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Inhaltsübersicht

1 Grundlagen des Bauprozessmanagements

1.1 Einführung

1.2 Prozesse in Bauorganisationen

1.3 Automatisierte Bauprozessidentifikation

1.4 Statusbasierte Bauprozessidentifikation

1.5 Ereignisbasierte Bauprozessidentifikation

1.6 Literatur

2 Lean Construction – die Übertragung der Erfolgsmodelle aus der Automobilindustrie

2.1 Der Porsche-Spirit

2.2 Von Autos und Bauprojekten

2.3 Praxisbeispiel Lean Construction nach Porsche

2.4 Fazit

2.5 Ausblick

2.6 Literatur

3 Ergonomisierung des Prozessmanagements in einem Bauunternehmen

3.1 Einleitung

3.2 Ausgangssituation, Entwicklungsschritte, Anforderungen

3.3 Die Entwicklungsprojekte

3.4 Der Aufbau des Prozwessmanagements

3.5 Zusammenfassung

4 Prozesse eines internationalen Ingenieurdienstleisters

4.1 Qualität von Prozessen in Engineering und Consulting

4.2 Umsetzung von Qualität im Prozess-Lebenszyklus

4.3 Analysen zur Prozessqualität am Beispiel eines internationalen Ingenieurdienstleisters im Konzernverbund

4.4 Fazit zur Notwendigkeit und Umsetzbarkeit von Prozessqualität

5 Bauprozessmanagement aus rechtlicher Sicht

5.1 Grundlagen

5.2 Rechtliche Ausgestaltung von Prozessen

5.3 Limitierung von Prozessen durch das Recht

5.4 Fazit

5.5 Literatur

6 Nachhaltige Immobilien in Neubau und Bestand – Entwicklung des Managementprozesses

6.1 Einleitung

6.2 Immobilienwirtschaft

6.3 Definition der Nachhaltigkeit

6.4 Einfluss der Nachhaltigkeit auf die Immobilienwirtschaft

6.5 Managementprozess eines Immobilienunternehmens

6.6 Implementierung der Nachhaltigkeit in den Managementprozess

6.7 Nachhaltigkeitsprozesse in der operativen Ebene

6.8 Nachhaltigkeitsteilprozess mit Zertifizierung

6.9 Fazit

6.10 Literatur

7 Einflüsse auf immobilienwirtschaftliche Prozesse im Finanzmarktumfeld

7.1 Wesentliche Einflussgrößen auf das zentrale Prozessmodell im Finanzmarktumfeld

7.2 Das Prozessmodell des Geschäftsfelds Asset Management Immobilien

7.3 Fazit

7.4 Deka Immobilien – Global Real Estate Investments

7.5 Literatur

8 Prozess- und Modellorientierung des Stahlbaus: Ein Beitrag aus der Praxis

8.1 Einführung in den Stahlbau

8.2 Prozessorientierung des Stahlbaus

8.3 Praxisbeispiel: Integrierter modellorientierter Planungs- und Ausführungsprozess in einem Stahlbauunternehmen

8.4 Würdigung des Stahlbaus aus baubetrieblicher Sicht

8.5 Literatur

Stichwortverzeichnis

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Vorwort des Herausgebers

Das Realisieren von Bauprojekten und der Betrieb von Bauobjekten erfahren seit geraumer Zeit eine wachsende Komplexität, die komplementär mit den Aufgaben gesellschaftlicher Trends und den Potenzialen technischer Entwicklungen einhergeht. Während früher das Bauen durch eine objektbezogene Betrachtung eher eindimensional geprägt war, muss gegenwärtig eine Kopplung mehrerer fachplanerischer Disziplinen im Zusammenspiel mit weiteren an der Planung, der Bauausführung und dem Betrieb von Bauobjekten Beteiligten vollzogen werden. Für die Effizienz der Energienutzung, für die nachhaltige Entwicklung urbaner Räume und der damit gekoppelten Systeme der Infrastruktur, um nur Beispiele zu nennen, muss interdisziplinär gearbeitet werden. Gleichwertig ist die ökonomische Dimension des Bauens. Exemplarisch aufgeführt, offenbart sich in den öffentlichen Bauwerken das Spannungsfeld des Staates zwischen der Daseinsvorsorge für die Bürger einerseits und den Erfordernissen des wirtschaftlichen Betriebs andererseits. Die Effizienz der Leistungserbringung in der Umgebung einer Unikatfertigung, unabhängig davon, ob es sich um Planungsleistungen, Bauleistungen oder Baudienstleistungen handelt, ist, auch im Sinne des Immobilienbetriebs, von substanzieller Bedeutung. Probleme der Umsetzung dieser Anforderung sind offensichtlich. Insofern sind die am Bau Beteiligten permanent auf der Suche nach Verfahren und Methoden zur Verbesserung der Effizienz und Effektivität in Bauprojektorganisationen. Einer der Wege, die in diesem Zusammenhang eingeschlagen wurden, ist die Prozessorientierung. Das Denken in Prozessen ist jedoch keine Erfindung der Gegenwart. Bereits die Philosophen der Antike haben den Prozessbegriff vielfältig bestimmt und interpretiert. Der Einzug des Prozessgedankens in die Bauwirtschaft führte zur Entstehung des Bauprozessmanagements, dessen Relevanz durch das Aufkommen neuer Arbeitsweisen wie Entwicklungen im Bereich der Bauwerksinformationssysteme oder Lean Thinking verstärkt wird. Es stellt sich die Frage, wie die praktische Umsetzung des Prozessgedankens in der Bauwirtschaft und in der Immobilienwirtschaft gegenwärtig aussieht. Wo liegen die Motivationen für die Anwendung des Prozessgedankens, und welche Schwierigkeiten bestehen bei dessen Umsetzung? Vorliegendes Buch gibt Antworten zu diesen Fragestellungen. Experten aus der Bauwirtschaft, aus der Immobilienwirtschaft, aus dem Consulting-Bereich und aus der Wissenschaft berichten aus ihrer Praxis.

Till Friedrich, Peter Meijnen und Florian Schriewersmann (Porsche Consulting GmbH), die seit geraumer Zeit Beratung zur Lean Construction in Unternehmen der Bauwirtschaft durchführen, beschreiben den Transfer der Prinzipien der schlanken Produktion aus der Automobilindustrie auf die Bauproduktion. Sie erläutern die Prinzipien und Methoden der schlanken Bauabwicklung und belegen diese mit einem Praxisbeispiel.

Corinne Berger und Gerd Simsch (Bilfinger Berger Hochbau GmbH/bauperformance GmbH) beschreiben die Entwicklung eines Prozessmanagementsystems in einem Baukonzern und geben gleichzeitig Anregungen für die Weiterentwicklung solcher Systeme. Der Beitrag zeigt sowohl konkrete Angaben zu den Prozessstrukturen und zu den notwendigen Werkzeugen als auch die Herausforderungen an die Unternehmensorganisation, die mit der Umsetzung von Lean Construction und Lean Management verbunden sind, auf.

Matthias Bergmann (DB International GmbH) widmet seinen Beitrag dem Komplex der Prozessqualität aus der Sicht eines internationalen Ingenieurdienstleisters. Er geht der Frage nach, was ein „guter“ Prozess ist und integriert in seine Überlegungen die Aspekte der Compliance sowie des Lebenszyklus eines Prozesses. Ferner werden Beobachtungen zur operativen Umsetzung von Prozessen dokumentiert.

Ralf Steding (Kapellmann und Partner Rechtsanwälte) beleuchtet das Bauprozessmanagement aus rechtlicher Sicht. Die Wechselwirkungen zwischen den Kernprozessen, die zum Teil rechtlicher Natur sind, und den Supportprozessen werden dargelegt. Es wird der Begriff des Rechtsmanagements erläutert, da limitierende Komponenten in Bauverträgen in Vielzahl aus dem Gesetzesrecht stammen. Insofern haben die rechtlichen Aspekte eine hohe gestaltende Kraft, die innerhalb des Bauprozessmanagements zu würdigen ist.

Anett Thieking, Jürgen Schwarz und Jürgen Büllesbach (Universität der Bundeswehr München/Bayerische Hausbau GmbH & Co. KG) beschäftigen sich in ihrem Beitrag mit der Implementierung der Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft durch Definition adäquater Prozessstrukturen. Diese nehmen ihren Ursprung in der Managementebene und werden logisch in die operative Ebene transferiert. Das Vorgehen in den Sphären der Managementprozesse und der Nachhaltigkeitsprozesse in der operativen Ebene wird detailliert und praxisgerecht beschrieben.

Frank Hippler und Lars Scheidecker (Deka Immobilien GmbH) setzen mit ihrem Beitrag die Prozesssicht in der Immobilienwirtschaft fort und beschreiben ein Prozessmodell im Bereich des Asset Managements. Durch die Erläuterung der vielfältigen Einflussgrößen auf das System sowie die Begründung der Notwendigkeit der Elastizität des Systems an sich wird seine Komplexität ersichtlich. Die Entwicklung der vorgestellten Struktur wird durch die Prozesseffizienz und Prozesseffektivität motiviert.

Rigbert Fischer (Fischer Stahlbau GmbH) belegt mit seinem Beitrag das hohe Prozessbewusstsein des Gewerks Stahlbau. Dieses Gewerk übt eine Vorreiterrolle bezüglich der Anwendung der zur Verfügung stehenden Technologien in Planung und Vorfertigung aus. Ein Ausdruck davon sind Planungsprozesse in Raumstrukturen und Komponentenfertigung unter Einsatz modernster Robotertechnik.

Der Herausgeber beschreibt zusammen mit Oliver Mehr, Florian Binder und Jörg Klingenberger (Technische Universität Darmstadt) die Grundlagen des Bauprozessmanagements im Eingangskapitel. Wichtig ist den Autoren die Echtzeitsteuerung von Bauprozessen. Voraussetzung dafür ist eine automatisierte Bauprozessidentifikation. Es werden statusbasierte und ereignisbasierte Ansätze einschließlich entsprechender IT-Werkzeuge vorgestellt.

Das Buch „Praxis des Bauprozessmanagements“ ist an Bauunternehmen, Unternehmen der Immobilienwirtschaft und Bauherrenorganisationen sowie Studierende des Bauingenieurwesens und des Wirtschaftsingenieurwesens gerichtet. Es zeigt mithilfe von Berichten aus der Praxis, wie das Bauprozessmanagement auf den Grundlagen des Lean Managements, der Lean Construction und der Nachhaltigkeit sowohl in der Bauwirtschaft als auch in der Immobilienwirtschaft eingeführt wird. Es werden, verbunden mit dem Aufzeigen der Problemfelder, praktische Konzepte dargelegt und Anregungen zur Umsetzung in den Organisationen gegeben. Ziel dabei ist, Bauprojekte erfolgreich zu realisieren.

 

Darmstadt, im April 2013

Prof. Dr.-Ing. Christoph Motzko

Herausgeber

Autoren

 

Berger, Corinne, Dipl.-Wirtsch.-Ing.

Bilfinger Hochbau GmbH

Abtlg. HSEQ

Goldsteinstr. 114

60528 Frankfurt

 

Bergmann, Matthias, Dr.-Ing.

DB International GmbH

Oskar-Sommer-Str. 15

60596 Frankfurt am Main

 

Binder, Florian, Dipl.-Ing. Wirtsch.-Ing.

Technische Universität Darmstadt

Institut für Baubetrieb

El-Lissitzky-Str.1

64287 Darmstadt

 

Büllesbach, Jürgen, Dr.-Ing.

Bayerische Hausbau GmbH & Co. KG

Denninger Str. 165

81925 München

 

Fischer, Rigbert, Dipl.-Wirtsch.-Ing.

Fischer Stahlbau GmbH

Carl-Legien-Str. 16

63073 Offenbach

 

Friedrich, Till

Porsche Consulting GmbH

Porschestr. 1

74321 Bietigheim-Bissingen

 

Hippler, Frank, Dr.

Deka Immobilien GmbH

Taunusanlage 1

60329 Frankfurt am Main

 

Klingenberger, Jörg, Dr.-Ing.

Technische Universität Darmstadt

Institut für Baubetrieb

El-Lissitzky-Str.1

64287 Darmstadt

 

Mehr, Oliver, Dr.-Ing.

Technische Universität Darmstadt

Institut für Baubetrieb

El-Lissitzky-Str.1

64287 Darmstadt

 

Meijnen, Peter

Porsche Consulting GmbH

Porschestr. 1

74321 Bietigheim-Bissingen

 

Motzko, Christoph, Univ.-Prof. Dr.-Ing.

Technische Universität Darmstadt

Institut für Baubetrieb

Bauingenieurwesen und Geodäsie

El-Lissitzky-Str.1

64287 Darmstadt

 

Scheidecker, Lars, Dipl.-Wirtsch.-Ing.

Deka Immobilien GmbH

Taunusanlage 1

60329 Frankfurt am Main

 

Schriewersmann, Florian

Porsche Consulting GmbH

Porschestr. 1

74321 Bietigheim-Bissingen

 

Schwarz, Jürgen, Univ.-Prof. Dr.-Ing.

Universität der Bundeswehr München

Institut für Baubetrieb

Werner-Heisenberg-Weg 39

85577 Neubiberg

 

Simsch, Gerd, Prof. Dr.-Ing.

bauperformance GmbH

Goldsteinstr. 114

60528 Frankfurt

 

Steding, Ralf, Dr.

Kapellmann und Partner Rechtsanwälte

Stadttor 1

40219 Düsseldorf

 

Thieking, Anett, Dipl.-Ing.

Universität der Bundeswehr München

Institut für Baubetrieb

Werner-Heisenberg-Weg 39

85577 Neubiberg

1

Grundlagen des Bauprozessmanagements

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Christoph Motzko, Dr.-Ing. Oliver Mehr, Dr.-Ing. Jörg Klingenberger, Dipl.-Ing. Wirtsch.-Ing. Florian Binder

Technische Universität Darmstadt, Institut für Baubetrieb

Inhaltsverzeichnis

1 Grundlagen des Bauprozessmanagements
1.1 Einführung
1.2 Prozesse in Bauorganisationen
1.2.1 Definition der Begriffe Prozess und Prozessmanagement
1.2.2 Einführung in das Prozessmodell einer Bauorganisation
1.2.3 Managementprozesse in einem Bauunternehmen
1.2.4 Geschäftsprozesse in einem Bauunternehmen
1.2.4.1 Kernprozesse
1.2.4.2 Supportprozesse
1.3 Automatisierte Bauprozessidentifikation
1.3.1 Grundlagen der Soll-Ist-Vergleiche
1.3.2 Ziele der Automatisierung der Bauprozessidentifikation
1.3.3 Abgrenzung statusbasierter und ereignisbasierter Ansätze
1.4 Statusbasierte Bauprozessidentifikation
1.4.1 Prinzip der statusbasierten Bauprozessidentifikation
1.4.2 Beobachtungs- und Deutungslücken
1.4.3 Einsatz der statusbasierten Bauprozessidentifikation auf der Baustelle.
1.5 Ereignisbasierte Bauprozessidentifikation
1.5.1 Zeitnahe Steuerung durch Ereignisse
1.5.1.1 Grundlagen der ereignisbasierten Bauprozessidentifikation
1.5.1.2 Anwendungsfelder der ereignisbasierten Bauprozessidentifikation.
1.5.1.3 Instrumente der ereignisbasierten Bauprozessidentifikation
1.5.2 Bauprozess und Ereignis
1.5.2.1 Komplexe Ereignisse im Bauprozess
1.5.2.2 Darstellung von Bauprozessen als Ereignisgesteuerte Prozesskette
1.5.3 Ereigniserfassung und -verarbeitung im Bauprozess
1.5.3.1 Automatisierung der Ereigniserfassung
1.5.3.2 Dokumentenbasierte Ereigniserfassung
1.5.3.3 Sensorgestützte Ereigniserfassung
1.5.3.4 Instanzen des Bauprozesses
1.5.3.5 Leistungskennzahlen des Bauprozesses
1.5.3.6 Reporting des Bauprozesses
1.6 Literatur

1.1 Einführung

Das Bauen ist geprägt durch eine höchst arbeitsteilige und damit komplexe Struktur von Planungs-, Beratungs- und Bauleistungen1, ferner auch Baudienstleistungen, die in unterschiedlichen Phasen eines Bauprojekts respektive eines Bauobjekts ablaufen. Voraussetzung für ein nachhaltiges Bauen ist eine sach- und fachgerechte Bedarfsplanung, in deren Zuge die Anforderungen an ein Bauobjekt definiert werden. Um diese Anforderungen bestimmen zu können, bedarf es eines bestimmten Maßes an Organisation, gar Rechtsstaatlichkeit oder staatsähnlicher Struktur, die einer Gesellschaft die Grundlage gibt, ihre Bedürfnisse in Bezug auf die gebaute Umwelt systematisch zu formulieren, also Planungen durchzuführen. Bereits in den Staatsstrukturen der Frühzeit sind diese Ansätze erkennbar [22]. Im Zuge von Planungen werden einerseits Ideen in eine Verträglichkeit mit der Zulässigkeit (Bauplanungs- und Bauordnungsrecht) sowie der gesellschaftlichen Akzeptanz (Relationen zur örtlichen Geschichte und zum Ortscharakter) baulicher Anlagen umgesetzt und anderseits in für die Bauausführung lesbare Strukturen (Leistungsbeschreibungen, Pläne, Berechnungen, Bauumstände) überführt, welche die technischen, rechtlichen, ästhetischen, funktionalen, ökonomischen, ökologischen, sozio-kulturellen und anderen Randbedingungen würdigen. Bauen ist ein Gemeinschaftswerk von Fachleuten und der Gesellschaft, daher ist der Kommunikationsprozess über das Bauprojekt für den Erfolg von existenzieller Bedeutung. Gleichzeitig ist zu konstatieren, dass industrielles Bauen durch qualifiziertes Handwerk realisiert wird [46].

Bild 1.1 zeigt die Bauprojekt- und Bauobjektphasen in Bezug zum Lebenszyklus. In der Projektphase werden eine Idee für ein neues Bauwerk durch Entwicklung, Planung und Bauausführung respektive eine Idee für die signifikante Veränderung des Bestands realisiert. Die Objektphase beschreibt im Wesentlichen die Nutzungszeiträume eines Bauwerks.

Bild 1.1 Lebenszyklusansatz und Differenzierung Projektphase – Objektphase [21]

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Bauprojekte sind in der Regel zeitlich limitiert und durch die Einmaligkeit der Bedingungen gekennzeichnet. Hierdurch entstehen vielfach komplexe Bauprojektorganisationen, in deren Rahmen juristische und natürliche Personen, die durch definierte Vertragsrelationen miteinander verbunden sind, zusammenwirken. Es handelt sich um einen historisch belegbaren Prozess voranschreitender Arbeitsteilung zwischen Bauherr, Objektplaner, Fachplaner, Bauausführung, Genehmigungsbehörden und weiteren Akteuren, welcher zu vielen Schnittstellen im Umfeld einer Unikatfertigung, die für das Bauwesen charakteristisch ist, geführt hat. In solch komplexen Organisationsstrukturen ist es von Bedeutung, dass Brüche in den Arbeitsabläufen sowie Daten- und Informationsverluste respektive Daten- und Informationsverzerrungen an den Übergängen zwischen den Projektbeteiligten vermieden werden. Daher ist die Anwendung integrativ konzipierter, computergestützter Systeme zur Definition, Steuerung und Dokumentation der Kette Bauwerksentwurf – Bauwerksplanung – Bauproduktionsplanung – Bauausführung – Bauwerksbetrieb für Bauprojektorganisationen von besonderem Interesse. Diese Systeme sollen es ermöglichen, das Konglomerat von zeitvarianten Arbeitsergebnissen der Bauprojektbeteiligten in Bezug auf die Koordination der Leistungen, auf die Logik des Aufbaus der einzelnen Leistungen und auf die Dokumentation des Entstehungswegs sowie der Ergebnisse handhabbar zu machen [30]. Werden die Daten und Informationen systematisch und verlustfrei erfasst, den Projektbeteiligten bereitgestellt und über die Zeiträume in einem geeigneten Dokumentenspeicher archiviert, führt dies zur Entstehung eines Bauwerksinformationsmodells (BIM). Bauwerksinformationsmodelle sind für das Bauwesen im Kontext der gegenwärtigen Anforderungen von hoher Relevanz, denn das Arbeiten in solchen Strukturen generiert eine lebenszyklusbewusste Baukonzeptionierung. Aus den Ausführungen zuvor kann abgeleitet werden, dass die Realisierung von Bauprojekten hohe Anforderungen an die Projektbeteiligten und ihre Organisationen stellt, sowohl im Kontext der Verfolgung der jeweiligen Unternehmensziele als auch im Kontext der Erfüllung der übergeordneten Projektziele der konkreten Bauaufgabe. Damit ist die Bildung einer adäquaten Bauprojektorganisation von herausragender Bedeutung.

Der gegenwärtig dominierende Begriff im Bereich der Organisation, der Führung sowie der Steuerung von Unternehmen und Projekten ist der Begriff PROZESS. Im Rahmen der Organisationslehre wurde mit dem Prozessbegriff die traditionelle, funktional orientierte Sichtweise, in der eine Differenzierung zwischen Aufbauorganisation (legt grundsätzliche Organisationsstrukturen fest, regelt Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung) und Ablauforganisation (räumlich-zeitliche, zielgerichtete Strukturierung von Arbeitsprozessen) vorherrscht, erweitert ([2], [7], [10], [18]).

Auch die Bauwirtschaft folgt dem prozessorientierten Ansatz, der unter anderem mit den Spezifika dieses Industriezweigs begründet werden kann. So produziert die Bauwirtschaft im Wesentlichen Unikate auf der Grundlage von individuellen Bestellungen (Bauverträge) und muss hierfür entsprechende Kapazitäten vorhalten, ohne genau zu wissen, zu welchem Zeitpunkt sie eingesetzt werden. Zeitpunkt und Ort der Leistungserbringung werden vom Auftraggeber bestimmt. Das erfordert eine hohe Flexibilität der Bauorganisationen.

Seit Jahren wächst die Komplexität der Prozesse der Planung. Gegenwärtig werden Lösungen in grenzübergreifenden Problemfeldern ausschließlich durch simultane Kopplung mehrerer fachplanerischer Disziplinen und im Zusammenspiel mit weiteren an der Planung, der Bauausführung und dem Betrieb von Bauobjekten Beteiligten generiert [35]. Erschwerend kommt hinzu, dass im Zuge der Realisierung von Bauvorhaben häufig die Projektparameter verändert werden. Dies resultiert aus dem Recht des Auftraggebers zur Leistungsänderung (Wandel des Bau-Solls) in der Regel über die gesamte Projektphase. Durch die veränderlichen Randbedingungen ist eine Standardisierung von Arbeitsvorgängen nur eingeschränkt möglich. In Abgrenzung zur stationären Industrie wird die Baustellenfertigung zudem maßgeblich durch die Einflüsse der Witterung bestimmt. Gleichzeitig wird die Bauproduktion, trotz starker Mechanisierung, nach wie vor von manuellen Tätigkeiten dominiert. Der Mensch bestimmt letztendlich die Prozessgeschwindigkeit.

Im nachfolgenden Kapitel 1.2 werden der Begriff Prozess sowie das Beispiel einer Prozessstruktur (Prozesslandkarte) für eine Bauorganisation erläutert. Vorweg wird für die aktive Steuerung der Prozesse, insbesondere der Leistungserstellungsprozesse, das Postulat der Echtzeiterfassung und Echtzeitsteuerung [20] (statusbasierte Bauprozessidentifikation siehe Kapitel 1.4; ereignisbasierte Bauprozessidentifikation siehe Kapitel 1.5) erhoben. Zur Bauprozessdetektion ist die Anwendung polysensoraler Systeme erforderlich ([31], [34]).

Bild 1.2 Schematischer Prozessablauf in den Projekt- und Objektphasen

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In Bild 1.2 wird die logische Output-Input-Beziehung der Projekt- und Objektphasen dargestellt. Es handelt sich um dynamisch-iterative Verläufe sowohl innerhalb der Phasen (im Wesentlichen Verbesserung der Zielerreichungsgrade) als auch zwischen den Phasen (z. B. Lerneffekte oder Nachkalkulationen). Die untere Bildhälfte zeigt schematisch den Ablauf eines Planungsprozesses der Gegenwart. Die Aufgabenstellung ist weit gefasst und nicht detailliert beschrieben. Die Fachplanungen verlaufen parallel zur Objektplanung und können diese stark beeinflussen. Teilweise geben die Ergebnisse der Fachplanungen die Parameter für den Entwurf vor. Durch diesen verstärkten Einfluss der Fachplanungen kommt es vermehrt zu Iterationsschleifen, die in der Planung durchlaufen werden müssen. Zeitlich gesehen kann dies zu einer Verlängerung des Planungszeitraums führen. Zu erkennen ist der starke Verbund der Projekt- und Objektphasen, der den Nutzwert der Anwendung von Bauwerksinformationsmodellen grundsätzlich bestätigt.

1.2 Prozesse in Bauorganisationen

1.2.1 Definition der Begriffe Prozess und Prozessmanagement

Prozess. Auf der Grundlage von planerischen Vorgaben und einer nachfolgenden Modifizierung aus Neuentwicklung, Verbesserung und Fehlervorbeugung werden die Abläufe in einem Unternehmen realisiert. In einer Prozesshierarchie können diese Abläufe formal abgebildet werden.

Davenport [7] definiert den Prozess verrichtungsbezogen und eingebettet in eine Raum-Zeit-Struktur:

„A process is […] a specific ordering of work activities across time and place with a beginning, an end, and clearly identified inputs and outputs.“[7]

Der Prozess als Transformationsvorgang wird normativ begründet:

– DIN EN ISO 9000:2000-12 [49] definiert unter Ziffer 3.4.1 den Prozess als einen „Satz von in Wechselbeziehungen oder Wechselwirkungen stehenden Tätigkeiten, der Eingaben in Ergebnisse umwandelt“.
– DIN EN ISO 9001:2008-12 „Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen“ [50] definiert den Prozess wie folgt: „Eine Tätigkeit oder eine Gruppe von Tätigkeiten, die Ressourcen verwendet oder die ausgeführt wird, um die Umwandlung von Eingaben in Ergebnisse zu ermöglichen, kann als Prozess angesehen werden.“

Demnach wird der Prozess an einer definierten Input-Struktur durch ein Initialereignis ausgelöst. Die Input-Struktur wird durch Einzeltätigkeiten, Tätigkeitsfolgen oder andere Transformationsvorgänge in eine definierte Output-Struktur überführt.

Bezogen auf die Bauwirtschaft wird ein Prozess als

„[…] gesamtheitliche, sachlogische und zeitliche Folge von Aktivitäten zur Bearbeitung eines Objektes definiert. Objekte können Planungsleistungen, Bauleistungen oder Baudienstleistungen sein.“ [9]

Bauprozessmanagement. Als Bauprozessmanagement wird die Gesamtheit aller strategischen, organisatorischen, operativen und technologischen Maßnahmen verstanden, die der Gestaltung und Verbesserung der Funktionsweise einer Bauorganisation im Sinne der Erfüllung der Kundenbedürfnisse sowie der Realisierung der eigenen Unternehmensziele dienen. Zu den Grundprinzipien des Bauprozessmanagements zählen u. a.:

– Integration der einzelnen Prozesse einer Bauorganisation in ein System. Dabei sind die Interessen der einzelnen Einheiten am Gesamtziel auszurichten.
– Berücksichtigung der Handlungsfelder Kundenorientierung, Prozessorientierung, Mitarbeiterorientierung und Erfolgsorientierung [4].
– Durchgängigkeit sowohl über die Hierarchie- als auch über die Prozessebenen [4].

Bauorganisationen sind soziotechnische Systeme. Der prozessorientierte Ansatz eröffnet diesen die notwendige Flexibilität, um insbesondere auf die sehr kurzfristig einwirkenden Veränderungen der Umweltdynamik zu reagieren.

Bauprozessmodellierung. Die Umsetzung des prozessorientierten Ansatzes erfordert, dass die Prozesse formal abgebildet werden. Dazu dienen Prozessmodelle. Sie sollen einen schnellen inhaltlichen Abgleich mit den realen Prozessen, einschließlich dem Aufzeigen der Komplexität und der Wirkzusammenhänge, ermöglichen; dieses auf der Grundlage einer einfachen Darstellung, die transparent, verständlich, flexibel anpassbar und erweiterbar sein sollte [4]. Eine Prozessmodellierungsmethode für den Baubetrieb kann der Fachliteratur [33] entnommen werden.

1.2.2 Einführung in das Prozessmodell einer Bauorganisation

Bauorganisationen fokussieren ihre operativen Aktivitäten auf die Leistungserstellungsprozesse, einschließlich der Akquisition und des nachgelagerten Betriebs von Bauobjekten. Die Prozesse sind in ein Spannungsfeld zwischen einem Leistungsziel und einem Leistungsergebnis eingebettet. Bild 1.3 zeigt eine beispielhafte Prozesslandkarte. Reale Bauorganisationen werden entsprechend ihrem Geschäftsmodell eine individuelle Prozesskategorisierung und Prozessstruktur modellieren.

Managementprozesse. Managementprozesse bilden in einer Bauorganisation eine übergeordnete, projektübergreifende Ebene der Prozessstruktur, die der normativ-strategischen Ausrichtung der gesamten Organisation dient und ihr damit einen Rahmen für das operative Handeln gibt. Durch das operative Management werden die Randbedingungen und die Regeln zur Gestaltung der Geschäftsprozesse definiert. Die Managementprozesse sind trotz ihres eher mittel- bis langfristig angelegten Horizonts einem permanenten Controlling zu unterziehen.

Geschäftsprozesse. Geschäftsprozesse bilden die Wertschöpfung ab. „Wertschöpfung im Sinne der Wirtschaftswissenschaften ist die Differenz zwischen dem geschaffenen Produktionswert und der Vorleistung […]“ [12]. Die Geschäftsprozesse werden abhängig von ihrem Kundenbezug in Kernprozesse und Supportprozesse eingeteilt.

In den Kernprozessen findet die eigentliche Wertschöpfung statt; sie erzeugen den unmittelbaren, wahrnehmbaren Kundennutzen und charakterisieren sich durch ihre unternehmensspezifische Einmaligkeit, Nicht-Imitierbarkeit und Nicht-Substituierbarkeit [40]. In Bild 1.3 sind die Kernprozesse in zwei Domänen systematisiert: die Bauausführungsdomäne sowie die Architektur- und Fachplanerdomäne. Dies resultiert aus der in Kapitel 1.1 dargelegten notwendigen Interaktion der zeitvarianten Leistungsbeiträge der Projektbeteiligten in den Bauprojekten der Gegenwart. Insofern entspricht die Bauausführungsdomäne der Kernprozessstruktur in Bauunternehmen. Diese Prozesse werden nachfolgend beschrieben. Die abgebildeten Prozesse der Architektur- und Fachplanerdomäne werden nachfolgend kurz skizziert, Details können der Fachliteratur entnommen werden [23].

Bild 1.3 Beispiel der Prozesslandkarte einer Bauorganisation2

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Die Kernprozesse der Architektur- und Fachplanerdomäne beginnen zunächst mit dem Angebotsmanagement (Akquisition Planung, Angebot Planung und Verhandlung/Planungsvertrag), dem das Zielplanungsmanagement folgt. Diese beiden Prozesse sind als projektexterne Prozesse aufzufassen, denn neben dem Planungsbüro sind hier externe Projektbeteiligte, insbesondere Auftraggeber und Fachplaner, eingebunden. Von besonderer Relevanz ist das Zielplanungsmanagement. In dessen Rahmen werden die polydimensionalen Einflüsse auf ein Bauprojekt systematisiert, für die Projektbeteiligten qualifiziert und im Sinne einer generalistischen sowie zieldefinitorischen Handlungsstrategie objektiv ermittelt und strukturiert [23]. Sie muss im Ergebnis ein Zielsystem für das Bauprojekt ergeben, nach dem sich alle Projektbeteiligten richten. Die weiteren Kernprozesse Konzeptplanung und Realisierung können beispielhaft in Anlehnung an die HOAI [23] den entsprechenden Leistungsphasen LP 3 und LP 4 respektive LP 5 bis LP 9 entnommen werden.

Die Supportprozesse erzeugen zwar keinen direkten Kundennutzen, sind jedoch für die Umsetzung der Kernprozesse notwendig.

1.2.3 Managementprozesse in einem Bauunternehmen

In den Managementprozessen werden folgende Aufgaben erfüllt [15]:

Normatives Management. Das normative Management eines Bauunternehmens formuliert das Mission Statement sowie die Vision und bestimmt auf dieser Grundlage die Ziele. Damit wird die Basis für die Organisationsentwicklung sowie die operative Prozessdefinition geschaffen. Die Nutzenpotenziale der Stakeholder bilden die Limits des normativen Managements.

Strategisches Management. Das strategische Management entwickelt Strategien zur Erreichung der Vorgaben des Mission Statements und der Vision. Im strategischen Management werden die Programme für das operative Management festgelegt und die Aktivitäten zur gezielten System- und Organisationsentwicklung ausgerichtet.

Operatives Management. Das operative Management formuliert Aufträge für die operative Umsetzung der normativen und strategischen Vorgaben und steuert die Entwicklung und Definition der Geschäftsprozesse in einem Bauunternehmen.

1.2.4 Geschäftsprozesse in einem Bauunternehmen

1.2.4.1 Kernprozesse

Akquisition. In der Akquisition werden Kunden resp. Ausschreibungen für Bauleistungen und Baudienstleistungen, die mit den Zielen (Ertrags-, Markt-, Wettbewerbs-, Leistungs-, Umweltziele) des Unternehmens korrelieren, identifiziert. Es wird zwischen einer aktiven (Key-Account-Management; Erschließung neuer Märkte und Kunden; neue Geschäftsmodelle) und einer passiven (Ausschreibungsanzeigen, elektronische Marktplätze) Akquisition differenziert. Dies erfolgt in Abstimmung mit den übergeordneten Managementprozessen.

Angebot. Bevor ein Angebot bearbeitet wird, ist eine Entscheidung zur Teilnahme am Ausschreibungswettbewerb zu treffen. Dies erfolgt unter Berücksichtigung der Strategie, des Finanzmanagements und der technologischen Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Danach sind die anzubietenden Leistungen zu präzisieren (Kopplung mit dem Anforderungsmanagement), die organisationalen Randbedingungen zu prüfen (Kopplung mit dem Qualitätsmanagement und dem Personalmanagement), die Chancen und Gefahren zu erfassen (Kopplung mit dem Risikomanagement) sowie die Vertragsunterlagen zu prüfen (Kopplung mit dem Vertragsmanagement). Zudem erfolgen die Kostenkalkulation und die Preisbildung. Diese Prozesse sind komplex und für ein Bauunternehmen von existenzieller Bedeutung. Sie erfolgen auf der Grundlage der Ausschreibungsunterlagen des Auftraggebers. In der Kostenkalkulation werden u. a. die finanztechnischen Randbedingungen, die Fertigungsprozesse, die Risikobewertungen und auch die Einflüsse aus dem Bereich Arbeitssicherheit im Sinne einer ehrlichen Ermittlung in Geldwerten festgestellt. Diese Geldwerte werden bei der Preisbildung unter Berücksichtigung der Marktbedingungen und der Unternehmensstrategie für den Wettbewerb angepasst. Die erfolgreiche Kostenkalkulation und die Preisbildung liefern daher einen entscheidenden Beitrag zur Gewinnung und Abwicklung von Bauaufträgen. Damit werden maßgeblich die Ertragsund Wettbewerbsziele eines Bauunternehmens realisiert. Es wird empfohlen, dass die operativen Einheiten, die dem Auftraggeber das Angebot unterbreiten, einen Angebotsbericht für die internen Entscheidungsträger aufbereiten, auf dessen Grundlage die Entscheidung über die Abgabe eines Angebots getroffen wird.

Verhandlung und Vertrag. Bei der Verhandlung handelt es sich um die Prozesse der im rechtlichen Rahmen zulässigen Kommunikation und Präzisierung des Angebots bis zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Dabei sind die im nationalen und europäischen Rahmen geltenden Regelungen für die Ausschreibung und Vergabe von Bauleistungen zu berücksichtigen. Diese wirken unterschiedlich auf das Vorgehen des öffentlichen oder sektoralen Auftraggebers (EG-Baukoordinierungsrichtlinie 93/37/EWG resp. EG-Sektorenrichtlinie 93/38/EWG) gegenüber dem privaten Auftraggeber ein. Ferner unterliegt der Vertrag definierten rechtlichen Grundsätzen, so in Deutschland den Grundsätzen des Werkvertragsrechts nach §§ 631 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) [48]. Die Vergütungsform (z. B. Einheitspreis, Pauschalpreis) bildet ein wichtiges Element des Vertrags.

Ausführungsplanung. Die Ausführungsplanung umfasst Planungsprozesse, welche die frühen Planungsphasen soweit präzisieren, dass auf dieser Grundlage die reale Bauausführung möglich wird. Es handelt sich i. d. R. um komplexe, interdisziplinäre Prozesse, in die Objektplaner, Fachplaner, Bauunternehmen, Lieferanten und Behörden eingebunden sind (Verknüpfung der Bauausführungsdomäne mit der Architektur- und Fachplanerdomäne). Im Ergebnis entstehen Werkpläne im Maßstab von 1:50 (z. B. Schalpläne) bis 1:1 (z. B. Zeichnungen von Einbauteilen), detaillierte Beschreibungen und Ausstattungslisten. Je nach Gewerk können auch Werkstattpläne oder Montagepläne erzeugt werden. Es ist zu beachten, dass die Ausführungsplanung durch den Auftraggeber in der Regel freigegeben werden muss.

Arbeitsvorbereitung. Die Arbeitsvorbereitung wird den Akquisitionsprozess unterstützen, beginnt jedoch im Schwerpunkt ihre Arbeit nach der Auftragserteilung. Sie umfasst u. a. die Prüfung der Vertragsunterlagen auf Konformität mit der Angebotssituation, die endgültige Festlegung der Fertigungstechnologie, die Bestimmung der notwendigen Ressourcen, die Terminplanung und die Aufstellung der Arbeitskalkulation als Basisdokument für die Steuerung (Controlling). In enger Abstimmung mit der Bauleitung kann eine Begleitung der Bauausführung erfolgen.

Bauausführung. Während der Bauausführung wird die Planung durch Fertigungsprozesse in die Realität umgesetzt. Hierzu ist ein bestimmtes Maß an Organisation notwendig, das eine Prozessgestaltung (Definition und Durchführung der Fertigungsprozesse) und eine Prozessbewertung (Soll-Ist-Vergleiche) ermöglicht (Bild 1.4).

Bild 1.4 Zusammenhang zwischen Prozessgestaltung und Prozessbewertung [29]

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Die Fertigungsprozesse und ihr Abbild in erfassbaren Zielgrößen stehen in einer kontinuierlichen Wechselwirkung und bilden in der zeitlichen Abfolge einen Regelkreis. Daher sind gleichzeitig fertigungsrelevante Eingaben (Planung, Betriebsmittel, Werkstoffe und Arbeitskräfte) sowie bewertende Ausgaben (Qualität, Kosten, Bauzeit und sonstige Quantitäten) für ein permanentes Controlling dieser Strukturen zu berücksichtigen. Als grundlegende Regeln und ideale Bedingungen für eine Qualitätssicherung im Rahmen der Bauausführung eines Bauwerks lassen sich folgende Aspekte identifizieren:

– Der Qualitätsgedanke muss die Hierarchie der Aufbauorganisation von oben nach unten durchdringen und von allen beteiligten Akteuren gelebt werden.
– Die Aufgaben, die Kompetenzen und die Verantwortung jeder Stelle der Aufbauorganisation sind aufeinander abgestimmt, eindeutig festgelegt und allen Beteiligten bekannt.
– Die Schnittstellen zwischen den Beteiligten der Aufbauorganisation werden koordiniert. Hierzu sind u. a. die Zuständigkeiten und die Kommunikationswege geregelt.
– Alle Akteure identifizieren sich mit den Projektzielen im Allgemeinen sowie den qualitätsbezogenen Aspekten im Speziellen und arbeiten kooperativ zusammen. Sie sind sich dessen bewusst, dass sie für die Qualität ihrer Leistungen verantwortlich sind und damit zur Qualität der Prozesse und des gesamten Bauwerks beitragen.
– Qualitätsbewusstes Denken und Handeln der Mitarbeiter/-innen wird durch Aus- und Weiterbildung, durch Unterweisungen sowie durch ein Wissensmanagement gefördert.
– Nicht nur das Vermeiden von Fehlern, sondern insbesondere das Erkennen und Aufdecken von Fehlern sowie das Identifizieren der Ursachen haben bei allen Beteiligten einen hohen Stellenwert.
– Qualitätssicherung ist mit Beginn des Bauprojekts zu leben und elementarer Bestandteil aller Projektphasen.
– Das Bauprojekt wird von den Akteuren der einzelnen Prozesse durchgängig, in der Detaillierung und in der Methodik aufgrund seiner Größe angemessen und in diesem Sinne vollständig dokumentiert.
– Eine vollständige, sorgfältige, hochwertige und abgeschlossene Planung sowie Arbeitsvorbereitung sind die beste Basis für eine angemessene Ausführungsqualität.
– Angemessene Vergütungen und Baupreise fördern die Leistungsbereitschaft der Beteiligten.
– Angemessene Bauzeiten und Termine reduzieren Fehlerquellen.
– Sauberkeit und Ordnung am Arbeitsplatz und die Einhaltung von Standards der Arbeitssicherheit auf der Baustelle sowie ein kooperatives Zusammenarbeiten der beteiligten Unternehmen sind qualitätsunterstützende Elemente.

Abnahme und Mängelansprüche (Gewährleistung). Der Prozess der Abnahme ist substanziell. Die Wirkung ist je nach Rechtsgrundlage unterschiedlich. In Deutschland hat die Abnahme der Bauleistung durch den Auftraggeber auf der Grundlage des BGB in Verbindung mit der VOB/B folgende Wirkungen [48]:

– Mit der Abnahme geht die Gefahr für die abgenommene Bauleistung vom Auftragnehmer auf den Auftraggeber über. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Auftragnehmer die ausgeführte Leistung vor Diebstahl und Beschädigung zu schützen, danach ist dies die Pflicht des Auftraggebers.
– Die Abnahme zieht die Fälligkeit des Werklohnanspruchs nach sich. Gemäß BGB ist die Vergütung der erbrachten Leistung bei der Abnahme zu entrichten.
– Durch die Abnahme erfolgt eine Umkehr der Beweislast. Vor der Abnahme ist es die Pflicht des Auftragnehmers, die Vertragskonformität der erbrachten Bauleistung zu beweisen, danach muss der Auftraggeber eine Vertragswidrigkeit beweisen.
– Mit der Abnahme beginnt die Verjährungsfrist für Mängelansprüche. Der Bauvertrag geht über von der Phase der Bauausführung in die Phase der Mängelansprüche (Gewährleistung).

Es ist zwischen der Abnahme der Bauleistung durch den Auftraggeber und den behördlichen Abnahmen einzelner Leistungsbereiche (Rohbau, Brandschutz, Hygiene) zu differenzieren [48].

Betrieb und Bestandsänderung. Die Nutzung eines Bauobjekts ist in der Regel dessen längste Lebensphase. Für den Betrieb wird empfohlen, Managementkonzepte zu entwickeln, die technische, infrastrukturelle, kaufmännische und flächenbezogene Leistungen umfassen. Weiterhin können während der Nutzung Modernisierungen, Umbauten, Erweiterungsbauten oder Sanierungen am Objekt vorgenommen werden. Diese baulichen Veränderungen des Bestands sollten in Bezug zum Lebenszyklus stehen. Für eine prozessorientierte Strukturierung des Lebenszyklusansatzes existiert eine Vielzahl von Modellen (z. B. in [14]).

1.2.4.2 Supportprozesse

Risikomanagement. Unternehmen sind rechtlich zur Einrichtung von geeigneten Risikomanagementsystemen verpflichtet, um existenzbedrohende Entwicklungen – unter anderem resultierend aus der betrieblichen Umweltdynamik [47] – frühzeitig erkennen zu können. Das Risikomanagement als Prozess kann in sechs Teilprozesse unterteilt werden: Risikoidentifikation, Risikobewertung, Risikoklassifizierung, Risikobewältigung, Berechnung der Risikokosten und Risikocontrolling. Die Risikoidentifikation dient der vollständigen Erfassung möglicher Risiken. Die Bewertung und die Klassifizierung dienen der Ermittlung der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Schadenshöhe des gefährlichen Ereignisses [28]. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung der Risikobereitschaft sowie der Risikostrategie des Bauunternehmens respektive des Bauprojekts erfolgt die Festlegung der Maßnahmen zur Risikobewältigung. Die identifizierten Risiken sind einem Risikocontrolling zu unterziehen. Der normative Bezug kann über die internationale Norm DIN ISO 31000:2009 [51] hergestellt werden.

Qualitätsmanagement. DIN EN ISO 9000:2005 [50] definiert den Begriff Qualität als den „Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale […] Anforderungen […] erfüllt“. Dabei sind physikalische, sensorische, verhaltensbezogene, zeitbezogene, ergonomische und funktionale Merkmale zu unterscheiden. Diese Merkmale sind als kennzeichnende Eigenschaften (z. B. Form, Farbe, Festigkeit, Ebenheit, Geruch) zu verstehen, die von qualitativer oder quantitativer Natur sein können. Die Anforderungen an diese Merkmale sind Erfordernisse oder Erwartungen, die festgelegt, üblicherweise vorausgesetzt oder verpflichtend sind. Qualität kann daher z. B. mit den Adjektiven gut oder schlecht bewertet werden.

Die Systemqualität eines Bauwerks ist das Resultat des Zusammenwirkens einzelner Bauteile (Produkte), die durch eine Vielzahl von Prozessen der Bauplanung und Bauausführung im Bauwerk materialisiert worden sind (Bild 1.5). Daher sind für jeden einzelnen Prozess Anforderungen bezüglich der Qualität vorzugeben und zu überwachen. Dabei geht es um die Einhaltung von Parametern, wie z. B. die Projektziele, die Aufbau- und Ablauforganisation mit dem Daten-, Informations- und Entscheidungsfluss, die Kosten, die Termine und die Leistung. Zur Bewertung der Systemqualität können z. B. die Merkmale Behaglichkeit, Nachhaltigkeit, Dauerhaftigkeit, Verwendungseignung oder Imagewirkung herangezogen werden. Die Systemqualität muss zudem den gesamten Lebenszyklus mit den Phasen der Planung, der Bauausführung, des Betriebs, des Abbruchs und der Entsorgung würdigen.

Bild 1.5 Produkt-, Prozess- und Systemqualität im Bauwesen [26]

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Zur operativen Umsetzung der verschiedenen Qualitätsparameter werden in Bauunternehmen Qualitätsmanagementsysteme etabliert. Diese haben in der Regel einen ausgeprägten interdisziplinären Charakter und sollten auditiert und zertifiziert werden, damit ihre Wirksamkeit unabhängig geprüft ist.

Anforderungsmanagement. Glinz [16] erläutert das Requirements Engineering mit drei Definitionen:

– Technische Definition – „Requirements Engineering (Anforderungstechnik) ist das systematische, disziplinierte und quantitativ erfassbare Vorgehen beim Spezifizieren (d. h. Erfassen, Beschreiben und Prüfen) sowie beim Verwalten von Anforderungen an ein System.“
– Kundenorientierte Definition – „Verstehen und Beschreiben, was die Kunden wünschen oder brauchen.“
– Risikoorientierte Definition – „Spezifikation und Verwaltung von Anforderungen mit dem Ziel, das Risiko zu minimieren, dass ein System entwickelt wird, welches den Kunden nicht nützt oder gefällt.“

Das Anforderungsmanagement setzt sich aus den Teilprozessen der Anforderungsdefinition, der Anforderungsdokumentation, der Anforderungsabstimmung und -validierung sowie der Anforderungsverwaltung zusammen [17]. Bei den sehr entscheidungsreichen und arbeitsteiligen Prozesskonglomeraten eines Bauprojekts ist die Etablierung eines Anforderungsmanagements notwendig. Der Bauherr formuliert seine Anforderungen an ein Bauobjekt, der Objektplaner und die Fachplaner realisieren gemeinsam mit dem Bauunternehmen diese Vorgaben im Rahmen eines Bauprojekts. Die Festlegung des Zielkatalogs für das Bauobjekt sollte daher in einem strukturierten Prozess der Zielplanung [23] (siehe auch Kapitel 2.1.4.1) erfolgen.

Personalmanagement. Ein ausgewogenes Personalmanagement erfordert das Integrieren von ökonomischen Zielen des Unternehmens (z. B. aufgabengerechte Disposition von Arbeitskräften, Steigerung der Produktivität), von Sozialzielen (z. B. soziale Gerechtigkeit in der Unternehmensstruktur, Tarifrecht) und von Individualzielen der Mitarbeiter/-innen (z. B. Kontinuität der Beschäftigung, Karriereperspektive, Qualifikationsentwicklung). Diese bestimmen maßgeblich den Erfolg eines Unternehmens. Für gewerbliche Arbeitskräfte auf Baustellen ist das Element der Ergonomie und der ergonomischen Gestaltung von Arbeitssystemen von besonderer Bedeutung.

Vertragsmanagement. Die Unikatfertigung im Bauwesen ist geprägt von individuellen Bauverträgen, die in komplexen Bauprojektorganisationen umgesetzt werden (Kapitel 5 „Bauprozessmanagement aus rechtlicher Sicht“). Die Unternehmereinsatzformen reichen vom Einzelunternehmen, das ausschließlich die Bauleistung eines Gewerks gemäß bauherrnseitiger Planung ausführt bis hin zu Totalunternehmen, die schlüsselfertige Bauobjekte einschließlich Planungsleistungen realisieren. Insofern werden auf der Bauherrnseite neben Bauverträgen auch Planungsverträge geschlossen. Die Bauunternehmerseite wird zusätzlich Verträge mit Nachunternehmen und Lieferanten eingehen. Diese komplexen Vertragsstrukturen werden durch die im Bauwesen häufig zu beobachtenden Vertragsänderungen, die zu Sach- und Bauzeitnachträgen führen können, begleitet:

– zusätzliche Leistungen und geänderte Leistungen, z. B. durch Anordnung des Auftraggebers zur Änderung des Bauentwurfs und damit der vereinbarten Bauleistung,
– Veränderungen der Bauumstände, die dazu führen, dass die Bauleistung in der ursprünglich vereinbarten Art und Weise nicht durchgeführt werden kann, z. B. Feststellung unerwarteter Bodenformationen,
– Störungen des Bauablaufs, z. B. durch zu späte Bereitstellung der Baugenehmigung.

Daneben ist der Aspekt der Auslegung des Bau-Solls zu beobachten. Dies kann im Konfliktfall zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer ggf. dazu führen, dass ein Gericht darüber entscheiden wird, was geschuldet ist.3

Zu einem soliden Vertragsmanagement gehören daher u. a. folgende Prozesse:

– Prüfen von Ausschreibungs- und Vertragsunterlagen auf Vollständigkeit und Konsistenz,
– Analyse der Vertragswerke auf Risiken,
– Analyse der Schnittstellen auf der Vertragsgrundlage,
– Monitoren der zwischen den Vertragsparteien zirkulierenden Austauschgrößen, sofern Vertragsrelevanz besteht,
– präzises Dokumentieren relevanter Vorfälle, z. B. der Eingriffe in die vertraglichen Vereinbarungen,
– Prüfen von Nachträgen,
– Bestellen von Sachverständigen im Bedarfsfall.

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