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Einführung

Sie haben sich also dazu entschlossen, zum Betriebsrat zu kandidieren oder wurden vielleicht gerade gewählt. Vor Ihnen liegen einige dicke Bücher, die Sie nur mit Vorsicht zu bewegen wagen, aus Furcht, es könnte ein Dutzend Paragrafen herauspurzeln. Da haben Sie sich ja was aufgehalst …

Keine Angst! Das Amt des Betriebsrats ist zwar eine Herausforderung, aber eine, die durchaus zu bewältigen ist. Sie müssen ja nicht gleich am ersten Tag eine komplizierte Betriebsvereinbarung verhandeln. Gehen Sie einfach Schritt für Schritt auf Ihre Aufgaben zu und nehmen Sie sie fest in die Hand. Sie sind ja nicht allein! Sie haben Ihre Betriebsratskollegen, die Kollegen, die Sie gewählt haben, und Sie haben dieses Buch.

Über dieses Buch

Wenn Sie erwarten, dass Sie es als Betriebsrat viel mit Gesetzen und Paragrafen zu tun haben – haben Sie recht. Wenn Sie befürchten, dass die in erster Linie trocken, langweilig und schwer verständlich sind – haben Sie manchmal auch recht. Wenn Sie aber glauben, dass deswegen die ganze Geschichte also doch nichts für Sie ist – haben Sie nicht recht. Denn all diese Paragrafen lassen sich zu prächtigen, scharfen Waffen schmieden, mit deren Hilfe Sie im Betrieb allerhand bewirken können. Und das wird Ihnen mehr Freude machen als alles andere.

In diesem Buch wollen wir uns daher gar nicht lang mit der Interpretation von Gesetzestexten befassen, sondern uns darum kümmern, was man damit tun kann. Eine Menge! Wenn Sie sich einmal durch dieses Buch geschmökert haben, werden Sie sehen, dass Betriebsratsarbeit eine der befriedigendsten Aufgaben im ganzen Betrieb ist – sogar besser als selbst Chef sein:

check.png Sie müssen keine Mitarbeiter entlassen, sondern können dazu beitragen, dass Kollegen ihren Arbeitsplatz behalten.

check.png Sie müssen nicht die ganze Zeit an steigende Gewinne denken, sondern dürfen effizientere Arbeitssicherheitsmaßnahmen und angenehmere Arbeitszeiten mitgestalten.

check.png Sie müssen nicht herumbrüllen, sondern dürfen durch Argumente überzeugen.

check.png Sie müssen keine einsamen Entscheidungen treffen, sondern können alles im Team diskutieren und entscheiden.

check.png Sie haben Ihren Posten nicht durch Erbschaft, Hochdienen oder Seilschaften erhalten, sondern sind durch eine demokratische Wahl legitimiert.

Sie müssen auch weder Betriebswirtschaft noch Jura studiert und auch keine Kurs in Personalführung und Managementwissenschaften besucht haben. Es reicht, dass Ihnen bei Ungerechtigkeiten und ungerechtfertigten Zumutungen der Kamm schwillt und Sie das Bedürfnis haben, Ihren Unmut in konstruktives Handeln abzuleiten.

Für dieses Buch brauchen Sie keinerlei Vorwissen. Sie brauchen es auch nicht von vorn nach hinten durchzulesen. Schauen Sie sich das Inhaltsverzeichnis an und überlegen Sie, was Sie zuerst wissen wollen: Welche Mitbestimmungsrechte Sie im Fall einer Kündigung haben? Ob Ihnen ein Betriebsratsbüro zusteht? Wie Sie überhaupt erst einmal einen Betriebsrat zustande bekommen? Fangen Sie an jeder beliebigen Stelle zu lesen an, Sie werden sich garantiert zurechtfinden.

Konventionen in diesem Buch

Gleich ein Geständnis: Wenn Sie dieses Buch lesen, werden Sie sehr oft auf männliche Formen stoßen. Es ist von dem Arbeitgeber die Rede, dem Betriebsratsvorsitzenden, dem Kollegen, dem Arbeitnehmer … Das gefällt mir selbst nicht besonders gut, denn ich weiß: Die Hälfte der Welt ist weiblich (ich gehöre selbst zu dieser Hälfte), und das sollte man (frau!) auch sehen. Aber: Das in jedem Satz zu berücksichtigen, ist soooo umständlich. Keine der möglichen Lösungen – abwechselnd die weibliche oder die männliche Form, das Binnen-I wie in KollegInnen oder immer beide Formen nebeneinander – fand ich akzeptabel. Alle Möglichkeiten wären verwirrend und schwer lesbar, also genau das Gegenteil dessen, was Sie von einem … für Dummies-Buch erwarten.

Es bleibt also bei der konventionellen Schreibweise, in der Hoffnung, dass irgendwann einmal, in nicht allzu ferner Zukunft, selbst beim Wort »Vorstandsvorsitzender« vor dem geistigen Auge der Leserinnen und Leser ganz selbstverständlich eine Frau erscheint. (Übrigens auch beim Wort »Autor«: Schauen Sie einmal auf den Autorennamen auf dem Cover.)

Törichte Annahmen über den Leser

Warum könnten Sie sich für ein Buch mit dem Titel Betriebsrat für Dummies interessieren? Ich nehme einmal an, aus einem oder mehreren der folgenden Gründe:

check.png Sie werden gerade von Ihren Kollegen bekniet, doch bei den nächsten Betriebsratswahlen zu kandidieren: »Das kannst du doch!«

check.png Sie sind seit Kurzem im Betriebsrat und wissen nicht so recht, wo’s langgeht.

check.png Sie sind seit Längerem im Betriebsrat und wurden zum Vorsitzenden gewählt – da kommen eine Menge neue Aufgaben auf Sie zu.

check.png Sie sind schon lange im Betriebsrat, und trotzdem gibt es immer noch Bereiche, über die Sie sich schlauer machen wollen.

check.png Sie sind im Betriebsrat und stellen plötzlich fest, dass ein neuer Chef ganz andere Saiten aufzieht.

check.png Sie sind überhaupt nicht im Betriebsrat, sondern Arbeitgeber und wollen sich auch mal informieren, was Ihr Betriebsrat eigentlich so alles kann und darf.

Was Sie nicht lesen müssen

Habe ich schon erwähnt, dass Sie als Betriebsrat viel mit Paragrafen zu tun haben werden? Auch in diesem Buch sind eine ganze Menge solcher Gesetzestexte zitiert. Sie erkennen sie immer am Paragrafenzeichen. Und: Sie müssen sie (erst einmal) nicht lesen. Alles, was Ihnen die Paragrafen in trockenen Worten und verschachtelten Sätzen zu sagen haben, erfahren Sie leicht verständlich auch im Text. Erst wenn es einmal ernst wird und Sie darangehen müssen, strenge Briefe zu schreiben, sollten Sie den Gesetzestext im Wortlaut heranziehen.

Wie dieses Buch aufgebaut ist

Dieses Buch ist in sechs Teile gegliedert, die unterschiedliche Aspekte der Betriebsratsarbeit behandeln.

Teil I: Was der Betriebsrat kann und darf

Hier erfahren Sie, was ein Betriebsrat überhaupt ist, wofür man ihn braucht und wie man ihn bekommt. Sie bekommen ein paar gute Gründe an die Hand, warum Sie (ja, Sie!) sich als Betriebsratskandidat aufstellen lassen sollten und was Sie davon eigentlich haben.

Danach führe ich Sie durch das Dickicht der verschiedenen betrieblichen Gremien, und schon sind wir beim Herzstück der Betriebsratsarbeit: den Mitbestimmungsrechten. Schließlich werden noch sehr ausführlich die Rechte und Pflichten des Betriebsrats vorgestellt, wir schreiten gemeinsam den (gar nicht so eng bemessenen) Gestaltungsspielraum ab und öffnen gleich die Tür zur ersten Sprechstunde.

Teil II: Die tägliche Arbeit

Hier wird erst einmal eingeräumt – das Betriebsratsbüro nämlich. Neben Arbeitsplatz und Ausstattung richten wir auch eine kleine, sicher stetig wachsende Betriebsratsbibliothek ein und beschäftigen uns mit den wichtigsten Sachverständigen.

Danach kann es gleich weitergehen mit der Betriebsratssitzung: Wer nimmt teil, wer nicht, was ist ein Beschluss und wie kommt er zustande. Und weil eine gute Öffentlichkeitsarbeit auch für den Betriebsrat unverzichtbar ist, gebe ich dazu auch ein paar Tipps.

Teil III: Die Betriebsversammlung

Showdown oder Erbsenzählerei? Hitzig oder sterbenslangweilig? Wie Sie Ihre Betriebsversammlung zu einer interessanten und lebhaften Veranstaltung machen können, erfahren Sie in diesem Teil.

Teil IV: Verhandlungen mit dem Arbeitgeber

Die natürlichen Partner im betrieblichen Alltag sind Betriebsrat und Arbeitgeber. Wie weit diese »Partnerschaft« gehen kann und wo sie ihre Grenzen hat, ist eine spannende Frage. In diesem Teil überzeuge ich Sie von der Notwendigkeit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber, stehe Ihnen beim Abschluss einer Betriebsvereinbarung bei und stärke Ihnen den Rücken, wenn es ungemütlich wird: einstweilige Verfügung, Klage, Sozialplan.

Teil V: Die Wahl

Weil so ein Betriebsrat ja nicht vom Himmel fällt, werden in diesem Teil die verschiedenen Wahlverfahren für alle Betriebsgrößen vorgestellt und erläutert: kleine, mittelgroße, große Betriebe, solche mit und solche ohne Betriebsrat. Warum so spät? Steht denn die Wahl nicht ganz am Anfang der Betriebsratsarbeit? Ja und nein: Die Arbeit des Betriebsrats hat mit der Wahl nur am Rande zu tun, organisiert wird sie von einem Wahlvorstand. Wer ist das denn? Auch das erfahren Sie in diesem Teil.

Teil VI: Der Top-Ten-Teil

Hier erwarten Sie gute Tipps im Zehnerpack: die zehn besten Websites für Betriebsräte, die zehn wichtigsten gesetzlichen Regelungsbereiche sowie Tipps für Verhandlungen mit dem Arbeitgeber und für Beratungsgespräche mit zornigen, verzweifelten oder ratlosen Kolleginnen und Kollegen.

Symbole, die in diesem Buch verwendet werden

Über das Buch verteilt finden Sie vier verschiedene Symbole, deren Bedeutung Sie hier erfahren:

Icon_Tipp2.jpgEin praktischer Tipp oder Kniff, der Ihnen die Arbeit oder eine Verhandlung erleichtert.

Icon_Paragraf2.jpgDas ist ein Gesetzestext. Sie brauchen ihn nur zu lesen, wenn Sie sich rückversichern oder ihn zitieren wollen.

Icon_Hand2.jpgHier kommt eine zusätzliche Erläuterung, die etwaige Unklarheiten beseitigen könnte.

Icon_Warnung2.jpgVorsicht! Hier lauert eine Fallgrube, die Sie kennen sollten!

Wie es weitergeht

Nehmen Sie Ihr Herz in die Hand, springen Sie über Ihren Schatten, schlucken Sie ein paar Mal – und los geht’s. Vor Ihnen liegt eine hoch spannende Herausforderung, eine interessante Aufgabe, eine Arbeit, die Ihnen Befriedigung und Anerkennung verschafft, ein Lebensabschnitt, in dem Sie unendlich viel lernen werden. Dieses Buch will Ihnen dabei helfen. Sie brauchen es nur aufzuschlagen.

Über die Autorin

Margarete Graf war viele Jahre lang Lektorin für Schulbuch, Sachbuch und Reiseführer in verschiedenen mittelständischen Verlagen. Mit der Betriebsratsarbeit kam sie zunächst als Vorsitzende eines Wahlvorstands zur Durchführung von Betriebsratswahlen in Kontakt. Schon einige Jahre später wurde sie selbst zur Betriebsratsvorsitzenden gewählt und mehrmals im Amt bestätigt. Sechzehn Jahre lang führte sie nicht nur zahllose Gespräche und Verhandlungen, sondern leitete auch die Vorbereitung und Verhandlung von zahlreichen Betriebsvereinbarungen, unter anderem zum Thema Vertrauensarbeitszeit (diese Betriebsvereinbarung wurde später – mit anderen – Gegenstand eines Forschungsprojekts), und verhandelte über verschiedene Sozialpläne.

Margarete Graf arbeitete danach mehrere Jahre als Redakteurin bei einer Berufsgenossenschaft. Außerdem war sie freiberuflich als Autorin und Lektorin tätig. Zu ihren zahlreichen Veröffentlichungen gehören Reise- und Wanderführer, Sachbücher und Beiträge für Sammelbände, Zeitungen und Zeitschriften.

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Betriebsrat – wozu eigentlich?

In diesem Kapitel

arrow Die Interessenvertretung der Arbeitnehmer im Betrieb

arrow Der Betriebsrat kann mehr als jeder Einzelne

arrow Alles streng nach Gesetz

arrow Fünf gute Gründe, warum ausgerechnet Sie nicht kandidieren können – oder doch?

Betriebsräte werden entweder belächelt oder bewundert. Manchen schwebt bei dem Wort »Betriebsrat« das Bild eines stattlichen Kollegen mit tiefer Stimme vor, der dem Chef Paroli bietet. Andere denken an eine toughe Kollegin, die für alle Probleme ein offenes Ohr hat. Manche erinnern sich an Fernsehbilder von energischen Frauen oder Männern, die, Megafon in der Hand, vor einem Werkstor stehen und gegen die drohende Schließung eines Betriebs protestieren. Wieder andere sagen: »Wir brauchen keinen Betriebsrat, wir haben einen verständnisvollen Chef.« Oder: »Was ich zu regeln habe, verhandle ich selbst mit meinem Vorgesetzten, da soll mir ja keiner dreinreden.«

Für die meisten aber ist der Betriebsrat eine ganz alltägliche Einrichtung im Betrieb, so normal wie der Betriebsarzt, der Kantinenbetreiber oder – der Geschäftsführer. Für sie ist es eine Selbstverständlichkeit zu sagen: »Wenn sich da nicht etwas ändert, gehe ich zum Betriebsrat!« oder »Sag mal, du als Betriebsrat könntest dich doch mal darum kümmern, dass wir neue Stühle / eine bessere Urlaubsordnung / eine anständige Absauganlage bekommen.«. Was der Betriebsrat alles kann, erfahren Sie in diesem Kapitel.

Die betriebliche Interessenvertretung

Der Betriebsrat ist die von allen Beschäftigten eines Betriebs gewählte Interessenvertretung der Arbeitnehmer. Es handelt sich dabei also nicht um eine einzelne Person, sondern um ein Gremium, ähnlich wie ein Parlament oder ein Stadtrat. Die Aufgabe eines Betriebsrats besteht darin, die Interessen der Belegschaft gegenüber dem Arbeitgeber zu vertreten. Grundlage dafür sind die gesetzlich geregelten betrieblichen Mitbestimmungsrechte, vor allem das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).

Das klingt schon einmal recht förmlich und respektheischend. Das soll es auch! Denn damit wird gleichzeitig deutlich, was der Betriebsrat nicht ist:

check.png Der Betriebsrat ist kein Unter-Abteilungsleiter oder Ober-Arbeitnehmer. Er steht nicht zwischen Chef und Kollegen, sondern auf der Ebene der Kollegen.

check.png Der Betriebsrat ist kein Kummerkasten in Herzensnöten.

check.png Der Betriebsrat ist auch kein notorischer Quertreiber und Krawallmacher.

Ein Betriebsrat kann aus nur drei, aber auch aus über hundert Mitgliedern bestehen. Die Größe des Gremiums ist abhängig von der Größe des Betriebs. Je mehr Arbeitnehmer wahlberechtigt sind, desto mehr Betriebsratsmitglieder gibt es auch. Nur in Betrieben mit weniger als fünf Beschäftigten ist gar keine Interessenvertretung vorgesehen.

Icon_Hand2.jpgDer Betriebsrat ist die gewählte Vertretung der gesamten Belegschaft eines Betriebs. Ein Einzelner aus dieser Gruppe ist ein Betriebsratsmitglied.

Betriebsräte im eigentlichen Sinn gibt es nur in Betrieben des privaten Rechts. Öffentliche Betriebe, also Ämter, Behörden oder staatliche Institute haben keinen Betriebsrat, sondern einen Personalrat. Dessen Rechte und Pflichten regeln das Bundespersonalvertretungsgesetz beziehungsweise die Personalvertretungsgesetze der Länder. Ein eingeschränktes Mitwirkungsrecht haben zum Beispiel die Beschäftigten von Religionsgemeinschaften und ihrer Einrichtungen, etwa die Erzieherinnen eines von der Caritas geführten Kindergartens oder die Pfleger eines von der evangelischen Kirche geführten Hospizes.

Icon_Paragraf2.jpgRechte und Pflichten des Betriebsrats sowie seine Stellung im Betrieb sind im Betriebsverfassungsgesetz geregelt. Es umfasst über 130 einzelne Paragrafen. Keine Angst, Sie brauchen nicht alle zu kennen.

Was kann der Betriebsrat, was ich nicht kann?

Vielleicht denken Sie, an Ihrer Arbeitsstelle lasse sich alles schiedlich-friedlich regeln. Der Chef ist vernünftig und verständnisvoll, mit dem kann man über alles reden, und bisher hat es noch keine großen Auseinandersetzungen gegeben. Es müssen nur alle an einem Strang ziehen, dann klappt es schon.

Aber so einen Strang kann man in verschiedene Richtungen ziehen. Wenn sich nämlich der stets verständnisvolle Herr Druckereibesitzer eines Tages ausrechnet, dass er mit einer neuen Vierfarb-Druckmaschine nicht nur schneller und präziser drucken kann, sondern auch drei Drucker weniger braucht, dann gibt es ganz schnell eben doch Konflikte, und es zeigt sich, dass die Ziele des Arbeitgebers und die der Beschäftigten unterschiedlich sind. Der eine möchte seine Kosten reduzieren, die anderen wollen ihren Arbeitsplatz behalten. Es offenbart sich plötzlich, dass es einen Interessenkonflikt zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten gibt – oder, um es ganz unverblümt auszudrücken: zwischen Kapital und Arbeit.

»Nun gut, wenn es zum Schlimmsten kommt, dann müssen wir eben einen Sozialplan abschließen, der fürs Erste die ärgsten Folgen abfedert« – wer darauf spekuliert, auf den wartet leider eine herbe Enttäuschung: Nur ein ordnungsgemäß gewählter Betriebsrat kann mit dem Arbeitgeber einen Sozialplan verhandeln und abschließen.

Aber es muss ja nicht gleich um den Verlust von Arbeitsplätzen gehen: Denken Sie nur an Debatten um Schichtpläne, Pausenzeiten, Beginn und Ende der Arbeitszeit, Raucherecken, Urlaubspläne. Oder gar an so umfassende Fragen wie Einführung von flexibler Arbeitszeit, Altersteilzeit, Betriebskindergarten ... All das kann und darf auch der tüchtigste und couragierteste Arbeitnehmer nicht allein verhandeln. Nur durch die Mitbestimmungsrechte der betrieblichen Interessenvertretung stiehlt sich auch in einen privatwirtschaftlich geführten Betrieb ein Stück Demokratie.

Icon_Hand2.jpgDort, wo es keinen Betriebsrat gibt, sind die Rechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz nicht anwendbar.

Je größer ein Unternehmen ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass es einen Betriebsrat gibt. Von den Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten hat nur ein knappes Fünftel einen Betriebsrat, in mittelständischen Unternehmen (ab 200 Beschäftigte) ist ein Betriebsrat schon fast die Norm: In vier von fünf existiert ein Betriebsrat. Eine gewisse Rolle spielt es auch, ob das Unternehmen direkt vom Inhaber geführt wird oder von einer Geschäftsführung, die aus mehreren Personen besteht. Familienunternehmen stehen Betriebsräten öfter reserviert gegenüber. Sie fürchten, in ihren Entscheidungen eingeschränkt zu werden und sich langwierig abstimmen zu müssen, anstatt einfach auf den Tisch hauen zu können. Meist kennen sich Inhaber selbst nicht so gut im Arbeitsrecht aus und wollen zusätzliche Kosten durch Anwälte und Beratung vermeiden.

Doch es hat sich gezeigt, dass sich selbst Arbeitgeber, die der Wahl eines Betriebsrats skeptisch bis ablehnend gegenüberstanden, nach einiger Zeit sehr gut mit der betrieblichen Interessenvertretung arrangieren können. Ja, sie empfinden es sogar als positiv, dass ein sozialer Ausgleich geschaffen wird, ohne dass der Chef mit jedem Beschäftigten einzeln verhandeln muss. Fast immer stellen sie fest, dass sich das Betriebsklima und die Zusammenarbeit mit den Beschäftigten verbessern.

Auf dem Boden des Gesetzes

Die Aufgaben, Rechte und Pflichten eines Betriebsrats regelt das Betriebsverfassungsgesetz. Fast alles, was Sie in diesem Buch erfahren, beruht auf den Paragrafen dieses Gesetzes. Da die Rechte und Pflichten des Betriebsrats aber nicht im luftleeren Raum existieren, regelt es ebenso die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Betrieb.

Was ist mit Zusammenarbeit gemeint? Gewiss nicht, dass der eine sagt, wo es langgeht, und der andere sagt: »Okay, Chef, wird gemacht.« Es geht vielmehr um die Mitbestimmung der Arbeitnehmervertretung im Betrieb. Eine Reihe von Rechten stellt sicher, dass die Arbeit unter menschenwürdigen, gedeihlichen und möglichst wenig gesundheitsschädlichen Bedingungen erledigt werden kann.

Wenn Sie sich als Betriebsratsmitglied mit anderen Betriebsräten, mit Gewerkschaftssekretären, Juristen, Beratern, aber auch mit Ihrem Arbeitgeber oder seinem Vertreter unterhalten oder in Fachzeitschriften schmökern, werden Sie feststellen, dass alle sich in Zweifelsfällen – aber nicht nur dann – auf das Betriebsverfassungsgesetz berufen. Das hört sich dann so an: »Dieses Seminar ist nach § 37 Abs. 6 anerkannt.« oder »Keine Sorge, in diesem Fall muss der Arbeitgeber die Unterlagen aushändigen – Paragraf 90!«. Die wichtigsten Paragrafen werden Sie auch sehr schnell benennen und anwenden können.

Das Betriebsverfassungsgesetz wird Ihre wichtigste »Waffe« im betrieblichen Alltag werden. Auch wenn Sie mit Ihrem Arbeitgeber im Großen und Ganzen gut auskommen, trägt in einem Brief der Hinweis auf den entsprechenden Paragrafen doch oft zur Klärung bei, verhindert langwierige und überflüssige Diskussionen und zeigt dem Chef, dass Sie es ernst meinen.

Icon_Hand2.jpgSehr schnell wird Ihnen auch die gängige Abkürzung von den Lippen gehen: BetrVG, sprich: »BetrVauGeh«.

Betriebliche Mitbestimmung – ein kurzer Überblick

check.png Mitbestimmungsrechte: In sozialen Angelegenheiten hat der Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber diese Angelegenheiten nicht nach seinem Gusto regeln kann, ohne mit dem Betriebsrat zu einer Übereinkunft gekommen zu sein. Welche Angelegenheiten das sind, regelt der § 87 BetrVG – der wichtigste Paragraf des Betriebsrats!

check.png Mitwirkungsrechte: Bei personellen Angelegenheiten wie Umgruppierung, Versetzung, Einstellung oder Kündigung muss der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats einholen. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, kann der Arbeitgeber seinen Willen mithilfe des Arbeitsgerichts durchsetzen.

check.png Beratungsrechte: Angelegenheiten, die Organisation oder Ablauf der Arbeit betreffen, muss der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat beraten. Er muss ihm also nicht nur umfassende Informationen zur Verfügung stellen, sondern auch den Rat des Betriebsrats einholen.

check.png Informationsrechte: Damit der Betriebsrat seine Aufgaben qualifiziert erfüllen kann, muss er vom Arbeitgeber umfassend informiert werden, auch in solchen Bereichen, in denen er nicht mitbestimmungsberechtigt ist. Dazu gehören personelle Angelegenheiten – Einstellung, Versetzung, Umgruppierungen – sowie technische und organisatorische Veränderungen.

Icon_Warnung2.jpgEin erzwingbares Mitbestimmungsrecht – das stärkste Recht des Betriebsrats – gibt es nur in sozialen Angelegenheiten, nicht in wirtschaftlichen.

check.png Betriebsvereinbarungen: In Betriebsvereinbarungen regeln Arbeitgeber und Betriebsrat bestimmte Vorgehensweisen im Betrieb verbindlich. Dabei kann es um die Zugangsberechtigung zum firmeneigenen Parkplatz gehen, aber genauso gut auch um das Thema Teilzeitarbeit oder übertarifliche Zulagen.

check.png Interessenausgleich und Sozialplan: Wirklich existenziell sind die Handlungsmöglichkeiten eines Betriebsrats, wenn es zu wirtschaftlichen Krisen im Betrieb kommt und Betriebsteile oder der ganze Betrieb geschlossen werden. Dann kann der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber einen Sozialplan verhandeln und abschließen. Im Sozialplan werden Abfindungsregelungen festgelegt.

Icon_Hand2.jpgSelbst ein Betriebsrat, der seine Aufgabe nur unvollkommen erfüllt, ist in Krisenzeiten besser als gar kein Betriebsrat. Immerhin ist er bereits installiert und kann von den Kollegen beeinflusst und gedrängt werden, tätig zu werden. Bei einer drohenden Betriebsschließung bricht in Betrieben ohne Betriebsrat oft eine verzweifelte Hektik aus, um vor Toresschluss schnell noch einen Betriebsrat zu wählen, der den Sozialplan verhandeln kann. Da aber ein Sozialplan ein diffiziles Vertragswerk ist, in dem viele Einzelheiten berücksichtig werden müssen, ist es nicht hilfreich, wenn ein großer Teil der verbleibenden Zeit mit der Wahl und Installation eines Betriebsrats vertan werden muss.

check.png Initiativrecht: Vor allem die Aufgaben und Handlungsmöglichkeiten, die unter dem Begriff »Initiativrecht« zusammengefasst werden können, machen die Betriebsratsarbeit so interessant. Er bezeichnet das Recht des Betriebsrats, in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten dem Arbeitgeber Maßnahmen vorzuschlagen, die dem Wohle der Beschäftigten und des Betriebs dienen. Dazu gehören ausdrücklich Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen und die Integration von ausländischen Arbeitnehmern. Es können aber auch ganz andere Projekte angegangen werden, von der Verlegung der Pausenzeiten bis zur Einrichtung einer Betriebssportgruppe. Der Arbeitgeber muss sich die Vorschläge anhören und mit dem Betriebsrat ernsthaft beraten.

Diese noch sehr kursorische Aufzählung zeigt, dass der Betriebsrat durchaus nicht so eine Art »besonders durchsetzungsfähiger Kollege« ist, sondern vielmehr vom Gesetzgeber mit ganz anderen und viel wirkungsvolleren Rechten ausgestattet ist als jeder andere Beschäftigte, auch wenn er noch so einen guten Draht zum Chef hat.

Wo der Betriebsrat nichts zu sagen hat

Der Betriebsrat regelt also, gemeinsam mit dem Arbeitgeber, das betriebliche Miteinander. Damit stößt er allerdings auch an seine Grenzen. Diese Grenzen geben Gesetze, Arbeitsschutzbestimmungen und Tarifverträge vor. In allen Fällen, in denen es gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen gibt, können Betriebsräte mit den Arbeitgebern zwar bessere, nicht aber schlechtere Bedingungen aushandeln.

Ein Beispiel: Durch das Bundesurlaubsgesetz stehen jedem Arbeitnehmer pro Jahr mindestens 24 Werktage Urlaub zu. Falls es in dem betreffenden Bereich einen gültigen Tarifvertrag gibt, der 28 Tage festlegt, dürfen auch nicht weniger als diese 28 Tage vereinbart werden. Der Betriebsrat darf also nicht mit dem Arbeitgeber vereinbaren, »dass wir im nächsten Jahr, weil die Auftragslage so schlecht ist, nur 20 Tage nehmen«. Mehr Urlaubstage allerdings zu vereinbaren ist erlaubt – eine günstigere Lösung ist also immer drin. Dieses »Prinzip der Besserstellung« ist hilfreich, denn es dient dem Schutz der Arbeitnehmer. So kann der Betriebsrat nicht erpresst werden, einer schlechteren Lösung zuzustimmen.

Ebenso enden die Befugnisse des Betriebsrats dort, wo der Arbeitsvertrag beginnt. Was der einzelne Kollege in seinem Arbeitsvertrag vereinbart, geht den Betriebsrat zunächst einmal nichts an.

Wir streiken – nicht!

Obwohl viele Betriebsratsmitglieder gewerkschaftlich organisiert sind, ist ein Betriebsrat kein gewerkschaftliches Organ, sondern agiert als Vertreter aller, also auch der gewerkschaftlich nicht organisierten Kollegen. Wie verhält sich ein Betriebsrat also, wenn die Gewerkschaft einen Streik ausruft und die Kollegen mit Transparenten vor den Werkstoren stehen? Als Gremium ist der Betriebsrat hier ganz klar zur Neutralität verpflichtet. Der Betriebsratsvorsitzende unterzeichnet keinen Streikaufruf, Flugblätter werden nicht auf Betriebsratsbriefpapier geschrieben und nicht auf dem betriebsratseigenen Kopierer vervielfältigt. Wer das tut, riskiert eine fristlose Kündigung!

Aber kein Betriebsratsmitglied muss seine Seele verkaufen. Denn als einfacher Arbeitnehmer kann jeder am Streik teilnehmen, Streikposten stehen, Flugblätter verfassen, ein Megafon halten. Nur: Es muss deutlich werden, dass er nicht als Betriebsratsmitglied da steht.

Icon_Tipp2.jpgEtwas anderes wäre es, wenn der Betriebsrat eine Betriebsversammlung einberuft, um über einen Tarifkonflikt zu informieren, vor allem in Anwesenheit beziehungsweise unter Beteiligung des zuständigen Gewerkschaftsvertreters.

Kein Betriebsrat ohne Wahl

Ein Betriebsrat entsteht nicht von allein. Er wird auch nicht vom Chef eingestellt oder von der Gewerkschaft installiert.

Der Betriebsrat entsteht ausschließlich durch Wahl. An der Betriebsratswahl nehmen alle wahlberechtigten Arbeitnehmer eines Betriebs teil. In Betrieben, in denen es schon einen Betriebsrat gibt, findet vor dem Ende der regulären vierjährigen Amtszeit des bisherigen Betriebsrats die Wahl eines neuen Vertretungsgremiums statt.

Gibt es in einem Unternehmen noch keinen Betriebsrat, müssen ein paar – mindestens drei – beherzte Kollegen die Sache in die Hand nehmen: Sie laden alle Arbeitnehmer zu einer Betriebsversammlung ein und lassen einen Wahlvorstand wählen, der sodann die Wahl organisiert. Alles, was es dazu zu wissen gibt, erfahren Sie in Teil V.

Um einen guten, schlagkräftigen, einsatzbereiten und klugen Betriebsrat zu bekommen, müssen sich genügend Kandidaten zur Wahl stellen. Zum Beispiel Sie!

Icon_Hand2.jpgDie Betriebsratswahlen finden alle vier Jahre in der Zeit vom 1. März bis 31. Mai statt (BetrVG § 13). Die Wahlen finden also bundesweit in allen Unternehmen, die einen Betriebsrat haben, etwa zur selben Zeit statt. Das hat den Vorteil, dass das Thema am Kochen ist. In Zeitungen und Fachzeitschriften finden sich Meldungen dazu, die Gewerkschaften können Seminare dazu organisieren, keiner kann sich ihm leicht entziehen. Die nächsten regelmäßigen Wahlen finden im Jahr 2014 statt, dann wieder 2018. Wenn in einem Betrieb bisher noch kein Betriebsrat existiert hat, kann die Wahl natürlich jederzeit stattfinden.

Weshalb ausgerechnet ich?

Viele Betriebsratsmitglieder erinnern sich noch daran, wie sie für die Kandidatur zum Betriebsrat geworben wurden. Das war nicht selten ein hartes Stück Arbeit, ein langes Abwägen von Für und Wider, und es dauerte lange, bis das »Für« endlich überwog. Sicher finden Sie in den folgenden Beispielen ein paar Einwände, die Ihnen bekannt vorkommen. Die können Sie dann gleich ad acta legen.

»Betriebsrat? Das erlaubt unser Chef nie!«

Das braucht er auch nicht! Die Wahl eines Betriebsrats ist ein Recht der Arbeitnehmer, das der Arbeitgeber mitsamt seinem Direktionsrecht nicht außer Kraft setzen kann. Wenn eine Belegschaft beschließt, einen Betriebsrat zu wählen, dann tut sie das. Und setzt damit vielleicht beim Arbeitgeber einen Lernprozess über Demokratie im Betrieb in Gang.

»Das kann ich nicht«

Fast alle, die gefragt werden, ob sie nicht für den Betriebsrat kandidieren wollen, sagen als Erstes: »Aber davon habe ich doch überhaupt keine Ahnung! Ich weiß doch gar nicht, was ich da machen muss!« Und damit haben sie meistens vollkommen recht. »Betriebsrat« hat keiner gelernt, weder in der Schule noch in der Berufsausbildung noch im Studium. Dass es allen so geht, ist ja schon einmal tröstlich. Der bessere Trost ist: Man kann es lernen! Es gibt Seminare und Kurse, die einen fit machen, Bücher und Zeitschriften, in denen man nachlesen kann, was man nicht weiß, Gewerkschaftssekretäre, Kollegen in anderen Betrieben und vor allem erfahrene Kollegen, denen man eine Weile zusehen kann, bis man selbst die ersten Schritte unternimmt, Vorschläge einbringt und Beschlüsse formuliert.

Aber die wichtigsten Voraussetzungen für eine gute und erfolgreiche Betriebsratsarbeit bringen Sie selbst mit: Engagement, Gerechtigkeitssinn, soziales Bewusstsein, Neugier, einen Schuss Zorn auf Zustände, die man verbessern müsste und könnte, die Lust, in einem Team zu arbeiten, etwas Neues auszuprobieren, und vor allem eine große Portion gesunden Menschenverstand.

»Dafür habe ich keine Zeit«

Damit haben Sie sicher recht – im Prinzip. Denn wenn Betriebsratsarbeit gut gemacht werden soll, braucht sie Zeit. Und kaum jemand hat in seinem Job so viel Leerlauf, dass sich das Engagement für die Kollegen noch mühelos unterbringen lässt. Wenn man als Betriebsratsmitglied seine Arbeit ernst nimmt, ist nicht zu erwarten, dass man zugleich seine tägliche Arbeit hundertprozentig weiterführen kann.

Daher ist gesetzlich vorgesehen, dass jedes Betriebsratsmitglied für die Zeit, die es mit Betriebsratsarbeit verbringt, von der Arbeit befreit ist. Selbstverständlich wird in der Zeit der Freistellung auch das Gehalt weitergezahlt. Auch wenn es zunächst so aussieht, als wäre die Arbeit, die zwangsläufig liegen bleibt, niemals »wegzuorganisieren«, so stellt sich in den meisten Fällen dann heraus, dass es doch geht. In Betrieben ab 200 Beschäftigten kann sogar ein Betriebsratsmitglied von der Arbeit vollkommen freigestellt werden.

Trotz allem sollte Ihnen bewusst sein, dass die Betriebsratsarbeit Ihnen einiges abfordert – auch an Freizeit. Seminare dauern meistens mehrere Tage oder eine Woche, Zeit, die Sie nicht zu Hause verbringen, die Sie Ihrer Familie, Ihren Kindern, Ihren anderen Freizeitaktivitäten abknapsen müssen. Etwa ein Fünftel bis Viertel Ihrer Arbeitszeit werden Sie sich zukünftig Ihrer Funktion als Betriebsratsmitglied widmen. Und Sie werden sehen: Es macht Freude!

»Das traue ich mir nicht zu«

Es ist nicht zu leugnen: Schon für die Kandidatur braucht man eine gewisse Traute. Und bei der Vorstellung, einem ungehaltenen, arroganten, womöglich brüllenden Betriebsleiter gegenüberzustehen und seine Forderungen durchzuboxen, sinkt manchem das Herz in die Hose. Trotzdem: Wenn Sie der Meinung sind, dass Ihr Betrieb einen Betriebsrat braucht, dann nehmen Sie Ihr Herz in die Hand und versuchen Sie es. Sie sind ja nicht allein! Ihre Betriebsratskollegen stehen hinter und neben Ihnen. Einige haben wahrscheinlich schon mehr Erfahrung und gehen zumindest in der Anfangszeit voran.

Wahrscheinlich müssen Sie nicht gleich am ersten Tag eine schwierige Auseinandersetzung allein bestehen. Sie werden sehen, wie Ihr Selbstvertrauen von Woche zu Woche wächst, je mehr Sie lernen, je mehr Einblick Sie in die betrieblichen Interna bekommen, je öfter Sie an Gesprächen mit dem Arbeitgeber teilnehmen. Und Sie werden feststellen, dass allein die Tatsache, dass Sie in einem definierten rechtlichen Rahmen handeln, also das Gesetz hinter sich haben, Ihr Auftreten immer sicherer und selbstbewusster macht.

Icon_Hand2.jpgAls Betriebsrat stehen Sie dem Arbeitgeber nicht als »Untergebene« gegenüber, sondern verhandeln auf Augenhöhe. Auch wenn Ihr Chef das nicht wahrhaben will – oft genügt es schon, sich diesen Umstand bewusst zu machen.

»Wir brauchen keinen Betriebsrat«

Sind Sie ganz sicher, dass das keine Schutzbehauptung ist? Gibt es wirklich nichts, was Sie gern verändern würden, wenn Sie könnten? Und sind Sie sicher, dass die goldenen Zeiten niemals zu Ende gehen?

Stellen Sie sich vor, der Besitzer der Firma, in der Sie arbeiten, wird plötzlich krank und die Geschäftsführung geht in andere Hände über. Ob dann auch noch alles so prima in Ordnung ist? Was passiert, wenn es plötzlich Absatzschwierigkeiten gibt und der Arbeitgeber feststellt, dass er 50 Beschäftigten kündigen muss? Da hilft es Ihnen nichts, dass er das vielleicht blutenden Herzens tut – Sie brauchen einen anständigen Sozialplan, um die Kollegen – zu denen Sie vielleicht selbst gehören – einigermaßen finanziell abzusichern. Als Betriebsrat hätten Sie ja vielleicht die Möglichkeit, schon im Voraus zu reagieren, Informationen, die Ihnen zustehen, auszuwerten, Alternativvorschläge zu entwickeln und das Schlimmste abzuwehren oder zumindest abzufedern.

Icon_Hand2.jpgWenn man den Betriebsrat in »guten Zeiten« installiert, kann man sich in Krisenzeiten viel besser auf die Bewältigung der Probleme konzentrieren.

»Wenn ich kandidiere, kann ich mir meine nächste Beförderung abschminken«

Viele fürchten, dass das Engagement für ihre Kollegen sie bei der Geschäftsleitung ins Abseits führt. Um ganz ehrlich zu sein: Vollkommen von der Hand zu weisen ist das nicht. Meistens aber sind solche Bedenken grundlos. Die wenigsten Arbeitgeber verfolgen Betriebsräte tatsächlich mit solchem Zorn, dass sie ihnen noch jahrelang die Karriere verpfuschen wollen. Während der Zeit des Mandats und auch noch ein Jahr danach sind Sie auf alle Fälle vor Kündigung geschützt, der Arbeitgeber hat sogar die Pflicht, Sie in turnusmäßige Beförderungen oder Höhergruppierungen einzubeziehen. Bevor Sie also diese Befürchtung zum Hindernis für Ihre Kandidatur aufbauen, überlegen Sie sich genau:

check.png Stünde eine Beförderung überhaupt in absehbarer Zeit an oder ist sie nur eine theoretische Möglichkeit?

check.png Gibt es objektive Gründe, die Ihrer Beförderung im Weg stehen? Spekulieren Sie zum Beispiel auf die Position der Personalleitung oder der persönlichen Assistenz der Geschäftsleitung? So eine Stellung ließe sich mit dem Engagement als Betriebsratsmitglied tatsächlich schlecht vereinbaren.

Icon_Hand2.jpgEs gibt eine Menge Betriebsratsmitglieder, die nach dem Ende ihres Mandats auf interessante (und lukrative) Stellen befördert wurden. Denn sie haben Qualitäten gezeigt, die jeder Arbeitgeber, der seine fünf Sinne beisammenhat, schätzt: Courage, Flexibilität, die Bereitschaft, sich in ein neues Arbeitsgebiet einzuarbeiten, Vielseitigkeit, Belastbarkeit. Außerdem erwirbt man als Betriebsratsmitglied einen Überblick über alle Bereiche des Betriebs, die einem in einer neuen Position den Einstieg erleichtern.

»Aber was habe ich persönlich davon?«

Eine Menge! Zunächst einmal macht es einfach Freude und schafft Befriedigung, sich für eine Sache einzusetzen, die man für richtig und wichtig hält. Dazu gehört freilich, dass man die Arbeit aktiv mitgestaltet, sich auf die Betriebsratssitzungen gründlich vorbereitet, im Gremium mitdiskutiert, Vorschläge einbringt und entwickelt, seinen Standpunkt vertritt. Außerdem ist die Arbeit in der Regel interessant, sie verschafft ungeahnte Einblicke, wie die Firma tickt, viele Gelegenheiten, etwas zu lernen, was nichts unmittelbar mit dem eigenen Arbeitsumfeld zu tun hat.

Die Befürchtung, vom Arbeitgeber dafür scheel angesehen, gar benachteiligt zu werden, bewahrheitet sich oft nicht. Viele Arbeitgeber schätzen es sogar, wenn sie sehen, dass sie engagierte Mitarbeiter haben. Sie können sich in Verhandlungen sogar profilieren und haben es oft mit einer Hierarchieebene zu tun, zu der Sie sonst keinen Zugang hätten. Allerdings: Wenn Sie glauben, dass Sie durch besonders »zuvorkommendes« Verhalten Punkte sammeln können, irren Sie sich – Sie outen sich damit eher als Duckmäuser.

Übrigens wird das Ansehen der Betriebsräte immer besser. Oft wandeln sie sich von Interessenvertretern zu Co-Managern, die aktiv an betrieblichen Veränderungsprozessen mitwirken. Das verlangt ein hohes Maß an Koordinationsfähigkeit und Organisationstalent, aber auch Standvermögen, da die eigentliche Aufgabe, der ursprüngliche Antrieb, nämlich für die Interessen der Kollegen einzustehen, keinesfalls aus den Augen verloren werden darf. Aber wenn Betriebsräte Produktionsabläufe optimieren, um ein drohendes Insolvenzverfahren abzuwenden, ist das schon eine gewaltige Aufgabe, die über die normale Interessenvertretung hinausgeht und dennoch die Interessen der Kollegen im Zentrum hat.

»Und der Arbeitgeber?«

Auch der Arbeitgeber profitiert davon, wenn in seinem Unternehmen ein Betriebsrat existiert. Eine Untersuchung der Leibniz Universität Hannover zeigt, dass Beschäftigte in Betrieben, die einen Betriebsrat haben, ihr Beschäftigungsverhältnis seltener kündigen. Einen wichtigen Grund dafür sehen die Autoren der Studie in den Einflussmöglichkeiten des Betriebsrats auf die Verbesserung von Arbeitsbedingungen. Die Stabilität der Beschäftigungsverhältnisse wirkt sich für das Unternehmen positiv aus, denn es spart sich den Aufwand für Neueinstellung und Einarbeitung und hat zudem eher Anreize, »in betriebsspezifisches Humankapital zu investieren«, was sich positiv auf die betriebliche Produktivität auswirkt.

Auch in anderer Weise profitieren Arbeitgeber von der Existenz eines Betriebsrats. In schwierigen Situationen, bei tief greifenden Veränderungsprozessen im Betrieb, kann der Betriebsrat Konflikte entschärfen, indem er darauf achtet, dass auch die Perspektive der Arbeitnehmer berücksichtigt wird. Gerade die jüngere Generation von Unternehmensleitern ist auf der Suche nach einem Dialog mit ihren Beschäftigten. Manche betonen sogar, dass sie bestimmte schwierige Veränderungen in Krisenzeiten ohne Zusammenarbeit mit den Betriebsräten wohl nicht geschafft hätten.

Icon_Hand2.jpgZwar geht die Initiative zur Gründung eines Betriebsrats in der Regel von den Beschäftigten aus – aber nicht immer! In jedem fünften Fall entsteht das Gremium auf Vorschlag der Arbeitgeberseite.

Ehre, wem Ehre gebührt

Das Amt des Betriebsratsmitglieds ist ein Ehrenamt. Nein, Sie bekommen keine goldene Amtskette umgelegt, auch werden Ihre Kollegen schwerlich vor Ihnen in die Knie sinken, wenn sie Ihnen am Kaffeeautomaten begegnen. Sie sind ehrenamtlich tätig, weil Sie dafür keinerlei Vergütung erhalten. Sie bekommen zwar selbstverständlich weiterhin Ihr volles Gehalt und nehmen auch an allen tariflichen oder außertariflichen Gehaltserhöhungen teil, aber eine besondere Zuwendung für Ihr Engagement bekommen Sie nicht: keinen Urlaubstag mehr, keine bezahlten Urlaubsreisen, keine Extrazuschläge.

Das ist eine große Erleichterung für Ihre Arbeit, für Ihr Selbstverständnis und Ihre Unabhängigkeit. Denn das bedeutet, dass Ihr Arbeitgeber über diesen Weg keinen Einfluss auf Ihre Arbeit, Ihre Entscheidungen, Ihre Integrität nehmen kann. Er hat keine Möglichkeit, Sie mit zusätzlichen »Zuckerln« zu ködern oder Ihnen mit dem Entzug von Privilegien zu drohen. Sie bekommen nur das, was Ihnen als Arbeitnehmer zusteht – und was Sie notfalls einklagen können.