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Schuldrecht Besonderer Teil für Dummies

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Über den Autor

»Schuldrecht macht Spaß!« – diese Botschaft vermittelt Tobias Huep seit mehr als zwanzig Jahren an Studierende unterschiedlichster Fachrichtungen. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Freiburg und Berlin arbeitete er als Assistent an einem zivilrechtlichen Lehrstuhl an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg. Nach der Assistentenzeit war er mehrere Jahre als Rechtsanwalt tätig, bevor er 2003 an die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen berufen wurde. Er leitet dort als Studiendekan einen wirtschaftsrechtlichen Masterstudiengang (LL.M.) und hält unter anderem Vorlesungen zum Allgemeinen und zum Besonderen Teil des Schuldrechts. Daneben ist er als Fachautor und Dozent in der Erwachsenenbildung sowie als Of Counsel in einer Rechtsanwaltskanzlei beratend tätig. Lehraufträge zum Deutschen und Internationalen Privatrecht führten ihn in den letzten zwanzig Jahren nach Minsk (Weißrussland), Cluj (Rumänien) und Paris (Frankreich).

Einführung

Herzlich willkommen im Schuldrecht Besonderer Teil für Dummies! Wenn Sie dieses Buch in Händen halten, wollen (oder müssen?) Sie sich mit dem Schuldrecht, insbesondere mit seinen verschiedenen Vertragstypen, befassen. Schon mit dem Erwerb dieses Buches haben Sie den wichtigsten Vertragstyp des Besonderen Schuldrechts kennengelernt: Sie haben das Buch wahrscheinlich gekauft, vielleicht auch nur geliehen. Sowohl den Kaufvertrag als auch die Leihe werden Sie in diesem Buch genauer kennenlernen (vergessen Sie aber auf keinen Fall, das Buch im Fall der Leihe wieder zurückzugeben – eventuell lesen Sie vorher aber noch schnell in Kapitel 7 alles Wichtige zum Leihvertrag)!

Dieses Buch beantwortet Ihnen alle wichtigen Rechtsfragen, die sich im Zusammenhang mit den schuldrechtlichen Verträgen ergeben; welche Rechte Sie bei Mängeln einer Kaufsache haben, wie viele Kakerlaken im Hotelzimmer Sie auf einer Pauschalreise hinnehmen müssen und wie die Rechtslage ist, wenn Ihr Kind den Apfelbaum des Nachbarn plündert. Dazu finden Sie hier noch viel spannendes Hintergrundwissen – was unterscheidet den Werkvertrag vom Dienstvertrag? Können sich Prominente gegen Berichterstattungen über ihr Privatleben wehren? Wie verhalte ich mich richtig, wenn auf meiner Pauschalreise das Essen eintönig oder schlecht ist? Nebenbei erfahren Sie eine ganze Menge über die wirtschaftliche Bedeutung des Schuldrechts, und damit ist insbesondere das Vertragsrecht gemeint – für Juristen also täglich Brot! Sie sehen: Das Schuldrecht ist auch in Ihrem Alltag allgegenwärtig. Immer wieder finden Sie auch kleine Hinweise auf die Geschichte des Schuldrechts, denn oft hilft ein Blick zurück, um das heutige Schuldrecht zu verstehen und seine Entwicklung richtig beurteilen zu können.

Mit dieser systematischen Darstellung der verschiedenen Schuldverhältnisse und insbesondere der schuldrechtlichen Verträge bekommen Sie einen guten Überblick über die umfangreiche Materie. Die zahlreichen Beispiele in diesem Buch sind durchweg an wichtige Gerichtsentscheidungen angelehnt; von etlichen Sachverhalten werden Sie vielleicht auch in der Presse gehört oder gelesen haben.

Über dieses Buch

Dieses Buch ist ein Lehrbuch zum Besonderen Teil des Schuldrechts der etwas anderen Art. Warum anders? Hier finden Sie hoffentlich einen entspannten und lockeren, zum Teil auch unterhaltsamen Zugang zu diesem zentralen Bereich des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Mein Anliegen war vor allem, den umfangreichen und ja eigentlich eher trockenen Stoff konzentriert darzustellen und dabei die verschnörkelte und schwer verständliche Sprache der Juristen zu vermeiden, wo es eben ging, ohne dass dies auf Kosten des Inhalts gehen sollte. Inhaltlich vermittelt Schuldrecht Besonderer Teil für Dummies Ihnen zweierlei: zum einen fachliches Wissen zum Schuldrecht, zum anderen das Werkzeug, um schuldrechtliche Fälle zu lösen. Bei allen Schuldverhältnissen ist der Aufbau gleich gehalten: Sie erarbeiten sich zunächst die Grundstruktur, bevor Sie diese mit den wichtigsten Details anreichern.

Es entspricht dem Konzept der Dummies-Bücher, Fachchinesisch zu vermeiden und Begriffe in eine verständliche Sprache zu übersetzen. Genauso verhält es sich auch mit diesem Buch. Leider kann und soll auf die wichtigen juristischen Begriffe nicht verzichtet werden – es muss sich aber im unbedingt notwendigen Rahmen halten. Sie werden sämtliche Begriffe, mit denen im Schuldrecht gearbeitet wird, erklärt bekommen. Allerdings müssen Sie dabei eines erkennen: Jeder dieser Begriffe hat eine ganz bestimmte Bedeutung, und diese Bedeutung dürfen Sie nicht beliebig ändern. Es ist genau wie in der Mathematik oder im Straßenverkehr: eine »1« muss eine »1« bleiben – eine rote Ampel bedeutet »Halt!« und nicht »Vielleicht noch schnell fahren oder nicht!«. Ein Kaufvertrag hat ganz bestimmte Inhalte und Pflichten – er ist nun einmal kein Mietvertrag! Die Begriffe sind wichtiger Bestandteil der juristischen Kommunikation, und Sie wollen doch mitreden. Lassen Sie sich von den Begriffen nicht abschrecken. Oft sind sie sogar hilfreich, manchmal recht plastisch und bildhaft und können Ihnen beim Verständnis des Schuldrechts helfen.

Konventionen in diesem Buch

Um dieses Buch für Sie unkompliziert zu gestalten, finden Sie am Anfang eines jeden Teils und am Anfang eines jeden Kapitels Hinweise auf die jeweiligen Schwerpunkte als erste Orientierung. Beim Durcharbeiten der Kapitel können Sie zur Unterstützung die Aufbauschemata in Kapitel 17 heranziehen. Auch wenn Sie keine Fälle lösen müssen, helfen Ihnen diese Übersichten, den roten Faden zu erkennen – Sie finden alle Punkte der Aufbauschemata in den jeweiligen Kapiteln genau behandelt. Die Listen, auf die Sie immer wieder stoßen werden, ordnen die Gedanken und sind gleichzeitig wiederum kleine und überschaubare Aufbauhinweise für Fallgruppen, Beispiele und Anwendungsvarianten, an denen Sie sich orientieren können.

Da die Inhalte gesetzlicher Reglungen (oder besser: die Abgrenzung der juristischen Feinheiten) mitunter nicht ganz einfach zu verstehen sind, werden diese schließlich durch zahlreiche Beispiele illustriert. Das Schuldrecht ist nie abstrakte Rechtskunst; es muss vernünftige Lösungen für ganz konkrete Probleme finden. Ausgangs- und Endpunkt ist immer ein Lebenssachverhalt – eben das, was in diesem Buch in Form von Beispielen Eingang gefunden hat. Lassen Sie es sich dabei zur Gewohnheit werden, dass Sie erst einmal selbst überlegen, wie das Ergebnis nach gesundem Menschenverstand aussehen müsste, und erst dann lesen Sie weiter!

Was Sie nicht lesen müssen

Dieses Buch ist modular aufgebaut (Gleiches gilt übrigens auch für das Schuldrecht …) – Sie müssen es deshalb nicht von vorn bis hinten durchlesen. Jedes Kapitel behandelt einen einzigen oder allenfalls mehrere zusammenhängende Vertragstypen und ist für sich abgeschlossen. Jeder Teil dieses Buches ist einem übergeordneten abgeschlossenen Thema gewidmet. Die Aufbau- und Lösungshinweise in Kapitel 17 ziehen Sie ergänzend hinzu, wenn Sie sich konkret mit schuldrechtlichen Falllösungen zu beschäftigen haben.

Nun, auch eines sollten Sie als sinnvolle Begleitung nicht vergessen, außer Sie lesen dieses Buch rein zum Vergnügen: das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) als Textausgabe oder zumindest als Datei auf Ihrem PC. An vielen Stellen wird in diesem Buch auf Paragrafen oder wichtige Definitionen verwiesen, die Sie hier in aller Länge und in voller Schönheit der komplexen juristischen Sprache genießen können.

Törichte Annahmen über den Leser

Vielleicht beschäftigen Sie sich zum ersten Mal etwas eingehender mit dem Schuldrecht und insbesondere mit dem Vertragsrecht, weil Sie sich etwas genauer über Ihre Rechte und Pflichten informieren wollen, vielleicht müssen Sie sich als Studierender der Rechts- oder Wirtschaftswissenschaften auch damit beschäftigen, weil Sie an diesem Gebiet nicht vorbeikommen können. Sie haben gewisse Befürchtungen, dass das alles sehr kompliziert und unverständlich ist und suchen einen einfachen Einstieg, denn Ihnen ist noch unklar, wie Sie je einen schuldrechtlichen Fall allein lösen sollen. Vielleicht haben Sie beruflich immer wieder mit Verträgen zu tun und konnten schon einige Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln, wissen aber noch nicht, wie alles zusammenhängt und wie Sie systematisch Probleme erkennen und vermeiden können. Und vielleicht widmen Sie sich dem Schuldrecht auch aus Lust und Laune und wünschen sich einen verständlichen und unterhaltsamen Reiseführer durch dieses Rechtsgebiet? Was auch immer Ihre Absicht ist, hoffe ich, dass Sie mit diesem Buch eine gute Wahl getroffen haben.

Wie dieses Buch aufgebaut ist

Das Schuldrecht Besonderer Teil für Dummies gliedert sich in sieben Teile und insgesamt siebzehn Kapitel. Nachstehend erhalten Sie einen kurzen Überblick, was Sie wo im Buch erwartet.

Teil I Veräußerungsverträge

Im ersten Teil werden Sie in den Besonderen Teil des Schuldrechts eingeführt. Dabei erfahren Sie etwas über die Verbindung zum Allgemeinen Teil des Schuldrechts und einige wenige Grundsätze. Danach geht es um die erste große Gruppe von Verträgen, die Veräußerungsverträge. Schwerpunkt ist der Kaufvertrag. Daneben lernen Sie aber auch die Schenkung, den Tausch und den Teilzeitwohnrechtevertrag näher kennen.

Teil II Gebrauchsüberlassungsverträge und Darlehen

Im zweiten Teil geht es im Schwerpunkt um den Mietvertrag, insbesondere als Wohnungsmietvertrag. Weiterhin erfahren Sie alles Wichtige über den kleinen Bruder des Mietvertrages, den Pachtvertrag. Praktisch wichtig ist das ebenfalls behandelte Gelddarlehen, während das Sachdarlehen in der Praxis ein Schattendasein führt und in diesem Buch dementsprechend knapp gehalten ist.

Teil III Dienstleistungsverträge

Der dritte Teil führt Sie in den Bereich der Dienstleistungsverträge ein. Dabei steht der eigentliche Dienstvertrag der Selbstständigen am Anfang. Noch wichtiger aber ist der Arbeitsvertrag, mit dem Sie einen ersten Überblick über das Arbeitsrecht insgesamt bekommen. Abgerundet wird dieser Teil mit dem Auftrag, der Geschäftsbesorgung und dem Malervertrag.

Teil IV Werkleistungsverträge und sonstige Vertragstypen

Im vierten Teil dreht sich alles um den Erfolg – es ist das entscheidende Abgrenzungskriterium für Werk-, Bau- und Reisevertrag. Den Anfang macht dabei das »Dickschiff« der erfolgsbezogenen Vertragstypen – der Werkvertrag. Die aktuellen Neuregelungen zum Bau- und Verbraucherbauvertrag sowie zum Reisevertrag bilden einen zweiten Schwerpunkt in diesem Teil.

Kapitel 13 fasst verschiedene Vertragstypen in lockerer Verklammerung zusammen, die dem juristischen Laien nicht unbedingt alle geläufig sind. Die Bedeutung von Bürgschaft, Schuldanerkenntnis und Vergleich sind in der Praxis dennoch nicht zu unterschätzen. Mit der Bürgschaft rückt zudem ein juristisch anspruchsvolles Dreiecksverhältnis in den Fokus. Der Vergleich spielt vor allem bei der Streitbeilegung vor den Gerichten eine ganz zentrale Rolle. Vorsicht ist dagegen bei der voreiligen Unterzeichnung von Schuldanerkenntnissen jeglicher Art geboten – vor allem im Zusammenhang mit Schuldregelungen bei Verkehrsunfällen!

Teil V Gesetzliche Schuldverhältnisse

Im fünften Teil verlassen Sie das Vertragsrecht und wechseln zu den gesetzlichen Schuldverhältnissen. Das facettenreiche Recht der ungerechtfertigten Bereicherung gehört zu den schwierigsten Rechtsgebieten des gesamten Zivilrechts – es wird also anspruchsvoll. Dies gilt im Grunde auch für das Deliktsrecht. Der Grund liegt hier vor allem in der Fülle der Anspruchsgrundlagen. Daneben treten die Weiterentwicklungen durch die Rechtsprechung sowie verschiedene Spezialgesetze wie beispielsweise das enorm wichtige Produkthaftungsgesetz. Dagegen führt die Geschäftsführung ohne Auftrag fast ein Schattendasein, dies liegt aber allein an der übermächtigen Konkurrenz durch Kondiktions- und Deliktsrecht!

Teil VI Der Top-Ten-Teil

Der abschließende Teil bietet Ihnen zehn umfangreich ausgearbeitete Aufbauschemata zur Lösung der wichtigsten Fallkonstellationen im Besonderen Teil des Schuldrechts.

Symbole, die in diesem Buch verwendet werden

images Hier finden Sie Tipps für Ihre Arbeit mit dem Schuldrecht, die für Sie besonders hilfreich sind.

images An dieser Stelle wird es wichtig – besondere Aufmerksamkeit ist geboten, berücksichtigen Sie die Hinweise und Tipps an dieser Stelle.

images An dieser Stelle lauern besondere Schwierigkeiten und Gefahren.

images Die hier angesprochenen Punkte verdienen es in besonderem Maße von Ihnen beachtet und behalten zu werden.

images Dieses Symbol weist auf die unerlässlichen juristischen Begriffe und Definitionen hin.

images An dieser Stelle erfahren Sie mehr über die Geschichte des Schuldrechts, Hintergründe seiner Entstehung oder besonders wichtige Gerichtsentscheidungen.

images Beispiele lassen alle Ausführungen in diesem Buch plastisch und nachvollziehbar erscheinen.

Wie es weitergeht

So eingestimmt, kann es eigentlich losgehen. Halt – eines habe ich noch vergessen! Wenn Sie dieses Thema interessiert und Sie mehr darüber wissen wollen, kann ich Ihnen auch Schuldrecht Allgemeiner Teil für Dummies sehr ans Herz legen! Während der Besondere Teil des Schuldrechts mehr auf anschauliche Beispiele und Finessen abzielt, werden Sie im Allgemeinen Teil stärker in die Grundlagen eingeführt – also eine durchaus sinnvolle Ergänzung, wenn Sie sich mit diesem Thema noch detaillierter auseinandersetzen wollen. Nun aber viel Freude beim Lesen …

Teil I

Veräußerungsverträge

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Kapitel 1

Einführung in den Besonderen Teil des Schuldrechts

IN DIESEM KAPITEL

  1. Grundsätze und Aufbau des Besonderen Teils des Schuldrechts
  2. Vertragliche und gesetzliche Schuldverhältnisse
  3. Das Zusammenspiel von Allgemeinem und Besonderem Schuldrecht

Bevor Sie jetzt so richtig mit dem »Besonderen Teil« des Schuldrechts loslegen, machen Sie in diesem Kapitel zunächst einmal Bekanntschaft mit einigen wichtigen Grundsätzen des Schuldrechts ganz allgemein. Warum muss das sein, fragen Sie sich vielleicht? – Nun, damit bekommen Sie die Grundausrüstung für Ihre Expedition in eines der wichtigsten und spannendsten Gebiete des Zivilrechts. Sie benötigen diese »Basics«, um auch an schwierigen Stellen nicht zu scheitern und die Lust an der Materie zu verlieren.

Betrachten wir das gesamte Schuldrecht zunächst einmal kurz aus der Vogelperspektive, um uns einen Gesamtüberblick zu verschaffen. Das Schuldrecht besteht aus zwei Teilen, die sehr eng miteinander verknüpft sind und nicht ohne einander bestehen könnten: den Allgemeinen und den Besonderen Teil des Schuldrechts. Dieses Buch behandelt im Schwerpunkt den Besonderen Teil des Schuldrechts und beschränkt sich auf die unbedingt notwendigen Bezüge zum Allgemeinen Schuldrecht. Aber vielleicht haben Sie ja Lust, sich auch mit dem Allgemeinen Teil näher zu befassen – in diesem Fall können Sie gern auf das Buch Schuldrecht Allgemeiner Teil für Dummies zurückgreifen!

Wo finde ich was? Der Aufbau des Schuldrechts

Da das gesamte Bürgerliche Gesetzbuch (das BGB) aus mehreren verschiedenen Teilen besteht, ist es für eine erste Orientierung und auch immer wieder als Nachschlagewerk sehr sinnvoll. Der Aufbau des BGBs verfolgt insgesamt den Grundsatz »vom Allgemeinen zum Besonderen«, und das gilt auch für das Schuldrecht. Auf den Allgemeinen Teil des Schuldrechts folgt der Besondere Teil – eben der Gegenstand dieses Buches. Das Konzept leuchtet ein und hilft bei der ersten Orientierung. Das Schuldrecht umfasst insgesamt die §§ 241 – 853 BGB, die in acht Abschnitte unterteilt sind. Während die ersten sieben Abschnitte den Allgemeinen Teil bilden, umfasst der letzte und umfangreichste achte Abschnitt den gesamten Besonderen Teil des Schuldrechts.

images Die Idee hinter dem Konzept des »Besonderen Teil des Schuldrechts« war, dass die wichtigsten Schuldverhältnisse im Einzelnen und nacheinander gesetzlich geregelt sind, wobei zwischen den einzelnen Schuldverhältnissen allenfalls ein loser Zusammenhang besteht.

Am Anfang dieses Kapitels stehen die vertraglichen Schuldverhältnisse, allen voran der wichtige Kaufvertrag (433 BGB). Auf die vertraglichen Schuldverhältnisse folgen noch einige wenige gesetzliche Schuldverhältnisse – und das war´s dann auch schon. Der Besondere Teil des Schuldrechts ist also recht überschaubar, doch hier finden Sie vieles, was für Ihre Rechte im Alltag wichtig sein könnte.

Vorsicht, nun wird es sprachlich gerade einmal sehr juristisch, doch diese Unterscheidung ist in der Praxis sehr wichtig. Den gesetzlichen Schuldverhältnissen stehen die rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisse gegenüber. Innerhalb der rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisse sind die schuldrechtlichen Verträge die bei Weitem größte Gruppe. Aber rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse und vertragliche Schuldverhältnisse sind trotzdem keine identischen Begriffe!

images Rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse entstehen durch die Willenserklärung mindestens einer Person. Der Vertrag als wichtigster Unterfall rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse erfordert mindestens zwei Willenserklärungen von zwei verschiedenen Personen!

Der Vertrag gehört also zu den rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnissen, aber längst nicht alle Schuldverhältnisse sind Verträge!

images Der Reitsportverein Kleinkirchen e.V. richtete auf der vereinseigenen Anlage ein Reit- und Springturnier aus. Dazu ließ er in der Zeitschrift »Reiter und Pferde« eine Ausschreibung veröffentlichen, die die Teilnahmebedingungen enthält. Unter Punkt 5 und 6 steht:

»5. Es besteht zwischen dem Veranstalter einerseits und den Teilnehmern andererseits kein Vertragsverhältnis; mithin ist jede Haftung für Diebstahl, Verletzungen bei Menschen und Pferden ausgeschlossen.

6. Der Veranstalter schließt jegliche Haftung für Schäden aus, die den Teilnehmern durch Fahrlässigkeit des Veranstalters entstehen

Während der Springpferdeprüfung im Rahmen des Turniers kollidierte der vereinsfremde Teilnehmer Olli Koller mit seinem Pferd »Frankenprinz« am Ende des Parcours nach dem letzten Steilsprung mit einem fahrlässig rechts neben dem Steilsprunghindernis aufgestellten Fangständer, der als fest verschraubte Holzkonstruktion mit einem Eisenfuß ausgeführt war und dessen oberes Ende einige Zentimeter niedriger lag als die obere Stange des Hindernisses. »Frankenprinz« stieß gegen diesen Fangständer und erlitt dadurch eine Verletzung im Kniebereich. Koller verlangt vom Verein Ersatz der Behandlungskosten.

Ob Koller tatsächlich die Behandlungskosten ersetzt verlangen kann, hängt davon ab, in welcher rechtlichen Beziehung er durch seine Turnierteilnahme zum Reitsportverein steht. Der Verein ist der Ansicht, dass kein Vertrag zwischen beiden abgeschlossen worden ist und hat dies auch vorab (in Nummer 5 der Teilnahmebedingungen) so kommuniziert. Außerdem wurde jegliche Haftung für fahrlässiges Handeln ausgeschlossen. Tatsächlich hat auch das oberste deutsche Zivilgericht, der Bundesgerichtshof, erkannt, dass jedenfalls kein Vertrag zwischen beiden Seiten abgeschlossen worden ist. Also alles gut für den Verein? Mitnichten: Nach Ansicht der Richter entstand nämlich ein anderes schuldrechtliches Rechtsgeschäft – ein Preisausschreiben!

Ein Preisausschreiben ist eine besondere Form der Auslobung – das finden Sie in § 661 BGB und § 657 BGB. Etwas ungewöhnlich wird es Ihnen vorkommen, dass Sportwettkämpfe, bei denen Preise verliehen werden, auch Preisausschreiben sind, denkt man doch üblicherweise hier eher an Betätigungen auf Kreuzworträtselniveau. Solche Preisausschreiben gehören als ein Fall der Auslobung zu den einseitigen Rechtsgeschäften, sie sind also keinesfalls im (schuld-)rechtsfreien Raum anzusiedeln! Da sie den vertraglichen Schuldverhältnissen sehr ähnlich sind, unterliegen auch die Regeln für ein solches Preisausschreiben (hier die Teilnahmebedingungen) denselben Anforderungen wie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) bei Verträgen. Und in solchen AGB ist der vorliegende Haftungsausschluss unwirksam, weil das zu weitgehend wäre. Ergebnis: Der Verein muss Koller tatsächlich die Behandlungskosten erstatten. An dieser Stelle dient das Beispiel lediglich dazu, Ihnen zu zeigen, welche rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisse neben den vertraglichen Schuldverhältnissen bestehen – es sind allerdings auch nicht mehr als die genannte Auslobung und ihr kleiner Ableger, das Preisausschreiben!

images Zu den schuldrechtlichen Rechtsgeschäften zählen vor allem die zweiseitigen Verträge und die einseitigen Rechtsgeschäfte, die nur die entsprechende Erklärung einer Person erfordern.

Noch eine Anmerkung zum obigen Beispiel: Unbeschadet dessen bestehen zwischen dem Auslobenden (hier: Turnierveranstalter) und den Teilnehmern schon im Vorfeld der eigentlichen Sachentscheidung durch das Preisgericht Rechtsbeziehungen im Sinne einer schuldrechtlichen Sonderverbindung, aus der (Neben-) Pflichten hinsichtlich der sorgfältigen und ordnungsgemäßen Vorbereitung und Durchführung des Wettbewerbs und hinsichtlich des Schutzes der Teilnehmer vor Gefahren, mit denen sie nicht zu rechnen brauchen, erwachsen (§ 241 Abs. 2 BGB). Es handelt sich um ein vorvertragliches Schuldverhältnis, die culpa in contrahendo gemäß § 311 Absatz 2 BGB als gesetzliches Schuldverhältnis.

Innerhalb der rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisse unterscheidet das Schuldrecht dann noch einige größere Gruppen von Verträgen, die anhand ihrer typischen Inhalte (den Hauptleistungspflichten) gebündelt sind:

  • Veräußerungsverträge, allen voran der Kaufvertrag
  • Überlassungsverträge, insbesondere der Mietvertrag
  • Tätigkeitsverträge wie der Werk- oder Dienstvertrag
  • Gesellschafts- und Gemeinschaftsverträge, beispielsweise der Vertrag über die BGB-Gesellschaft
  • auf ein Risiko bezogene Verträge, dazu gehören die Leibrente oder die Wette
  • Sicherungs- und Forderungsfeststellungsverträge, insbesondere die Bürgschaft
  • wertpapierrechtliche Verträge, zum Beispiel die für den Zahlungsverkehr wichtige Anweisung

Ein grundsätzlicher Unterschied: rechtsgeschäftliche und gesetzliche Schuldverhältnisse

Innerhalb der verschiedenen Schuldverhältnisse sind zwei Arten von Schuldverhältnissen zu unterscheiden:

  • rechtsgeschäftliche (insbesondere vertragliche) Schuldverhältnisse
  • gesetzliche Schuldverhältnisse

Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Arten liegt in ihrer Entstehung: Ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis entsteht durch eine bewusste und freiwillige Entscheidung mindestens einer Person, ein solches Rechtsgeschäft zu begründen.

images Wenn Sie sich morgens beim Bäcker Ihr Frühstücksbrötchen kaufen, hängt die Entstehung des darauf gerichteten Kaufvertrags allein von Ihnen ab. Wann Sie es kaufen, bei welchem Bäcker und welche Brötchenart Sie heute als passend empfinden, entscheiden allein Sie!

Dagegen entsteht ein gesetzliches Schuldverhältnis immer dann und »automatisch«, wenn die im Gesetz genannten Voraussetzungen für dieses Schuldverhältnis erfüllt sind.

images Beschädigen Sie in der Bäckerei durch Ihre Unachtsamkeit ein Regal, entsteht »reflexartig« ein Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung (§§ 823 f. BGB) mit der Konsequenz, dass Sie dem Bäcker Schadensersatz leisten müssen – ob Sie es wollen oder nicht, ist vollkommen unbeachtlich!

»Sind das schon alle …?« – von atypischen Verträgen

Die im Schuldrecht ausdrücklich geregelten Vertragstypen sind nicht abschließend gedacht. Der Katalog der Schuldverhältnisse im Besonderen Teil ist keinesfalls vollständig – weitere (insbesondere vertragliche) Schuldverhältnisse sind daneben möglich und existieren auch tatsächlich!

images Hans Wurst möchte sich selbstständig machen und stößt auf das Angebot der internationalen Hamburger-Kette »DRÖGER-Inn«, eine eigenständige Filiale zu eröffnen. Er nimmt Kontakt zur Deutschland-Niederlassung von »DRÖGER-Inn« auf und schließt kurze Zeit später einen Vertrag über die Eröffnung seiner eigenen Filiale. Er muss die für alle Filialen einheitliche Außendarstellung (Logos, Filialaufmachung und -einrichtung, Arbeitskleidung, Verpackungen) übernehmen. Dazu muss er die Baukosten für das Gebäude tragen und seine Mitarbeiter selbst einstellen und führen. »DRÖGER-Inn« beliefert ihn mit allen erforderlichen Rohwaren und Rezepten, die er für das vorgegebene Menüangebot braucht. Zudem bewirbt die Kette ihre Produkte, schult Wurst und seine Mitarbeiter und garantiert ihm, dass in einem bestimmten Umkreis um seinen Betrieb keine weitere Filiale eröffnet wird. Was für einen Vertrag haben Hans Wurst und die Fastfoodkette abgeschlossen?

Wenn Sie nun anfangen würden, im Schuldrecht nach einem passenden Vertragstyp für dieses Beispiel zu suchen, hätten Sie keinen Erfolg. Vielleicht erinnert Sie der Vertrag an den Mietvertrag, der aber auch nicht so richtig passen mag. Hier handelt es sich um einen Franchisevertrag, der im Geschäftsleben weitverbreitet ist, jedoch im Schuldrecht mit keiner Silbe erwähnt wird. Doch dies ist kein Problem, denn das Schuldrecht ist keinesfalls abschließend konzipiert, sondern lässt Raum für neuartige Verträge. Es ist so eine Art »Vertragsbaukasten«; den Beteiligten soll freistehen, immer dann neue Vertragstypen zu schaffen, wenn die Angebote des Schuldrechts nicht so recht passen. Ein weiteres wichtiges Beispiel neben dem Franchisevertrag ist auch der Leasingvertrag.

Diese neuen, nicht ausdrücklich im Schuldrecht geregelten Verträge werden als Verträge »sui generis« bezeichnet, sie sind also von ganz eigenem Geschlecht. Zunehmend wurden allerdings in den letzten Jahren wichtige neue Vertragstypen aufgrund ihrer praktischen Bedeutung ins Schuldrecht aufgenommen, die Sie in diesem Buch noch genauer kennenlernen werden:

  • Behandlungsvertrag (§§ 630a ff. BGB)
  • Bauvertrag (§§ 650a ff. BGB)
  • Verbraucherbauvertrag (§§ 650i ff. BGB)
  • Reisevertrag (§§ 651a ff. BGB)
  • Teilzeitwohnrechtevertrag (§§ 481 ff. BGB)
  • Zahlungsdienstevertrag (§§ 675c ff. BGB)

images Diese freie Gestaltungsmöglichkeit ist Ausdruck der im Schuldrecht besonders ausgeprägten Vertragsfreiheit!

»Wir sind ein Team …« – das Verhältnis zwischen Allgemeinem und Besonderem Schuldrecht

Grundsätzlich ist das Schuldrecht als Einheit zu betrachten, aber ähnlich wie ein Sportteam »arbeiten« sämtliche Teile ganz eng miteinander und sind aufeinander angewiesen. Es ist wichtig für Sie zu erkennen, wie dieses Team funktioniert. Der Allgemeine Teil ist das Fundament des Schuldrechts, auf dem alle weiteren Bereiche aufgebaut sind. Die einzelnen Vertragstypen können Sie dagegen als die Spezialisten für besondere Aufgaben ansehen. Besonders ausgerüstet sind sie allerdings nur, soweit dies erforderlich ist, und im Übrigen wird auf die für alle geltenden Regelungen im Allgemeinen Schuldrecht zurückgegriffen.

Dazu ein Beispiel: Wenn Sie sich die Regelungen zum Kaufrecht in den §§ 433 ff. BGB ansehen, stellen Sie fest, dass in § 437 BGB umfangreiche Rechte des Käufers für den Fall eines Mangels der Kaufsache vorgesehen sind. Ist die Kaufsache beschädigt, kann der Käufer zum Beispiel den Kaufpreis mindern (§ 437 Nummer 2, 2. Alternative BGB). Wie Sie aber vorgehen müssen, wenn der Käufer die Kaufsache überhaupt nicht liefern kann, verrät Ihnen keine Norm des Kaufrechts. In diesem Fall gehen Sie auf das Fundament im Allgemeinen Teil des Schuldrechts zurück. In § 275 Absatz 1 BGB finden Sie die Lösung: Ist die Leistung, zum Beispiel die Lieferung der Kaufsache, unmöglich, erlischt der Anspruch auf diese Leistung!

Der Gesetzgeber hat im Besonderen Teil des Schuldrechts immer nur dort spezielle Regelungen aufgenommen, wo es ihm aufgrund der Besonderheiten des jeweiligen Schuldverhältnisses angeraten erschien. Für Sie bedeutet dies: Sie müssen Ihren Blick immer wieder zwischen Allgemeinem und Besonderem Teil des Schuldrechts hin und her wandern lassen!

»Es geht auch strenger …« – von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften

Dass das Schuldrecht recht flexibel und anpassungsfähig ist, haben Sie vielleicht bereits an dieser Stelle gesehen. Sie können neuartige Vertragstypen bilden und vorgegebene Vertragsmodelle inhaltlich unterschiedlich gestalten, denn im Schuldrecht dominiert die Vertragsfreiheit. Aus diesem Grund sind die meisten Normen des Schuldrechts dispositiv, das heißt, von ihnen kann in den meisten Fällen abgewichen werden. Es gibt aber auch Ausnahmen, vor allem die verbraucherschützenden Vorschriften, die zumeist erst in jüngerer Vergangenheit ins Schuldrecht aufgenommen wurden.

Dass es auch anders, nämlich deutlich strenger geht, zeigt Ihnen das Sachenrecht. Dort herrscht Formenstrenge und Typenzwang. Sachenrechtliche Rechtsgeschäfte dürfen nicht einfach neu konzipiert und entwickelt werden; zudem müssen die für die bestehenden Rechtsgeschäfte vorgegebenen Regeln streng beachtet werden! Auch dazu ein Beispiel: Für den Erwerb des Eigentums an einem Grundstück sind die Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch und die notarielle Beurkundung der Eigentumsübertragung erforderlich. Die Beteiligten können sich also nicht einfach darauf einigen, für den Übergang des Eigentums auf die Grundbucheintragung verzichten zu wollen und diese durch einen Handschlag zu ersetzen. Der Grund dafür leuchtet ein: Während sich im Schuldrecht die Parteien erst einmal nur zu etwas verpflichten, kommt es im Sachenrecht zur tatsächlichen Rechtsänderung – es wird ernst! Dies unterstreicht das Gesetz durch den zwingenden Charakter der sachenrechtlichen Normen. Eine Abweichung ist damit ausgeschlossen.

Dieses Grundkonzept schlägt sich in den zwei Arten von Rechtsgeschäften nieder:

  1. Im Schuldrecht dominiert das Verpflichtungsgeschäft – die Parteien begründen zunächst einmal »nur« Ansprüche, die auf Erfüllung warten.
  2. Im Sachenrecht dagegen herrscht das Verfügungsgeschäft vor. Die Parteien ändern damit zur Erfüllung des zwischen ihnen geschlossenen Verpflichtungsgeschäfts unmittelbar ihre Rechtsstellung, zum Beispiel durch die Übertragung des Eigentums.