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Jürgen Wulff

Zielführend: Unternehmen brauchen Führung, Führung braucht Orientierung

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WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA

Geleitwort von Thomas Göller

Ich bin sauer. Sauer darüber, dass es das Buch Zielführend von Jürgen Wulff nicht schon vor 30 Jahren gab.

Von Haus aus bin ich Maschinenbau-Ingenieur und absolvierte ein Zusatzstudium zum CAD-Computer-Konstrukteur, denn wie viele junge Menschen Anfang der 80er Jahre entdeckte ich die aufblühende Computertechnik und machte deren Anwendungsmöglichkeiten zu meinem leidenschaftlichen Hobby. Mit diesen Grundlagen ausgestattet, gründete ich 1988 mein erstes EDV-Systemhaus. Ich war nun Unternehmer. Rückblickend betrachtet war es eine geniale Pionierzeit. Damals, Anfang der 90er Jahre, haben wir Computer »verteilt«. Der Bedarf war so gigantisch, wir mussten nicht verkaufen. Die Leute haben gekauft. Ein kleiner, jedoch äußerst angenehmer Unterschied.

Aber bereits nach kurzer Zeit musste ich mich doch mit Dingen wie Marketing, Verkaufstechniken oder Steuerrecht beschäftigen. Vieles davon scheine ich dabei wohl richtig umgesetzt zu haben, denn mein kleines Unternehmen wuchs stetig und wurde immer »erwachsener«. Und dann kam er, der Tag, irgendwann anno 1991: Ich stellte meine ersten Mitarbeiter ein.

Was hatte ich nicht alles in der Schule gelernt. Welche wunderbaren Dinge haben mir meine Professoren während meines Studiums beigegebracht. Großartig. Aber wie macht man sich selbstständig? Wie funktioniert verkaufen? Was ist der Unterschied zwischen Vorsteuer, Umsatzsteuer und Mehrwertsteuer? Und vor allem: Wie führt man ein Unternehmen? Wie führt man sich selbst? Und wie zur Hölle führt man Mitarbeiter so, dass sie gefälligst das tun, was ich von ihnen erwarte?

Ganz ehrlich? Ich hatte keine Ahnung, auf welches Abenteuer ich mich da einließ. Ich wusste noch nicht einmal, dass es die falsche Frage war. Die Frage hätte nämlich lauten müssen, wie führe ich meine Mitarbeiter so, dass sie stets genug Energie besitzen und ihre Potenziale zum Wohle des Unternehmens sinnvoll einsetzen können.

Wie auch immer, damals kam ich mir oft so vor, als befinde ich mich im Kindergarten. Ich dachte, wieso muss ich erwachsenen Menschen sagen, was sie machen sollen und wie sie sich zum Beispiel beim Kunden verhalten, damit dieser noch ein Upgrade zu seiner Bestellung kauft.

Aus heutiger Sicht bewundere ich jedoch meine ehemaligen Mitarbeiter. Ich glaube, sie hatten es nicht leicht mit mir.

Erzogen wurde ich nach dem Motto: »Wenn ich nichts sage, hat’s geschmeckt.« Oder anders ausgedrückt: »Nicht gemeckert ist genug gelobt.« Ich wusste es einfach nicht besser, und falls einer meiner ehemaligen Mitarbeiter diese Zeilen lesen sollte, bitte ich ihn hiermit um Vergebung.

Aber natürlich investierte ich schon damals sehr viel in meine eigene Weiterentwicklung. Ich buchte recht bald in meiner jungen Karriere als Unternehmer einen Workshop zum Thema »Führen« bei einem der angesagtesten Trainer der damaligen Zeit, bei Jörg Otte. Es war ein toller und äußert erkenntnisreicher Workshop. Die Theorie klang einleuchtend und vielversprechend. Er mündete in der Erkenntnis, dass »Lob« ein wunderbares und mächtiges Führungswerkzeug darstellt.

Als ich wieder zuhause in meinem Systemhaus ankam, schlug die Praxis unerbittlich zu und zeigte mir ein schier unüberwindliches Problem: Wie lobt man, wenn man das Gefühl hat, den »richtigen« Zeitpunkt verpasst zu haben?

Damals traute ich mich einfach nicht, das Gelernte umzusetzen. Schließlich führte ich mein Team jahrelang mit der persönlichen Haltung, dass es sich bei meinen Mitarbeitern um erwachsene Menschen handelt und die wussten, wenn ich nichts sage, dann ist alles gut. Und ja, das dachte ich tatsächlich, wobei mir heute die Schwächen dieser Theorie durchaus bewusst sind.

Mein Dilemma zu dieser Zeit lag darin, dass ich mein Verhalten doch nicht plötzlich ändern konnte, denn das kam mir unnatürlich vor. Ich hatte regelrecht Angst, meine Mitarbeiter sagen zu hören: »Ah, der Chef war mal wieder auf einem Seminar.«

Mir wurde an diesen Tagen auch bewusst, dass klassische Workshops und Seminare für eine wirksame Führung im Unternehmen nicht ausreichen. Heute weiß ich, dafür bedarf es einer auf das Unternehmen abgestimmten Strategie, die eine Lösungsstruktur implementiert, die verschiedene Maßnahmen kombiniert und über längere Zeiträume umgesetzt wird.

Wie sehr hätte mir damals das Buch Zielführend geholfen. Jürgen Wulff beschreibt in seinem Buch alle Arten der Führung. Angefangen bei der Selbstführung, der wichtigen Menschenführung und nicht zuletzt stellt er auch die Prinzipien einer gelungenen Unternehmensführung vor.

Aber nicht nur die Sicht der Mitarbeiter und Führungskräfte wird in diesem Werk tiefschichtig beschrieben. Auch die Sicht der Kunden, Geschäftspartner und Lieferanten kommt dabei nicht zu kurz. Schließlich brauchen all diese Gruppen Führung und Orientierung, nicht wahr?

Damit ist dieses Buch nicht nur ein Muss für Führungskräfte und solche, die es werden wollen, sondern auch Unternehmer und Start-ups können von den Prinzipien der Orientierung profitieren.

Jürgen Wulff beschreibt jedoch nicht nur, wie Führung wirklich funktioniert und was eine Führungskraft tun sollte (und was besser nicht), sondern er erklärt auch die Frage nach dem »Warum?« und den wortwörtlichen Sinn des Ganzen. Fantastisch, denn dadurch fällt es Ihnen garantiert leichter, diese vielen Informationen anzunehmen, anzuwenden und auf die eigenen Belange zu transferieren.

Die umfangreiche Theorie wird mit vielen anschaulichen Grafiken, Praxisbeispielen und einprägsamen Modellen verständlich nähergebracht. Ich bin davon überzeugt, dieses Buch besitzt das Zeug zu einem echten Standardwerk der modernen Führung.

Zu jedem Kapitel und jedem Ansatz gibt es ganz konkrete Fragen, die aus unterschiedlichen Perspektiven helfen, Orientierung zu gewinnen und zu geben.

Das Beste sind aber die vielen konkreten Handlungsempfehlungen und die wunderbar praktischen Tipps aus und für die Praxis. Viele Beispiele und lebendige Anwendungsfälle zeugen von der Erfahrung von über 10 000 Führungskräften, die Jürgen Wulff schon begleitet, geschult und unterstützt hat. So gelingt auch Menschen wie mir, die denken sie hätten den Führungszug verpasst, ein sanfter und kompatibler Weg zu einer Führungskraft, die von Mitarbeitern, Geschäftspartnern und Kunden gleichermaßen anerkannt und geschätzt wird. Und das immer zum Besten des Unternehmens.

Das Buch Zielführend liest sich, als ob Jürgen Wulff einen an die Hand nimmt und als Coach persönlich führt. Ich denke, das liegt auch an den lebendigen Geschichten, die er selbst erlebte. Er nimmt uns also mit auf eine sehr persönliche Reise in seine eigene Erfahrungswelt. Und wir können nun davon profitieren.

Es hätte so vieles leichter gemacht, wenn es das Buch schon damals gegeben hätte. Ich wäre garantiert schneller, leichter und nachhaltiger zu mehr Erfolg gekommen. Aber nun ist es ja da. Endlich!

Ich wünsche allen Lesern dieses Buches viel Erfolg und bin sicher, dass damit das Thema Führung ein neues und zeitgerechtes Qualitätslevel erreicht.

Ihr Thomas Göller

Thomas Göller glaubt fest daran, dass wir in unserer Gesellschaft mehr erfolgreiche Know-how-Unternehmer brauchen. Bereits 1988 hat er sein erstes eigenes Unternehmen gegründet. Anfang der 90er Jahre betrieb er schon 5 Filialen mit über 30 Mitarbeitern sowie ein eigenes Schulungszentrum für Businesskompetenz. Er ist also ein absoluter Praktiker und weiß, wovon er spricht.

Seit nun über 20 Jahren ist Thomas Göller als Berater tätig und hat mittlerweile weit über 1000 Unternehmer und Selbstständige begleitet. Von seinen Klienten wird er oft als der »Mentor unter den Unternehmerberatern« bezeichnet.

Thomas Göller betreibt unter anderem die Schulungsplattform Unternehmer Academy, ist Autor mehrerer Sachbücher, lehrt aktiv an der GSA-Speaker-Akademie und war Dozent an der staatlich anerkannten Steinbeis-Hochschule Berlin (SHB).

Einleitung

Im Sommer 1991, im Alter von 28 Jahren, sollte ich kurz hintereinander zwei inhaltlich ähnliche Vorträge für unterschiedliche Kunden halten. Ich hatte alles genauestens vorbereitet, denn an diesen Vorträgen hingen wiederum wichtige Projekte, die danach realisiert werden sollten. Zu dieser Zeit wurden Geldausgabeautomaten, Kontoauszugsdrucker, Kassentresore und die dazugehörigen Rechner bei den Banken auf breiter Front in diversen europäischen Ländern eingeführt und auf diese Themen hatte ich mich spezialisiert.

Der erste Vortrag fand an einem Montag bei den Vertretern der Volksbanken im Südwesten Deutschlands statt und der andere zwei Tage später bei der Sparkassenorganisation in der gleichen Region.

Ich kehrte gerade von einer wichtigen Besprechung bei einem Hersteller dieser Geräte in der Nähe von Paris zurück und nutzte den Sonntag für letzte Vorbereitungen. Da in dieser Branche damals eine Art Goldgräberstimmung herrschte, wollte niemand zurückstehen und die Zukunft verpassen. Daher leitete ich verschiedene Projekte mit Beteiligten aus mehreren Ländern zur gleichen Zeit, wodurch meine Fähigkeit zur Selbstorganisation stark strapaziert wurde. Zeitweilig ging es sogar so weit, dass ich morgens in einem Hotelzimmer aufwachte, ohne zu wissen, in welcher Stadt ich mich überhaupt befand.

Montagmorgen marschierte ich also schnellen Schrittes in den Versammlungsraum der Hauptgeschäftsstelle meines ersten Bankkunden in dieser Woche und legte nach kurzer Begrüßung los. Alles schien normal. Aber während ich meinen Vortrag hielt, merkte ich, dass irgendetwas nicht stimmte. Ich sah in die Gesichter der Anwesenden und wunderte ich mich über die seltsamen Reaktionen. Sie sahen mich teilweise irritiert an und die anwesenden Führungskräfte setzten sogar eine angesäuerte Miene auf. Ich überlegte kurz, ob sich in meinem Vortrag inhaltliche Fehler befanden. Da ich in diesem Punkt auf meine peniblen Recherchen und passenden Herleitungen vertrauen konnte, setzte ich meine Ausführungen fort.

Am Ende des Vortrags blickte mich der oberste Chef ernst an und sagte mit beinahe väterlicher Stimme: »Die Beispiele der Konkurrenz fand ich ja sehr ansprechend, doch hätte ich bevorzugt etwas zu unserer Organisation gehört …« In diesem Augenblick wusste ich, dass ich die beiden Vortragsunterlagen vertauscht hatte und ich wäre am liebsten im Boden versunken. Seitdem gehört es zu meiner Gewohnheit, mich vorher genau zu orientieren, bei wem ich zu Gast bin.

Daraus habe ich für mich gelernt, dass Orientierung einen entscheidenden Baustein für geschäftlichen und persönlichen Erfolg darstellt. Ich erkannte zudem, dass Orientierung besonders dann leicht verloren geht, wenn Situationen unübersichtlich und stressig sind. Im Laufe der Jahre wurde mir als Berater für Unternehmen schnell klar: Auch in der strategischen Unternehmensführung sowie in der Führung von Mitarbeitern stellt Orientierung die Basis für den Erfolg dar. Worauf Sie dabei achten müssen, welche Techniken und Methoden Ihnen dabei helfen und wie Sie theoretische Modelle konkret in die Praxis umsetzen, erfahren Sie in diesem Buch. Sie erhalten somit eine Menge Antworten auf wichtige Fragen der Unternehmens- und Mitarbeiterführung.

Die folgenden drei Beispiele sind typisch für Situationen, die eine gründliche Orientierung erforderlich machen:

Drei Beispiele – je eins aus dem Bereich Selbstführung, Unternehmensführung und Mitarbeiterführung – und doch ist diesen Situationen, die ich alle in ähnlicher Form in meiner über 20-jährigen Beratungspraxis erlebt habe, eines gemeinsam: Sie verlangen die Fähigkeit, sich als Führungskraft schnell zu orientieren, um danach auch den anderen Beteiligten – der Geschäftsführung, Mitarbeitern, Kollegen und nicht zuletzt den Kunden – Orientierung zu geben, wie es weitergehen kann.

Unternehmen brauchen Führung, Führung braucht Orientierung. Das ist der Untertitel dieses Buches und darum soll es hier gehen, um Führung und Orientierung.

Dazu werde ich Ihnen zunächst darstellen, welche große Bedeutung Orientierung für unser Leben im privaten wie beruflichen Kontext hat. Orientierung ist ein Grundbedürfnis für jeden Menschen. Wo Orientierung fehlt, breiten sich Verwirrung, Unsicherheit und im schlimmsten Falle Chaos aus.

Für Führungskräfte, die in der heutigen VUCA-Welt (volatile, uncertain, complex, ambiguous) ein schwierigeres Umfeld als noch vor einigen Jahren vorfinden, ist die Herausforderung enorm. Die zunehmende Komplexität verbunden mit dem schneller werdenden Wandel, nicht zuletzt bedingt durch die allgegenwärtige Digitalisierung, macht es immer schwerer sich Orientierung zu verschaffen. Wie Sie damit umgehen, das ist Thema von Kapitel 2.

In den darauf folgenden Kapiteln gehe ich schrittweise darauf ein, wie Sie über gezielte Orientierung Struktur in ungeordnete Situationen bringen und die nötige Ausrichtung herstellen. Ich stelle Ihnen vor, welche Strategien für eine wirksame Unternehmensführung tatsächlich funktionieren und wie Sie dabei ganz konkret in der Mitarbeiterführung vorgehen sollten.

Dabei helfen in diesem Buch die vielen Praxisbeispiele, aber auch Erkenntnisse aus anderen Unternehmen und deren Schicksal – positiv wie negativ. In den einzelnen Kapiteln finden Sie zudem eine Auswahl an Fragen, die Sie sich stellen sollten, um die nötige Orientierung zu erlangen bzw. zu behalten. Außerdem habe ich Umsetzungsempfehlungen für Sie zusammengestellt, damit Sie sofort mit dem Praxistransfer beginnen können, ohne jedoch in eine falsche Richtung loszulaufen.

Die Führungskraft als allwissender, aber einsamer Lenker, der die richtigen Entscheidungen nur aufgrund von eigenen Einsichten und Erfahrungen trifft, hat ausgedient. Orientierung ergibt sich heute aus einem vieldimensionalen Prozess, der das Wissen und die Erfahrungen aller Beteiligten mit digital verfügbaren Daten verbindet.

Im Verlauf dieses Buches möchte ich Ihnen zeigen, wie Sie es als Führungskraft schaffen, sich ausreichend selbst zu orientieren und auf welche Weise Ihnen das auch in einem schwierigen Umfeld gelingt.

In einer Welt, in der es keine festen Orientierungspunkte mehr zu geben scheint, weder für Unternehmen noch für den Einzelnen, wird Führen zu einer Herausforderung, die keiner mehr allein meistern kann. Wir werden von Informationen überflutet, doch jeder sieht nur seinen Ausschnitt von der Realität. Orientierung in einer Welt, die selbst orientierungslos zu sein scheint, für sich selbst zu finden und anderen zu geben, ist für mich eine der wichtigsten Aufgaben von Führung.

Übrigens erhielt ich nach meinem Missgeschick bei den Volksbanken dankenswerterweise zwei Wochen später die Gelegenheit, meinen Vortrag zu wiederholen, diesmal mit den korrekten Beispielen. Nicht immer lassen sich Orientierungsfehler so leicht ausgleichen. In unserer komplexen Welt mit immer kürzeren Entscheidungsprozessen und dem drohenden Information-Overload lastet gerade auf Führungskräften der Druck, sich schnell zu orientieren und richtig zu entscheiden. Mit diesem Buch möchte ich Ihnen dafür neue Möglichkeiten zugänglich machen und Ihnen praxisnahe Techniken mitgeben, damit Sie Ihr Unternehmen – oder den Bereich, für den Sie Verantwortung tragen – erfolgreich in die Zukunft führen.

Ihr

Jürgen Wulff

PS: Die Online-Materialien zu diesem Buch können Sie unter www.juergenwulff.de/zielfuehrend-material anfordern.