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Uwe Reiner-Kolouch

Regina Schmied

Michael Waldner

Toolbox Führungskompetenz

People Management in der Praxis

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WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA

Vorwort: Warum noch ein Buch über Führung?

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser!

Genau diese Frage haben wir uns auch gestellt. Warum sollen wir das gefühlte drittmillionste Buch über Führung schreiben? Und warum sollten Sie es kaufen und lesen? Wir, die Autoren, beschäftigen uns seit mehr als zwanzig Jahren mit dem Thema Führung. Sei es als Teilnehmer in einem von unzähligen Führungsmodulen, sei es als Berater, Trainer oder Coach in der Begleitung von Führungskräften und deren Teams und Organisationen oder sei es einfach als am Thema interessierter Leser von einschlägigen Führungsbüchern. Das Themenfeld »Leadership – Führung – Management« begeistert uns einfach. Das erklärt mal unsere Motivation hinter diesem Buch. Doch es gab zwei Auslöser, die uns dazu gebracht haben, unsere Notebooks zu nehmen und mit dem Schreiben zu beginnen:

Der eine Auslöser war eine Diskussion mit mehreren HR-Experten aus international tätigen Unternehmen sowie Beratern im Rahmen eines Abendessens einer Personalkonferenz. Jemand warf die Frage auf, »warum manche Führungskräfte ihren Führungsalltag so unprofessionell gestalten, obwohl sie (nahezu) alle alten und neuen Modelle der Führung ›bereits gelernt‹ haben«. Die Erkenntnisse aus dem darauffolgenden Gedanken- und Meinungsaustausch waren sehr erhellend für uns alle: Wir stellten übereinstimmend fest, dass die Führungskräfte in den letzten Jahren regelmäßig in allen neuen Modellen und Theorien zu »Leadership« – das klingt auch »hipper« als Führung und Management – geschult wurden. Dabei mangelt es ja nicht an neuen Trends: Innovation, VUCA, Agile Leadership, Digitalisierung oder Leadership X.0 (offensichtlich sind sich die Experten nicht ganz einig, welche Version von Leadership gerade am Markt ist), Führung von Generation X,Y,Z und einige andere Begriffe mehr finden sich da. Hinter diesen Begriffen stecken bei genauerer Betrachtung immer ähnliche Prinzipien hinsichtlich Führung. Sie werden lediglich marketingtechnisch aufgepeppt und ähnlich einem alten Bild in einen neuen Rahmen gestellt. Das sieht doch auch zuhause mitunter netter aus und passt besser zur (neuen) Einrichtung. Doch es mangelt dabei den Führungskräften oft an der Anwendung dieser einfachen und grundlegenden Prinzipien von Führung.

Hier ein paar Beispiele:

Der zweite Auslöser zu diesem Buch war ein Kundenprojekt. Eine langjährige Kundin, die unseren pragmatischen und ergebnisorientierten Ansatz sehr schätzen gelernt hat, wollte für ihre Führungskräfte eine Toolbox zu all den in unseren Führungsseminaren verwendeten Führungswerkzeugen zusammenstellen. Sie meinte, wir sollten mal etwas texten, damit sie es den Führungskräften als Standardwerk zur Verfügung stellen kann. Zugleich wollte sie damit ihren Führungskräften die Erwartungshaltung zu Führung mitzugeben, denn mit der Zusammenstellung dieser Tools und der Vermittlung in den verschiedenen Seminaren, Workshops und Coachings war klar, welche Anforderungen an eine Führungskraft gelegt werden. Damit war die erste Version unserer Führungswerkzeuge auch schon in Arbeit.

Nachdem über eine befreundete Beraterkollegin der Kontakt zum Verlag gelegt wurde und unsere Buch-Idee auf positiven Zuspruch fiel, sahen wir das als besonderen Ansporn, einen echten Werkzeugkasten, eine »Toolbox für Führungskompetenz« als Begleiter für die tägliche Führungsarbeit zu bauen. Keines der hier zusammengestellten Werkzeuge, keine der angeführten Methoden oder Techniken haben wir selbst erfunden – leider ;-). Vielmehr haben wir deren Anwendung über viele Jahre hinweg einem Praxistest unterzogen. Wir haben diese Tools in unseren eigenen Führungssituationen ausprobiert und perfektioniert. Wir haben unzählige positive Feedbacks seitens der von uns begleiteten Führungskräfte über deren Effektivität bekommen. So haben wir jene Tools beschrieben und mit unseren Erfahrungen in der Anwendung ergänzt und verfeinert, die sich praktisch im Alltag bewährt haben.

Zugleich decken diese Tools auch die oben genannten Grundprinzipien von Führung ab – und noch ein paar mehr. Damit ist dieses Buch als Unterstützer, als Begleiter, als »Friendly Reminder«, als Erinnerung, als Impulsgeber für jene (angehenden) Führungskräfte und Expertinnen und Experten geschrieben, die Führung jeden Tag anwenden und nicht nur darüber sprechen wollen, wie Führung richtig funktioniert. Die Modelle sollen dazu anregen, eine alltägliche und oft erlebte und daher gewohnte Führungssituation mal anders zu betrachten und damit zu neuen Lösungsansätzen zu kommen. Zudem ist nicht jede Methode bzw. Technik für jede Führungssituation passend. Ähnlich wie bei einem Werkzeugkasten gilt es hier, das passende Konzept für die vorliegende Fragestellung zu finden – denn: »Wenn man nur einen Hammer als Werkzeug hat, dann sieht auch jedes Problem wie ein Nagel aus.«

Sie finden zu jedem Kapitel auch spezifische Fallbeispiele aus der Arbeit mit unseren Kunden. Sie sind mit der Überschrift »Aus der Praxis« gekennzeichnet. Zu diesen Fallbeispielen gibt es immer zumindest eine Auflösung, welche wir mit »Für die Praxis« betitelt haben. Die Kapitel sind in die vier Themenbereiche

gegliedert. Das gibt Ihnen beim Auffinden des für Ihre Führungssituation passenden Werkzeuges eine grundlegende Orientierung. Wir laden Sie herzlich ein, freudig im Buch herumzuspringen und sich jene Tools und Beispiele herauszupicken, die für Ihren Kontext dienlich sind – oder Sie haben einfach Freude an einigen Weisheiten, Sprüchen und Zitaten, die wir im Buch verteilt haben.

Wir wünschen Ihnen nun viel Spaß, Erfolg und viele positive Führungserlebnisse.

Uwe Reiner-Kolouch, Regina Schmied und Michael Waldner

Hinweis der Autoren:

Im folgenden Handbuch sind bei der Verwendung der weiblichen und männlichen Form (zum Beispiel Mitarbeiterin, Mitarbeiter) stets beiderlei Geschlecht gemeint. Es wurde bewusst auf das »Gendern« verzichtet, um die Lesbarkeit des Textes nicht unnötig zu erschweren. Zudem vertreten wir die Ansicht, dass der »gendergerechte« Umgang mit Frauen und Männern besonders im täglichen Verhalten und im persönlichen Umgang mit anderen Menschen erkennbar ist. Haltung wird eben im Verhalten sichtbar und nicht durch das Anhängen oder Weglassen einer Endsilbe oder das Benutzen eines Binnen-»I«.

VORWEG – EINIGE GRUNDLEGENDE PUNKTE ZU FÜHRUNG

1 Führung, Management oder doch Leadership? Eine Begriffsklärung.

Wirft man einen Blick in die aktuelle Führungs- und Managementliteratur, so gibt es tausende unterschiedliche gute und weniger gute Erklärungen und Anleitungen wie Führung zu funktionieren hat, welche Aufgaben Führungskräfte erledigen müssen und wie man als Führungskraft Organisationen und Teams führen und managen muss. Dabei trifft man auf ebenso viele Definitionen zu Begriffen wie Führung, Leadership, Management u.v.a.m. Doch was ist nun die richtige Definition? Und noch viel wichtiger: Welche grundlegenden Aufgaben verstecken sich hinter diesen Begriffen?

Aristoteles sagte: »Bevor wir miteinander sprechen, klären wir unsere Begriffe.« Und dieser Zugang der alten Griechen hat sich praktisch bewährt. Denn eine grundlegende begriffliche Einteilung zur Orientierung ist durchaus hilfreich. Sie verhilft uns dazu, dass alle, die über ein Thema reden (möglichst) dasselbe darunter verstehen. Im deutschsprachigen Raum nehmen wir mangels deutscher Begriffe bzw. durch die geschichtliche Belastung des Wortes »Führer« gerne begriffliche Anleihe an der englischen Sprache. So wird statt des Begriffes »Führung« gerne das Wort »Leadership« oder auch »Management« verwendet – wenngleich auch nicht immer in eindeutiger Abgrenzung.

Das Wort »lead«, (engl. Zeitwort für »führen«) hat im Wesentlichen zwei Ursprünge: Es benennt einerseits das Metall »Blei« (engl.: lead), basierend auf einer indo-europäischen Quelle, im Sinne des Wortes »Strömung«, was ein Hinweis auf den niedrigen Schmelzpunkt von Blei ist, bei dem das Metall »zu strömen« beginnt. Andererseits geht es zurück auf einen alten englischen Ausdruck »lædan«, was so viel meint wie »sich dazu bringen, mit sich selbst zu gehen«, »an der Spitze marschieren«, als »Guide vorausgehen«, »begleiten und den Weg zeigen« oder auch »weitermachen«.1 Der Duden meint dazu (fast lapidar), dass Leadership als »Führung bzw. die Gesamtheit der Führungsqualitäten« zu übersetzen ist.2

Das Wort »Management« leitet sich ab von englisch »manage«, das heißt übersetzt »handhaben«, das heißt [mit etwas] zurechtkommen, etwas bewältigen, fertigbringen und bewirtschaften, beaufsichtigen. Es wurde vom italienischen Wort »maneggiare«, an der Hand führen, als auch vom lateinischen Wort »manus«, die Hand, beeinflusst.3 Somit legen Manager bzw. Führungskräfte »selbst Hand an«, zumindest laut Definition.

Im Fokus unserer Betrachtung stehen klar jene Werkzeuge, um den Alltag als Führungskraft zu gestalten, zu managen. Dazu gehört die Arbeit innerhalb der klar definierten oder stillschweigend vereinbarten Prozesse und Abläufe. Dazu gehört das Befolgen von expliziten Spielregeln oder impliziten, über lange Jahre entwickelten Gewohnheiten und Ritualen. Dazu gehören die täglichen Routinen wie Besprechungen, Projektmeetings, Jour fixes, Reporting Systeme, Gespräche mit Mitarbeitern und Teams etc. All das bezeichnen wir als die tagtägliche Arbeit IM System der Organisation. Dieser Führungsalltag teilt sich im Wesentlichen in die folgenden drei Managementbereiche auf:

  1. Operatives Management:

    Das Managen der täglichen Abläufe und Prozesse.

  2. People Management:

    Das tägliche Managen der Beziehungen mit Menschen innerhalb der eigenen Organisation wie Mitarbeiter, Kollegen und Vorgesetzten sowie das Managen der externen Kontakte zu Kunden, Lieferanten, Interessenspartnern, Behörden und dergleichen.

  3. Selbst Management:

    Das Managen der eigenen Ressourcen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Energien und Erwartungen in meiner Rolle als Individuum mit Familie, Freunden, Hobbys, Erwartungen ans Leben als auch in den vielen anderen beruflichen Rollen beispielsweise als Führungskraft, Kollege, Mitarbeiter, Projektleiter u.v.a.m.

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Abbildung 1.1: Zusammenhang zwischen Führung und Management im Führungsalltag

Hiervon unterscheiden wir ganz deutlich die ebenso wichtige, allerdings auf einer anderen Ebene wirksame Führungsarbeit der strategischen Führung bzw. des strategischen Managements. Mit diesen wird eine Organisation langfristig gesteuert – oder zumindest sollte sie das werden. Diese Arbeit am System ist die überlebenswichtige Arbeit an der länger- bis langfristigen Gestaltung der Strukturen, Abläufe, Prozesse, Geschäftsfelder, Märkte, Produkte und Services, Kooperationen und anderes mehr. Dieses Gestalten der Entwicklung einer Organisation als strategische Arbeit klammern wir in unserer Betrachtung bewusst aus. Sie erfordert einen anderen Fokus und wie wir glauben auch andere Skills und Werkzeuge, die ein eigenes Buch verdienen. In diesem Werkzeugkasten legen wir ganz bewusst den Fokus auf die tagtägliche Führungsarbeit.

Das operative Management mit all seinen Aufgaben (siehe Tabelle 1.1) kümmert sich um die organisatorische Aufstellung des Unternehmens und seiner Organisationseinheiten und stellt sicher, dass entlang der Wertschöpfungskette alle Prozessschritte und Aufgaben effizient und effektiv erledigt werden können.

Operatives Management People Management Selbst-Management

Management und Arbeit im System Unternehmen

  • Aufbauorganisation
  • Ablauforganisation
  • Prozessmanagement
  • Projektmanagement
  • Budgetierung, Controlling
  • u.ä.

Ziele & Aufgaben

  • Mittel und Wege finden, um operative Aufgaben zu erledigen
  • Sicherstellen einer effizienten und effektiven Wertschöpfungskette

Themenbereiche

  • Funktionen im Unternehmen
  • Audits & Compliance
  • Regeln der Zusammenarbeit
  • Strukturen zur Info-Weitergabe & Kommunikation
  • Personal-Aufnahme, Entwicklung, Freisetzung
  • Schnittstellenklärungen
  • u.v.a.m.
Führung von Mitarbeitern und Teams und Gestalten einer produktiven Arbeitskultur
  • MA-Gespräche

    Recruiting, Ziele, Feedback, Kündigung, Gehalt, etc.

  • MA-Entwicklung
  • Teamentwicklung

    (inkl. des Managements der sozialen Dynamik im Team)

  • Konfliktmanagement
  • Moderation von Meetings und Sitzungen
  • Entwicklung der eigenen Organisationseinheit als soziales System

Führen von Interessenspartnern

  • Interne Abteilungen
  • Eigene Chefs und Aufsichtsgremien
  • Kunden & Lieferanten
  • Externe Organisationen wie Interessensvertretungen, Behörden, Politik
  • u.v.a.m.
Selbstreflexion als Mensch und Führungskraft und der bewusste Umgang mit sich selbst
  • Entwickeln und Pflegen der eigenen Selbstreflexionsfähigkeit
  • Kennen, Entwickeln und bewusstes Nutzen der Stärken der eigenen Persönlichkeit
  • Kennen und bewusster Umgang mit den eigenen Limits
  • Erkennen des eigenen Beitrages an sozialen Systemen und deren Interaktionen wie zum Beispiel Entscheidungen, Stimmungen, Situationen
  • Fähigkeit zum Wechsel auf die Meta-Ebene und Fähigkeit zur Arbeit am System (Unternehmen, Team, Organisationseinheit)
  • Klares Wissen, was ich als FK will und wie ich meine Energien aufladen kann.
  • u.v.a.m.
Daraus können viele operative Aufgaben für Führungskräfte abgeleitet werden.

Diese liegen oft im klaren Fokus der Organisationen und nehmen daher viel tägliche Arbeitszeit ein, wodurch für die anderen beiden Managementbereiche kaum mehr Zeit bleibt.

Hieraus leiten sich klassische Führungsaufgaben ab, die stets mit dem Thema Kommunikation in unterschiedlichen Ausprägungen zu tun haben.

Ohne People Management kein effektives und effizientes operatives Management.

Selbstreflexion ist eine der wesentlichen Fähigkeiten, welche Führungskräfte benötigen, um Mitarbeiter – einzeln oder in Teams – führen zu können.

Damit ist ohne gutes Selbstmanagement kein gutes People Management möglich.

Tabelle 1.1: Führungsalltag und die drei Arten von Management

Alle Aktivitäten im operativen Management werden (noch immer) mit Menschen gestaltet und erledigt. Da der Mensch (noch immer) ein soziales Wesen ist, der mit sogenannten »smarten Devices in Social Networks« arbeitet, kommt der Kommunikation der Menschen untereinander (noch immer) eine wesentliche Bedeutung zu. Genau das ist zentrale Aufgabe des People Management.

Mit Kommunikation stellen wir Kontakt untereinander her. Ohne Kontakt gibt es keinen produktiven Informationsaustausch. Und ohne Informationen bleiben alle Prozesse, Schnittstellen, Projekte etc. nur leere Hüllen. Dann kommt es zu einer unterdurchschnittlichen bis zu keiner Wertschöpfung. Die Wertschöpfungskette wird damit zu einer endlosen Kette an Doppelgleisigkeiten, Missverständnissen, Konflikten und Scheinaktivitäten. Somit kann ohne wirkungsvolle zwischenmenschliche Arbeit mit den Menschen im Unternehmen keine Produktivität erzielt werden. Darum sind die Aufgaben des People Management (siehe Tabelle 1.1) auch so erfolgsentscheidend.

Als Menschen sind wir Teil unserer sozialen Systeme. Damit ist es unabdingbar, dass wir uns auch regelmäßig mit unserer eigenen Persönlichkeit und unserem Beitrag zur Kommunikation als Führungskraft auseinandersetzen. Je besser wir die Aufgaben des Selbst-Managements (siehe Tabelle) meistern, das heißt je besser wir uns selbst kennen und je bewusster wir die Welt wahrnehmen, desto effektiver können wir auch im People Management sein und desto erfolgreicher werden wir als Führungskraft im operativen Management sein.

Sind diese drei Bereiche des Managements über die Zeit hinweg in Balance, so bleibt einerseits die Motivation erhalten, die selbst ausgesandte Energie an Mitarbeiter, Kollegen, Chefs als auch Kunden wirkt motivierend und die Gefahr der Überforderung entsteht erst gar nicht.

Als Voraussetzung dazu braucht es die ausgesprochene Klarheit für sich selbst und jene ausverhandelte Klarheit mit allen Mitarbeitern, welche Aufgaben zu »Führung« tagtäglich von der Führungskraft und welche von den Mitarbeitern zu erledigen sind. Und genau das ist, unserer Erfahrung nach, zu oft nicht der Fall: Ohne diese Klarheit entstehen ganz unterschiedliche gegenseitige Erwartungen. Und diese sind häufig unausgesprochen. Genau das ist eine Zutat für Konflikte im Team: ungeklärte und unerfüllte Rollenerwartungen. Eine zentrale Meta-Aufgabe der Führung, des Managements und des Leaderships – egal wie Sie es nennen – ist: für Klarheit sorgen!

Fazit:

Eine gute Führungskraft erfüllt alle Aufgaben der obigen drei Managementbereiche. Leider sind wir in Ausbildung und Berufsleben zu oft auf das operative Management fokussiert: Wir lernen hunderte tolle Fertigkeiten, von denen wir nur wenige wirklich im Alltag benutzen. Wir reden viel über »Führung« im Sinne des operativen Managements und was wir operativ alles besser machen sollen und müssen. Über People Management, das aktive Anwenden von Führungswerkzeugen und -techniken im operativen Alltag, oder gar über aktive Selbstreflexion reden wir vielleicht, aber tun es nur selten.

Wir haben diese praxiserprobten Führungswerkzeuge, -techniken und -modelle zusammengetragen, um Führungskräften einen Werkzeugkasten für erfolgreiches People Management und Selbst-Management mitzugeben. Denn bei einer Sache sind wir uns nach jahrelanger praktischer Arbeit mit Menschen in Organisationen ganz sicher:

Ohne Selbst-Management kein People Management, ohne People Management kein operatives Management und ohne operatives Management kein wirtschaftlicher Erfolg.

Führung zeichnet sich durch die Arbeit mit und an Menschen aus, besonders durch die ständige Arbeit an mir selbst.

2 Zentrale Aufgaben im Führungsalltag

Verschiedene Umfragen unter Führungskräften zum Thema Führung geben an, dass sich die Führungsarbeit zum Großteil um Kommunikation dreht. Eine Meta-Studie zum Thema Leadership-Kompetenzen zeigt deutlich, dass in über 61 einschlägigen Studien Kommunikationsfähigkeit mit 57% als die mit Abstand wichtigste Führungskompetenz genannt wird4. Manche Führungskräfte behaupten sogar, dass Führung mit Kommunikation gleichzusetzen ist. Entspricht das den Tatsachen? Und wenn dem so ist, was sind dann die zentralen Aufgaben im Alltag einer Führungskraft?

Betrachtet man die Arbeit einer Führungskraft näher, dann geht es dabei um das Vermitteln von Visionen und um das Begeistern von Menschen, dorthin mitzugehen. Dann geht es darum, Zielevereinbarungen mit diesen Menschen zu treffen oder um das Finden von Problemlösungen. Und es geht es darum, Menschen bei ihrer Entwicklung zu unterstützen und ihnen die Möglichkeit zu bieten, ihr volles Potenzial auszuspielen.

Alles in allem sind das kommunikationsintensive Tätigkeiten. Somit hat die Qualität der Kommunikation auch einen beachtlichen Einfluss auf die Qualität der Führungsarbeit. Doch leider werden genau in diesem Gebiet der Führung grundlegende Fehler begangen. Die Folge davon: Die Führungskraft kann sich nicht auf die wirklich wichtigen Themen konzentrieren, da sie sich ständig um die kleinen Alltagsthemen kümmern muss. Frustration auf Seiten der Mitarbeiter und der Führungskraft ist die zwangsläufige Folge.

Wir sehen im Führungsalltag ein paar hochkommunikative Aufgaben als zentral an. Daher betrachten wir den Führungsalltag sehr stark aus dem Blickwinkel der Kommunikation. Ähnlich wie in einem Regelkreis greifen diese täglich, wöchentlich und jährlich wiederkehrenden Aufgaben ineinander und können Führungskräften gleichsam als Checkliste bzw. Guideline dienen, um im »täglichen Wahnsinn« der Bearbeitung von Aufträgen, Kundenanfragen, Projekten, etc. nichts dem Zufall zu überlassen und auch keine wesentliche Führungsaufgabe zu vergessen.

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Abbildung 2.1: Der kommunikative Regelkreis der Führung nach Uwe Reiner-Kolouch

2.1 Führungsalltag Step 1: Für Ziele sorgen

Wohin soll die Reise gehen?

Es wird viel über das Setzen und Vereinbaren von Zielen und die richtige Zielformulierung geschrieben. Der Hintergrund dazu ist eine maßgebliche Führungsaufgabe, nämlich überhaupt dafür zu sorgen, dass es Ziele im eigenen Verantwortungsbereich gibt. Das kann sich – abhängig vom jeweiligen Kontext und der fachlichen und sozialen Fähigkeit der betroffenen Mitarbeiter – zwischen dem Vorgeben von Zielen seitens der Führungskraft bis hin zu selbstständigem Erarbeiten der Ziele durch die Mitarbeiter bewegen.

  • Für eine Richtung sorgen. Ziele schaffen Orientierung und bilden die Basis für Prioritäten und Entscheidungen → Ziele setzen oder erarbeiten (lassen).
  • Ziele machen Erwartungen klarer → Abklären von wechselseitigen Erwartungen zwischen einzelnen Mitarbeitern, dem Team und der Führungskraft im Sinne von: Was will ich und was nicht?
  • Ziele machen aus Arbeit, objektivierbare Leistung. Klarheit über Beurteilungskriterien schaffen = Erwartungen hinsichtlich der qualitativen & quantitativen Ziele mit dem Mitarbeiter besprechen.
  • Zielformulierungen nach SMART-Kriterien: fachliche, quantitative Leistungsziele (Zahlen-Daten-Fakten-orientiert, messbare Ziele), persönliche Entwicklungsziele (Persönlichkeitsentwicklung, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Erfahrung).

2.2 Führungsalltag Step 2: Für Maßnahmen sorgen

Wie & womit sollen die Ziele erreicht werden?

Hier verhält es sich ähnlich wie bei Step 1: Sich darauf zu verlassen, dass die Ziele schon durch geeignete Maßnahmen erreicht werden, ist illusorisch bzw. funktioniert nur in sehr reifen Teams/Organisationen und ebenso reifen Mitarbeitern.

  • Strategien & Wege zu den Zielen finden (lassen) und Maßnahmen zur Zielerreichung vorgeben oder erarbeiten (lassen).

2.3 Führungsalltag Step 3: Rückmeldung(en) geben

Wie ist der Prozess der Zielerreichung bisher?

Auf dem Weg zur Zielerreichung ist die Steuerung dieses Prozesses wohl die wichtigste Aufgabe einer Führungskraft. Und das funktioniert in der Praxis nur durch Beobachten, Analysieren und Darüber-reden, was als Nächstes getan oder gelassen werden soll, um die Ziele zu erreichen oder ggf. auch die Ziele zu adaptieren. Und es wurde schon gehört, dass eine an der Arbeit und an den Menschen interessierte Führungskraft motivierenden Einfluss auf die Mitarbeiter haben soll ;-)

  • Feedback über bisherige Maßnahmenumsetzung geben – anlassbezogen bzw. zu vereinbarten Milestones.
  • Positives Feedback geben und Kritik üben (siehe Feedback-Gespräche).
  • Bei Bedarf die Ziele & Maßnahmen zur Zielerreichung gemeinsam mit dem Mitarbeiter aktualisieren, ergänzen streichen, ersetzen.

2.4 Führungsalltag Step 4: Zielerreichung überprüfen

Wie steht es um die Erreichung der Ziele?

Den eigenen Beitrag zum großen Ganzen zu kennen wirkt sinnstiftend und motivierend. Deshalb macht es Sinn, regelmäßig eine Zwischenbilanz über die operativen Ergebnisse zu ziehen und ein gemeinsames Verständnis zum Beitrag zur Zielerreichung herzustellen. Das erleichtert allen – Mitarbeitern und Führungskraft – jenen Bezug zum Gesamtbeitrag herzustellen, der für eine sinnvolle Aufgabenerfüllung notwendig ist. Hier bietet sich auch die Möglichkeit, die »großen Weichen« für das folgende Jahr zu stellen.

  • Regelmäßig die Fortschritte der Zielerreichung besprechen,
  • Prioritäten abwägen und ggf. ändern,
  • Resümee ziehen über die Zielerreichung sowie über die Art und Weise der Zielerreichung,
  • Zusammenfassung der Zielerreichung im letzten »Jahr«,
  • »Lessons learned« sowie genutzte und ungenutzte Potenziale daraus ableiten.

2.5 Das Umfeld für den Führungsalltag: Den Mitarbeiter unterstützen

Ohne Mitarbeiter hat eine Führungskraft nur eine recht limitierte Existenzberechtigung. Daher ist es eine Hauptaufgabe von Führung, jene Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen, in und mit denen die Mitarbeiter ihre Aufgaben bestmöglich erledigen können. Es gilt einen finanziellen, fachlichen, technischen, organisatorischen, zeitlichen und sozialen Rahmen zu schaffen. Das beinhaltet zum Beispiel

2.6 Die Meta-Ebene zum Führungsalltag: Eine Bilanz ziehen

Auch in der Führungsebene ist es enorm wichtig, sich mal aus dem Alltagsgeschäft heraus zu nehmen und quasi mit dem Helikopter über das letzte Jahr zu fliegen, um zu sehen, wie die großen Zusammenhänge funktionierten – fachlich und sozial. Hier wirft man von der Meta-Ebene aus einen reflektierenden Blick zurück auf den Alltag des letzten Jahres. Das heißt, es gilt gemeinsam mit dem Mitarbeiter Bilanz zu ziehen über

Fazit:

Das entscheidende in der Kommunikation mit Mitarbeitern ist, sich stets bewusst zu machen, was die Absicht meiner Gespräche sind. Im Kapitel 9 »Das Modell der situativen Führung nach Hersey/Blanchard« gehen wir darauf noch spezifischer ein. Wenn man als Führungskraft diese sechs kommunikativen Aufgaben Tag für Tag, Woche für Woche und Jahr für Jahr erledigt, dann wird

  • das Durchschreiten der Phasen in der Teamentwicklung deutlich einfacher (siehe Kapitel 12 und dort Die Phasen der Teamentwicklung nach Tuckman).
  • die Stimmung bei der Führungskraft und bei den Mitarbeitern nicht absacken und Platz für Demotivation geschaffen
  • die Kommunikation zwischen der Führungskraft und den Mitarbeitern aber auch untereinander im Team produktiv bleiben und
  • die Erreichung der Ziele ein fruchtbringender Prozess werden, in dem Erfolg, Freude und Motivation als Belohnung warten.