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Mathias Binswanger

Der Wachstumszwang

Warum die Volkswirtschaft immer weiterwachsen muss, selbst wenn wir genug haben

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WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA

 

 

Meinem Vater Hans Christoph Binswanger (2018 verstorben) in dankbarer Erinnerung gewidmet

Einleitung

Seit Beginn der ersten industriellen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts in England ist Wirtschaftswachstum nach und nach in fast allen Ländern dieser Erde zu einem Dauerzustand geworden. Wachstum gilt als Anzeichen einer funktionierenden Wirtschaft, während ein Ausbleiben von Wachstum als pathologische Störung empfunden wird. Schon ein Jahr ohne Wachstum führt zu großer Nervosität in Politik und Wirtschaft, und man versucht alle Hebel in Gang zu setzen, um wieder auf den Wachstumspfad zu gelangen. Und wächst eine Wirtschaft gar ein paar Jahre nicht, wie das in Griechenland von 2008 bis 2013 der Fall war, dann wird daraus eine nationale Katastrophe. Doch warum sind heutige Wirtschaften dermaßen auf Wachstum fixiert?

Als wichtigster Grund für Wachstum wird im Allgemeinen das nie enden wollende menschliche Streben nach Verbesserung der Lebensbedingungen gesehen (zum Beispiel Schwarz et al., 2016). Doch dieses Streben nach Verbesserung gab es auch schon vor der industriellen Revolution, ohne dass es je zu nennenswertem Wirtschaftswachstum gekommen wäre. Präindustrielle Wirtschaften haben ohne Wachstum funktioniert, obwohl die menschliche Natur damals dieselbe war wie heute. Wachstum einfach mit dem Bedürfnis nach mehr und besseren Gütern und Dienstleistungen erklären zu wollen, greift deshalb zu kurz. Das Buch zeigt, dass Wachstum in modernen Wirtschaften keine Option, sondern eine Notwendigkeit ist. Andernfalls kommt es zu Krisen und die Wirtschaft gerät bald in eine Abwärtsspirale. Also muss die Wirtschaft längerfristig stets wachsen, um einen solchen Schrumpfungsprozess zu verhindern.

Der Wachstumszwang ergibt sich aus der Funktionsweise der modernen Wirtschaft, die sich nach der industriellen Revolution durchgesetzt hat. Wir nennen diese Wirtschaftsform meist kapitalistische Wirtschaft oder einfach Kapitalismus. Gemeint ist damit nicht Ausbeutung wie bei Karl Marx, wo der Begriff Kapitalist einen negativen Unterton hat, sondern eine Wirtschaft, in der Kapital (Maschinen, Anlagen, Computer, Roboter etc.) neben Arbeit wichtigster Produktionsfaktor ist. Das Hauptziel der Unternehmen besteht darin, mit Hilfe des Kapitals einen möglichst hohen Gewinn zu erwirtschaften.1 Doch wie ist es überhaupt möglich, dass eine Mehrheit von Unternehmen Jahr für Jahr Gewinne erzielt und die Erlöse somit die Kosten übersteigen? Wie wir sehen werden, funktioniert das nur mit permanenter Zufuhr von weiterem Geld. Diese Geldzufuhr erfolgt seit Entstehung der kapitalistischen Wirtschaft durch Banken, welche mit der Vergabe von Krediten bei Bedarf zusätzliches Geld schaffen können. Eine kapitalistische Wirtschaft ist deshalb zwingend auch eine Geldwirtschaft. Nur in einer Geldwirtschaft ist es möglich, stets weitere Investitionen zu finanzieren, um so den Kapitalbestand immer mehr zu erhöhen, ohne dass gleichzeitig der Konsum zurückgeht.

Gewinne zu erzielen ist in einer kapitalistischen Wirtschaft aber kein Dürfen, sondern ein Müssen. Diese Wirtschaftsform ist an Märkte gekoppelt, wo Unternehmen stets einem mehr oder weniger ausgeprägten Wettbewerb durch die Konkurrenz ausgesetzt sind. Dadurch sind Unternehmen zu permanenter Suche nach neuen Wettbewerbsvorteilen gezwungen, da sie sonst Marktanteile verlieren, Verluste machen und schließlich in Konkurs gehen. Wettbewerbsvorteile ergeben sich aber auf die Dauer nur, wenn Unternehmen innovativ sind und mit Hilfe des technischen Fortschritts eine permanente Erhöhung der Produktion von immer vielfältigeren Gütern und Dienstleistungen anstreben. Geld, Wettbewerb und technischer Fortschritt sind systemnotwendige Bestandteile einer kapitalistischen Wirtschaft, die in ihrem Zusammenspiel Wachstum ermöglichen und gleichzeitig den Wachstumszwang verursachen.

Die Erforschung des eben beschriebenen Wachstumszwangs ist in meinem Fall ein generationenübergreifendes Projekt. Bereits mein Vater, der 2018 verstorbene ehemalige Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen, Hans Christoph Binswanger, beschäftigte sich intensiv mit diesem Thema. Ursprünglich standen in seinen Arbeiten die Auswirkungen des Wachstums auf die Umwelt im Vordergrund, und er galt als wachstumskritischer Ökonom. Doch bald keimte bei ihm der Verdacht auf, dass Wachstum als systemimmanenter Bestandteil kapitalistischer Wirtschaften gesehen werden muss. In diesem Fall kann man nicht einfach mit dem Wirtschaftswachstum aufhören, wie dies seit der Publikation des Club-of-Rome-Berichts Grenzen des Wachstums im Jahr 1972 immer wieder gefordert wurde. In einer Aufsatzsammlung die 1991 unter dem Titel Geld und Natur publiziert wurde, lesen wir bereits (Binswanger, H.C, 1991, S. 6):

Drei Jahre später, in dem von meinem Vater herausgegebenen Sammelband Geld und Wachstum, war diese Vermutung zur Gewissheit geworden, Dort steht (1994, S. 118):

und auf der nächsten Seite (S. 119) kommt die Schlussfolgerung:

Damit ist die Quintessenz bereits ausgesprochen, auch wenn mein Vater den Wachstumszwang damals noch nicht im Detail begründen konnte. Die Erarbeitung einer präziseren Begründung »kostete« ihn zehn weitere Jahre, während denen er an dem Buch Die Wachstumsspirale schrieb, welches 2006 publiziert wurde. Dort findet sich auch ein Modell, welches den Wachstumszwang unter bestimmten Annahmen aufzeigt und daraus Schlussfolgerungen für real existierende kapitalistische Wirtschaften zieht (Binswanger, H.C., 2006, S. 327-348).

Aufgrund von Diskussionen mit meinem Vater zu Beginn der 90er Jahre war ich von Anfang an überzeugt, dass die These des Wachstumszwangs richtig ist. Also begann ich mich selbst mit diesem spannenden Thema zu beschäftigen, und ein erster Beitrag erschien 1996 in dem vom verstorbenen Evolutionsbiologen und Gründer des Club of Vienna, Rupert Riedl, herausgegebenen Sammelband Die Ursachen des Wachstums. Der Beitrag trägt den Titel »Monetäre Wachstumsdynamik in modernen Wirtschaftssystemen« und thematisiert den Zusammenhang zwischen Geldschöpfung und Wachstum, den ich dann viel später in dem Buch Geld aus dem Nichts (2015) ausführlich dargestellt habe. Auch liefert der Beitrag eine erste Begründung für den Wachstumszwang, allerdings hauptsächlich für Aktiengesellschaften, wo der Zusammenhang zwischen Wachstumserwartungen und Aktienkursen relevant ist.

Einige Jahre später wurde der Zusammenhang zwischen Einkommen und Glück zu einem wichtigen Forschungsthema, was im Jahr 2006 zur Publikation meines Buches Die Tretmühlen des Glücks führte. Dort finden sich Daten und Erklärungen dafür, weshalb Menschen in hochentwickelten Ländern zwar weiterhin immer mehr Einkommen wollen, sie dieses Einkommen aber im Durchschnitt nicht mehr glücklicher macht. In dem Buch war auch ein Kapitel enthalten mit dem Titel »Das Dilemma moderner Wirtschaften: kein Wachstum ohne Tretmühlen« (Binswanger, 2006, S. 126-137). Dort formulierte ich den Widerspruch, dass Wachstum aufgrund des Wachstumszwangs immer weitergehen muss, obwohl die Lebenszufriedenheit oder das Glück der Menschen dadurch nicht mehr positiv beeinflusst wird. Die Tretmühlen des Glücks spielen dabei eine entscheidende Rolle. Sie sorgen dafür, dass die Menschen weiterhin an mehr Glück durch mehr materiellen Wohlstand glauben, auch wenn dieses Versprechen sich nicht mehr erfüllt. Diese Tretmühlen bilden einen wichtigen Input für Kapitel 8 dieses Buches, wo erklärt wird, wie der Konsum durch Intensivierung der Tretmühlen auch auf eigentlich gesättigten Märkten weiter ausgedehnt werden kann.

Im Jahr 2009 publizierte ich schließlich einen Fachartikel im Journal of Post Keynesian Economics unter dem Titel »Is there a growth imperative in capitalist economies?«. Dieser Artikel formuliert den Zusammenhang zwischen Wachstum und Gewinnen mit Hilfe eines Modells für eine einfache Kreislaufwirtschaft, die mit einer Reihe von linearen Differenzengleichungen beschrieben wird. Dieses Modell unterscheidet sich in mehreren Punkten vom Modell meines Vaters (Binswanger, H.C., 2006, S. S. 327-348), doch kommt es zur gleichen Schlussfolgerung: Es braucht Wachstum damit der gesamte Unternehmenssektor einer Wirtschaft Gewinne erzielen kann. Eine vereinfachte und etwas abgeänderte Form dieses Modells findet sich als Anhang in diesem Buch. Eine weitere Modellvariante erschien 2015 ebenfalls im Journal of Post Keynesian Economics als Reaktion auf zwei Artikel, die sich kritisch mit einzelnen Annahmen des ursprünglichen Modells auseinandersetzten. Die erwähnten Publikationen und weitere Reaktionen auf meinen Artikel2 bildeten eine wichtige Grundlage für die Ausarbeitung dieses Buches, welches versucht, den Wachstumszwang umfassend und allgemeinverständlich zu erklären. Doch darüber hinaus werden auch die Konsequenzen des Wachstumszwangs für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung dargestellt, welche im Zeichen der digitalen Transformation steht. Denn es stellt sich die Frage, ob und wie das Wachstum in Zukunft weitergehen kann und wird. Und da Menschen zunehmend durch Roboter und Algorithmen ersetzt werden, stellt sich auch die Frage, ob das zukünftige Wachstum überhaupt noch Beschäftigung schafft.

Letztlich befinden wir uns in einer paradoxen Situation. Auf der einen Seite gibt es große Befürchtungen, dass das Wachstum in Zukunft nicht mehr weitergehen wird, und Themen wie »Ende des Wachstums« oder »säkulare Stagnation« geistern als Schreckgespenster herum. Für Wachstumskritiker sind das aber keine Schreckgespenster, sondern erwünschte Entwicklungen. Ein Ende des Wachstums wäre der Beginn einer Postwachstumsökonomie, die als zukünftige Vision angestrebt wird. Während die einen Wachstumsschwäche beklagen, monieren andere, dass wir nach wie vor Wirtschaftswachstum anstreben, obwohl wir längst damit aufhören sollten. Solche Diskussionen finden oft gleichzeitig und völlig unabhängig voneinander in unterschiedlichen Medien, Foren und Blogs statt. Dabei werden sowohl von Wachstumskritikern als auch von Wachstumsbefürwortern meist nur die Aspekte des Wachstums gesehen, welche die vorgefasste Meinung zum Thema bestätigen.

An dieser Stelle möchte ich deshalb festhalten, dass dieses Buch sowohl wachstumsfreundlich als auch wachstumskritisch ist. Wachstum hat wie viele Entwicklungen einen ambivalenten Charakter und ist sowohl »Segen« als auch »Fluch«. So hat das Wachstum einen ungeheuren materiellen Wohlstand für die meisten Menschen in vielen Ländern ermöglicht, der auch zu einer drastischen Verbesserung der Lebensbedingungen und der Gesundheit geführt hat. Andererseits besitzt Wachstum ein enormes Zerstörungspotenzial für die natürliche Umwelt und trägt nicht mehr zu weiterem Glück der Menschen in hochentwickelten Ländern bei. Das Versprechen des Wachstums auf mehr materiellen Wohlstand verliert so seine Attraktion, ohne durch etwas Besseres ersetzt zu werden.

Bis heute war, auch das sei hier klar gesagt, der »Segen« des Wachstums um einiges größer als sein »Fluch«. Doch je höher der materielle Wohlstand wird, umso mehr gewinnen negative Auswirkungen relativ zu den Vorteilen des Wachstums an Gewicht. Insofern ist es richtig, dass Wachstumskritik ein Wohlstandsphänomen ist (Fuster, 2017). Denn solange das Wachstum den Menschen in einem Land hilft, grundlegende Bedürfnisse zu decken, überwiegen die positiven Auswirkungen. Wenn das aber nicht mehr der Fall ist, macht es schon aus rein ökonomischen Gründen Sinn, das Wachstum kritisch zu hinterfragen. Denn in der ökonomischen Theorie ging es noch nie um ein maximales BIP pro Kopf, sondern um das subjektive Wohlbefinden des einzelnen Menschen. Und wenn Wachstum dieses nicht mehr verbessert, wird es im wahrsten Sinne des Wortes unökonomisch.

Allerdings erfreut sich Ambivalenz keiner großen Beliebtheit. Menschen sind lieber für oder gegen etwas, und das gilt auch für das Wachstum. Deshalb wird das Buch vermutlich bei einigen Leserinnen und Lesern auf Widerstand stoßen. Befürworter des Wachstums werden argumentieren, dass dieses Buch eine pauschale Wachstumskritik sei (was nicht stimmt!) und eine viel zu pessimistische Sichtweise der kapitalistischen Wirtschaft vermittle. Wachstumskritiker werden hingegen monieren, dass dieses Buch die Gefahren des Wachstums verharmlose (was auch nicht stimmt!) und dass es umgekehrt vielversprechende Alternativen zur kapitalistischen Wirtschaft gäbe, die nur aus fehlendem politischen Willen nicht umgesetzt werden. Bevor wir aber vorschnell engagierte Meinungen zu Kapitalismus und Wachstum von uns geben, sollten wir versuchen, die Funktionsweise der kapitalistischen Wirtschaft zu verstehen, die den Wachstumszwang miteinschließt.

Das Buch besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen. Der erste Teil des Buches beschäftigt sich mit dem Phänomen des Wachstumszwangs und seinen Auswirkungen auf die Wirtschaft. Es wird aufgezeigt, weshalb die traditionelle Wachstumstheorie den Wachstumszwang nicht erkennen kann, und wie der Einbezug des Geldes in die Analyse des Wachstumsprozesses zum Wachstumszwang führt (Kapitel 2). Es wird auch genau definiert, was mit dem Wort »Wachstumszwang« gemeint ist und welche Merkmale einer kapitalistischen Wirtschaft für diesen Zwang verantwortlich sind. Heutige Wirtschaften können deshalb nicht auf einem bestimmten Niveau bleiben, sondern es gibt nur die Varianten Wachstum oder Schrumpfung. Der entscheidende Drang zum Wachstum kommt dabei von den Unternehmen, die mit ihrer ständigen Suche nach neuen Gewinnmöglichkeiten die Wirtschaft vorantreiben. Aus diesem Grund wird auch die Rolle der Unternehmen bzw. von Unternehmern und Managern genauer beleuchtet.

Um den Wachstumszwang präziser zu fassen, wird der Geldkreislauf einer einfachen Wirtschaft anhand von Zahlenbeispielen dargestellt (Kapitel 3). Dort sehen wir, dass Unternehmen auf aggregierter Ebene nur unter ganz bestimmten Bedingungen auf Dauer Gewinne erzielen können und dass diese Bedingungen unter realistischen Annahmen nur in einer wachsenden Wirtschaft erfüllt sind. In einem weiteren Kapitel (Kapitel 4) wird die Wirtschaft einer fiktiven Insel beschrieben, in der es ursprünglich keinen Wachstumszwang gibt. Das Kapitel zeigt auf, wie die Einführung eines kapitalistischen Wirtschaftssystems auf dieser Insel mehr Wohlstand schafft, aber wie sie gleichzeitig in den Wachstumszwang gerät.

In der realen Welt ist es gar nicht einfach, Beispiele von Wirtschaften zu finden, die tatsächlich über ein paar Jahre nicht gewachsen sind. Denn aufgrund des Wachstumsdrangs streben Volkswirtschaften dieses Wachstum von sich aus an. Doch die Entwicklung in Griechenland von 2008 bis 2013 liefert uns ein Anschauungsbeispiel, wie sich sechs Jahre ohne Wachstum auf eine Volkswirtschaft auswirken (Kapitel 5). Das letzte Kapitel des ersten Teils (Kapitel 6) geht auf die in der Literatur vorgebrachten Argumente gegen die Existenz eines Wachstumszwangs ein. Dabei zeigt es sich, dass sich durchaus Modelle von hypothetischen Wirtschaften konstruieren lassen, in denen es keinen Wachstumszwang gibt. Doch all diesen Modellen fehlen Merkmale der kapitalistischen Wirtschaft, welche den Wachstumszwang ausmachen.

Der zweite Teil des Buches beschäftigt sich mit der Zukunft des Wachstums. Diese wird stark durch die sich abzeichnende digitale Transformation geprägt sein. Der mit dieser Transformation verbundene arbeitssparende technische Fortschritt wird viele traditionelle Arbeitsplätze vernichten (Kapitel 7). Wie wir aber zeigen werden, lässt sich gleichzeitig ein Trend zu mehr Bürokratie beobachten, welche für die Entstehung vieler neuer Jobs sorgt. Diese Bürokratie hängt vor allem mit der steigenden Komplexität der Wirtschaft zusammen, was insgesamt eine Verschiebung der Beschäftigung von der Produktion in die Organisation des BIP bewirkt.

Neben der Digitalisierung stellt die Sättigung vieler Märkte in hochentwickelten Ländern eine weitere Herausforderung dar (Kapitel 8). Auf gesättigten Märkten ist Wachstum schwierig. Nur durch konstante Anstrengungen zur Weckung weiterer Bedürfnisse wird man auch in Zukunft Menschen zum Kauf von immer noch mehr Gütern und Dienstleistungen verleiten können, obwohl ihre grundlegenden Bedürfnisse im Wesentlichen gedeckt sind. Doch in dieser Hinsicht haben kapitalistische Wirtschaften mittlerweile erstaunliche Fähigkeiten entwickelt.

Die ganze Geschichte der kapitalistischen Wirtschaft war auch immer begleitet durch Prognosen über ihr baldiges Ende und somit das Ende des Wirtschaftswachstums. In Kapitel 9 werden bekannte Prognosen vorgestellt, die von Malthus, über Marx, Schumpeter, den Club-of-Rome-Bericht bis zu heutigen Thesen einer säkularen Stagnation reichen. Die Begründungen für das Ende waren immer wieder andere, aber eines ist allen Prognosen gemeinsam: Sie waren falsch. Der Wachstumsdrang hat bis heute alle vermeintlichen Wachstumsbarrieren aus dem Weg geräumt.

Das abschließende Kapitel (Kapitel 10) zieht die wichtige Schlussfolgerung, dass Wachstum mangels Alternativen zur kapitalistischen Wirtschaft vermutlich noch lange weitergehen wird. Stellt sich deshalb die Frage, inwieweit sich das zukünftige Wachstum in gewünschte Bahnen lenken lässt. Kann man es nachhaltiger, grüner und sozialer machen? Vieles spricht dafür, dass es noch viel Potenzial zur Entkopplung des Wirtschaftswachstums von Ressourcenverbrauch und Umweltbelastungen gibt. Im Moment zeichnen sich keine unmittelbaren ökologischen Grenzen des Wachstums ab. Trotzdem bleiben Widersprüche zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit, die sich nicht auflösen lassen. Es bleibt jedoch die Möglichkeit, den Wachstumsdrang zu mildern, wenn man die heute in der Wirtschaft dominierende Unternehmensform der Aktiengesellschaft reformiert oder ersetzt. Von der Aktiengesellschaft geht ein besonders starker Wachstumsdrang aus, der bei anderen Unternehmensformen wie etwa Genossenschaften weniger ausgeprägt ist. Wachstum ist in einer kapitalistischen Wirtschaft zwar eine Notwendigkeit, aber es muss nicht zwingend ein maximales Wachstum sein.

Teil I:
DER WACHSTUMSZWANG