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Inhaltsübersicht

A Allgemeines und Regelwerke

A 1 Lärm bzw. Schallwirkung auf den Menschen und die Notwendigkeit des Schallschutzes in Gebäuden

1 Vorbemerkung

2 Definitionen von Lärm

3 Lärmwirkungen

4 Kenngrößen für „Lärm“

5 Fakten

6 Schallschutz in Gebäuden

7 Forderungen an den Schallschutz in Gebäuden

8 Lärmbewertungsverfahren in Gebäuden

9 Notwendigkeit des Schallschutzes in Gebäuden

10 Literatur

A 2 Neufassung der DIN 4109 auf der Basis europäischer Regelwerke des baulichen Schallschutzes

1 Weiterentwicklung der DIN 4109

2 Baulicher Schallschutz in der DIN 4109

3 Wege zur neuen DIN 4109

4 Die europäischen Normen des baulichen Schallschutzes

5 Auswirkungen der europäischen Normung

6 Aufbau der neuen DIN 4109

7 Wesentliche Inhalte der neuen DIN 4109

8 Zusammenfassung

9 Literaturverzeichnis

A 3 Die Neufassung von VDI 4100 und ihre Auswirkung auf die Bau-/Planungspraxis und die Rechtsprechung

1 Einleitung

2 VDI 4100:2012-10: neue Kenngrößen – neue Schallschutzstufen

3 Begründung der Schallschutzniveaus der neuen Schallschutzstufen

4 Planung des Schallschutzes mit aktuellen Rechenverfahren

5 Anforderungen an Konstruktionen bei kleinen Räumen

6 Auswertung aktuell üblicher Geschosswohnungsbauten

7 Reaktionen von Fachwelt und Baupraxis auf VDI 4100:2012-10

8 Fazit und Ausblick

9 Literatur

A 4 Schallschutz im Wohnungsbau – DEGA-Schallschutzausweis

1 Einleitung

2 Aktuelle Situation des baulichen Schallschutzes

3 Vertraulichkeitskriterien, Wahrnehmung von Geräuschen

4 Psychoakustische Hintergründe

5 DEGA-Akademie, Forschungsprojekt

6 Erfahrungen

7 Zusammenfassung und Ausblick

8 Literatur

A 5 Schallschutz in Europa

1 Wie wichtig ist Schallschutz?

2 Anforderungen an den Schallschutz

3 Welchen Schutz gegen die Lärmstörung durch Nachbarn liefern die Mindestanforderungen und welche Vorschläge bestehen für höheren Schallschutz?

4 Planung des Schallschutzes

5 Anerkennung

6 Literatur

B Materialtechnische Grundlagen

B 1 Schall absorbierende Bauteile – Eine aktuelle Übersicht

1 Einleitung

2 Schallabsorption für Raumakustik und Lärmschutz

3 Passive Absorber

4 Platten-Resonatoren

5 Helmholtz-Resonatoren

6 Interferenz-Dämpfer

7 Mikroperforierte Absorber

8 Integrierte und integrierende Absorber

9 Schlussbemerkungen

10 Literatur

B 2 Schalldämmung von Fenstern und Türen

1 Einführung

2 Schalldämmung von Fenstern

3 Schalldämmung von Türen

4 Nachweisverfahren

5 Literaturverzeichnis

C Bauphysikalische Planungsund Nachweisverfahren

C 1 Trittschallschutz

1 Geschichtliche Entwicklung des Trittschallschutzes in Deutschland

2 Gegenwärtig zu stellende Anforderungen an die Trittschalldämmung in Deutschland

3 Trittschallschutz von Massivdecken und Hohlkörperdecken

4 Trittschallschutz von Holzbalkendecken

5 Trittschallschutz von Treppenkonstruktionen

6 Literatur

C 2 Schallschutz im Holzbau

1 Einführung

2 Holzdecken

3 Wände in Holzbauweise

4 Steildächer

5 Treppen in Reihenhäusern in Holzbauweise

6 Literatur

C 3 Raumakustik und Beschallungstechnik

1 Einleitung

2 Grundlagen der Akustik

3 Schallfelder in Räumen

4 Subjektive Schallwahrnehmung in Räumen

5 Raumakustische Messtechnik

6 Methoden und Werkzeuge bei der Planung von Räumen

7 Ziele bei der Planung von Räumen für verschiedene Nutzungen

8 Beschallungsanlagen

9 Literatur

C 4 Funktionelle Raumakustik im erweiterten Frequenzbereich

1 Einleitung

2 Ausgangssituation und Herausforderung

3 Wahrnehmung und Wirkungsweise von Raumakustik

4 Der Nachhall im Raum

5 Frühe Reflexionen

6 Konsequenzen für die raumakustische Planung

7 Verdeckung hoher durch tiefe Frequenzanteile

8 Bass-Fundament und Nachhallzeit

9 Muster-Räume für eine transparente Akustik

10 Amphitheater als Vorbilder

11 Funktionelle Raumakustik und Schallschutz

12 Schlussbemerkungen

13 Literatur

C 5 Schallmessungen am Bau

1 Einleitung

2 Normen und Richtlinien

3 Grundlagen

4 Gerätetechnik

5 Durchführung der Messungen am Bau und Erstellung von Prüfberichten

6 Besondere Messbedingungen

7 Installationsgeräusche und Geräusche aus haustechnischen Anlagen

8 Messgenauigkeit

9 Körperschallmessung

10 Häufige Fehler bei der Messung und Dokumentation

11 Literatur

C 6 Akustische Messräume für einen erweiterten Frequenzbereich

1 Einleitung

2 Anregung von Raum-Moden bei tiefen Frequenzen

3 Messung des Absorptionsgrades bei tiefen Frequenzen

4 Erweiterte Messung des Schalldämm-Maßes im geeignet bedämpften Prüfstand

5 Vergleich verschiedener Messverfahren zur Schalldämmung

6 Messung der Schallleistung im geeignet bedämpften Hallraum

7 Messung des Absorptionsgrades im geeignet bedämpften Hallraum

8 Messung der Schallabstrahlung in reflexionsarmen Räumen

9 Schlussbemerkungen

10 Literatur

D Konstruktive Ausbildung von Bauteilen und Bauwerken

D 1 Raumakustische Maßnahmen zur Lärmminderung in Bildungsstätten

1 Einleitung

2 Lärm in der Schule – was tun?

3 Opfer und Täter beim Schallschutz im Unterricht

4 Muster-Installationen mit Tiefen-Schluckern

5 Ein praktikables raumakustisches Konzept für den Schulbau

6 Schlussbemerkungen

7 Danksagung

8 Literatur

D 2 Raumakustik und Schallschutz in kleinen bis mittelgroßen Räumen

1 Einleitung

2 Schallerzeugung durch Sprache

3 Schallerzeugung durch Musikinstrumente

4 Lärmentstehung in kommunikativ genutzten Räumen

5 Aktuelle Trends in Architektur und Bauweisen

6 Erfahrungen aus Bau- und Sanierungsprojekten

7 Raumakustische Anforderungen nach DIN 18041

8 Aktuelle Diskussionen zum Schallschutz durch Raumakustik

9 Schlussbemerkungen

10 Literatur

D 3 Beschreibung körperschallinduzierter Schalldruckpegel mit Hilfe von Übertragungsfunktionen

1 Einleitung

2 Anforderungen an Geräusche aus haustechnischen Anlagen

3 Prognose körperschallinduzierter Schalldruckpegel infolge haustechnischer Anlagen

4 Messung von Übertragungsfunktionen in Leichtbaukonstruktionen

5 Gegenüberstellung der Methoden nach DIN EN 12354 und mittels Übertragungsfunktionen

6 Ausblick

7 Literatur

D 4 Schallschutz von Holzbalkendecken – Planungshilfen für die Altbausanierung

1 Einleitung

2 Planungswerte Holzbalkendecke ohne Flankenübertragung

3 Planungsdaten für die Flankenübertragung im Altbau

4 Anwendungsbeispiel

5 Zusammenfassung

6 Literatur

D 5 Abgehängte elementierte Unterdecken; Schalllängsdämmung, Schalldämmung, Schallabsorption

1 Einleitung

2 Schalldämmung

3 Schallabsorption

4 Literatur

E Materialtechnische Tabellen

E Materialtechnische Tabellen

1 Vorbemerkungen

2 Wärme- und feuchtetechnische Kennwerte

3 Schallschutztechnische und akustische Kennwerte

4 Literatur

Stichwortverzeichnis

Vorwort

Raumakustik und Schallschutz sind wichtige Qualitätskriterien bei der Bewertung von Gebäuden bzw. Räumen aller Gebäudearten. Lärm bzw. Geräusche werden von Menschen unterschiedlich wahrgenommen und können als mehr oder weniger störend empfunden werden. Diese subjektive Wahrnehmung kann sich auch negativ auf das Wohlbefinden und die Gesundheit des Einzelnen auswirken. Mangelhafte Raumakustik oder mangelhafter Schallschutz in Gebäuden ruft immer wieder Gutachter und Anwälte auf den Plan und es besteht in vielen Fällen Unsicherheit darüber, welcher Schallschutz nach „dem Stand der Technik“ bzw. nach erhöhten Schallschutzanforderungen geschuldet wird.

Der vorliegende Bauphysik-Kalender 2014 stellt für die Planung, Ausführung und Bewertung bei Neubauten sowie im Bestand ein aktuelles, verlässliches und praxisgerechtes Nachschlagewerk für dieses Gebiet dar. Er enthält neben dem jährlich aktualisierten und in Abschnitt E abgedruckten Beitrag mit materialtechnischen Tabellen insgesamt 18 Beiträge, die das Thema Raumakustik und Schallschutz umfassend abdecken und die neuesten Erkenntnisse auf diesem Gebiet vorstellen.

In der ersten Rubrik Allgemeines und Regelwerke wird zu Beginn das Thema der Lärm- bzw. Schallwirkung auf den Menschen sowie die Notwendigkeit des Schallschutzes in Gebäuden zusammenfassend erläutert.

Der aktuelle Stand zur bauakustischen Planung und der Neufassung von DIN 4109 auf der Basis europäischer Regelwerke, deren Teile im November 2013 komplett „im Paket“ als Normentwurf erschienen sind, wird im zweiten Beitrag vorgestellt. Mit der Neufassung der VDI 4100, die völlig überarbeitet im Oktober 2012 erschienen ist, beschäftigt sich der dritte Beitrag in dieser Rubrik. Die VDI 4100 enthält Vorschläge zu Kennwerten für einen erhöhten Schallschutz, die in dem Entwurf der neuen Fassung von DIN 4109 nicht mehr vorhanden sind. Die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Akustik e. V. (DEGA) zum Schallschutz im Wohnungsbau werden anschließend dargestellt und erläutert. Die DEGA empfiehlt ein Punktesystem zur einfachen Kennzeichnung des Schallschutzes von ganzen Wohneinheiten oder Gebäuden. Der in diesem Zusammenhang neu entwickelte „Schallschutzausweis“ für Gebäude wird vorgestellt. Im letzten Beitrag dieser Rubrik wird über die Grenzen Deutschlands nach Europa geschaut und es wird ein aktueller und umfassender Überblick über die Anforderungen an den Schallschutz in den Staaten der Europäischen Union gegeben. Es wird aufgezeigt, dass auf europäischer Ebene bereits zahlreiche Systeme zur Klassifizierung des baulichen Schallschutzes existieren. Es wird auch detailliert auf die Anforderungen zum erhöhten Schallschutz eingegangen. Besonderes Gewicht wurde auf die Darstellung der in der COST Action TU0901 (European Cooperation in Science and Research) von Vertretern aller europäischen Länder erarbeiteten einheitlichen Größen für die Bauakustik gelegt.

In der Rubrik Materialtechnische Grundlagen werden in zwei Beiträgen der neueste Stand der Technik sowie eine Übersicht zu schallabsorbierenden Bauteilen und schalldämmenden Fenstern und Türen mit praktischen Planungs- und Anwendungsbeispielen dargestellt.

In der dritten Rubrik Bauphysikalische Planungs- und Nachweisverfahren werden in sechs Beiträgen der aktuelle Stand sowie Entwicklungen zur Planung und Ausführung von Gebäuden, Räumen bzw. Bauteilen hinsichtlich des Schallschutzes sowie der Raumakustik dargestellt. In den ersten beiden Beiträgen dieses Kalenderteils werden die Themen Trittschallschutz sowie Schallschutz im Holzbau behandelt. Für die raumakustische Planung in Abhängigkeit der Raumnutzung werden im dritten Kapitel, unterstützt durch Praxisbeispiele, die Raumschallfelder und ihre Eigenschaften, Berechnungs- und Planungsverfahren sowie Optimierungsmöglichkeiten und Messungen erläutert. Das vierte Kapitel dieser Rubrik widmet sich der Raumakustik im erweiterten Frequenzbereich, indem ein Vorschlag zur Erweiterung der raumakustischen Auslegung auf die tieferen Frequenzbereiche vorgelegt wird. Die Problematik der Schallmessung am Bau einschließlich Empfehlungen für die Qualitätssicherung wird im fünften Kapitel detailliert behandelt. Da tiefe Frequenzen jede akustische Messung massiv beeinträchtigen können, wird ihnen im letzten Kapitel „Akustische Messräume für einen erweiterten Frequenzbereich" ein eigener Beitrag gewidmet.

In der vierten Rubrik Konstruktive Ausbildung von Bauteilen und Bauwerken werden in den ersten zwei Kapiteln die raumakustische und schallschutztechnische Planung bei kleinen bis mittelgroßen Räumen sowie raumakustische Maßnahmen zur Lärmminderung in Bildungsstätten behandelt. Im dritten Kapitel wird hinsichtlich der Problematik der Prognose von Schalldruckpegeln infolge körperschallinduzierten Lärms in schutzbedürftigen Räumen, z. B. aus haustechnischen Anlagen, die Möglichkeit eines alternativen, auf Übertragungsfunktionen basierenden Modells vorgestellt. In den beiden letzten Kapiteln dieser Rubrik werden die Planung der schallschutztechnischen Sanierung von Holzbalkendecken im Bestand sowie die schallschutztechnischen und akustischen Eigenschaften von abgehängten Decken behandelt.

Mit seinen vielfältigen Beiträgen stellt der Bauphysik-Kalender 2014 eine solide Arbeitsgrundlage sowie ein aktuelles Nachschlagewerk nicht nur für die Praxis, sondern auch für Lehre und Forschung dar. Für kritische Anmerkungen sind die Autoren, der Herausgeber und der Verlag dankbar.

Der Herausgeber möchte an dieser Stelle allen Autoren für ihre Mitarbeit und dem Verlag für die angenehme Zusammenarbeit herzlichst danken.

Hannover, im Januar 2014

N. A. Fouad

A
Allgemeines und Regelwerke

A 1

Lärm bzw. Schallwirkung auf den Menschen und die Notwendigkeit des Schallschutzes in Gebäuden

Brigitte Schulte-Fortkamp


images
Prof. Dr. Brigitte Schulte-Fortkamp
Technische Universität Berlin
Institut für Strömungsmechanik und Technische Akustik
Einsteinufer 25, TA 7, 10587 Berlin
Professorin für Psychoakustik und Schallwirkung, Fellow der Acoustical Society of America.
Forschungsgebiete: Umweltgeräusche und Lebensqualität, Sound Quality und Sound Design, Soundscape-Forschung unter den Aspekten Psychoakustik, Akustische Ökologie, Aktionsplanung mit dem Schwerpunkt Methodenentwicklung zur multisensoriellen Beurteilung von Geräuschereignissen und ihren Wirkungen.
Mehr als 200 Veröffentlichungen in Büchern, Zeitschriften und Proceedings. 2012 Rezipientin European Soundscape Award.
Aktiv u. a. in der Acoustical Society of America (ASA) als Associated Editor in Noise für die JASA (Journal of the Acoustical Society of America), als Chair Technical Committee Noise und 2011–2012 als Vize Präsidentin. In der Deutschen Gesellschaft für Akustik (DEGA) als Leiterin Fachausschuss Lärm: Wirkungen und Schutz, sowie im Vorstand und im Vorstandsrat. In der European Acoustic Association (EAA) als Product Managerin Nuntius Acusticus und Board Member.

Inhaltsverzeichnis

1 Vorbemerkung

2 Definitionen von Lärm

3 Lärmwirkungen

4 Kenngrößen für „Lärm“

5 Fakten

6 Schallschutz in Gebäuden

7 Forderungen an den Schallschutz in Gebäuden

8 Lärmbewertungsverfahren in Gebäuden

9 Notwendigkeit des Schallschutzes in Gebäuden

10 Literatur

1 Vorbemerkung

Der gleichnamige Beitrag aus dem Bauphysik-Kalender 2009 wurde aktualisiert und ergänzt.

Lärm hat viele Facetten und trifft Menschen unterschiedlich, nicht nur wenn sie sich in unterschiedlicher Distanz von der Quelle befinden, sondern weil Geräusche unterschiedlich empfunden werden. Die Frage, warum Geräusche unterschiedlich empfunden werden, ist trotz fundierten Forschungsstandes in der Lärmwirkungsforschung immer noch weitgehend ungeklärt.

In den letzten 35 Jahren ist die Auseinandersetzung mit Lärm sukzessive unter dem Aspekt seiner Wirkungen nicht nur immer mehr in den Fokus der Forschung gerückt, sondern auch Gegenstand politischer Verhandlungen, die sich über die „Future Noise Policy“ Ende der 90er-Jahre dann in der EU-Directive 2002 niedergeschlagen haben und derzeit in der Umgebungslärmrichtlinie und in den Aktionsplänen ihre Umsetzung finden. Beigetragen haben dazu auch multisektorielle Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeitsprüfungen, die Perspektive einer nachhaltigen Entwicklung, Bürgerbeteiligung und die Anerkennung des Bedarfs von Ruhezonen. Das Ausweisen von „sensiblen Gebieten“ und das Design von „entwicklungsunterstützender Umwelt“ erforderten und erfordern neue Einsichten in die bestehenden Forschungsergebnisse von Lärmbelästigung sowie neue integrative Forschungsstrategien. In der Regel sind dies Untersuchungen, die sich auf die Quellen Straße, Schiene und Luft beziehen, die aber auch für die Fragestellung der Notwendigkeit des Schallschutzes in Gebäuden zentral relevant sind.

2 Definitionen von Lärm

Lärm ist ein Begriff in aller Munde, viele sprechen von Lärmpegeln, jedoch ist der Lärm in Pegeln nicht messbar, Lärm ist keine Pegelgröße, Lärm ist ein psychophysikalischer Begriff, dem eine Vielzahl von Definitionen unterstellt wird:

Lärm ist

Die Vielfältigkeit der Definitionen von Lärm hat Überschneidungen und definitiv eine Gemeinsamkeit: Lärm ist keine Pegelgröße, Lärm ist ein psychophysikalischer Begriff für eine Reaktion auf einen und mehrere Schalleinträge, die durch diverse Moderatoren beeinflusst wird. Dabei sind Geräusche, denen man Lärmhaltigkeit zuschreibt, unerwünschte Geräusche, die auch laut sein können, aber es nicht sein müssen, und, und das ist bedeutend: sie stören. Geräusche, die als Lärm klassifiziert werden, sind also zu untersuchen bezogen auf ihre Quellen, ihre akustischen Charakteristika und den Kontext, in dem sie auftreten.

3 Lärmwirkungen

„Lärm ist in den letzten Jahrzehnten zu einer ernsten Belastung der Bevölkerung geworden. Die rasche Zunahme der Lärmquellen wirkt sich besonders gravierend aus, weil die Bundesrepublik Deutschland allgemein dicht besiedelt ist und große hochverdichtete Siedlungs- und Wirtschaftsräume aufweist. Als besonders störend wird unverändert der Verkehr empfunden. Zunehmende Belästigungen gehen aber auch von Wohn- und Freizeitlärm aus“ (UBA, http://www.umweltbundesamt.de/verkehr/index-laerm.htm).

Offensichtlich sind Lärmwirkungen in großer Bandbreite zu untersuchen, die unzähligen Untersuchungen zu Lärmwirkungen in den letzten drei Jahrzehnten haben dies unterschiedlich eingehalten, ganz häufig wurde die adäquate Kontextbetrachtung außer Acht gelassen, viele Untersuchungen haben sich auf das Labor beschränkt. Die letzte große umfassende Studie im deutschsprachigen Raum liegt über 30 Jahre zurück: „Betroffenheit einer Stadt durch Lärm“ [6].

Die folgenden Ausführungen beziehen insbesondere diese Studie mit ein, die trotz ihres „Alters“ die wesentlichen Faktoren beschreiben kann, die bei einer Betrachtung der Notwendigkeit von Schallschutz in Gebäuden zentral sind.

Als Wesentlich ist für die Betrachtung oder Vorhersagemöglichkeit von Wirkungen zu beachten – und hier greift auch wieder die Vielfältigkeit der zuschreibenden Begrifflichkeit von „Lärm“ –, dass maximal ein Drittel der Varianz von Belästigungsurteilen durch akustische Kenngrößen erklärt werden kann, erst die Aufklärung der Moderatoren kann den Zusammenhang von Geräusch und Belastung durch das Geräusch leisten (vgl. [6]).

Die Lärmwirkungsforschung betrachtet situative, personale und soziale Faktoren, die die Wirkung der akustischen Belastung moderieren. Nach der Untersuchung von Finke et al. [6] ist der Zeitpunkt der akustischen Belastung der dominante Moderator. Abwesenheit von Lärm wird vor allem am Abend, in der Nacht, am frühen Morgen sowie an Wochenenden erwartet, d. h. die Lästigkeit eines Geräusches und die daraus resultierende Belastung kann hier ihren Ausgang nehmen, weiter hängt sie davon ab, wie oft das Geräusch auftritt, welche Handlungen es unterbricht, ob es bekannt ist und ob das Auftreten des Geräusches kontrollierbar ist.

Ein weiterer wichtiger personaler Moderator ist die individuelle Lärmempfindlichkeit. Schon in den 1960er-Jahren zeigen Studien (u. a. [16]) dass Personen, die sich selbst als lärmempfindlich bezeichnen, deutlich stärker absolut und relativ auf den Grad der akustischen Belastung durch Fluggeräusche reagieren als Personen, die sich selbst als neutral oder weniger lärmempfindlich bezeichnen. Nach [6] treffen diese Erkenntnisse auch für die Bewertung anderer Geräusche zu. Es ist aber zu beachten, dass der Grad der selbstberichteten Kompetenz, Lärmsituationen zu bewältigen, die Belästigung und Störung durch Lärm stärker moderieren kann als die individuelle Lärmempfindlichkeit.

Auch wenn personale und soziale Faktoren in der Regel nur analytisch getrennt werden können, schlägt Guski [8, 9] vor, solche Faktoren besonders zu berücksichtigen, die sozialen Charakter haben, d. h. individuell nicht sehr unterschiedlich sind und ganze Gruppen von Menschen betreffen wie

a) die generelle Bewertung einer Lärmquelle
Die meisten Betroffenen kennen ihre Lärmquellen und bewerten auch ihre nicht-akustischen Eigenschaften mehr oder weniger negativ. So gilt beispielsweise die Bahn in Europa als soziales, wenig gesundheitsgefährdendes Transportmittel, während Autos und Flugzeuge eher die Gesundheit gefährden können. Inwieweit diese Einstellung durch Information über und Erfahrungen mit Zuverlässigkeit bestätigt werden kann, ist bisher nicht untersucht. Wesentlich ist aber, dass die Bewertung der Quelle in einer Felduntersuchung mit 7 verschiedenen Lärmquellen [6] in 3 von 5 Fällen mehr zur Varianzaufklärung der Belästigung beigetragen hat als der energie-äquivalente Dauerschallpegel.
b) Vertrauen in die für Lärm und Lärmschutz Verantwortlichen
Borsky [1] wies schon vor mehr als vierzig Jahren am Beispiel militärischen Fluglärms darauf hin, dass das Vertrauen der Betroffenen in die Verantwortlichen hinsichtlich der Frage, ob sie alles tun, um unnötige Geräusche zu vermeiden, die generelle Belästigung stark moderiert.
In der Folgezeit ist die Bedeutung dieser Variable vor allem für die Belästigung durch zivilen Fluglärm bestätigt worden [14, 32]. Offensichtlich sind Proteste von Anwohnerinnen und Anwohnern, die u. a. an europäischen Flughäfen zu beobachten sind, auch durch das Misstrauen der Betroffenen gegenüber den für Lärmschutz an der Quelle verantwortlichen Institutionen begründet.
c) die Geschichte der Lärmexposition
In vielen Zulassungsverfahren für geräuschemittierende Anlagen spielt die Frage eine Rolle, ob die neue Lärmquelle „ortsüblich“ ist, d. h. in die Geschichte der Lärmbelastung eines Gebiets passt und die Belastung der Bevölkerung nicht wesentlich verändert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass man in Deutschland häufig bis zu 20 Jahre am selben Ort wohnt und in der Regel über die Jahre eine Zunahme von Geräuschen erlebt, selbst wenn z. B. energiebezogene akustische Belastungsmaße leicht zurückgehen sollten. Betroffene berücksichtigen in einigen Fällen offenbar die Zunahme der Anzahl lauter Ereignisse stärker als den Rückgang der akustischen Gesamtenergie.
d) Erwartungen von Anwohnerinnen und Anwohnern
Im Zusammenhang mit der Lärmgeschichte eines Ortes oder einer Umgebung sind auch die Erwartungen der Betroffenen hinsichtlich der künftigen Entwicklung der Geräuschbelastung zu sehen: Anwohnerinnen und Anwohner von Straßen, Bahnlinien und Flugplätzen erwarten in der Regel, dass die Geräuschbelastung aufgrund des steigenden Verkehrsaufkommens in Zukunft zunehmen wird. Diese Erwartungen wirken sich offenbar nicht nur auf die Belästigungsurteile verstärkend aus, sondern auch auf selbst berichtete psychosomatische Befunde [11].

4 Kenngrößen für „Lärm“

Literaturstudien und eigene Arbeiten ermöglichen es, vier Moderatoren als Kenngrößen zu extrahieren, die für die Relevanz eines „Lärmereignisses“ determinierend sind, dabei sind diese Kenngrößen nicht nur als einzeln moderierende Größen zu verstehen, sondern auch in verbindenden Konstellationen:

1. Bekanntheit
2. Akzeptanz
3. Passung
4. Vorhersagesicherheit

Die Bekanntheit eines Geräusches ermöglicht die Identifizierung der Quelle, die Akzeptanz ist abhängig vom Verursacher und der Passung in einen Kontext, der auch die Möglichkeit der sicheren Vorhersage über Dauer und Auftreten des Geräusches zulässt [8, 9, 19].

Die Relevanz eines Lärmereignisses lässt sich an seinen Wirkungen messen. So wird im WHO-Report zu Community Noise" nachgewiesen, das Schall direkt nachhaltige Wirkungen auf Menschen haben kann bis hin zu Schlafstörungen, auditorischen und nicht-auditorischen physiologischen Wirkungen, hier zu meist kardiovaskulare Effekte, Störungen der Kommunikation und generell belästigen kann.

5 Fakten

Nach Angaben der Europäischen Kommission sind über 100 Millionen Menschen Schallpegeln ausgesetzt, die belästigen, den Schlaf stören und nachhaltige Gesundheitsschäden befürchten lassen. Hinzu kommt, dass in Europa mehr als 30 Millionen Menschen in ihrer Arbeitssituation stark mit Schall belastet sind.

Etwa 20% aller Menschen, die in West-Europa leben, sind Schallpegeln ausgesetzt, die Wissenschaftler und Gesundheitsexperten als unakzeptabel betrachten, weil

– das Wohlbefinden gestört wird,
– Schallbelästigungen an der Tagesordnung sind,
– Kommunikation und Lernsituationen unterbrochen werden,
– der Schlaf gestört wird,
– nachhaltige Effekte auf das kardiovaskulare und psychophysiologische System zu befürchten sind.

Die neuen Erhebungen des Umweltbundesamt zitiert nach UBA 2012 zeigen, dass die Belästigung durch Straßenverkehrsgeräusche immer noch den ersten Platz unter den Belästigungsbewertungen einnimmt:

„In Deutschland ist die Bevölkerung dem Lärm einer Vielzahl von Geräuschquellen ausgesetzt. Straßen, Schienenwege, Flugplätze, Gewerbeanlagen, Nachbarn, Sportanlagen und vieles mehr führen nicht selten zu Lärmproblemen bei den Betroffenen. Nach der Umweltbewusstseinsstudie aus dem Jahr 2012 fühlen sich rund 42 Prozent der Befragten durch Geräusche der Nachbarn und etwa ein Drittel durch industrielle bzw. gewerbliche Anlagen in ihrem Wohnumfeld gestört oder belästigt. Somit landet Lärm aus Nachbarschaft und Anlagen an zweiter Stelle der Lärmbelästigungen nach dem Straßenverkehrslärm.“

Des Weiteren verweist das Umweltbundesamt in seinen Verlautbarungen hin auf die nachhaltigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Einwirkungen von Geräuschen aus unterschiedlichen Quellen. Es wird konstatiert, „Schall wirkt auf den gesamten Organismus, indem er körperliche Stressreaktionen auslöst. Dies kann schon bei niedrigeren, nicht-gehörschädigenden Schallpegeln geschehen, zum Beispiel bei Verkehrslärm“. Weiter wird ausgeführt, „Lärm ist ein Stressfaktor. Er aktiviert das autonome Nervensystem und das hormonelle System. Als Folge kommt es zu Veränderungen bei Blutdruck, Herzfrequenz und anderen Kreislauffaktoren. Der Körper schüttet vermehrt Stresshormone aus, die ihrerseits in Stoffwechselvorgänge des Körpers eingreifen. Die Kreislauf- und Stoffwechselregulierung wird weitgehend unbewusst über das autonome Nervensystem vermittelt.“ Und ganz wesentlich: „Die autonomen Reaktionen treten deshalb auch im Schlaf und bei Personen auf, die meinen, sich an Lärm gewöhnt zu haben.“ In der Auseinandersetzung mit den Langzeitfolgen wird konstatiert: „Zu den möglichen Langzeitfolgen chronischer Lärmbelastung gehören neben den Gehörschäden auch Änderungen bei biologischen Risikofaktoren (z.B. Blutfette, Blutzucker, Gerinnungsfaktoren). Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie arteriosklerotische Veränderungen („Arterienverkalkung“), Bluthochdruck und bestimmte Herzkrankheiten, einschließlich Herzinfarkt, können durch Lärm verursacht werden.“

Bild 1. Lärmbelästigung in Deutschland in% gem. http://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/verbraucherservice-laerm

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6 Schallschutz in Gebäuden

„In Ruhe arbeiten und wohnen. Wenn schon draußen der Straßenlärm tobt, möchte man doch wenigstens in Wohnung und Büro, hinter verschlossenen Fenstern und Türen, eine erträgliche Geräuschkulisse vorfinden.“

(Energieportal http://www.das-energieportal.de/ener-gieberatung/schallschutz/ruhig-ganz-ruhig-baulicher-schallschutz/)

In Gebäuden ist es bis heute nicht möglich, die durch Körperschallanregung verursachten Geräusche von haustechnischen Anlagen und Geräten zuverlässig vorherzusagen. Dies ist unter anderem die Ursache seit Jahrzehnten andauernder Streitereien zwischen den an der Erstellung von Gebäuden Beteiligten und den Nutzern, sowie für eine große Unsicherheit bei den Herstellern entsprechender Anlagen und Installationen und für eine hilflose Behandlung bzw. einen Stillstand aufseiten der Normung und Regelsetzung. Dabei gewinnt die Problematik immer mehr an Bedeutung: Das Wohnumfeld wird zunehmend technisiert.

Außerdem sind die in steigendem Maße eingesetzten leichten Bauarten für Körperschallanregung besonders empfänglich, wobei die physikalische Modellierung auch noch sehr schnell an die Grenzen eines vertretbaren Aufwandes stößt. Nicht zuletzt stellen die „unnatürlichen“ zeitlichen und spektralen Geräuschverläufe technischer Schallquellen neue Anforderungen an die Bewertung aus subjektiver Sicht.

Das UBA erklärt: „Zum Gebäude gehören technische Anlagen wie Wasser- und Abwasseranlagen, Energieversorgungsanlagen, Heizung, Aufzug, Lüftung, Klimatisierung, Gemeinschaftswaschanlagen, Müllbeseitigungsanlagen, ortsfeste Schwimm- und Spielanlagen. Maßnahmen zur Verhinderung von Lärmproblemen durch die Haustechnik sind:

Dem Schutz vor Lärm durch Anlagen der Haustechnik dient die DIN 4109 „Schallschutz im Hochbau“. Der in DIN 4109 „Schallschutz im Hochbau“ festgelegte zulässige Immissionswert für Geräusche von Sanitäranlagen erfüllt nicht die Erwartungen an einen wirksamen Lärmschutz und ist zur Wahrung der Intimsphäre und zum Schutz vor Belästigungen unzureichend. Weitere Information enthält die VDI-Richtlinie 4100 „Schallschutz von Wohnungen.“

Für Schallschutz im Hochbau wird ausgeführt: Gebäude müssen einen ihrer Nutzung entsprechenden Schallschutz haben (§18 (2) MBO). Diese Forderung der Landesbauordnungen werden durch die als Technische Baubestimmung eingeführte Norm DIN 4109 „Schallschutz im Hochbau“ konkretisiert. Sie stellt die baurechtlich eingeführte Anforderungs- und Bewertungsgrundlage für alle an der Bauplanung und -ausführung Beteiligten dar. Bei Beachtung der in DIN 4109 aufgeführten Grundsätze und Ausführungsanweisungen ist davon auszugehen, dass der nach dem Bauordnungsrecht geschuldete Mindestschallschutz eingehalten wird.

Die Anforderungen der DIN 4109 „Schallschutz im Hochbau“ sollen sicherstellen, dass Menschen, die sich in Wohn- und Arbeitsräumen innerhalb von Gebäuden aufhalten, vor „unzumutbaren Belästigungen“ durch Schallübertragung geschützt werden. Bei Einhaltung der Anforderungen der DIN 4109 sind Belästigungen durch Geräusche aus benachbarten Wohnungen, von haustechnischen Einrichtungen und Installationen nicht auszuschließen. Wirksamer Schallschutz lässt sich mithilfe der VDI-Richtlinie 4100 „Schallschutz von Wohnungen“ erreichen.“

(UBA: http://www.umweltbundesamt.de/laermprobleme/publikationen/haustechnik.html)

7 Forderungen an den Schallschutz in Gebäuden

Mit Blick auf den bis dato unzureichenden Wissensstand sind verschiedene Ursachen zu nennen. Zum einen verlangt die vollständige und effektive Beschreibung eines körperschallerzeugten Geräuschs – vom Quellmechanismus über die Ausbreitung im Gebäude bis zur Einwirkung auf den Menschen – eine hohe Integration verschiedenster Wissensgebiete mit entsprechend hohem Mehraufwand; zum andern können Teilaspekte der Problematik zwar bisher schon exakt abgehandelt werden, für eine vollständige Geräuschprognose über die gesamte Übertragungskette summiert sich jedoch der Aufwand derart, dass Methoden zur einfachen Beschreibung komplexer Systeme (z. B. der Heizkessel auf einer Holzbalkendecke oder an einer leichten Montagewand) und zur Reduktion der Anzahl zu berücksichtigender Parameter systematisch angewandt werden müssen.

Dies ist im Bauwesen neu. In einigen Bereichen steckt die Wissenschaft auch noch in den Kinderschuhen, z. B. in der Frage, wie die zentrale Größe „Schalldämmung“ zu definieren und zu handhaben ist, wenn die Voraussetzung statistisch verteilter Schallfelder (bei mittleren bis tiefen Frequenzen) nicht mehr erfüllt ist, eine modale Beschreibung der Schallfelder aber viel zu aufwendig ist.

Ein Maß dafür, ob ein Parameter wesentlich oder ein Subsystem bedeutend ist, wird die subjektive Wahrnehmbarkeit und Wirkung des abgestrahlten Körperschalls auf den Menschen sein. Daher besteht ein notwendiger Schritt in der Vernetzung der physikalisch-technischen Größen (zur Beschreibung von Körperschallvorgängen) mit zu definierenden psychologischen Größen. Die gesamte Übertragungskette von der Quelle bis zur Abstrahlung ist unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmbarkeit und subjektiven Wirkung auf den erforderlichen Beschreibungsaufwand hin zu überprüfen.

Es gibt derzeit zwei große Bereiche, die grundlegende Forschungen erfordern: der eine betrifft die Annoyance-Forschung und die damit verbundenen Bewertungsverfahren und der zweite die Messverfahren bezogen auf Schall in Gebäuden.

8 Lärmbewertungsverfahren in Gebäuden

Phänomenologisch betrachtet ist die Bewertung der einzelnen Schallquellen abhängig davon, wie die Schallquellen subjektiv bewertet werden, in welchem interaktiven Kontext sie beurteilt werden. Es erscheint notwendig gerade im Bereich Schallschutz in Gebäuden die Detektion von Belästigung durch Geräusche in Verfahren einzubinden, die der besonderen Belästigung durch diese Geräusche gerecht werden. Hierzu müssen kombinierte psychoakustische und explorative Erhebungen angewendet werden, die dicht an die Erfahrungen der Betroffenen anknüpfen.

Die Psychoakustik hat stark dazu beigetragen die Beschränkungen eines A-bewerteten Schallpegels in dB als metrisches Kriterium (Maßeinheitskriterium) zu verstehen [34]. Die weitere Entwicklung der binauralen Analyse [35] und zusätzliche Bewertungskriterien – wie Lautheit, Schärfe, Rauigkeit, Schwankungsstärke fördern die bessere Bewertung von komplexen akustischen Umgebungen und machen spezifisch bedarfsorientierte Interventionsmaßnahmen möglich. Die Verwendung binauraler Aufnahmetechnik gewährleistet die gehörrichtige Wiedergabe der gemessenen Geräuschereignisse. Die psychoakustischen Parameter (Lautheit, Schärfe, Rauigkeit, Schwankungsstärke) tragen zur adäquaten Analyse bei. Soweit Standards zur Berechnung spezifischer akustischer Parameter existieren, werden diese zur Berechnung der jeweiligen Größen herangezogen (z. B. zeitvariante Lautheit – DIN 45631/A1, Schärfe – DIN 45692).

Die Beschwerden über Schallbelastungen richten sich immer häufiger auch auf Infra- und tieffrequenten Schall. Es besteht ein deutlicher Mangel an umweltmedizinisch ausgerichteten Studienergebnissen zu den Themen Infraschall und tieffrequenter Schall. Das Umweltbundesamt hat im Jahr 2011 die „Machbarkeitsstudie zu Wirkungen von Infraschall, Entwicklung von Untersuchungsdesigns für die Ermittlung der Auswirkungen von Infraschall auf den Menschen durch unterschiedliche Quellen“ vergeben. „In dieser Studie sollen neben der Aufbereitung des aktuellen Wissenstandes wissenschaftlich begründete und praxistaugliche Verfahren zur Erfassung und Bewertung der Wirkungen tieffrequenter Geräusche erarbeitet werden“. Die Forschungsergebnisse werden für das Jahr 2014 erwartet. Bezogen auf die Einwirkung von Erschütterung auf den Menschen finden sich wesentliche Informationen in der der Norm DIN 4150–2 „Erschütterungen im Bauwesen – Teil 2: Einwirkungen auf Menschen in Gebäuden“. Das UBA nennt folgende Faktoren für die Belästigung durch Erschütterungsimmissionen:

„Die Belästigung des Menschen durch Erschütterungsimmissionen hängt insbesondere von folgenden Faktoren ab:

Von den individuellen Eigenschaften und situativen Bedingungen sind von Bedeutung:

Akute Reaktionen können sein:

Die Wahrnehmungsstärke von Erschütterungen ist wie beim Schall frequenzabhängig.“

Explorative Erhebungen über Geräuschbelastungen in Gebäuden, die sich an Verfahren wie „Soundscape“ orientieren, können die Bedeutungen der Geräusche und ihre Belästigungen erheben. Dies ist insbesondere wesentlich für die Erfassung tieffrequenter Geräusche und ihrer Wirkungen. Die Soundscape-Forschung unterscheidet „hi-fi“ Soundscapes von „low-fi“ Soundscapes. Nach Schafer [36] lässt sich ein „hi-fi“ Soundscape durch ein Fehlen der Maskierung an störenden Geräuschen charakterisieren. Dieses Fehlen der Maskierung gestattet eine umfassende Wechselwirkung mit der physischen und sozialen Umgebung und führt zu „akustischer Kolorierung“, die den Betroffenen wichtige Informationen liefert und ein Zugehörigkeitsgefühl zu ihrer Lokalität fördert.

Andererseits sind bedeutungshaltige Geräusche in „low-fi“ Soundscapes in einem so hohen Maße maskiert, dass der „Hörraum“ eines Individuums sich stark reduziert und der Hörende so von seinem Umfeld isoliert wird. Während ein „hi-fi“ Soundscape in Beziehung auf Pegel, Spektrum und Rhythmus ausgeglichen ist, besteht das „low-fi“ Soundscape aus einem nahezu konstanten Pegel – es stellt somit eine „akustische Trennwand“ her, die den unteren Frequenzbereich beeinträchtigt und die Wechselwirkung mit dem umliegenden Umfeld empfindlich stört. In einer solchen akustischen Umgebung bemühen sich die Betroffenen um die Ausgrenzung des Lärms (durch das Schließen von Fenstern) oder um die Kontrolle desselben durch „akustische Parfümierung“ (d. h. durch die Schaffung eines virtuellen Soundscapes durch Musik oder andere Geräusche). Schall wird hier als Defensiv-Barriere benutzt („Audioanalgesie“), d. h. er wird gegen das bestehende Soundscape eingesetzt und führt als Nebeneffekt zu einer Steigerung des lokal gegebenen Geräuschpegels. Schafer [36] stellte die Hypothese auf, dass diese „akustische Trennwand“ den inneren Dialog blockiere, zur Hemmung von Gedanken und Gefühlen führe, die psychologische Gesundheit beeinträchtige und selbst unverhältnismäßige Handlungen erklären könne [15].

Derartige Untersuchungen, die notwendig die Umgebungen in Gebäuden explorativ erfassen, stehen aus, d. h. die Forderung nach dem Schallschutz in Gebäuden basiert im Wesentlichen auf den Erkenntnissen, die in Forschungen über Jahrzehnte zur Belastung durch Geräusche erworben worden sind und rekurriert daher zu stark auf Pegelwerte. Wesentliche Erkenntnisse aus der Soundscape-Forschung sind notwendig einzubeziehen [38].

9 Notwendigkeit des Schallschutzes in Gebäuden

Geräusche, die stören, umgeben den Menschen Tag und Nacht. Die Datenlage zeigt, dass sich die Belastung durch Geräusche in den letzten Jahren nicht verbessert hat, sie hat vielmehr zugenommen. Wesentlich ist, dass es nicht nur die Lautstärke eines Geräusches, die stört, sondern ganz offensichtlich sind es die einzelnen Charakterbeiträge zu einem Geräusch, die ein Geräusch angenehm oder unerträglich machen. Die Lärmwirkungsforschung benennt die kritischen Beiträge von Geräuschen, die zur Gefährdung der Gesundheit führen, die psychologischen und soziologischen Analysen zeigen die Parameterkonstellationen, die über Moderatorenkonzepte gesteuert zur Akzeptanz oder Ablehnung beitragen, und zwar insbesondere auch, dass diese Akzeptanzen und Ablehnungen in einem jeweils spezifischen Kontext stehen.

Das in Bild 2 gezeigte Modell aus der Soundscape-Forschung stellt die Parameter, die im Kontext von Belastungen durch Geräusche, also bei Lärm wirksam werden, in einen argumentativen Zusammenhang.

Bild 2. Modell nach Botteldooren [33]

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Deutlich werden das Zusammenwirken von Einflüssen, die ein Geräusch zur Belästigung machen, sowie die Komplexität von Geräuschereignissen. Die Annoyance-Forschung setzt die Akzente auf der Wirkungsseite auf die Störungen, die Unterbrechung von Handlungen, die Beeinträchtigung von Kommunikation, sozialen Interaktionen, Wohn- und Schlafqualität, die akustische Definition der Quellen, Geräuschcharakteristiken und Schallpegel. In der Soundscape-Forschung wird die akustische Umwelt als Vermittler zwischen Menschen, ihren Aktivitäten und der übrigen Umwelt gesehen. Abhängig von der „akustischen Färbung“ durch die weitere Umwelt schaffen Geräuschquellen „Bedeutungen“ für diejenigen, die ihnen ausgesetzt sind, und sie hemmen oder fördern menschliche Aktivitäten, Gedanken, Emotionen.

Schallschutz in Gebäuden richtet sich wesentlich auch auf den „anderen“ Lärm, der zu dem bereits konsumierten Lärm durch Straßen-, Schienen-, Luftverkehr hinzukommt, den von Trittschall, Druckspülern, Rohrleitungen, Waschmaschinen, Heizungsanlagen, Haustechnischen Anlagen, Nutzergeräuschen aus anderen Wohnungen etc. Zu erwartende und bekannte Störungen und unzumutbare Belästigungen liegen hier in anderen Pegelbereichen, tragen aber zu Störungen insbesondere durch ihre Geräuschcharakteristika bei, wie u. a. auch die Hörbarkeit von Geräuschen.

Kriterien wie Sprachverständlichkeit und ihre Bedeutung für Aufmerksamkeitserregung sind von besonderer Bedeutung, ebenso wie jede weitere „Beinaheinformation“ durch ein Geräusch.

Lärm ist das Geräusch der anderen (Tucholsky) und die Steigerung der Belästigung ist Geräusch anhören ist: an fremdem Leben teilnehmen (Tucholsky). Die Belästigung durch Geräusche hat hier überwiegend psychologische Determinanten, die eine permanente Belastung darstellen und dadurch vielfältige Krankheitsbilder evozieren können. Das für die Akzeptanz von Geräuschen notwendige Kriterium der Kontrolle oder Vorhersagesicherheit entfällt hier, viele der in Gebäuden auffälligen und einfallenden Geräusche bilden eine permanente ungewünschte Hintergrundakustik, das Gebäudemuzak, das zur permanenten Plage wird.

Das UBA konstatiert: „Wirksame Lärmbekämpfung setzt voraus: Erforschung des Ausmaßes und der Wirkungen von Lärm, Minderung der Geräusche von Fahrzeugen, Weiterentwicklung und Einführung lärmarmer Techniken in Industrie, Gewerbe und privatem Bereich, Nutzung planerischer Instrumente, baulicher Schallschutz sowie Aufklärung der Bevölkerung über lärmarme Produkte und lärmarmes Verhalten. Durch Forschungs- und Entwicklungsvorhaben gilt es, wissenschaftlich technische Voraussetzungen zu schaffen, dass sachlich und zeitlich abgestufte Immissionsbegrenzungen in Verbindung mit Schallschutzanforderungen und lärmarmen Techniken in Recht und Verwaltungsvorschriften festgesetzt werden können.“

In 2013 stellt das UBA fest. „ Um den Lärm von Geräten und Anlagen zu mindern, können unterschiedliche Maßnahmen getroffen werden. Darunter zählen technische Maßnahmen zur Geräuschminderung direkt an der Quelle, die Veränderung des Betriebs der Lärmquelle aber auch eine optimale Ausgestaltung des baulichen Schallschutzes. In vielen Fällen kann sogar die vorherige Information des Nachbarn über eine geplante Lärmbelästigung die Wirkung beim Belästigten auf ein Minimum reduzieren. Die beste Geräuschminderung kann natürlich nur durch eine Kombination solcher Maßnahmen erreicht werden. Eine deutliche Minderung der Beeinträchtigungen durch den Lärm des Straßen-, Schienen- und Flugverkehrs lässt sich nur durch die abgestimmte Anwendung vieler unterschiedlicher Einzelinstrumente erreichen: von der Fahrzeug- und Fahrwegtechnik über das Steuerrecht bis zur Verkehrs- und Stadtplanung.“ Lärmminderung ist aber nur ein Modul im Umwelt-und Klimaschutz, neue Untersuchungen zeigen: „35% der Bürgerinnen und Bürger nennen spontan Aspekte des Umwelt-und Klimaschutzes bei der offenen Frage zum wichtigsten Problem der Gegenwart. Gegenüber der letzten Umfrage von 2010 ist das ein Anstieg um 15 Prozent. Damit rücken die Umweltprobleme vom dritten auf den zweiten Platz unter den wichtigsten Problemen in Deutschland.“

Aus der Sicht der Lärmwirkungsforschung stellt sich dringend die Forderung nach Untersuchungen, die sich an den Erfahrungen und Erwartungen der Nutzer ausrichten, aus der Sicht der verschiedenen Disziplinen die Forderung nach interdisziplinärer Zusammenführung von Erkenntnissen aus der technisch akustischen, psychoakustischen und psychologisch-soziologischen Forschung unter Einbeziehen der Soundscape-Forschung.

Die Bewertungsverfahren der Soundscape – Forschung werden derzeit in der ISO TC 43/SC 1/WG 54 genormt. Die ISO/FDIS 12913–1 liegt zur Abstimmung vor. Wesentlich ist, dass die Soundscape – Forschung die Erfahrungen und Erwartungserwartungen in den Fokus stellt. [37, 38] Die Harmonisierung von Indikatoren und Noise Mapping, wie von der „Umweltlärm-Direktive“ eingefordert, liefert grundsätzliche administrative Information im Vergleich innerhalb der europäischen Länder. Diese Aktivitäten liefern jedoch keinerlei Instrumentarium oder wesentliche Erkenntnisse für die weit schwierigeren Aufgaben, die für Umweltverträglichkeitsprüfung und für Design und Planung von gesundheitsfördernden Umweltprogrammen erforderlich sind. An dieser kritischen Wegkreuzung zielt die Soundscape – Forschung darauf ab, die bestehenden Lücken zu schließen.

Es ist fast 100 Jahre her und scheint dennoch aktuell, wenn Kafka in „Großer Lärm“ schreibt: