image

Judith Hornok

Der Arabische Business Code

Besonderheiten erkennen, Fallstricke verstehen und erfolgreich kommunizieren

Wiley Logo

WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA

… Sollten Sie sich vielleicht jetzt fragen, was die Darstellung der Hülle auf dem Cover zu bedeuten hat: Nun, schon in der Vergangenheit, als der Arabische Golf noch nicht in Staaten wie Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate unterteilt war, übermittelte man Nachrichten in solch einer Hülle. Dazu rollte man das Papier mit der Nachricht ein, steckte es in die Hülle und verschloss diese mit einem Siegel. Wenn das Siegel gebrochen war, wusste man – die Nachricht war gelesen. Auch heute noch findet man solche Hüllen in den Büros einiger arabischer Geschäftsleute vom Golf vor. Jetzt vor allem als Andenken an ihre Vergangenheit, auf die sie stolz sind und die als Zeichen für Sicherheit und Vertrauen stehen. Ich habe nun das Siegel gebrochen. Nehmen wir gemeinsam tiefe Einblicke in das Denken, »die Codierung« der arabischen Geschäftsleute vom Golf!

Warum ich dieses Buch schreibe

Alles begann vor neun Jahren: Ich saß in kleiner Runde mit arabischen Geschäftsleuten vom Golf zusammen. Die Stimmung war vertrauensvoll und angenehm. Plötzlich meldete sich ein befreundeter Geschäftsmann zu Wort – an seinem Gesichtsausdruck konnte man erkennen, dass ihn etwas besonders bedrückte: »Es wäre wirklich wichtig, dass uns Geschäftsleute weltweit besser verstehen lernen«, erklärte er. »Es ist oft sehr, sehr schwer, mit ihnen zu kooperieren.«

Diese Aussage des Arabers ließ mich aufhorchen, denn üblicherweise kritisieren Araber aus den Golfstaaten internationale Unternehmer niemals öffentlich. Das verbietet ihnen der Respekt für ihr Gegenüber. In der Offenheit des Arabers erkannte ich eine Chance, und ich fragte deshalb vorsichtig nach, was er mit dieser Aussage konkret sagen wollte.

Es machte den Anschein, als hätte der arabische Geschäftsmann Vertrauen zu mir gefasst, denn er erzählte weiter und schüttete mir so richtig sein Herz aus. Seine Erzählungen und Erlebnisse mit internationalen Unternehmern beinhalteten eine Fülle an gefühlten Missverständnissen. Doch auch die traurige Erkenntnis, dass das Vertrauen zwischen arabischen und internationalen Geschäftsleuten durch verschiedenste Vorfälle »ins Bröckeln geraten war«.

Der Abend verlief ruhig weiter, aber in mir war ein Feuer der Begeisterung entfacht worden. Eine Mission! In diesem Moment wurde mir bewusst: Man hatte mir soeben einen Auftrag erteilt. Und dieser lautete, Menschen weltweit zu lehren, sich besser in ihre arabischen Geschäftspartner aus den Golfstaaten einzufühlen.

In der Zwischenzeit ist am Golf viel passiert, die Zukunft wird viele maßgebliche Veränderungen bringen. Was aber weiterhin bestehen bleiben wird, ist die historische Basis der Kultur der arabischen Geschäftsleute am Golf. Damit hat dieses Buch zeitlose Gültigkeit.

Bitte berücksichtigen Sie, dass unsere bereits festgefahrenen Vorstellungen von Korruption nicht Bestandteil der Kultur und Tradition der Golfstaaten sind. Vor allem, wenn ein Land einem Wandel unterliegt, sollte man das beherzigen.

Es gibt viele Kollegen, die Bücher und Arbeiten zum Thema »Erfolgreiche Geschäfte am Arabischen Golf« geschrieben haben, hilfreiche Benimmregeln aufzeigen sowie kulturelle Unterschiede und Wirtschaftsreports analysieren. Ich nähere mich diesem Thema anders: Als Wahrnehmungstrainerin erforsche ich, wie wir Grenzen übergreifend besser kommunizieren können. Deshalb habe ich über viele Jahre in Kooperation mit Psychiatern, Psychologen, Gehirnforschern und gemeinsam mit meinem Team Araber aus den Golfstaaten in ihrem Verhalten – in ihren Aktionen und Reaktionen – erforscht, analysiert und decodiert. Stundenlang, oft tagelang führte ich Diskussionen mit Geschäftsleuten aus der Golfregion sowie von außerhalb und studierte ihre Verhaltensmuster und Codierung, im kleinsten Detail. Es ist eine richtige Studie entstanden, deren Aussagen und Erkenntnisse ich dann »decodierte« und im Buch: Der Arabische Business Code (im Buch abgekürzt »ABC« genannt) zusammengefasst habe.

Dieses Buch gibt erste Einblicke in meine Erkenntnisse mit Fallbeispielen von erfolgreichen internationalen Unternehmen, Lösungsvorschlägen und Techniken. Ich habe versucht, so einfach wie möglich zu schreiben, denn auch das haben mir unsere Coachings von Unternehmen gezeigt: Je einfacher die Formulierung, desto besser merkt man sich Dinge und ist erfolgreich.

Sehen Sie dieses Buch als Arbeitsbuch, das Sie immer wieder zur Hand nehmen und auch nur einzelne Kapitel lesen können. Es soll Ihre sozial-emotionale Kompetenz stärken und Ihre Achtsamkeit im Umgang mit dem arabischen Geschäftspartner schulen. Einige Inhalte und Techniken werden Ihnen bekannt sein, aber oft vergisst man sie in der Hektik des Alltags – deshalb habe ich sie angeführt. Probieren Sie die Techniken aus, überprüfen Sie, wie sie bei Ihnen funktionieren – und erzählen Sie mir davon.

Noch etwas: Einige internationale und arabische Unternehmer haben mir die Erlaubnis gegeben, sie namentlich zu nennen, andere habe ich im Rahmen der Schweigepflicht nur anonymisiert erwähnt.

So, jetzt habe ich genug erzählt, es bleibt mir nur noch eines zu sagen: Alles, alles Gute und natürlich erfolgreiche Geschäfte mit interessanten Menschen aus der arabischen Golfregion – auf bald!

Ihre Judith Hornok

Über die Illustrationen. Die sieben Charaktere der Todsünden im Geschäftsleben am Golf

Hintergrund der Entstehung

Ich habe schon immer in Bildern gedacht – bei jeder emotionalen Aktion und Reaktion eines Menschen entsteht in mir ein Bild eines »Charakters«. Sei es ein Wutausbruch, ein übertriebenes, aufgeblähtes »Ego« oder ein unerbitterliches »Vorurteil«, das ständig in uns auftaucht und uns dazu verleitet, Menschen aufgrund unserer Erfahrungen oder Aussagen von Dritten, vorzuverurteilen.

Mein großes Vorbild beim Kreieren dieser »Charaktere« waren die Figuren des alten Walt-Disney-Stils. Auch hier hat der »Allerböseste« mit sich selbst zu kämpfen, jedes Wesen hat unterschiedliche Seiten und kann auf jede mögliche Art agieren und reagieren. Es ist immer eine Frage, in welcher Situation man sich gerade befindet und wie willensstark und diszipliniert man in einem bestimmten Moment ist – ob man es schafft, in solchen Situationen seinen Gefühlen und Emotionen, den »Charakteren«, klare Regieanweisungen zu geben. Ich denke im Fall des Charakters »unerbitterlichen Vorurteil« zum Beispiel an die Regieanweisung: »Geh weg, Vorurteil! Ich brauche dich nicht! Du bist hier und jetzt nur kontraproduktiv für unsere Zusammenarbeit mit dem Araber!« Dasselbe gilt für den »aggressiven inneren Kritiker« in uns, aber ebenso für die »lähmende Angst« und die zerstörerische Form der Wut, das »erzürnte Wutteufelchen«.

Ich habe insbesondere emotionale Regungen analysiert, die besonders geschäftsgefährdend bei der Zusammenarbeit mit arabischen Geschäftsleuten vom Golf sind. Und auch hier habe ich mir diese »Verhinderer« als Figuren vorgestellt – als »Charaktere«. Entstanden ist eine bunte Mischung von Kreaturen.

Vorhang auf! Wo die sieben Charaktere im Buch zu finden sind

Sie finden diese sieben Charaktere über das gesamte Buch verteilt, in den verschiedensten Situationen zwischen internationalen Geschäftsleuten und Arabern vom Golf. Am Schluss des Buches finden Sie eine Auflistung, auf welchen Seiten sich die einzelnen Charaktere befinden.

Kapitel 1
Die Basics des Arabischen Business Codes (ABC)

Sind Sie bereit, am Arabischen Golf zu arbeiten?

Im Zuge meiner Beobachtung des arabischen Markts ist mir aufgefallen, dass es drei spezielle Verhaltensweisen gibt, die internationale, langfristig vor Ort erfolgreich tätige Unternehmer auszeichnet: Sie alle sind »authentisch«, das heißt, sie meinen das, was sie sagen, auch wirklich. Außerdem agieren sie von »innen nach außen« und sind in ihren Aktionen und Reaktionen immer balanciert. Die Erfolgsfaktoren können wir also so zusammenfassen:

Vergessen Sie beim Lesen des Buches diese Erfolgsfaktoren nie. Sie werden erkennen, wie oft diese Beziehungsweise, die damit verbundene innere Einstellung in den verschiedensten Situationen immer wieder auftauchen.

Jetzt aber zum ersten Punkt, der Vorbereitung Ihres Engagements in der arabischen Golfregion. Es gilt, die Hausaufgaben zu machen und sich gründlich vorzubereiten.

1.1 Ihre Hausaufgaben

Über die klassischen Vorbereitungsschritte für den arabischen Markt sprechen wir im Kapitel »Ihre Professionelle Kompetenz«. Dabei wird es um folgende Punkte gehen: Marketing-Research, das Sammeln von Informationen über den Mitbewerber und natürlich auch die hundertprozentige Vorbereitung der Verkaufskraft – wie präsentiert man sein Unternehmen und sich selbst als dessen Manager?

Selbstverständlich muss man sich ein Grundwissen über den Islam, die Religion am Golf, aneignen, um langfristig erfolgreich vor Ort geschäftlich zu bestehen. Dazu gibt es sehr gute Fachliteratur, die hilft, zu verstehen, was einen Moslem zu einem Moslem macht.

Aber darauf möchte ich jetzt nicht eingehen. Was mich interessiert und worauf ich meine Beobachtungen am Golf konzentriert habe, war herauszufinden, welche Vorbereitungsmöglichkeiten es darüber hinaus für internationale Unternehmen gibt, sich vom Mitbewerber vor Ort abzuheben.

Meine Erkenntnisse dazu: Grundsätzlich gilt: Beziehungsaufbau – Respekt – die Beziehung nachhaltig leben. Zeigen Sie Ihrem arabischen Gegenüber, dass Sie sich für ihn interessieren, erweisen Sie ihm damit Respekt. Dadurch entsteht eine nachhaltige Beziehung. Damit Sie dieses Ziel erreichen können, habe ich drei unterschiedliche Tools entwickelt, die Sie kombinieren sollten.

Tool 1: Lernen Sie den Stolz der Golfstaatler auf ihr Erbe und ihre Geschichte verstehen

Hintergrund: Wer den Arabischen Golf kennt, weiß, wie stolz die Menschen auf ihre Geschichte und ihre Vorfahren sind, vor allem in Saudi-Arabien. Man erwartet, dass das internationale Gegenüber über ein entsprechendes Wissen über diesen Hintergrund verfügt – denn das beweist Respekt.

Probieren wir deshalb gleich etwas aus: Können Sie diese Fragen beantworten?

Wenn Sie diese Fragen nicht beantworten können, lesen Sie sich ein. Das Hintergrundwissen wird Ihnen einen Vorsprung gegenüber Ihrer Konkurrenz verschaffen!

Tool 2: Verstehen Sie die Stammesbeziehungen in der Golfregion

Alles basiert auf der Stammesgesellschaft – vor allem in Saudi-Arabien.

Hintergrund: Es ist wichtig, die Bedeutung der Stammesstruktur für diese Menschen zu begreifen und zu wissen, wie sie sich historisch entwickelt hat.

Es geht nicht darum, die ganze Geschichte der Beduinen zu kennen. Der Fokus liegt darauf, zu verstehen, was die Golfstaaten großgemacht hat. Wer steckt dahinter? Wer hat die entsprechenden Entscheidungen gefällt?

Ziel: Wie man seinem Gegenüber im Gespräch Verständnis signalisiert

Fallbeispiel: Ein internationaler Unternehmer traf einen saudi-arabischen Unternehmer in Riad. Man sprach über das Business, der Besucher hatte schon vorab über die Familie recherchiert. Er wusste, dass es sich um einen bekannten, angesehenen Familienstamm handelte und ließ dieses Know-how zwischendurch immer wieder in das Gespräch einfließen. Der arabische Gesprächspartner war berührt von dem Wissen seines Gegenübers. Er erkannte, wie sehr sich der Unternehmer schon vorab mit ihm befasst hatte. Entsprechend offen und interessiert zeigte er sich in diesem Gespräch.

Versuchen Sie Folgendes: Gehen Sie einen Schritt weiter, recherchieren Sie noch gründlicher. Unterhalten Sie sich mit anderen internationalen Unternehmern, die schon längere Zeit am Golf tätig sind. Fragen Sie nach Details in den Geschichten über Ihre arabischen Verhandlungspartner.

Kennen Sie zum Beispiel die Entstehungsgeschichte des Scheichtums Abu Dhabi und Scheich Zayed »Papa Zayed«? Fragen Sie einmal nach. Das Wissen um diese Geschichten zaubert Ihren einheimischen Partnern ein Lächeln aufs Gesicht, und Sie hören sicherlich lobende Worte. Und Sie spüren, dass der andere es als besonders respektvoll empfindet, dass Sie sich damit auseinandergesetzt haben. Das gilt für arabische Geschäftleute aller Generationen vom Golf.

Tool 3: Kenne die Namen der Regierungsoberhäupter und entscheidenden Familienstämme

Dynamiken: Bevor man in einen Golfstaat reist, muss man über das Who’s Who der Entscheidungsträger Bescheid wissen – und ebenso, wer wo regiert. Viele Mitglieder regierender Familien sind selbst aktive Geschäftsleute und Eigentümer verschiedenster Unternehmen – von Banken über Telekom-Gesellschaften und Ölgesellschaften bis hin zu mittelständischen Unternehmen wie Spas und Restaurants. Jeder kennt jeden – darüber sprechen wir noch ausführlich im Kapitel 4 (Goldene Regel Nr. 2 Familie). Wenn man weiß, wer mit wem »vernetzt« ist und wer für wen sprechen kann, hat man eine großartige Ausgangsposition für Geschäftsgespräche und Verhandlungen.

Fallbeispiel: König ist nicht gleich Scheich

Ich kann mich an einen internationalen Unternehmer erinnern, der in den Emiraten einen Termin mit einem lokalen Geschäftsmann hatte und zwischendurch immer und immer wieder einen »König« erwähnte. Wir alle wussten nicht ganz genau, wen er damit meinte, und gingen darauf nicht ein. Irgendwann sagte der arabische Gesprächspartner zu ihm: »Sorry, aber wir haben hier keine Könige.«

Was man bedenken muss: Das war natürlich eine äußerst peinliche Situation, denn damit war klar, dass der Unternehmer sich überhaupt nicht mit dem Land auseinandergesetzt hatte – ein Zeichen für mangelnden Respekt. Und etwas, das überhaupt nicht notwendig gewesen wäre. Der Unternehmer hätte vorher nur seine Hausaufgaben machen müssen.

Zusammenfassung: Es ist hilfreich, wenn Sie Ihrem arabischen Geschäftspartner Ihr Interesse bezeugen, indem Sie Folgendes wissen:

1.2 Ihre persönliche Einstellung zum Arabischen Golf

Es ist leider vielen internationalen Unternehmen noch immer nicht bewusst: Die mentale Verfassung beziehungsweise persönliche Einstellung der Manager und Mitarbeiter ist für den Geschäftserfolg am Arabischen Golf extrem wichtig – also was man über die Menschen aus der Golfregion denkt, wie man sie sieht, welches Bild man von ihnen und ihrem Land hat.

Vor allem, wenn Sie bereits vor Ort arbeiten, denken Sie bitte aber auch weiterhin an sich – an den privaten Ausgleich, der bewirkt, dass Sie sich wohl fühlen und mühelos eine positive Einstellung beibehalten können.

In diesem Abschnitt stelle ich Ihnen zwei Tools vor: Tool 1 ist ein »Mental-Check«, der Sie auf die Zeit am Arabischen Golf vorbereitet, Tool 2 ist der so notwendige »Survival-Masterplan«, der Sie dabei unterstützt, Ihr Berufs- und Privatleben in guter Balance zu halten. Beginnen möchte ich mit dem Mental-Check.

Tool 1: Überprüfen Sie Ihre Denkweise! Der persönliche Mental-Check

Fallbeispiel: Ich erinnere mich gut an einen meiner Business-Vorträge im Princeton Club in New York. Während meiner Ausführungen fragte mich ein Mann in einer besonders aggressiven Art: »Warum sollte ich mit den Arabern Geschäfte machen? Die sind doch alle gleich – die zahlen nicht! Die lügen alle, arbeiten nicht, behandeln Frauen schlecht.« Er zählte alle Arten von negativen Eindrücken auf. Ich hörte ihm aufmerksam zu, ganz in Ruhe, und versuchte, keine Gegenargumente aufzuzählen, obwohl es davon eine Reihe gegeben hätte. Dann sagte ich ernsthaft und mit dem größten Respekt: »Sie haben vollkommen recht! Sie sollten nicht auf diesem Markt tätig sein. Der ist nichts für Sie!« Der Mann war sprachlos und sah mich schockiert an. Doch es stimmte – mit einer solch negativen Haltung ist Misserfolg vorprogrammiert.

Noch heute bin ich von meiner Aussage überzeugt. Verstehen Sie mich richtig: Es gibt Menschen, bei denen ich trotz einer solchen Haltung dennoch Potenzial sehe – und diesen Menschen hätte ich nie davon abgeraten, am arabischen Markt geschäftlich tätig zu sein. Die Einstellung mancher Menschen basiert auf Verunsicherung, geschürt von »angsteinflößenden Bildern« der Medien. Daraus entsteht oft eine deutliche innere Abwehr, die eine Art von Schutzmechanismus ist. Das ist nachvollziehbar. Diese Menschen sind aber nach wie vor neugierig! Sie sind noch immer bereit und offen, neue Sichtweisen kennenzulernen, sie wollen die andere Seite verstehen. Das erkennt man an der Art, wie sie Fragen stellen. Ganz im Gegensatz zu dem vorher erwähnten Mann. Sein Tonfall machte deutlich: Ich will die Araber nicht! Kein noch so starkes Argument hätte ihn vom Gegenteil überzeugen können. Somit stand für mich fest: Dieser Mann kann langfristig nicht erfolgreich sein, denn Menschen vom Golf nehmen eine ablehnende Haltung ganz besonders intensiv wahr – ob diese nun verbal oder nonverbal ausgedrückt wird. Dieses Thema wird im Kapitel »Sechster Sinn« behandelt.

Was man wissen muss: Neben einer oberlehrerhaften Einstellung internationaler Unternehmer gegenüber Menschen dieser Region stehen Geldgier und Arrogranz an zweiter und dritter Stelle des Beinbruchs am Golf. Wenn die Gesprächspartner vor Ort diese Einstellung nur im Ansatz erfühlen und spüren, dass Unternehmen sie eigentlich nicht mögen, werden sie sich aus dem Meeting diplomatisch zurückziehen. Dementsprechend sollte man sich über seine mentale Verfassung im Klaren sein, bevor man zu einem Meeting mit potenziellen arabischen Geschäftspartnern geht.

Machen wir dazu am besten einen kurzen Mental-Check. Finden wir heraus, welche Haltung Sie ganz persönlich gegenüber dem Arabischen Golf und seinen Menschen haben, wie Ihre Wahrnehmung dieser Region und ihrer Bewohner im Augenblick ist.

Stellen Sie sich folgende Fragen:

Haben Sie es probiert? Spannend, was da für Assoziationen aufkommen. Und vor allem, was man dabei empfindet, wie die persönlichen Wahrnehmungen in diesem Moment sind.

Vor allem der Führungsspitze von Unternehmen und Konzernen rate ich dringend, Ihre Mitarbeiter einem Mental-Check zu unterziehen, bevor Sie sie in die Golfregion schicken. Das ist eine wichtige Investition – insbesondere, wenn Saudi-Arabien die Zielregion ist.

Hier herrscht Handlungsbedarf in Unternehmen: Unterziehen Sie potenzielle Mitarbeiter, bevor Sie diese in den Arabischen Golf schicken, bereits im Erstgespräch einem speziellen »Filterprozess«, testen Sie dabei ihre mentale Ausgangsposition. Wenn Sie erkennen, dass jemand eine Abneigung gegenüber Arabern vom Golf hegt, schicken Sie ihn nicht hin. So fachlich qualifiziert er oder sie auch sein mag!

Tool 2: Der »Survival-Masterplan« – eine »Überlebens-Technik«

Dynamik: Es gibt viele Länder der Welt, die nicht das »eigene Zuhause« sind und wo es ratsam ist, einen »Survival-Plan« vorzubereiten, wenn man dort langfristig arbeiten möchte. Das ist ein strategisch kluger Ansatz. So eigenständig, anpassungsfähig und stark man auch sein mag – letztendlich ist man Teil einer anderen Kultur mit anderen Lebenseinstellungen und Werten. Und da ist es sinnvoll, sich einen Ausgleich zu schaffen und darüber nachzudenken, was man abseits der Arbeit für sein »Seelenwohl« tun kann. Denn man möchte ja langfristig bestehen. Aber manche Firmen und Unternehmen denken eben anders – leider, muss ich sagen.

Fallbeispiel: Einsamer Burn-out – die schleichende Gefahr der Vereinsamung: Ich erinnere mich an eine Mitarbeiterin eines angesehenen westlichen Unternehmens, die nach Saudi-Arabien geschickt wurde, um vor Ort das Büro zu leiten und aufzubauen. Sie sprühte vor Engagement und Tatkraft, war positiv auf das Land und die Menschen eingestellt. Es machte meinem Team und mir riesengroßen Spaß, ein Einführungsseminar über die grundsätzlichen Verhaltensweisen am saudi-arabischen Markt mit ihr durchzuführen – denn sie war interessiert, offen und damit auch sehr gut coachbar. Wir rieten zu einer Fortführung der Trainings-Sessions, um ihren langfristen Aufenthalt in diesem Golfstaat zu begleiten und dabei einen persönlichen »Survival-Masterplan« für sie zu erstellen, mit Fokus auf Details, wie sie sich vor Ort besser vernetzen kann. Aber das Unternehmen wollte nicht weiter in Coachings investieren. Man sah aufgrund der starken Charaktereigenschaften der Mitarbeiterin keinerlei Bedarf, und alle Beteiligten waren davon überzeugt, dass sie sich schnell und unkompliziert vor Ort einleben würde. Mein Team und ich glaubten nicht daran. Nach einem halben Jahr wurde ich davon unterrichtet, dass die junge Frau aufgrund von Burn-out das Unternehmen verlassen hatte.

Was war passiert? So groß das Potenzial dieser Frau auch gewesen sein mag – und selbst wenn sie über alle charakterlichen Grundvoraussetzungen verfügt hätte, um langfristig am Markt Saudi-Arabien zu bestehen –, es war einfach ein fremdes Land mit eigenen Abläufen und Regelungen, die man nicht verändern kann. Mensch bleibt eben Mensch. Eine unvorbereitete mentale Einstellung kann langfristig jedem einen Strich durch die Rechnung machen.

Im besten Fall erkennen Arbeitgeber frühzeitig die Warnsignale, wie zum Beispiel der Unternehmer aus dem eben angeführten Zitat. Im schlimmsten Fall werden Mitarbeiter krank und ziehen sich ohne Angabe von Gründen zurück. Dahinter steckt in vielen Fällen ein Ausdruck von Hoffnungslosigkeit. Forscht man weiter, erkennt man, dass es diese Menschen nicht geschafft haben, sich abseits der Arbeit in die Gesellschaft am Golf zu integrieren. Die Folgen: Das Unternehmen verliert nicht nur wertvolle Mitarbeiter, sondern verunsichert mit dem plötzlichen Verschwinden von Mitarbeitern das gesamte Team am Standort – und den arabischen Kunden, der sich bereits auf diesen Mitarbeiter eingestellt hatte.

Vor Ort tätige internationale Unternehmen sollten den privaten Ausgleich, das Eingliedern der Mitarbeiter in die Gesellschaft abseits der Arbeit in den Fokus stellen. Das gilt für Geschäftsmänner und Geschäftsfrauen gleichermaßen. Beginnen wir deshalb hier mit den ersten Vorbereitungen des »Survival-Masterplans«:

Der »Survival-Masterplan« – Schritt 1

Stellen Sie sich folgende Fragen:

  • Was mache ich derzeit in meiner Freizeit?
  • Wie erhole ich mich am besten?
  • Was unternehme ich derzeit neben meiner beruflichen Tätigkeit zum körperlichen Ausgleich?
  • Was unternehme ich derzeit neben meiner beruflichen Tätigkeit zum geistigen Ausgleich?

So nehmen Sie erstmals für sich selbst wahr, was Ihnen Ausgleich zu Ihrer beruflichen Aktivität verschafft. Darüber denkt man oft gar nicht nach. Haben Sie Antworten auf Ihre Fragen gefunden, gehen wir zu Schritt 2 über.

Der »Survival-Masterplan« – Schritt 2

Überlegen Sie sich, wie Sie Ihre Antworten auf die Golfregion umlegen können, wie Sie Ihre Bedürfnisse konkret an Ihrer neuen Wirkungs- und Wohnstätte befriedigen können.

Wie schon ein Sprichwort sagt: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Sie müssen selbst aktiv werden, um sich aus depressiven Stimmungen herauszuziehen. Der österreichische Psychiater Dr. Reinhard Haller nennt das, sich darüber bewusst zu werden, dass auch diese Zeiten vorübergehen. »Das muss man wie eine Fahrt in einem Tunnel sehen«, rät Dr. Haller. »Irgendwann ist man auch wieder im Licht!«

Versuchen Sie Folgendes: Erstellen Sie für sich eine »Belohnungs-Liste« mit allem, was Sie schon immer für sich tun wollten. Arbeiten Sie diese Liste Punkt für Punkt ab. Probieren Sie es aus!