen“ Vertreter von H. heidelbergensis

Die „klassischen“ Vertreter von H. heidelbergensis

Homo neanderthalensis

Homo sapiens

Literatur

21 Exkurs

Literatur

22 Klima und Tierwelt im Eiszeitalter Mitteleuropas

Die pleistozänen Klimaschwankungen

Tiere und Pflanzen der Kaltzeiten

Flusspferde am Rhein – Tiere und Pflanzen der Warmzeiten

Der Faunenaustausch

Die Jagd des frühen Menschen als Ursache für das Aussterben?

Mögliche Gründe für das Aussterben

Literatur

23 Paläo-Ökologie der Nordseeküste als Schlüssel zur Umweltgeschichte

Die Nordsee kehrt zurück

Der Mensch folgt den Meeresspiegelbewegungen

Die Umwelt der ersten Bauern in der Marsch

Frühe Salzwiesen und ihre Nutzung

Ackerbau in der Salzmarsch?

Der Deichbau und seine Folgen für die Vegetation

Literatur

24 Exkurs

Was von ausgestorbenen Lebewesen übrig blieb

Kalksedimente als Spuren paläozoischen Lebens

Kohle aus Bäumen, Baustein aus Kalk

Kalkstein voller Fossilien

Lockere Ablagerungen aus der Eiszeit

Wie Zeit zu Raum wurde

Literatur

Autorenverzeichnis

Index

Beachten Sie bitte auch weitere interessante Titel zu diesem Thema

Beck, E. (Hrsg.)

Die Vielfalt des Lebens

Wie hoch, wie komplex, warum?

2012

ISBN: 978-3-527-33212-0, auch als eBook erhältlich

Wrede, P., Wrede. S.

Charles Darwin: Die Entstehung der Arten

Kommentierte und illustrierte Ausgabe

2013

ISBN: 978-3-527-33256-4

Lüttge, U., Kluge, M.

Botanik

Die einführende Biologie der Pflanzen

2012

ISBN: 978-3-527-33192-5

Schatz, G.

Zaubergarten Biologie

Wie biologische Entdeckungen unser Menschenbild prägen

2012

ISBN: 978-3-527-33339-4, auch als eBook erhältlich

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Vorwort

Dies ist kein Lehrbuch, das systematisch die Geschichte der Erde aufarbeitet, studiengerecht und konsequent die einzelnen Zeitabschnitte in der Entwicklung unseres Planeten beleuchtet und vergleichbar darstellt – dafür gibt es andere Werke. Hier geht es darum, die verschiedenen Erdzeitalter aus biologischer Sicht zu betrachten. Zu diesem Zweck huldigt unser Buch in Zeiten der oft thematisierten Biodiversitätskrise der Vielfalt: Die meisten der ausgewiesenen Fachleute, die Autoren dieses Buches sind, haben zum jeweiligen Thema Artikel für die Zeitschrift „Biologie in unserer Zeit“ verfasst.

Die Aufsätze wurden für dieses Buch überarbeitet, zusammengefasst und um Neues ergänzt – und wir glauben, dass sie gerade wegen ihrer Individualität auch die Leser begeistern werden, die sich beim Studium kontinuierlicher Erdgeschichtsschreibung eines einzelnen Autors vielleicht schwertun würden.

Was macht einen speziell biologischen Blickwinkel auf die Geschichte der Erde aus? Für den Biologen sind sicher andere Dinge wichtig – und er nimmt sie sehr genau – als für den Geologen. Während Biologen sich möglicherweise über Gene, Proteine, Zellen und Stammbäume ereifern, können Geologen sich schier endlos über bestimmte Formationen, Schichtlücken und die Herkunft von winzigen Sedimentpartikeln streiten. Verlässt er sein angestammtes Fachgebiet, kann sich der Biologe den Luxus leisten, in der Erdgeschichte eher die große Linie zu bewundern: Seit wann gibt es Leben auf diesem Planeten und warum ist das so? Welche teilweise skurrilen Formen besiedelten die Erde – und was löste ihr Aussterben aus? Welche Evolutionswege führten bis zu uns, dem vermeintlich „modernen“ Menschen? Die einzelnen Autoren haben ihr Fachwissen über bestimmte Abschnitte der Erdgeschichte auf das Wesentliche und das besonders Spannende fokussiert – und entstanden ist daraus ein gut lesbares Erdgeschichte(n)buch, das sicher nicht nur Biologen faszinieren wird.

Geologie und Paläontologie haben uns gezeigt, dass die Erdgeschichte nicht kontinuierlich verläuft, sondern manchmal von markanten Sprüngen gekennzeichnet ist. Die Herausgeber betrachten deshalb dieses Buch als einen Blumenstrauß zum Staunen und Hineinschnuppern in die Welt der Paläontologie, zusammengestellt von einer Vielfalt versierter Autoren. „Exkurse“ zu allgemeinen Grundlagen, zu Massensterben, Eiszeiten und der Entstehung des Menschen verbinden die einzelnen Kapitel und helfen dabei, in die faszinierende Entwicklungsgeschichte unseres Planeten einzutauchen.

Die weltweite Vernetzung der geologischen Forschung verlangt nach Standards, die es gestatten, Schichten und ihre paläontologischen Inhalte möglichst direkt vergleichbar zu machen und auch zeitlich möglichst genau einzustufen; das wird in Stratigrafischen Kommissionen verhandelt, die verbindliche zeitliche Zuordnungen und Begriffe definieren und diese letztlich international kommunizieren. Quelle unserer Zeitangaben sind die International Commission on Stratigraphy (www.stratigraphy.org) bzw. ihre deutsche Dependance, die Deutsche Stratigraphische Kommission (www.stratigraphie.de). Neue Begriffe brauchen aber meist beträchtliche Zeit, ehe sie aus den fachwissenschaftlichen Zirkeln in die auch für interessierte Laien verständliche Literatur Eingang finden, und auf diesem Weg kommt es oft zu Verwirrungen.

Wenn heute in der Fachwissenschaft Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper keine gültigen stratigrafischen Termini mehr sind (weil sich deren Gesteine z. B. nicht weltweit verfolgen lassen), dann bringt das Verständnisprobleme für Leser mit sich, die solche Einheiten noch gelernt haben, sie in Museen lesen können und die sie in einer deutschen Landschaft auch an ihren charakteristischen Gesteinen meist sofort wiedererkennen. Damit ist ein weiterer Aspekt dieses Buches angesprochen, dessen regionaler Schwerpunkt im mitteleuropäischen Raum liegt. Exkursionstipps am Ende der Kapitel weisen auf entsprechende Aufschlüsse, Steinbrüche und auch auf sehenswerte Geopfade und Museen hin. Allerdings kann man zwar auch in Deutschland präkambrische und unterkambrische Gesteine antreffen, um aber die Entwicklung der Lebewelt dieser Frühzeit unseres Planeten deutlich zu machen, müsste man einen Ausflug z. B. in die Ediacara-Berge Australiens machen, weil man dort die seltsamen Vendobionten zuerst entdeckt hat.

Doch keine Sorge – auch Mitteleuropa hat eine Menge zu bieten. Wir wünschen allen Lesern viel Freude bei den „Ausflügen in die Erdgeschichte“ und manche Überraschung und Aha-Erlebnisse, was sich unter Wäldern, Äckern, Straßen, Städten und sogar in Bauwerken alles an phantastischen Lebensformen verbirgt.

So ein Buch ist ein Gemeinschaftswerk – ohne die Autoren der einzelnen Kapitel und ihr großes Engagement für diese Sache wäre dieser Titel nicht entstanden. Vielen Dank an dieser Stelle für Ihren Beitrag, Ihre Kreativität und Ihre Geduld!

Dem interessierten Laien fällt es oft schwer, sich vorzustellen, wo bestimmte Gesteinspakete lagern, wie diese entstanden sind und wie möglicherweise die Land-Meer-Verteilung vor Jahrmillionen war. Um ein Bild vergangener Zeit zu zeichnen, haben wir auf Basis des Atlas von P. A. Ziegler (1990) einfache paläogeografische Karten der einzelnen Erdzeitalter erstellt. Mehr über die Karten erfahren Sie im folgenden Abschnitt. Gestaltet wurden sie von dem Grafiker Bernd Adam aus Weinheim, dem wir auf diesem Wege danken möchten. Ein herzlicher Dank geht außerdem an den Grafik-Designer Joachim Schreiber aus Seeheim, der uns mit der Zeitleiste sowie vielen Abbildungen versorgt hat, die er für andere Publikationen von Peter Rothe bearbeitet hat.

Und nun viel Spaß beim Lesen wünschen die Herausgeber

Peter Rothe, Volker Storch und Claudia von See, Mannheim und Heidelberg im August 2013

Wie diese Karten zu verstehen sind

Die Beschreibung der Zeitabschnitte der Erdgeschichte wird vom Kambrium bis zum Miozän jeweils durch eine Eingangskarte unterstützt, die wir hier noch einmal im Daumenkinoformat abbilden. Die Karten beruhen auf den Vorkommen entsprechend alter Gesteine in den abgebildeten heutigen Bereichen und basieren auf dem bei Geologen bekannten Standardwerk von Peter A. Ziegler [1]. In erster Linie wird der Übersichtlichkeit halber nur zwischen Land- und Meeresgebieten unterschieden – was natürlich eine beträchtliche Vereinfachung der tatsächlichen paläogeografischen Verhältnisse ist. Auch muss man dabei berücksichtigen, dass diese Bilder nur die Verhältnisse der jüngeren Erdgeschichte einigermaßen wirklichkeitsgetreu zeigen; je weiter man zurückgeht, desto weiter ist der Entstehungsort von Gesteinen von ihrem heutigen Ablagerungsort entfernt. „Schuld“ daran ist die Plattentektonik, die die Kontinente auf unserem Erdball in Bewegung hält. Die z. B. in Böhmen oder der Lausitz angetroffenen Schichten des Kambriums entstanden am Nordrand von Gondwana und drifteten erst im Lauf der variskischen Gebirgsbildungsprozesse in ihre heutige Position. Für das Präkambrium ergibt sich daraus, dass nur die ungefähre Lage des hier besprochenen Gebiets in einer Weltkarte der damaligen Kontinent-Positionen gegeben werden kann. Die paläogeografische Situation im ausgehenden Präkambrium war durch einen Superkontinent (Rodinia) geprägt, der allseits von Meer umgeben war, und der mit dem Beginn des Kambriums in einzelne Kontinente zu zerbrechen begann.

Doch trotz aller Einschränkungen bieten unsere Karten wenigstens einen groben Überblick über die paläogeografischen Verhältnisse – je näher sie der Neuzeit kommen, desto realistischer wird auch die Situation für das jeweilige Erdzeitalter. Unsere Karten enden im Tertiär mit der Paläogeografie des Miozäns, weil sich vom Pliozän an die Situation nur noch geringfügig von der gegenwärtigen unterscheidet.

[1] P. A. Ziegler, Geological Atlas of Western and Central Europe, Shell International Petroleum Maatschappij u. a., 2. Aufl., Elsevier, 1990.

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Lebensspuren im Stein – hier: Saurierfährten in Sedimenten des Oberjuras im Teutoburger Wald. Die Fährten stammen von zwei unterschiedlichen Tieren, die im Schlamm in entgegengesetzten Richtungen gelaufen sind (Elephantopoides barkhausenensis, ein Pflanzenfresser, und Megalosaururs teutonicus, ein dreizehiger Raubdinosaurier). Bild: Klaus Rittner.

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Exkurs

Lebensspuren im Stein – und die Grundlagen, um sie zu verstehen

Peter Rothe

Die Lebensspuren, die längst vergangene Tiere und Pflanzen hinterließen und die zu Stein wurden, sind nicht immer so leicht zu lesen wie diese Dinosaurier-Fährten. Einige Grundlagen zur Fossilisation, Lithostratigrafie, Altersbestimmung, Stratigrafie und zu Massenaussterben helfen dabei, die Botschaften aus der Vergangenheit zu verstehen.

Fossilisation: Wie aus Pflanzen und Tieren Fossilien werden

Ein gestrandeter Wal erregt meistens Mitleid bei Tierfreunden, und das führt dann gelegentlich zu Rettungsaktionen, die darauf abzielen, ihn wieder in tieferes Wasser zu bugsieren. Was aber, wenn keine Retter zugegen sind? Dann wird er zu Tode kommen, Faulgase werden seinen Körper aufblähen und womöglich platzen lassen und nach einiger Zeit wird nur noch das Skelett übrig sein, vielleicht in der Sonne bleichen und irgendwann in seine Einzelbestandteile zerfallen, die dann von der Strömung aufgenommen, transportiert und an anderer Stelle abgesetzt werden, vielleicht nach ihrer Größe sortiert oder nach dem Gewicht.

Solchen Vorgängen hat in den 1920er Jahren der Paläontologe Johannes Weigelt nachzuspüren versucht, als er – in den USA – seine Studien an rezenten Wirbeltierleichen betrieb; es ging ihm um die Prozesse, die man kennen muss, um entsprechende Fossilfunde richtig einschätzen zu können. Das ist Aktuo-Paläontologie, aber Weigelt nannte das noch nicht so. Es war Wilhelm Schäfer, dem langjährigen Direktor des Naturmuseums und Forschungsinstituts Senckenberg vorbehalten, sein Hauptwerk so zu benennen, mit dem Zusatz „nach Studien in der Nordsee“ [1]. Und Schäfer dehnte – von „Senckenberg am Meer“ in Wilhelmshaven aus arbeitend – diese Studien auch auf wirbellose Tiere aus.

Es geht immer darum zu verstehen, wie sich eine Lebensgemeinschaft (Biozönose) in eine Toten- bzw. Grabgemeinschaft verwandeln kann, für die es den Begriff Thanatozönose (Gemeinschaft von Organismen, die erst nach ihrem Tod zusammengekommen sind) gibt. Fossil können solche Gemeinschaften gelegentlich außerordentlich individuenreich sein; man hat dafür inzwischen den Begriff „Fossil-Lagerstätten“ geprägt und damit die Analogie zur Anreicherung wichtiger Rohstoffe hergestellt. Doch Fossil-Lagerstätten sind Ausnahmefälle und schon deshalb der Aufmerksamkeit sicher, was inzwischen auch an einer entsprechenden Literatur deutlich geworden ist [2, 3].

Der Normalfall sind aber Einzelfunde, bei denen Fossilien Zeitmarken bilden können, die es Geologen ermöglichen, die Abfolgen von Gesteinsschichten in eine relative Zeitskala einzuordnen; möglich ist das allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Fossilien Zeugnisse einer Evolution sind, die – grob gesagt – von einfachen zu komplizierteren Bauplänen mutieren, und hier begegnen sich Biologie und Geologie ganz unmittelbar. So kamen im frühen 19. Jahrhundert schon Charles Darwin und Charles Lyell zusammen.

Was wir finden, sind meistens einzelne Knochen, die manchmal nur schwer in ihren ursprünglichen Zusammenhang zu bringen sind, was aber erst dann ermöglicht, einen Wal auch als Wal zu erkennen. Knochensubstanz ist ziemlich stabil und kann daher über längere Zeit hinweg erhalten bleiben. Tang dagegen, den herbstliche Stürme am Strand aufgehäuft haben, ist im darauf folgenden Frühjahr verschwunden, weil das sauerstoffreiche Wasser dessen organische Substanz vollständig vernichtet bzw. in CO2 und Wasser umgewandelt hat. Und dennoch kennen wir Tang, der in hunderten von Millionen Jahre alten Schichten erhalten geblieben ist. Man muss also fragen, wie es dazu kommt, dass Pflanzen und Tiere durch die lange Zeit der Erdgeschichte bewahrt wurden, eine Tatsache, die uns überhaupt erst gestattet, das Leben auf der Erde in seiner vielfältigen Entwicklung nachzuverfolgen.

Paläontologen haben es immer mit den Endprodukten – den Fossilien – im weitesten Sinne zu tun, wobei sich in den meisten Fällen ein Vergleich mit den zoologisch oder botanisch sicher bestimmbaren heutigen Tieren und Pflanzen anbietet. Es geht aber zunächst um die Bedingungen und die Prozesse, die lebende Organismen in Fossilien umwandeln können (Abb. 1).

Fossilien können aus höchst unterschiedlichem Material bestehen: Wir kennen außer den erwähnten Knochen unter anderem Zähne und Schalen, die beispielsweise aus Kalk oder Phosphat bestehen und bei einzelligen Organismen und manchen Schwämmen auch aus Opal sein können. Im Extremfall bauen bestimmte Radiolarien ihre Skelette sogar aus Strontiumsulfat auf. Neben diesen mineralischen Komponenten sind auch organische Substanzen unter bestimmten Bedingungen erhaltungsfähig, das zeigen uns zum Beispiel die Kohlen, in denen Pflanzenstrukturen oft noch nach 300 Millionen Jahren eine Zuordnung zur botanischen Systematik gestatten. Während hier das ursprüngliche pflanzliche Gewebe überwiegend nur noch in Form des schwarzen Kohlenstoffs vorliegt, können Pflanzen unter anderen Bedingungen aber auch in Kieselhölzer überführt werden, wie man sie aus Arizonas „Petrified Forest“ oder dem „Versteinerten Wald von Chemnitz“ (s. a. Kap. 9 zum Perm) kennt. In beiden Fällen steuern Gesetzmäßigkeiten der anorganischen Chemie, nämlich Lösung und Fällung von Kieselsäure (SiO2, daraus besteht auch der Quarz) die Fossilisationsprozesse, bei denen die ursprüngliche Holzsubstanz sozusagen Atom für Atom durch SiO2 ersetzt wird, wobei die Zellstrukturen vollständig erhalten bleiben. Lösung und Fällung der Kieselsäure ist stark vom pH-Wert der beteiligten Lösungen abhängig, bei alkalischem erfolgt Lösung, bei saurem Fällung. Beim Kalk ist das gerade umgekehrt, wie man mit einem Tropfen Salzsäure auf einen Kalkstein sofort sehen kann. Saure Wässer in der Natur, wie man sie in Mooren antrifft, zerstören demnach die Kalkschalen von Muscheln oder Schnecken. Da die Erhaltung von Kalkschalen also pH-abhängig ist, spielt bei ihrer Auflösung auch der CO2-Gehalt des Wassers eine Rolle – und der ist seinerseits abhängig von der Temperatur und/oder dem herrschenden Druck. Das Wasser, das in den Ozeanen aus den Polgebieten bis in niedere Breiten strömt, ist CO2-reich, weil es kalt ist und unter dem hohen Druck der überlagernden Wassersäule steht – und das bedingt eine Auflösung von Kalkschalen, die im warmen Oberflächenwasser noch ihre Organismen umgeben hatten. Wissenschaftlich nennen wir den Grenzbereich CCD (Carbonate Compensation Depth), und diese CCD hat sich im Laufe der Erdgeschichte oft geändert, was dann auch Rückschlüsse auf Paläo-Wassertiefen und das jeweils herrschende Klima gestattet. Kalkschalige Organismen sind also in den Ozeanen unterhalb der CCD nicht zu erwarten.

Abb. 1 Überblick über verschiedene bei der Fossilisation ablaufende Prozesse. Bild: verändert nach „Lexikon der Biologie“, Spektrum-Verlag, Heidelberg.

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Nach diesem kleinen Ausflug in einige der möglichen stofflichen Veränderungen müssen wir uns nun auch mit den erhaltenen Formen beschäftigen, und wir werden dabei sofort sehen, wie diese beiden Gegebenheiten eigentlich gar nicht voneinander zu trennen sind. Als Beispiele sollen hier zunächst Muscheln dienen. Wenn wir eine Schüssel voll Miesmuscheln verzehrt haben, bleiben allein deren kalkige Schalen übrig, weil wir uns die organische Substanz einverleibt haben. Solche Schalen finden wir auch in manchen Kalksteinen, wo sie im Ausnahmefall sogar noch zusammenhängen – das zeigt zunächst, dass sie dort gelebt haben können. Die Schalen wurden in Kalkschlamm eingebettet, aber dessen Porenwasser muss Sauerstoff enthalten haben, der die organische Substanz oxidierend zerstört hat. In anderen Fällen sind die organischen Bänder dieser Tiere, die die Klappen miteinander verbinden, bereits vor der Einbettung in Sedimente zerstört worden, sodass nur einzelne Klappen erhalten sind, die manchmal zu Muschelschill zusammengeschwemmt sein können: die Lebensgemeinschaft wird zur Grabgemeinschaft, die Biozönose zur Taphozönose/Thanatozönose.

Oft sind aber nicht einmal die einzelnen Schalen erhalten geblieben, sondern nur noch deren Abdrücke im Gestein, was man relativ einfach verstehen kann, denn die Außenseite einer Schale ist in diesem Fall dem umgebenden Gestein einfach aufgeprägt worden. In solchen Fällen müssen wir annehmen, dass der Schalenkalk aufgelöst wurde, was sich mit den erwähnten chemischen Gegebenheiten erklären lässt; da sich entsprechende Verhältnisse im Verlauf der langen Erdgeschichte immer wieder einmal eingestellt haben müssen, bleibt es eigentlich verwunderlich, dass wir überhaupt Fossilien finden. Darwin hatte einmal gesagt, dass die Fossilien wohl nur einen winzigen Bruchteil der einstigen Lebewelt darstellen können.

Ein anderer Fall von Überlieferung ist der, bei dem das Innere der Muschel durch das umgebende Sediment ausgefüllt, die Schalensubstanz selbst aber nicht mehr vorhanden ist: dann sprechen wir von einem Steinkern. Während ein Steinkern der Ausguss des Schaleninneren ist, den man beispielsweise von Muscheln und Brachiopoden kennt, aber auch von Schachtelhalmen, entsteht der so genannte Prägesteinkern (Skulptursteinkern) erst durch die allmähliche Auflösung der Schale, wobei dem Steinkern die äußere Skulptur der Schale aufgeprägt wird.

Viel einfacher sind dagegen direkt überlieferte Bestandteile zu verstehen, wie etwa die kalkigen Bruchstücke von Seelilien oder gar deren ganze Kronen, und noch einleuchtender sind riffbildende Organismen, die zusammenhängende Kalkmassen bilden können (Massenkalke). Die kalkigen Skelette solcher Organismen muss man allerdings differenziert betrachten, weil sie sich bezüglich ihrer Karbonatmineralogie unterscheiden: Korallen und Schnecken zum Beispiel bauen ihre Hartteile aus Aragonit, die meisten Muscheln und die Ostrakoden aus Kalzit und – jedenfalls alle rezenten – Echinodermen aus Mg-Kalzit. Aragonit und Mg-Kalzit sind beide nur im marinen Milieu stabil und wandeln sich bei Zutritt von Süßwasser in stabilen Kalzit um, wobei meist auch die ursprüngliche Schalenstruktur zerstört wird, die oftmals für die systematische Zuordnung maßgeblich ist. Das Studium der Umwandlung der Karbonatphasen ermöglicht meistens Hinweise auf das Milieu, dem die Fossilien im Laufe ihrer geologischen Geschichte unterworfen waren.

Die angesprochenen Gegebenheiten betreffen im Prinzip eine Vielzahl von Tieren mit kalkigen Schalen, Mollusken vor allem, also Muscheln, Schnecken, Kopffüßer und Moostierchen, aber auch Korallen, und im Pflanzenreich die Kalkalgen.

Ähnliche Veränderungen im Verlauf der Fossilisation lassen sich bei Pflanzen und Tieren beobachten, die ihre Skelette aus Opal bauen: Hier greift nämlich auch wieder die Chemie in das Fossilisationsgeschehen ein, allerdings unter entgegengesetzten Verhältnissen: Opal ist unter alkalischen pH-Bedingungen löslich und so können Kieselalgen, Kieselschwämme oder Radiolarien (Abb. 2) nur bei entsprechenden Gegebenheiten erhalten bleiben, andernfalls lässt sich ihre vormalige Existenz meist nur noch aus entsprechenden Gesteinen folgern, etwa Hornsteinen (cherts) oder Radiolariten, in denen die Skelettstrukturen nur schemenhaft erkennbar sind. Im Gegensatz zu den Wirbellosen haben Wirbeltiere bessere Chancen, fossil erhalten zu bleiben. Das betrifft Knochen und Panzer, vor allem aber die Zähne: Fossile Haifischzähne aus dem Tertiär sind meist noch so scharf und spitz wie die der rezenten Tiere.

Abb. 2 Die einzelligen Radiolarien bauen ihre kugeloder mützenförmigen Skelette aus Opal, der amorphen Modifikation von SiO2, und sind damit wesentliche Bestandteile kieseliger Meeressedimente. Bild: aus [5].

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Die Materialien, die uns in den Fossilien begegnen, sind also außerordentlich verschieden: Knochen, Schalen, pflanzliche Substanzen, Fleisch und Fett, Haare und Zähne. Bei den Schalen muss man weiter nach ihrem spezifischem Material unterscheiden, weil die Tiere Phosphat, verschiedene Arten von Kalk oder Opal als Baumaterial verwendet haben. Dass selbst Fleisch über längere Zeit hinweg erhalten bleiben kann, hat man an den Mammuts sehen können, die in der „Tiefkühltruhe“ des sibirischen Permafrosts lagen. Und auch Fett hat man in Form des so genannten Leichenwachses (Ozokerit) noch in vergleichsweise alten Schichten gefunden; daran wird aber auch deutlich, dass sich in den meisten Fällen die ursprünglichen Substanzen im Laufe der Zeit in andere umwandeln. Fossilien mit Weichteilerhaltung sind meistens nur tausende bis etwas über zehntausend Jahre alt. Anorganische Substanzen, wie vor allem Kalke, können aber hunderte von Millionen Jahren überdauern, und sie sind es, die die wesentliche Masse der Fossilien ausmachen. Von Muschelschalen, die wir am Strand aufsammeln, finden wir – wie schon gesagt – oft nur noch einzelne Klappen, weil die organische Substanz, die sie beim lebenden Tier in Form des Ligaments zusammenhält, früher zerstört wird als der Kalk der Schalen selbst.

Abb. 3 Ichthyosaurier mit „Hautbekleidung“ aus dem Urweltmuseum Hauff. Bild: aus [22].

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Zwischen Biozönose und Taphozönose versucht die Aktuo-Paläontologie zu vermitteln. Dabei wird deutlich, dass die Zersetzung der organischen Substanz durch vielerlei Faktoren gesteuert wird: Ein sauerstoffreiches, feuchtes Milieu führt zur Verwesung, ein sauerstoffarmes zur Fäulnis, und zwischen beiden sind alle Übergangsstadien möglich, wobei man auch die Zersetzung durch Bakterien einbeziehen muss. Dennoch können Weichteile unter bestimmten Voraussetzungen erhalten bleiben, wie wir das an Mumien – und nicht nur an menschlichen – beobachten können. Dazu müssen die Leichen vor den oben genannten Prozessen bewahrt werden. Am einfachsten versteht man das an den Einschlüssen im Bernstein, bei denen Tiere zunächst im zähen Harz steckengeblieben waren und dann von diesem überflossen wurden. Auch eine Imprägnierung durch Teer scheint gut zu funktionieren, wie die Mumien von Nashörnern und Mammuts in den pleistozänen Ölsümpfen von Starunia in der heutigen Ukraine andeuten. Mumien bilden bzw. erhalten sich auch bei extremer Trockenheit. Die bekanntesten Mumien der Paläontologie sind aber zweifellos die Ichthyosaurier aus dem Lias von Holzmaden (Abb. 3), für die man eine rasche Einbettung in ein extrem sauerstoffarmes Milieu annehmen muss, weil bei längerer Verweilzeit am Meeresboden eine bakterielle Zersetzung die wenigstens teilweise noch erhaltenen Hautreste zerstört hätte. Deswegen wurde als Erklärung ein schnelles Eintauchen in ein „suppiges Substrat“ vorgeschlagen [4], wie man es heute auch in manchen Bereichen des Wattenmeers in Form von so genanntem „fluid mud“ beobachten kann. Verwesung organischer Substanz führt zur Entwicklung von Gasen, die die Körper von Wirbeltieren aufplatzen lassen können, entsprechende Fischkörper sind aus dem permischen Kupferschiefer bekannt. Man kann dazu auch Mark Twains Tom Sawyer und Huckleberry Finn als Zeugen bemühen, die von Leichen auf dem Mississippi erzählen, die zunächst noch ein paar Tage schwimmen, ehe sie untergehen.

Abb. 4 Die von Sammlern gelegentlich „Goldschnecken“ genannten Fossilien haben ihre Farbe von Pyrit. Es sind aber meist keine Schnecken, sondern wie hier ein zu den Ammoniten zählender Dactylioceras. Bild: aus [22].

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Auf eine sauerstoffarme bzw. -freie Umgebung bei der Einbettung lassen auch die in Pyrit erhaltenen Fossilien schließen, die Sammler gelegentlich als „Goldschnecken“ (Abb. 4) bezeichnen, obwohl es in den meisten Fällen keine Schnecken sind. Auch hierfür ist der Lias mit seinen dunklen, tonigen Sedimenten, die zudem reich an organischem Kohlenstoff sind, ein gutes Beispiel, oder die Tone der Unterkreide am Deister, in denen man manchmal massenhaft „goldene“ Ammoniten finden kann.

Abb. 5 Übertage anstehendes Steinkohlenflöz zwischen Sandsteinlagen. Südrand des Ruhrgebiets bei Witten-Heven. Bild: aus [22].

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Lithostratigrafie: das Übereinander von Gesteinspaketen

Schon in den Anfängen der Geologie gab es Versuche, das Übereinander verschiedener Gesteinspakete deutend zu erfassen. Manchmal hatte das auch praktische Bedeutung, beispielsweise, wenn man Kohleflöze (Abb. 5) verfolgen wollte, die zwischen Sandsteinen eingeklemmt waren. Diese Lithostratigrafie, wie wir das heute nennen, hat zu geologischen Systemen geführt, die durch ihre Gesteine charakterisiert sind wie etwa Buntsandstein und Muschelkalk. Beginnen musste man allerdings mit einzelnen Gesteinsbänken, deren petrografische Zusammensetzung man erfassen konnte; mit den eventuell darin vorkommenden Fossilien gab es Kriterien, die als relative Zeitmarken verwendbar waren, weil in den unten liegenden Schichten andere Formen vorkamen als in denen weiter oben.

Wenn Schichten von einer Gebirgsbildung betroffen werden, können sie in Falten gelegt oder durch die Tektonik verschuppt und zerrissen, danach vielleicht abgetragen werden, manchmal sogar so weit, dass die Landschaft schließlich ganz eingeebnet wird. Die anschließend darauf abgelagerten Schichten einer neuen Epoche bilden einen Winkel mit ihrer Unterlage, es entsteht eine Diskordanz (Abb. 6). Damit sind Diskordanzen auch relative Zeitmarken, die man für die Gliederung der Erdgeschichte verwenden kann, wobei zwischen unten und oben meist beträchtliche Zeiträume anzunehmen sind.

Abb. 6 Diskordanz. Im unteren Bilddrittel sind schräggestellte Schichten zu sehen, die von horizontalen Schichten überlagert werden (Bildmitte). Zwischen beiden liegt der Zeitraum, in dem die ursprünglich ebenfalls horizontalen Schichten (unten) durch eine Gebirgsbildung gefaltet oder gekippt und nachfolgend eingeebnet wurden. Bild: aus [22].

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Zeit vergeht auch während der Verwitterung, durch die unter Beteiligung von Organismen Böden entstehen können und so sind Böden ebenfalls relative Zeitmarken der Erdgeschichte; die bekanntesten sind die Lehme in den Lössprofilen des Quartärs, die zugleich Indikatoren für warmes Klima bilden (Abb. 7), während der Löss selbst die Kaltzeiten dokumentiert. Böden, die nicht unbedingt wie Böden aussehen, weil ihnen die organische Substanz fehlt, lassen sich aber auch anhand anderer Kriterien nachweisen; dazu gehören Änderungen im Mineralspektrum eines Bodenprofils, etwa die verwitterungsbedingten Tonminerale oder die Anreicherung bestimmter Elemente in den tieferen Partien, aber auch strukturelle Merkmale, die zum Beispiel noch das Muster früherer Wurzeln erkennen lassen. Fossile Böden kennt man aus dem Rotliegend und dem Buntsandstein, wo sie sogar Eingang in die Gliederung der Schichten gefunden haben. Die Versuche ihrer Rekonstruktion gehen mittlerweile bis in das Präkambrium zurück, obwohl man da ja noch nicht mit einer Besiedlung des Festlands durch Pflanzen rechnen kann.

Abb. 7 Zu den bekanntesten fossilen Böden gehören die Lagen von Lösslehm (braun) im Löss (hellgelb). Hier sind am Kaiserstuhl mehrere Böden aufgeschlossen, die auch den Wechsel zwischen den Kalt- und Warmzeiten des Quartärs dokumentieren. Bild: aus [21].

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Wesentlich kurzfristigere Ereignisse sind in vielen Fällen die Ausbrüche explosiver Vulkane, deren feinkörnige Lockerprodukte zum Beispiel in Form von Aschen innerhalb von manchen Schichten nachweisbar sind. Der Ausbruch des Mt. St. Helens vom Mai 1980 hatte seine Aschen damals über mehrere Staaten der USA verteilt und damit eine sehr präzise Zeitmarke hinterlassen. Solche Zeitmarken kennen wir aus vielen Schichten innerhalb der gesamten Erdgeschichte, sie lassen sich anhand ihrer mineralogischen Zusammensetzung, die sozusagen den Fingerabdruck liefert, genau kennzeichnen und in jüngeren Ablagerungen auch mit physikalischen Methoden datieren. Diese Form der Schichtengliederung wird als Tephrostratigrafie bzw. Tephrochronologie bezeichnet. Tephra umfasst alle unverfestigten vulkanischen Lockerprodukte, die verfestigten nennt man Tuffe. Besonders bekannt ist die Tephra des letzten Ausbruchs vom Laacher See-Vulkan, die vor 12.900 Jahren über ganz Europa verbreitet wurde. Die geologischen Schichtenfolgen sind aber voll von solchen Zeitmarken, vorausgesetzt, man erkennt sie. Ein gutes Beispiel dafür sind die Arbeiten von J. Winter [10], der früher immer als „Letten“ bezeichnete Einlagerungen im Devon der Eifel als umgebildete vulkanische Aschenlagen erkannt und anhand der darin enthaltenen Zirkone individuell charakterisieren konnte. Hier zeigt sich eine anorganische Parallele zu den Leitfossilien der Biostratigrafie, die es ermöglicht, Schichten über weite Strecken miteinander zu korrelieren.

Die heute am häufigsten genutzte Methode zur Gliederung von Schichten hängt mit den ständigen Schwankungen des Meeresspiegels zusammen, die auch das Ablagerungsgeschehen in den überwiegend marinen Sedimenten der geologischen Vergangenheit gesteuert haben und bis heute steuern. Die Methode heißt Sequenz-Stratigrafie und beruht letztlich auf der Tatsache, dass sich bei fallendem und steigendem Meeresspiegel jeweils andere Ablagerungen bilden bis hin zu solchen, die im Auftauchbereich entstehen. Die im Ansatz schon 1906 von Eduard Suess erkannte weltweite Gleichzeitigkeit von Meeresspiegelschwankungen wurde anhand ihrer Hinterlassenschaften überprüft und durch verschiedene Methoden in eine zeitliche Abfolge gebracht. Haq, Hardenbol und Vail haben die Ergebnisse in einer grundlegenden Arbeit zusammengefasst [11], mit der man nun eine entsprechende Basis für die letzten 250 Millionen Jahre an der Hand hat. Der Vorteil ist, dass sich sowohl Schicht- als auch Erosionsgrenzen mit geophysikalischen Verfahren selbst in Bohrprofilen relativ einfach über riesige Areale verfolgen lassen.

Charakteristische Muster lassen sich auch in der Abfolge der Magnetisierung von Gesteinen erkennen, die auf eine vielfache Änderung des Erdmagnetfelds während der gesamten Erdgeschichte hinweist. Die Ursache dafür wird in Turbulenzen des flüssigen äußeren Erdkerns vermutet, die aber zu unregelmäßigen Abständen bei der Umkehrung des Feldes geführt haben. So ergeben sich unterschiedliche Zeitabstände, in denen sich die Magnetisierungsrichtung geändert hat; diese Abstände stellt man meist mit einem Wechsel von schwarzen und weißen Strich- bzw. Balkensignaturen dar, sodass sich ein ähnliches Muster ergibt wie beim Strichcode für Registrierkassen. Bei dieser als Paläo-Magnetismus bekannten Erscheinung werden in erster Linie die magnetischen Minerale in Basaltschmelzen entsprechend dem gerade herrschenden Magnetfeld der Erde angeordnet und bei deren Abkühlung quasi eingefroren. Um zu Altersdaten zu kommen, muss man die betreffenden Gesteine allerdings noch mit einer physikalischen Methode datieren; wenn man das datierte Strichcode-Muster aber zeitlich eingeordnet hat, lässt es sich über weite Strecken verfolgen. Dies funktioniert auch bei Sedimenten, falls diese magnetisierbare Minerale enthalten.

Stratigrafie: geologische Schichten und ihre Bezeichnungen

Schon im 17. Jahrhundert war der dänische Universalgelehrte Nicolaus Steno (1638 – 1686) der Ansicht, dass die Gesteine so übereinander lagern, wie sie zeitlich nacheinander entstanden sein mussten. Nach diesem „Lagerungsgesetz“ verfahren die Geologen noch heute. Begrifflich wurden dabei im Laufe der Zeit viele unterschiedliche Namen für Gesteinseinheiten geprägt, mit denen man den zeitlichen Verlauf der Erdgeschichte beschreiben kann: Ären, Systeme, Gruppen, Formationen, Schichtglieder und Schichten. Die Bezeichnungen für geometrisch fassbare Gesteinskörper sind also vielfältig und sie werden keineswegs immer eindeutig verwendet. An ihrer Präzisierung arbeiten Stratigrafische Kommissionen, die sich von Zeit zu Zeit treffen und vereinbaren, wie man geologische Schichten sinnvoll benennen, definieren und voneinander abgrenzen kann.

Eine alte, einfache Zählweise unterschied monti primari, secundari und terziari (Arduino 1714–95). Diese Unterscheidung hatte das Übereinander von spezifisch unterscheidbaren Gesteinspaketen zur Grundlage, sie orientierte sich dabei sowohl an deren Lagerungsverhältnissen als auch an der Ausbildung von Gesteinen bzw. dem Grad ihrer Verfestigung. Das wirkt in der Vorstellung über geologische Zeiträume bis heute nach: der harte Gneis, den die Pioniere den monti primari zuordneten, gilt geologisch nicht geschulten Betrachtern noch immer als besonders alt, während unverfestigte Sande in aller Regel für jung gehalten werden. Beides trifft nicht notwendigerweise zu, weil der Verfestigungsgrad allein von den Bedingungen der Diagenese abhängt: Die 300 Millionen Jahre alten Moskauer Braunkohlen sind aufgrund ihrer Position noch immer Braunkohlen und die nur 30 Millionen Jahre alten Pechkohlen in der Molasse des Alpenvorlands haben wegen des Gebirgsdrucks bereits das Steinkohlenstadium erreicht. Es gibt geologisch alten Kalkschlamm oder Mergel, aber auch ganz junge, bereits zu hartem Kalkstein verfestigte „beach-rocks“ mit Cola-Flaschen als Leitfossilien, die also erst nach 1945 entstanden sein können.

Dass man Schichten ähnlich wie übereinander gestapelte Bretter auffassen konnte, hatte unter anderem der als „Schichten-Smith“ in die Literatur eingegangene britische Landvermesser William Smith (1769 – 1839) im England des frühen 19. Jh. gezeigt, als er Schichten entlang von binnenländischen Schifffahrtskanälen verfolgte. Auf dem Kontinent hatten Johann Gottlob Lehmann (1719 – 1767) und Georg Christian Füchsel (1722 – 1773) im 18. Jahrhundert in Thüringen vorkommende Schichtenstapel feiner gegliedert und sogar entsprechende Profile dazu gezeichnet – und schon damals tauchte der Begriff „Formation“ dafür auf. Wenn Viktor Scheffel schrieb, dass „ein sehr bedenklicher Ton in der Liasformation eingerissen“ sei, dann stimmt das mit diesem ursprünglichen Begriff nicht mehr überein, denn der als Zeiteinheit aufzufassende Jura besteht aus vielen unterscheidbaren Formationen, die man im heutigen Sinne als durch ihre spezifischen Gesteine abgrenzbare und damit kartierbare Einheiten auffasst. Insofern spielt die Fazies (vereinfacht: die Summe aller Eigenschaften eines Gesteins einschließlich der darin eventuell vorkommenden Fossilien) eine wesentliche Rolle bei der Abgrenzung: Es ist auch für Nicht-Geologen einsichtig, dass man Gesteinskörper aus Sandstein von solchen aus Ton- oder Kalksteinen abgrenzen kann.

Der Sprachgebrauch ist aber nicht immer eindeutig und die nach heutigen Maßstäben fachlich korrekten Termini sind nicht immer einfach zu handhaben. Was jedem geologisch Interessierten als „Buntsandstein“ geläufig ist, muss der Fachmann eigentlich als „Buntsandstein-Gruppe“ bezeichnen.

Heute gilt eine Unterteilung, die mit Ären oder Ärathemen beginnt, denen als nächste Untereinheit die Systeme/Perioden, dann die Serien/Epochen und weiter die Stufen folgen, die im Einzelfall auch als Gruppen bezeichnet werden, die ihrerseits in Formationen und schließlich in Schichten weiter untergliedert sein können – aber das geschieht regional oft recht unterschiedlich und es ist auch noch nicht für alle geologischen Zeiteinheiten bzw. überall konsequent durchgeführt worden bzw. durchführbar. Ein Beispiel für eine solche, konsequent durchgeführte Gliederung unterscheidet:

Ära/Ärathem: Mesozoikum
System/Periode: Trias
Serie/Epoche: Mitteltrias
Stufe/Gruppe: Muschelkalk-Gruppe
Formation: Jena-Formation
Schicht: Terebratelbank

Es gibt noch immer eine Vielzahl unterschiedlicher Gliederungen, über die man sich anhand der Stratigraphischen Tabelle von Deutschland [12] informieren kann. Dort findet man auch – nicht ganz konsequent – für die Buntsandstein-Gruppe beispielsweise den Begriff „Folge“, der nach der oben aufgezeigten Gliederung eigentlich durch „Formation“ ersetzt werden müsste. Diese „Folgen“ sind wahrscheinlich eine mentale Folge der vorangegangenen, naturgesetzmäßigen Salzgesteinsfolgen des Zechsteins, die dort weiterhin so bezeichnet werden.

Im vorliegenden Buch haben die Herausgeber darauf verzichtet, die einzelnen Beiträge konsequent der modernen Terminologie anzupassen, auch weil uns der Leserkreis mit den gängigen Begriffen Buntsandstein, Muschelkalk oder Keuper hinreichend genau über die jeweilige stratigrafische Position informiert scheint. Wer es genauer wissen will, sollte die „Stratigraphische Tabelle von Deutschland“ zu Rate ziehen, die allerdings auch weiterhin Änderungen unterworfen bleiben wird [12].

Vom Alter der Erde – wie man zu Milliarden Jahren kommt

Milliarden sprechen zeitliche Dimensionen an, die selbst für studierte Geologen eigentlich nicht fassbar sind. Aber wir brauchen ein Zeit-Raster, um die natürlichen Zeugnisse der Geschichte unseres Planeten einigermaßen sinnvoll einordnen zu können: das sind einmal die Gesteine, und zum anderen die Fossilien, die uns mit ihren Bauplan-Änderungen dazu anregen, die Evolution alles Lebendigen auch in Form eines zeitlichen Ablaufs zu verfolgen.

Für die Evolution der Gesteine ist die Zeit eher nachrangig, weil wir inzwischen gelernt haben, dass sich nahezu alle Gesteine zu allen Zeiten der Erdgeschichte bilden können – bis heute. Ausnahmen sind darunter nur die Sedimente, die sich als Folgeprodukte aus allen ursprünglich magmatischen Gesteinen der Anfangszeit entwickelt und die damit auch eine Art von Evolutionsprozess durchlaufen haben. Ein Beispiel dafür sind Grauwacken, die sich durch ständiges Recycling in reine Quarzsandsteine verwandelt haben.

Im Übereinander unterschiedlicher Gesteine begreifen wir in erster Näherung auch ein zeitliches Nacheinander – im Kapitel zur Lithostratigrafie haben wir bereits mehr darüber erfahren. Fossilien in den Gesteinen halfen dann, die Zeitachse zu verfeinern: Das war der Anfang einer Teildisziplin, die später Biostratigrafie genannt wurde, und damit konnte man Schichten in eine relative zeitliche Abfolge einordnen. Mit zunehmender Sammeltätigkeit erkannte man auch bald, dass sich damit viele Schichten sogar weltweit wiedererkennen ließen.

Und man lernte auch bald, dass viele Fossilien mit heute noch lebenden Tieren und Pflanzen Ähnlichkeit hatten. Die Fülle der Funde führte dann zu Form-Vergleichen, aus denen sich – zunächst noch sehr grob – „Stammeslinien“ konstruieren ließen. Mit einer entsprechenden Menge an Individuen ließ sich schließlich sogar „Bevölkerungsstatistik“ betreiben. Biologen und Geologen ergänzten sich vor allem im frühen 19. Jahrhundert nahezu ideal. Allmählich ließ sich eine stetige Evolution der Organismen begründen, die die zuvor von Cuvier postulierten Revolutionen in der Organismenwelt ablösten. Cuvier hatte die Fossilien des Pariser Beckens anhand ihrer Schichtenfolge episodisch aussterben lassen und sie dann im nächst jüngeren Abschnitt durch völlig neue ersetzt gesehen. Heute haben wir genügend Material, diesem Katastrophismus mit guten Argumenten zu begegnen. Außerdem können wir mit einer guten statistischen Basis zeigen, welche Organismengruppen in welcher Zeit besonders häufig gewesen sind und auch, dass manche von ihnen nur während einer begrenzten Zeitspanne gelebt hatten: Das führte letztlich dazu, die großen Zeitabschnitte des Paläozoikums, Mesozoikums und Känozoikums zu begründen. Deren Zeitgrenzen sind durch bedeutende Änderungen in der Lebewelt begründet, die sich teilweise auch als Massenaussterbeereignisse interpretieren lassen (s. a. den folgenden Abschnitt sowie Kap. 16). Die Evolution hat aber in fast allen Fällen auch da mit einer Änderung der Baupläne reagiert. Die überlebenden Formen konnten in der Folge die durch die Aussterbeereignisse leer gewordenen ökologischen Nischen meistens schnell wieder besetzen.