Cover Page

title.gif

Vorwort

Der Beton-Kalender 2014 widmet sich den Themenschwerpunkten „Unterirdisches Bauen“ und „Geotechnik“. Auch in diesen Spezialdisziplinen zeigt sich wieder eindrucksvoll die Kunst der Bauingenieure. Gerade bei der Abtragung großer Kräfte in das Erdreich mittels Gründungen und im Tunnelbau können die Tragmechanismen durch die Interaktion mit dem Baugrund ressourcenschonend gestaltet werden. Dabei finden auch vielfältige Formen von Trag- und Ausbauelementen aus Stahlbeton Anwendung. Zusammen mit den Beiträgen über die Nutzungsdauer von Tunnelbauten, die Verwendung von Tunnelausbruchmaterial, über Nachhaltigkeit und kooperative Zusammenarbeit sowie über den Erfolgsfaktor „Ingenieurleistung“ bei komplexen Großprojekten ist dieser Beton-Kalender eine besondere Fundgrube für Praktiker und Wissenschaftler.

Georg Vavrovsky zeigt mit den „Ingenieurleistungen als Erfolgsfaktor“ bei der Abwicklung von großen Tunnelbauprojekten die maßgebende Dimension der Ingenieurdisziplin und ihre gesellschaftliche Verantwortung auf. Die erfolgreiche Einhaltung von Kosten- und Terminrahmen sind sowohl bei kleinen als auch bei großen Projekten wesentliche Ziele, um das Vertrauen des Bauherrn, aber auch der Politik und der Gesellschaft, in das Können der Bauingenieure zu rechtfertigen. Neben dem Fachwissen ist das gegenseitige Vertrauen, das oft in mühevoller Kleinarbeit erarbeitet werden muss, entscheidend für den Erfolg eines Projektteams.

Konrad Bergmeister, Erich Saurer, Thomas Marcher und Sebastian Höser geben einen Überblick über die Nutzungsdauer, die Einwirkungen und die Bemessung von Tunnelbauten. Dabei wird auch auf die Wichtigkeit einer ganzheitlichen Betrachtung der technischen Lebensdauer unter Einbeziehung der Überwachung und Erhaltung von Tunnelbauwerken und deren Ausbauelementen hingewiesen. Ansätze zur Ermittlung des Ausbauwiderstandes sowie die Bemessung der Tunnelschalen werden ebenfalls vorgestellt.

Ulrich Burger, Ansgar Kirsch, Thomas Marcher und Chris Reinhold zeigen übersichtlich die geologisch-geotechnischen Planungsschritte für tiefliegende Tunnel auf. Die geotechnischen Parameter sind entscheidend für die Wahl der Tunnelbaumethode und die möglichen Vortriebsgeschwindigkeiten. Aus geologischer Sicht werden die Störzonen, die Grund- und Bergwasserzutritte sowie das Quellpotenzial als technische Ausschlusskriterien eingestuft.

Matthias Flora und Peter Teuscher präsentieren ein dynamisches Entscheidungsmodell, womit die Wahl der geeigneten Tunnelvortriebsmethode transparent und nachvollziehbar getroffen werden kann. Unter Einbeziehung von Fachleuten soll mit der Delphi-Methode die Entscheidung möglichst konsensuell erfolgen.

Robert Galler behandelt den zyklischen Vortrieb von der Planung bis zur Bauausführung. Nach einem informativen Überblick werden die Vorteile und Grenzen dieser konventionellen Vortriebsart aufgezeigt und durch Beispiele erläutert. Neben den Konstruktionsmethoden werden auch der primäre Ausbau und die gebräuchlichsten Baugrundverbesserungsmaßnahmen, wie Verpressen, Hochdruckinjektionen und die Gefrierverfahren sowie die geotechnischen Messverfahren, behandelt.

Markus Thewes beschreibt den neuesten Stand der Technik beim Schildvortrieb. Durch die außerge-wöhnlich große Vielseitigkeit können Verkehrstunnel mit Schildmaschinen bis zu 17,5 m Durchmesser unter stark wechselnden Baugrundbedingungen ausgebrochen werden. Im Beitrag werden die einzelnen Verfahrenstechniken in ihrer Funktionsweise beschrieben und die wesentlichen Planungsgrundlagen herausgearbeitet. Dabei werden auch geotechnische Kennwerte für den Einsatz von Schildmaschinen angegeben.

Günther Meschke und Mitarbeiter zeigen den aktuellen Stand des Wissens im Bereich der numerischen Simulation im Tunnelbau. Dabei werden die wesentlichen Zusammenhange der numerischen Mechanik und die Vielfalt der Modellierung mittels der Finite-Elemente-, der Finite-Differenzen-, der Diskrete-Elemente-, der Randelemente-Methode sowie der hybriden Methoden und der klassischen Balken-Feder-Modelle erklärt. Auch die 3-D-Modellierung des Baugrundes und die konstitutiven Modelle der Böden werden behandelt. Ein besonders innovatives Gebiet stellt die numerische Vortriebssimulation im maschinellen Tunnelbau dar.

Oliver Fischer, Tobias Nevrly und Gereon Behnen beschreiben in ihrem Beitrag die Fertigteile im Tunnelbau. Die Entwurfselemente und die funktionalen Anforderungen der Tübbings werden sowohl theoretisch als auch anhand von Beispielen aufgezeigt. Zusätzlich werden die Herstellung und Bemessung von Stahlbetonvortriebsrohren behandelt.

Wolfgang Kusterle, Christian Neumann, Max John, Johannes Jäger und Rudolf Röck fassen den Stand des aktuellen Wissens und der derzeitigen Betontechnologie für die Anwendung von Spritzbeton im Tunnelbau zusammen. Detailliert werden die Wirkungsweisen der Bindemittel, der Zusatzstoffe und der Zusatzmittel sowie der verschiedenen Faserarten beschrieben. Besonderes Augenmerk wird auf die Spritzverfahren und die damit zu erzielenden Eigenschaften des Spritzbetons gelegt. Auch werden die Grundlagen der Bemessung kurz aufgeführt und auf ein praktikables Qualitäts-sicherungssystem hingewiesen.

Rolf Breitenbücher geht auf die speziellen Anforderungen an den Baustoff Beton im Tunnelbau ein. Dabei werden neben einem Überblick vor allem die Innenschalenbetone behandelt und wertvolle Hinweise gegeben. Neben der Betonzusammensetzung werden die Verarbeitung und die Nachbehandlung beschrieben. Auch Betone für besondere Anwendungen sowie Ringspaltmörtel sind Gegenstand der Betrachtung.

Robert Galler und Klaus Voit behandeln den Tunnelausbruch und zeigen eindrucksvoll die Möglichkeiten der Verwertung als mineralischen Rohstoff auf. Detailliert werden die Ermittlung der Gesteinsparameter sowie die notwendigen Analysen zur Nutzbarmachung von Tunnelausbruchmaterial beschrieben. Der mechanischen Beanspruchung im Aufbereitungsprozess kommt eine besondere Bedeutung zu. Eine Fülle von Verwertungsmöglichkeiten wird aufgezeigt und eine Verordnung zur Regelung der Verwertung von Tunnelausbruch angeregt.

Stephen Engelhardt, Manfred Keuser und Jürgen Schwarz erläutern Möglichkeiten zur Bewertung der Nachhaltigkeit im Tunnelbau. Mit einem ganzheitlichen Ansatz werden die Aspekte der Nachhaltigkeit aufgezeigt und beispielhaft die ökologischen Auswirkungen unterschiedlicher Schutter- verfahren – Band- und Dumperförderung – bei einem Zugangsstollen des Brenner Basistunnels bewertet. Für die praktische Anwendung sollen die wesentlichen Einflussfaktoren identifiziert und die Nachhaltigkeitsbewertung über alle Prozessphasen von der Projektidee bis zum Ende der Nutzungsdauer des Bauwerks durchgeführt werden.

Walter Purrer weist auf die Notwendigkeit der kooperativen Zusammenarbeit im Tunnelbau hin. Der Fokus liegt auf der Steuerung sozialer Systeme und Prozesse. In einem Projektteam spielen das Beispiel der Vorgesetzten und die Kommunikation eine ganz wesentliche Rolle.

Alfred Haack und Dominik Kessler behandeln die Abdichtungen bei unterirdischen Bauwerken. Ausführlich werden die Planungsgrundlagen, die Auswahlkriterien und die Anwendungsgrenzen der verschiedenen Abdichtungssysteme besprochen.

Friedrich Krüger beschäftigt sich in seinem Beitrag mit dem Schall- und Erschütterungsschutz beim Schienenverkehr. Einführend werden die wichtigsten Grundlagen der Schall- und Schwingungstechnik erklärt, um dann die Schall- und Schwingungsquellen beim Schienenverkehr aufzuzeigen. Spezifisch werden die Methoden zur Bewertung von Schall- und Erschütterungsimmissionen und Maßnahmen zu deren Minderung oder Vermeidung beschrieben.

Im Teil 2 des Beton-Kalenders 2014 werden neben einem umfassenden Beitrag über Beton die Gründungen und die Baugruben behandelt.

Harald Müller und Udo Wiens haben das Kapitel Beton neu bearbeitet. Es werden der aktuelle Stand des Wissens in Forschung und Praxis dargestellt sowie spezifische Hinweise zu Normen und Richtlinien gegeben. Grundlegend werden die Zusammensetzung, Herstellung und Nachbehandlung der verschiedenen Betonarten sowie deren Einsatzbereiche beschrieben.

Rolf Katzenbach und Steffen Leppla stellen in ihrem umfassenden Beitrag über Gründungen im Hoch- und Ingenieurbau die Funktionsweisen und Rechenmodelle dieser wichtigen Tragelemente dar. Großer Wert wird auf die Ermittlung der Einwirkungen, die Bemessung und die konstruktive Ausbildung gelegt.

Achim Hettler und Theodoros Triantafyllidis erläutern aktuelles Wissen über Baugruben. Neben den Grundlagen für die Ermittlung der Einwirkungen aus Erddruck und für die Bemessung werden die Baugrubenkonstruktionen detailliert behandelt. Dabei sind das Bettungsmodulverfahren zur Berechnung der Verformungen genauso wie Finite-Elemente-Modelle Thema. Außerdem werden die Baugruben im Wasser und in weichen Böden behandelt.

Im Kapitel Normen und Regelwerke von Frank Fingerloos werden Erläuterungen zu den Grundlagen der Tragwerksplanung nach DIN EN 1990 und zu den Einwirkungen nach Eurocode 1 DIN EN 1991 aufbereitet. Einen zweiten Schwerpunkt im Beitrag stellt eine im Wesentlichen für Flachgründungen gekürzte Fassung des Eurocode 7 DIN EN 1997-1 „Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik“ mit den mitgeltenden Regelungen von DIN 1054 „Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau – Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-1“dar. Auch werden wieder tabellarisch sämtliche Baunormen und technischen Baubestimmungen für den Beton- und Stahlbetonbau zusammengestellt.

Der Beton-Kalender 2014 mit den Schwerpunktthemen „Unterirdisches Bauen“ und „Geotechnik“ zeichnet sich durch die besondere interdiszi-plinäre Breite der behandelten Themen aus. Solches Fachwissen findet man nicht im Internet, sondern kann in dieser gebündelten Form nur durch die Mitwirkung von hervorragenden Autoren aus Wissenschaft und Praxis geboten werden. Den Lesern wünschen wir beim Entdecken von neuem Wissen viel Freude und beim Umsetzen ein herzliches Glück auf!

Prof. Dipl.-Ing. DDr. Dr.-Ing. e.h.

Konrad Bergmeister, Wien

Dr.-Ing. Frank Fingerloos, Berlin

Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. mult.

Johann-Dietrich Wörner,

Darmstadt

September 2013

Anschriften

1

Autoren

 

Behnen, Gereon, Dipl.-Ing.

Büchting + Streit AG

Gunzenlehstraße 22

80689 München

 

Bergmeister, Konrad, Prof. Dipl.-Ing.

DDr. Dr.-Ing. e. h.

Ingenieurbüro Bergmeister

Peter-Jordan-Straße 113

1180 Wien

Österreich

 

Breitenbücher, Rolf, Prof. Dr.-Ing.

Ruhr-Universität Bochum

Lehrstuhl für Baustofftechnik

Universitätsstraße 150

44780 Bochum

 

Burger, Ulrich, Mag. MSc.

Brenner Basistunnel BBT SE

Geologie und Hydrogeologie

Amraser Straße 8

6020 Innsbruck

Österreich

 

Engelhardt, Stephan, Dipl.-Ing. (FH) M. Eng.

Universität der Bundeswehr München

Institut für Baubetrieb

Werner-Heisenberg-Weg 39

85577 Neubiberg

 

Fischer, Oliver, Univ.-Prof. Dr.-Ing.

Dipl.-Wirtsch.-Ing.

Technische Universität München

Lehrstuhl für Massivbau

Theresienstraße 90

80333 München

 

Flora, Matthias, Dipl.-Ing.

Universität Innsbruck

Institut für Konstruktion und

Materialwissenschaften

Arbeitsbereich für Baubetrieb, Bauwirtschaft

und Baumanagement

Technikerstraße 13

6020 Innsbruck

Österreich

 

Galler, Robert, Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. mont.

Montanuniversität Leoben

Lehrstuhl für Subsurface Engineering – Geotechnik und Unterirdische Konstruktionen

Erzherzog Johann Straße 3

8700 Leoben

Österreich

 

Haack, Alfred, Prof. Dr.-Ing.

STUVA

Studiengesellschaft für unterirdische

Verkehrsanlagen e. V.

Mathias-Brüggen-Straße 41

50827 Köln

 

Höser, Sebastian, Dipl.-Ing.

ILF Beratende Ingenieure ZT GmbH

Abt. Geotechnik

Feldkreuzstraße 3

6063 Rum bei Innsbruck

Österreich

 

Jäger, Johannes, Dr.

Alpine BeMo Tunnelling

Technisches Büro

Bernhard-Höfel-Straße 11

6020 Innsbruck

Österreich

 

John, Max, Dipl.-Ing. Dr. techn.

John Tunnel Consult ZTG

General-Feurstein-Straße 11

6020 Innsbruck

Österreich

 

Kessler, Dominik, Dipl.-Ing.

STUVAtec GmbH

Mathias-Brüggen-Straße 41

50827 Köln

 

Keuser, Manfred, Univ.-Prof. Dr.-Ing.

Universität der Bundeswehr München

Institut für Konstruktiven Ingenieurbau

Werner-Heisenberg-Weg 39

85579 Neubiberg

 

Kirsch, Ansgar, Dipl.-Ing. Dr. techn.

ILF Beratende Ingenieure ZT GmbH

Feldkreuzstraße 3

6063 Rum bei Innsbruck

Österreich

 

Krüger, Friedrich, Dr.-Ing.

STUVA

Studiengesellschaft für unterirdische

Verkehrsanlagen e. V.

Umweltschutz – Schall und Erschütterungen

Mathias-Brüggen-Straße 41

50827 Köln

 

Kusterle, Wolfgang, Prof. Dipl.-Ing.

Dr. techn. habil.

Ostbayerische Technische Hochschule

Regensburg

Fakultät Bauingenieurwesen

Prüfeninger Straße 58

93049 Regensburg

 

Marcher, Thomas, Dipl.-Ing. Dr.

ILF Beratende Ingenieure ZT GmbH

Feldkreuzstraße 3

6063 Rum bei Innsbruck

Österreich

 

Meschke, Günther, Univ.-Prof. Dr. techn.

Ruhr-Universität Bochum

Fakultät für Bau- und

Umweltingenieurwissenschaften

Lehrstuhl für Statik und Dynamik

Universitätsstraße 150

44801 Bochum

 

Neumann, Christian, Ing.

Salzbergstraße 62

6067 Absam/Tirol

Österreich

 

Nevrly, Tobias, Dipl.-Ing.

Technische Universität München

Lehrstuhl für Massivbau, N6

Theresienstraße 90

80333 München

 

Purrer, Walter, Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. mont.

Universität Innsbruck

Institut für Konstruktion und

Materialwissenschaften

Baubetrieb, Bauwirtschaft und

Baumanagement

Technikerstraße 13

6020 Innsbruck

Österreich

 

Reinhold, Chris, Dr.-Ing.

Brenner Basistunnel BBT SE

Geotechnik

Amraser Straße 8

6020 Innsbruck

Österreich

 

Röck, Rudolf, Dr.

Universität Innsbruck

Arbeitsbereich für Materialtechnologie

Technikerstraße 13

6020 Innsbruck

Österreich

 

Saurer, Erich, Dipl.-Ing. Dr. sc.

ILF Beratende Ingenieure ZT GmbH

Feldkreuzstraße 3

6063 Rum bei Innsbruck

Österreich

 

Schwarz, Jürgen, Univ.-Prof. Dr.-Ing.

Universität der Bundeswehr München

Institut für Baubetrieb

Werner-Heisenberg-Weg 39

85577 Neubiberg

 

Teuscher, Peter, Dipl.-Ing. SIA

tce Teuscher Peter GmbH

Consulting Engineer

Laubeggstraße 70

3006 Bern

Schweiz

 

Thewes, Markus, Prof. Dr.-Ing.

Ruhr-Universität Bochum

Lehrstuhl für Tunnelbau, Leitungsbau und

Baubetrieb

Universitätsstraße 150

44801 Bochum

 

Vavrovsky, Georg-Michael, Baurat h. c.

Dipl.-Ing. Dr. mont.

ÖBB-Infrastruktur AG

Geschäftsbereich Neu- und Ausbau

Praterstern 3

1020 Wien

Österreich

 

Voit, Klaus, MMMag.

Universität für Bodenkultur Wien

Institut für Konstruktiven Ingenieurbau

Peter-Jordan-Straße 82

1190 Wien

Österreich

 

Schriftleitung

 

Prof. Dipl.-Ing. DDr. Dr.-Ing. e.h.

Konrad Bergmeister

Universität für Bodenkultur Wien

Institut für Konstruktiven Ingenieurbau

Peter-Jordan-Straße 82, 1190 Wien

 

Dr.-Ing. Frank Fingerloos

Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V.

Kurfürstenstraße 129, 10785 Berlin

Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. mult.

 

Johann-Dietrich Wörner

Technische Universität Darmstadt

Karolinenplatz 5, 64289 Darmstadt

 

Verlag

 

Ernst & Sohn

Verlag für Architektur und technische

Wissenschaften GmbH & Co. KG

Rotherstraße 21, 10245 Berlin

www.ernst-und-sohn.de

Beiträge früherer Jahrgänge (1990–2013)

Eine vollständige Liste ist im Internet unter www.ernst-und-sohn.de recherchierbar.

images
images
images
images
images
images

1

Ingenieurleistungen als Erfolgsfaktor bei Großprojekten des Tunnelbaus
Georg M. Vavrovsky

Empfehlungen zur Ermittlung der Nutzungsdauer, der Einwirkungen und zur Bemessung von Tunnelbauten
Konrad Bergmeister, Erich Saurer, Thomas Marcher, Sebastian Höser

Geologisch-geotechnischer Planungsprozess von Tunnelbauten mit Schwerpunkt tiefliegender Tunnel
Ulrich Burger, Ansgar Kirsch, Thomas Marcher, Chris Reinhold

Auswahl der Tunnelvortriebsmethode – Dynamisches Entscheidungsmodell
Matthias Flora, Peter Teuscher

Der zyklische Vortrieb von der Planung bis zur Ausführung – ein zusammenfassender Überblick
Robert Galler

Tunnelbau im Schildvortrieb – Verfahrenstechniken und Planungsgrundlagen
Markus Thewes

Numerische Simulation im Tunnelbau
Günther Meschke

Fertigteile im Tunnelbau
Oliver Fischer, Tobias Nevrly, Gereon Behnen

Spritzbeton im Tunnelbau
Wolfgang Kusterle, Johannes Jäger, Max John, Christian Neumann, Rudolf Röck

Spezielle Anforderungen an Beton im Tunnelbau
Rolf Breitenbücher

Tunnelausbruch – wertvoller mineralischer Rohstoff
Robert Galler, Klaus Voit

Nachhaltigkeit im Tunnelbau
Stephan Engelhardt, Manfred Keuser, Jürgen Schwarz

Kooperative Zusammenarbeit im Tunnelbau
Walter Purrer

Abdichtungen bei unterirdischen Bauwerken
Alfred Haack, Dominik Kessler

Schall- und Erschütterungsschutz beim Schienenverkehr
Friedrich Krüger

I Ingenieurleistungen als Erfolgsfaktor bei Großprojekten des Tunnelbaus

Georg M. Vavrovsky, Wien

1 Einleitung

Die Ansprüche unserer modernen Gesellschaft im Bereich der Mobilität, der Umwelt und des verantwortungsvollen Umgangs mit begrenzten Ressourcen stellen in ihrer komplexen Vernetzung eine noch nie dagewesene Herausforderung für die Gestaltung der Verkehrsinfrastruktur dar. In zunehmendem Umfang ist die Bewältigung der anstehenden Aufgaben nur mehr durch Errichtung großer und schwieriger Tunnelbauwerke möglich, die höchste Anforderungen an das Projektmanagement, an die Planung und an die Bauausführung stellen. Um eine erfolgreiche Abwicklung derartiger Ingenieurbauwerke gewährleisten zu können, ist eine schier unüberschaubare Vielzahl an Aspekten zu beachten und ausgewogen miteinander in Einklang zu bringen. Ein Austausch von Erfahrungen ist daher nicht nur lohnend, sondern auch Gebot der Stunde [1].

Im Dezember 2012 wurden in Österreich fast 100 km modernster Eisenbahn-Hochleistungsstrecken mit über 60% Tunnelanteil gemeinsam mit einem ersten Teil des neuen Wiener Hauptbahnhofs in Betrieb genommen. Dabei kam es weder zu spürbaren Termin- oder nennenswerten Kostenüberschreitungen noch zu medienwirksamen Unzulänglichkeiten. Und dies bei höchst komplexen Projekten mit einem Investitionsvolumen von fast 6,0 Mrd. Euro und Realisierungszeiträumen von bis zu zwanzig Jahren! Oberflächlich betrachtet wäre man fast geneigt, dies als Erfolg eines Unternehmens zu bewerten, das nun in Bewegung gekommen ist, als Erfolg also eines tüchtigen Managements. Ein Blick auf die Bühne und hinter die Kulissen des tatsächlichen Geschehens zeigt aber ein anderes Bild. Und daher möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, jene vor den Vorhang zu bitten, denen in Wahrheit der Applaus und die Anerkennung für ihre Leistungen gebührt [2]. Es sind all die beteiligten Ingenieure und damit meine ich natürlich auch unsere weiblichen Kolleginnen, jene in der Planung, in der Ausführung und auch jene in der Erhaltung und Betriebsführung, die mit ihrem profunden Wissen, mit ihrer oft grenzenlosen Begeisterung und ihrem unermüdlichen Engagement diese Erfolge ermöglicht haben. Sie alle, ob sie nun bei Gutachtern, in Planungsbüros, bei Baufirmen, in Unternehmen der Bahn- und Zulieferindustrie oder bei uns als Bauherrn tätig sind, sie alle möchte ich an dieser Stelle ins gebührende Scheinwerferlicht bitten. Denn ein Projekterfolg ist nicht in erster Linie der Erfolg des Managements, sondern in hohem Maße der Erfolg der Ingenieure, die das jeweilige Projekt gestaltet und vorangetrieben haben. Wie im Theater der Intendant lediglich die Voraussetzungen für künstlerisches Geschehen zu schaffen hat, so kann das Management höchstens geeignete Rahmenbedingungen zur Projektabwicklung sicherstellen. Dieser Beitrag mag zwar förderlich oder auch behindernd sein, für den Erfolg bestimmend ist er aber kaum. Denn der Erfolg einer Aufführung wird von der Qualität der Regie bestimmt, in unserem Fall von der Qualität des Projektmanagements und er wird geprägt und getragen sein von der Persönlichkeit und der Kunst ihrer Darsteller.

Die Bühne der Ingenieure sind ihre Projekte und ihre Bauwerke. Doch während in den Theatern zu Beginn der Vorstellung der Vorhang hochgezogen wird, verschanzen sich Ingenieure hinter den Bildschirmen ihrer Computer und hinter lärmund staubabweisenden Bauzäunen. Wir dürfen uns daher auch nicht wundern, dass öffentliches Staunen über die Kunst der Ingenieure vielfach dem schieren Unverständnis unserer Profession gegenüber anheimfällt. Umso wichtiger scheint mir daher zu sein, dass wir immer wieder hinausgehen in die Politik und die projektbeteiligte Öffentlichkeit, und uns dort verständlich machen, uns das Vertrauen erwerben und unseren Beitrag für die Zukunft unserer Gesellschaft erlebbar machen.

Ob des gebotenen Rahmens möchte ich mich in den gegenständlichen Ausführungen auf jenen Beitrag beschränken, den wir als Ingenieure auf Bauherrenseite zum Gelingen der Projekte zu leisten im Stande sind. Denn wenn auch die öffentliche Wahrnehmung vornehmlich von jenen Projekten geprägt ist, über die es Unzulänglichkeiten zu berichten gibt oder die im Widerstreit mächtiger Interessen stehen, so ist doch die überwiegende Mehrzahl an Investitionsvorhaben von hoher Professionalität in der Abwicklung gekennzeichnet.

2 Der Weg zum Projekterfolg

Angesichts der immer komplexer werdenden Rahmenbedingungen, gewinnt die Frage: Wie lassen sich Großprojekte heute überhaupt noch erfolgreich abwickeln? zunehmend an Relevanz. Es gibt in diesem Zusammenhang eine ganze Menge an brennenden Fragen, für die es aber kaum einfache Antworten gibt. Wir haben eine Fülle an lehrreichen Erfahrungen, und doch fehlt es an allgemeingültigen Empfehlungen. Warum dies so ist, ist meines Erachtens aber einfach zu beantworten. Denn man denkt heute gern in deterministischen Zielsystemen und klar steuerbaren Managementmodellen. Stellhebel, Kennzahlen und Maßnahmen dominieren heutiges Handeln, weniger die Werthaltung und das Verständnis für komplexe Zusammenhänge. Großprojekte der Infrastruktur sind nun aber höchst komplex, bergen eine Fülle an Unsicherheiten, Risiken und unplanbaren Überraschungen und entziehen sich daher dem Zugriff der heute tradierten Managementmethoden. Dies insbesondere dort, wo diese auf linienorientierte Produktion und nicht auf die Bewältigung komplexer Einzelprojekte ausgerichtet sind. Ganzheitliches, systemisches Denken, kontextorientiertes Steuern und eigenverantwortliches kybernetisches Handeln und Entscheiden sind die Codewörter, die es mit Inhalt zu füllen gilt, um den Faden im Labyrinth der Unsicherheiten, Überraschungen, der unplanbaren Einflüsse und Auswirkungen nicht zu verlieren [3]. Es geht uns hierbei wie den Höhlenforschern, die in den Tiefen des Berges auch nicht nach dem Tageslicht suchen, sondern den Faden fest in der Hand halten, der sie den richtigen Weg zum Licht hin finden lässt. In komplexen Situationen ist es nicht das von außen vorgegebene Ziel, wie z.B. zu früh festgelegte Termin- und Kostenvorgaben, sondern es ist einzig und allein der aus profunder Berufserfahrung und gelebter Werthaltung als zweckmäßig erachtete Weg, der uns die gestellte Aufgabe erfolgreich meistern lässt. Dieser Weg zum Erfolg wird aber stets aufs Neue zu finden und zu gestalten sein, da er von den konkreten Rahmenbedingungen und Umständen gesäumt und vorgezeichnet wird.

3 Partnerschaft und Kooperation

Eine von konstruktivem Vertrauen [4] geprägte Partnerschaft und Kooperation ist gerade im komplexen Tunnelbau einer der wichtigsten Faktoren für einen nachhaltigen Projekterfolg. Das Maß an Vertrauen zwischen den Vertragspartnern ist der entscheidende Parameter für die Qualität der Kooperation und damit auch der Schlüssel für erfolgreiche Projektoptimierungen. Mangelndes Vertrauen führt vielfach mit einer sich selbst verstärkenden Rückkoppelung zum Misserfolg aller Beteiligten. Vertrauen ist wie ein Investment in die Zukunft, der daraus gezogene Nutzen entspricht den Zinsen für das eingegangene Risiko. Auch hier gilt wie überall im Leben: Reich wird nicht derjenige, der mutlos und ängstlich agiert, sondern nur jener, der sein Vermögen klug und umsichtig investiert [5].

Lassen sie mich dies anhand der Kultur der Neuen Österreichischen Tunnelbaumethode (NÖT) näher erläutern. International als NATM bekannt, hat sie sich in den vergangenen fünf Jahrzehnten dank ihrer Flexibilität und Wirtschaftlichkeit in höchstem Maße bewehrt. Sie erfolgreich anzuwenden erfordert aber von allen Beteiligten – vom Bauherrn, seinen Planern, Gutachtern und Überwachungsorganen ebenso wie von den Baufirmen und deren Bauleitern bis hin zu den Mineuren – ein hohes Maß an technischer und sozialer Kompetenz. Die NATM lebt vom täglichen Miteinander, nicht vom Gegeneinander. Sie lebt vom Vertrauen, nicht vom positivistisch interpretierten Vertragswerk. Sie lebt vom Bewusstsein eines zwar geteilten, aber dennoch gemeinsam eingegangenen und gemeinsam zu bewaltigenden Risikos. Und sie lebt in letzter Konsequenz von der gegenseitigen Fairness, welche bei der Erkundung schon beginnt, in Planung und Ausschreibung ihren Niederschlag finden muss, vom Angebot aufgegriffen wird und in schwierigen Situationen ihre Bewährungsprobe zu bestehen hat. Wo immer diese Grundsätze ins Wanken geraten, wo sie den Eigeninteressen geopfert oder dem Unverstand anheimfallen, wird sich weder ein technischer noch ein wirtschaftlicher Erfolg einstellen können [6].

Diese Kultur der NATM, die in den ersten Jahrzehnten ihrer Anwendung sorgsam aufgebaut wurde, droht da und dort in Vergessenheit zu geraten. Wir sollten uns daher darauf besinnen, den Ingenieuren vor Ort, den Bauleitern der Firmen und den Leitern der Bauaufsicht des Bauherrn wieder vermehrt das Vertrauen zu schenken und ihnen die Kompetenz zu überlassen, vor Ort gemeinsam zu entscheiden, was nur vor Ort entschieden werden kann.

Das geteilte Risiko, bei welchem der Bauherr für den Baugrund, der Unternehmer für die technische Ausführung sowie die Sicherheit vor Ort und der Planer für die Standsicherheit des Bauwerks einzutreten hat, erfordert ein wohl austariertes Miteinander. Der Gedanke der strikten Sphärentrennung, welcher heute das Geschehen meist bestimmt, führt – wie sich immer wieder zeigte – häufig nicht zum Ziel. Die Aufgaben- und Verantwortungsfelder greifen im modernen Tunnelbau allzu komplex ineinander und sind einer technisch und juristisch klaren Abgrenzung vielfach nicht zugänglich. Daher kann es nicht primär darum gehen, möglichst viele Risiken auf den anderen zu schieben, um der eigenen Risikoübernahme zu entkommen. Wo immer dies dennoch geschieht, sei es durch zunehmende Delegation von Aufgaben, Outsourcing von Kernkompetenzen oder unfaire und unausgewogene Vertragsgestaltungen, wird dies nicht nur zu einer oft problematischen Zunahme der Projektbeteiligten führen, sondern stets auch negative wirtschaftliche Auswirkungen nach sich ziehen. Es ist vielmehr gemeinsame Aufgabe aller an der Planung und am Bau Beteiligten, die latenten Risiken rechtzeitig zu erkennen und deren Eintretens-Wahrscheinlichkeit sowie deren potenzielles Schadensausmaß in enger Zusammenarbeit wirkungsvoll zu minimieren.

4 Zum Beitrag der Ingenieure

Es sind auch die Ingenieure des Bauherrn, die den Weg der Partnerschaft und Kooperation gemeinsam mit den KollegInnen der extern beauftragten Unternehmen in Planung und Ausführung zu gehen haben. Sie haben vielfach beachtliche, wenn auch oft unterschätzte und zu wenig beachtete Leistungen als Grundlage des Projekterfolges zu erbringen.

Einige ausgewählte Leistungsbereiche möchte ich stellvertretend für viele andere gedanklich auf die Bühne bitten:

– zum einen die Projektierungen mit ihrem Projektleiter an der Spitze, dem im Rahmen einer interdisziplinären, ganzheitlichen Planung die Rolle eines Dirigenten zukommt,
– zum zweiten die Fachingenieure, die in den vielfältigsten Bereichen die externen Ingenieurleistungen betreuen und mit ihrer Expertise die Projektteams nachhaltig und wirkungsvoll verstärken,
– ferner die Kolleginnen und Kollegen des Beschaffungswesens für Bau- und geistige Dienstleistungen, denen eine ganz besondere Bedeutung im Rahmen einer erfolgreichen und kooperativen Projektabwicklung zukommt,
– und last but not least das Team des Cost-Engineerings, das sich gemeinsam mit den Projektteams um eine effiziente sowie kosten- und terminstabile Projektabwicklung bemüht.

5 Die Projektleiter

Lassen sie mich mit den Projektleitern – mit unseren Dirigenten – beginnen. Ihnen ist jeweils ein Team von Mitarbeitern und Fachexperten zur Seite gestellt, welches ich hier mit einem Orchester vergleichen möchte. So wie es für dieses gilt, sich eine Partitur mit all ihren unterschiedlichen Stimmen und Instrumenten gemeinsam zu erarbeiten, so gilt es für das Projektteam, sich im Zuge der Planung mit all den fachlichen und inhaltlichen Facetten eines Projektes vertraut zu machen. Es gilt, das Projekt mit seiner Struktur und seinem inneren Wirkungsgefüge, mit all seinen Anforderungen und Auswirkungen kennenzulernen und Unbekanntes zunehmend zu Bekanntem heranreifen zu lassen. Es ist dies ein Weg, der bei Großprojekten im öffentlichen Raum oft viele Jahre in Anspruch nehmen kann, der Geduld erfordert und der begleitet ist von zahlreichen Risiken und unvorhersehbaren Überraschungen.

Der Projektleiter trägt wie der Dirigent die Gesamtverantwortung für das Gelingen des Werks. Doch die Aufgabe ist hier wie dort nicht die des Beherrschens und Durchgreifens, sondern jene des Unterstützens, des Zusammenführens und des Taktgebens. Was im nüchternen Management-Jargon als matrixförmige Projektorganisation bezeichnet wird, in welcher Projekt- und Fachverantwortung ausgewogen ineinandergreifen, ist in einem Konzert das virtuose Zusammenspiel zwischen Dirigent und Orchester. Wer je diese faszinierende Symbiose im Konzertsaal erlebt hat, der weiß worum es geht, wenn es gilt, die Qualität des gemeinsamen Werkes vor die Rolle und die Interessen der eigenen Person zu stellen. Matrixorganisation wirklich zu leben ist intellektuell sicher herausfordernd, denn es gibt nur ein Miteinander, das manches Mal auch mühevoll erarbeitet werden muss. Da sich der Projektleiter in dieser Organisationsform nicht über die fachliche Verantwortung seiner Experten hinwegsetzen kann, egal welche Begründung er dafür auch immer ins Treffen führen mag, ist er gezwungen, sich mit all den Aspekten einer interdisziplinären Planung auf gleicher Augenhöhe mit seinen Teammitgliedern auseinanderzusetzen. Ergebnis eines derart ganzheitlich angelegten Führungsstils ist aber ein dicht gewebtes Netzwerk aus Erkenntnissen und Vorgehensweisen, mit deren Hilfe das Projektmanagement letztlich in die Lage versetzt wird, die vielfältigsten Anforderungen miteinander verknüpfen und in Einklang bringen zu können. Im komplexen Umfeld ist eine ganzheitliche Führung wohl eine der wesentlichsten Voraussetzungen für einen nachhaltigen Projekterfolg.

Sicherlich, dieses Modell erfordert, um auch effizient zu sein, im Eskalationsfall eine fachlich kompetente und entscheidungsstarke Rückfallebene im übergeordneten Management. Es erfordert aber vor allem Projektleiter mit hoher Integrität und Persönlichkeit sowie mit breitgestreutem Ingenieurwissen und tieffundiertem Menschenverstand. Es ist daher vor allem den Projektleitern zu danken, wenn es ihnen gelungen ist, aus einer Vielzahl von Einzelkünstlern ein Orchester zu formen, das sich zum Wohlklang eines nachhaltigen Projekterfolgs zusammengefunden hat.

6 Die Fachexperten

Dies führt uns zu einer weiteren Gruppe von Ingenieuren, deren Leistungen sich das Rampenlicht verdienen. Es sind die Fachingenieure, insbesondere auch jene des Tunnelbaus, also die Geologen, Geotechniker und Planungsexperten, die in den Projektteams für ihr jeweiliges Gewerk fachliche Verantwortung tragen. Sie bilden gleichsam das Orchester, ohne welches ein Werk nicht aufzuführen wäre, ohne welches Projektmanagement auch nicht funktionieren würde. Sie bestimmen den Klang, die Qualität und die Wirkung. Ob diese Bestand haben wird oder nicht, liegt letztlich in ihrer Hand. Sie sind innerhalb des Projektes für das gesamte Beschaffungswesen der von ihnen betreuten fachspezifischen Dienstleistungen zuständig. Ihnen obliegt in ihrem jeweiligen Gewerk sämtliche Abstimmung, Koordination und Beratung über alle Phasen des Projekts. Sie machen Vorgaben, betreuen Planungen wie Ausschreibungen und sind verantwortlich für die fachspezifischen Leistungsabnahmen. Und letztlich sind sie maßgeblich eingebunden in das Termin-, Kosten- und Risikocontrolling, in dem sie ihren Bereich zu betreuen und zu vertreten haben.

Die fachliche Kompetenz eines Bauherrn ist somit geprägt vom Knowhow und der Berufserfahrung seiner im Projektteam wirkenden Experten und Ingenieure. Sie sind es, die die Instrumente spielen und damit Nachhaltigkeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit entscheidend beeinflussen. Denn das Ergebnis von Planungen und Bauabwicklungen kann niemals losgelöst von der Kompetenz des Bauherrn und Auftraggebers gesehen werden. Es ist seine Sache, der Qualität und Wirtschaftlichkeit im Zuge der Planung, der Ausschreibung und des Wettbewerbes eine Chance zu geben und es ist ebenso seine Sache, während der Leistungserbringung dafür Sorge zu tragen, dass sich Qualität und Wirtschaftlichkeit entwickeln und entfalten kann. Das mit einem Orchester vergleichbare interdisziplinäre Zusammenspiel von Ingenieuren unterschiedlichster Fachausrichtung unter einer fachkundigen und entscheidungsfreudigen Leitung ist wohl der wesentlichste Beitrag, den ein Bauherr zum Gelingen eines Projektes zu leisten im Stande ist. Fachkompetenz und Kooperationsvermögen im Team sind – wohl wenig überraschend – auch hier die entscheidenden Erfolgsfaktoren. Zu danken bleibt daher all jenen Fachexperten, die sich der Herausforderung ihrer Aufgaben mit vollem Engagement und großer Begeisterung stellen. Im Konzertsaal würde der Dirigent jetzt wohl das gesamte Orchester ersuchen, sich von ihren Stühlen zu erheben.

7 Die Spezialisten der Bauwirtschaft

Eine Gruppe von Ingenieuren, die in der heutigen Zeit eines zunehmenden Wettbewerbsdruckes gerade auch im Tunnelbau immer wichtiger und für eine kooperative und erfolgreiche Bauabwicklung immer bedeutender wird, sind die Experten auf dem Gebiet der Bauwirtschaft. Denn ihrem Geschick ist es vielfach anheimgestellt, für faire und ausgewogene Verträge auch dort Sorge zu tragen, wo das Prinzip der strikten Sphärentrennung aufgrund eines geteilten und dennoch gemeinsam zu tragenden Risikos auf operative Grenzen stößt. Dazu kommt der Umstand, dass Angebote heute zunehmend deutliche Spuren der Verwundung aus einem zum Kampf entarteten Wettbewerb aufweisen. Angebote gleichen daher oftmals eher einem hingeworfenen Fehdehandschuh als einem Handschlag zur kooperativen Partnerschaft. Die Folge sind Claims in einem erstaunlichen und manchmal kaum mehr nachvollziehbaren Ausmaß. Jahrzehntelang waren derartige Claims vornehmlich Gegenstand langwieriger baurechtlicher, meist schiedsgerichtlicher Auseinandersetzungen mit all ihren negativen Folgen auf ein gedeihliches Baugeschehen. Oftmals führte dies auch zu unbefriedigenden und schwer nachvollziehbaren Kompromisslösungen, um die Angelegenheit endlich zu Ende zu bringen. Heute aber hat sich weitgehend die Erkenntnis durchgesetzt, dass es in den meisten Fällen um rein bauwirtschaftliche Fragestellungen geht, die es daher auch mit den fachlichen Instrumenten einer bauwirtschaftlichen Prüfung und Bewertung zu lösen gilt. Die Aufgabe ist dabei herauszufinden, was den Unternehmen berechtigterweise zusteht und andererseits begründet und nachvollziehbar abzuweisen, was trotz der zahlreichen Gutachten, die oft vorgelegt werden, keine Basis im zugrunde liegenden Bauvertrag findet. Dies setzt natürlich ein hohes bauwirtschaftliches Expertenwissen voraus, welches stets auch gepaart sein muss mit entsprechender Integrität und Entscheidungskompetenz. Ein Anspruch, der an den legendären Investmanager Warren Buffet erinnert, der einmal sagte: „In looking for people to hire, you look for three qualities: Integrity, intelligence and energy. If you don’t have the first, the other two will kill you“. Oder mit anderen Worten: „Wenn sie nicht die richtigen Leute mit einem entsprechenden Integritätsanspruch in den maßgebenden Positionen haben, können sie alles andere vergessen.“ Dieser Feststellung ist nichts hinzuzufügen und doch gewinnt sie umso mehr an Gewicht, wenn man das Claimvolumen und die daraus erwachsende Brisanz möglicher Fehleinschätzungen zum Maßstab nimmt. Bauprozesse mögen manches Mal unvermeidbar sein, doch als Fluchtweg aus der Verantwortung einer Entscheidung sind sie meist unwirtschaftlich und daher kontraproduktiv. Der Beitrag eines professionellen Claimmanagements fuir eine erfolgreiche und wirtschaftliche Projektabwicklung ist daher heute gar nicht hoch genug einzuschätzen und verdient es daher, an dieser Stelle gesondert erwähnt und hervorgehoben zu werden.

8 Das Team des Cost-Engineerings

Einen letzten Bereich von Ingenieurleistungen möchte ich auf die Bühne bitten, dem die gebührliche Wahrnehmung auch unter erfahrenen Ingenieurkollegen zu Unrecht häufig verwehrt bleibt. Sie tragen die Bezeichnung eines „Cost-Engineers“, man könnte sie aber ebenso gut als Projekt- bzw. als Gesamtcontroller bezeichnen. Ihnen ist die Überwachung der Termine, Kosten und Risiken auf Ebene eines Projekts bzw. auf Ebene des Gesamtportfolios überantwortet. Um deren Leistungen überhaupt greifbar zu machen, sei erwähnt, dass die valorisierungsbereinigte Gesamtabweichung der Kosten nach Berücksichtigung von Zusatzbestellungen für sämtliche dem Geschäftsbereich Neu- und Ausbau der ÖBB Infra zum Bau übertragenen Projekte im Zeitraum seit 2004 unter einem Prozent lag; und dies für ein betroffenes Projektvolumen von 15,4 Mrd. Euro.

Sie werden sich fragen, wie dies insbesondere bei den komplexen Tunnelbauvorhaben, die zu betreuen waren, überhaupt möglich war und ich darf Ihnen auf diese Frage im nachfolgenden Abschnitt auch eine Antwort geben. Aber vorerst ist es mir ein Anliegen, die Bedeutung dieser Ingenieurleistung für den gemeinsamen Projekterfolg zu würdigen. Es steht außer Frage, dass eine derartige Leistung viele Väter hat, eine professionelle Projektabwicklung, die langjährige Erfahrung im Umgang mit Kosten, hochentwickelte Managementtools, exzellente Führung und Schulung und vieles andere mehr. Doch die Bedeutung derartiger Ergebnisse für ein Projektteam, für das Unternehmen, ja auch für die gesamte Verkehrspolitik ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Denn heute wird vielerorts kaum mehr die tatsächliche Qualität und Nachhaltigkeit beurteilt, sondern nur mehr die Einhaltung von Terminen und Kosten. Diese sind relativ einfach messbar, so wie auch die Einhaltung von vorgegebenen Einsparungszielen relativ einfach zu verfolgen ist. Dem Geist unserer Zeit entsprechend werden daher derartige Kriterien oft zu den auschlaggebenden Kriterien für die Zumessung von Erfolg oder Misserfolg hochstilisiert. Der echte Projekterfolg hingegen müsste zweifelsohne ganzheitlich betrachtet werden, und dazu würde das gesamte gesellschaftliche Umfeld mit all seinen Ansprüchen und Erwartungen ebenso gehören wie die Erhaltungsund Nutzerfreundlichkeit und letztlich auch die Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit der investierten Anlage. Die verengte Sicht unterstreicht jedoch die Bedeutung, die der Kosten- und Termintreue zur Erlangung des Vertrauens des Bestellers, der Organe und Aktionäre sowie der Politik und Gesellschaft zukommt. Und daher sind gerade jene Kolleginnen und Kollegen des Cost-Engineerings, die mit hohem Sach- und Ingenieurverstand die Grundlagen für dieses Vertrauen in oft mühevoller Kleinarbeit aufbereiten und transparent machen, für ein erfolgreiches Projektteam von ausschlaggebender Bedeutung.

9 Voraussetzungen für eine kosten- und termingerechte Projektabwicklung

Das Thema der Kosten- und Terminstabilität eignet sich hervorragend, um exemplarisch aufzuzeigen, dass es in einem komplexen Umfeld stets ganzheitlicher Vorgehensweisen bedarf, um den gestellten Ansprüchen auch gerecht werden zu können. So sehr es oft wünschenswert wäre, die Dinge so einfach wie möglich zu gestalten, so gilt doch die Erkenntnis des Kybernetikers William Ross Ashby, wenn er sinngemäß feststellt: „Um überhaupt wirkungsvoll steuern zu können, muss die Varietät eines Steuerungssystems mindestens ebenso groß sein, wie die Varietät möglicher Einflüsse und Störungen“.

Deterministische Modelle mit den üblichen „Maßnahme-Ergebnis“-Beziehungen sind hier zum Scheitern verurteilt. Erforderlich ist in einem solchen Kontext eine wertorientierte Kultur des Denkens und Handelns, welche sämtliche Einflüsse und Wirkungsbeziehungen umfassend mit einschließt. Es bedarf somit einer Fülle an Voraussetzungen und Vorgehensweisen, um überhaupt die Chance einer kosten- und terminstabilen Abwicklung von Großprojekten wahren zu können. Einige der wichtigsten Voraussetzungen möchte ich im Folgenden auflisten, wobei sich jeder Anspruch auf Vollständigkeit aufgrund der Komplexität erübrigt.

– Inhalt, Umfang und Realisierungsbedingungen eines Projektes werden frühzeitig auf Basis einer fundierten Projektentwicklung und geeignet aufbereiteter Projektunterlagen (u.a. Projektbeschreibung, Baugrunderkundung etc.) möglichst genau festgelegt und beschrieben.
– Seitens der Projektauftraggeber bzw. Projektpromotoren (z.B. Politik und Interessensträger) werden keine unrealistischen Zielvorgaben für Projektkosten, Einsparungspotenziale und Realisierungstermine vorgegeben. Die wahrscheinlichsten Projektgesamtkosten und Termine ergeben sich allein aus dem Bestellumfang und werden vom Projektmanagement in Eigenverantwortung auf sachlicher Basis ermittelt.
– Die Funktion als Bauherr wird einem in organisatorischer Hinsicht hinreichend geeigneten Projektmanagement übertragen, welches über entsprechend praxiserprobte Managementtools (Systeme, Prozesse, etc.) verfügt. Dem Grad der Komplexität des Projektes wird durch zweckmäßige Führungsstrukturen sowie durch geeignete Organisations- und Steuerungsmodelle Rechnung getragen.
– Dem ganzheitlich agierenden Projektmanagement werden sämtliche mit der Aufgabe verbundenen Verantwortlichkeiten und Kompetenzen übertragen (Kongruenzprinzip). Einschränkende Vorgaben und Schnittstellen werden weitgehend vermieden. Das Projektmanagement in seiner Rolle als Bauherr ist somit in der Lage, alle relevanten Teilbereiche des Projektes (Technik, Wirtschaft, Recht, Kommunikation etc.) direkt zu steuern. Die Aufgaben und Verantwortlichkeiten innerhalb des Projektmanagements sind klar zugeteilt und geregelt.
– Die aus der Kompetenzübertragung resultierende Projektautonomie (insbesondere auch im Bereich der Ressourcen-, Organisationsund Methodenkompetenz) bleibt über alle Phasen eines Projektes vollumfänglich gewährleistet.
– Das Projektmanagement verfügt zu jeder Zeit über die erforderlichen Führungs- und Fachkompetenzen sowie über die entsprechenden praktischen Erfahrungen zur sachgerechten Bewältigung der Projektaufgabe.
– Die Projektziele (Kosten, Termine, Qualität) werden unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte ganzheitlich definiert und dem jeweils fortschreitenden Kenntnisstand entsprechend sachgerecht angepasst. Sie werden in allen Phasen der Projektrealisierung jeglichen Einzelzielen und Interessen vorangestellt und übergeordnet.
– Das Projektmanagement ist jederzeit in der Lage, die aktuelle Planungstiefe sowie die darauf basierenden Kosten, den aktuellen Projektkenntnisstand, die latenten Risiken und vorhandenen Chancen qualifiziert einschätzen zu können.
– Das Projektmanagement verfügt über die erforderlichen Managementtools und über entsprechend fachlich qualifizierte Personalressourcen im Bereich des Cost-Engineerings, um Kostenermittlungen unter Berücksichtigung der Basiskosten, der Wertanpassung und Gleitung, der Risikovorsorgen, Bestelländerungen, Einsparungspotenziale und Vorausvalorisierung auf das Bauende für alle relevanten Kostenelemente erstellen und laufend fortschreiben zu können.
– Eine professionelle, ganzheitlich agierende Projektabwicklung sowohl in der Planung als auch in der Bauphase stellt sicher, dass durch ständiges Optimieren aller Vorgänge und Abläufe die eingeschätzten Basiskosten und Risikovorsorgen nicht überschritten, die angepeilten Einsparungspotenziale umgesetzt und Mehrkosten infolge vermeidbarer Unzulänglichkeiten hintangehalten werden.

Eine mangelnde Erfüllung auch nur einiger dieser Anforderungen reduziert stets die Wahrscheinlichkeit, eine kosten- und termingerechte Projektabwicklung gewährleisten zu können. Je einschränkender sich Schnittstellen und externe Einflüsse, insbesondere aus dem Unternehmen selbst, auf das Projektmanagement auswirken, desto größer ist auch ihr Anteil am erhöhten Risiko größerer Abweichungen. Die Verteilung von Verantwortlichkeiten ändert daran in Wahrheit nichts.

10 Schlussbemerkung

Ich habe versucht in meinem Beitrag die Rolle von Ingenieurleistungen als wesentlichen Erfolgsfaktor bei Eisenbahnprojekten im Allgemeinen und bei Tunnelbauprojekten im Besonderen anhand einigerLeistungsbereiche des Bauherrn zu beleuchten. Ich bin mir aber bewusst, dass dies nur ein kleiner Ausschnitt aus der Fülle an Leistungen sein kann, die für das Gelingen solcher Projekte erforderlich sind. Ich denke dabei an die Leistungen der Planungsbüros, der Gutachter, der Behörden, der Baufirmen, der Zuliefererbetriebe, an den großen Bereich der Bahnindustrie, aber auch an die vielen Experten anderer Fakultäten und Wissenschaften, ohne deren massive Unterstützung Großprojekte heute nicht mehr errichtet werden könnten.

11 Literatur

[1] Ostermann, N.; Wehr, H.; Werner, H.: 25 Jahre Planung und Bau von Eisenbahn-Hochleistungsstrecken. Technische Universität Wien; Januar 2013.

[2] Vavrovsky, G. M.: Ingenieurleistungen als Erfolgsfaktor bei Eisenbahnprojekten – Ein Beitrag zur Rolle des Bauherrn, Eisenbahntechnische Rundschau (ETR). 62. Jahrgang, Heft 6, Juni 2013.

[3] Vavrovsky, G. M.: Systemische Krise am Bau? Festrede zum Betontag, ÖBV, April 2012.

[4] Luhmann, N.: Vertrauen-Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexitäten. 4. Auflage, Lucius & Lucius 2000.

[5] Pöchhacker, H.: Herausforderungen aktueller Großbaustellen – Innovation und Kreativität zur Projektoptimierung im Tunnelbau, Key note am Tunneltag 2012, Geomechanik und Tunnelbau Heft 6/2012.

[6] Vavrovsky, G. M.: Wo liegen die Grenzen der NÖT? Arbeitsgruppe Tunnelbau; 1. D-A-CH Treffen in München 1986, Tunnel 3/87.

II Empfehlungen zur Ermittlung der Nutzungsdauer, der Einwirkungen und zur Bemessung von Tunnelbauten

Konrad Bergmeister, Wien
Erich Saurer, Rum bei Innsbruck
Thomas Marcher, Rum bei Innsbruck
Sebastian Höser, Rum bei Innsbruck

1 Einleitung und Übersicht

Beim Bau und Betrieb von Tunnelbauwerken für Verkehrswege hat der Bauherr gleichzeitig einer großen Anzahl von Ansprüchen gerecht zu werden. Einer dieser Ansprüche ist es, ein den technischen Bedürfnissen entsprechendes Bauwerk zu erstellen, welches möglichst große Flexibilität im Betrieb bietet. Dies steht jedoch in einem Wechselspiel mit den Gesamtkosten der Investition dieser Infrastruktur. Das angestrebte Ziel muss es daher sein, die über den Lebenszyklus des Bauwerks anfallenden Gesamtkosten zu optimieren, welche nebst den Kapitalkosten der Investition auch die Kosten infolge Betriebseinschrankungen sowie die Kosten der Inspektion, Überwachung und Erhaltung berücksichtigt.

Um diesen Ansprüchen zu genügen, ist es sinnvoll, bereits während der Planung von Infrastrukturprojekten, wie Tunnelbauwerken, diese Interaktion in den Anforderungen bei der Bemessung und in der konstruktiven Durchbildung zu berücksichtigen.

Im vorliegenden Beitrag werden im ersten Teil (Abschn. 2 bis 6) einige Empfehlungen für die Bemessung tiefliegender Tunnel dargestellt: