Sachenrecht für Dummies
Sachenrecht für Dummies
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1. Auflage 2018
© 2018 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
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Coverfoto: © Mazirama / iStock/ Thinkstopk
Korrektur: Frauke Wilkens, München
Print ISBN: 978-3-527-71304-2
ePub ISBN: 978-3-527-80357-6
Prof. Dr. jur. Peter Eisenbarth ist Professor für staatliches Liegenschaftsrecht, Zivilrecht und öffentliches Baurecht an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg. Zuvor war er Leiter einer Abteilung für Immobilien- und Gebäudemanagement bei einem Amt des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg und davor Rechtsanwalt mit wirtschaftsrechtlicher Ausrichtung. Seine Lehrtätigkeiten begann der Autor im Frühjahr 2002 bereits als Anwalt. Aus dieser Zeit bestehen noch Lehraufträge an der Hochschule Konstanz für Vertragsrecht in den Studiengängen Wirtschaftsingenieurwesen und für Sachenrecht im Studiengang Wirtschaftsrecht. Zudem gibt er an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Baden-Württemberg grundstücksspezifische Kurse als berufsbegleitende Fortbildungen. Er ist Mitglied im Gutachterausschuss für Grundstückswert der Stadt Konstanz und Autor von Sachenrecht Fälle und Schemata für Dummies.
Seit Beginn seiner Lehrtätigkeit ist es dem Autor ein Anliegen, Jura in Deutsch zu übersetzen. Das fand in vielen Beurteilungen, unter anderem online auf »MeinProf.de« sehr viel Anklang. Mit den fachlich intensiven, aber möglichst für jedermann verständlichen Büchern der … für Dummies-Reihe ergibt sich eine wunderbare Kombination, dieses Anliegen des Autors auch schriftlich umzusetzen.
Prof. Michael Grau ist Professor für Privatrecht und staatliches Liegenschaftswesen an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg. Als Absolvent dieser Hochschule (Diplom Finanzwirt-FH) und dem daran anschließenden Jurastudium an der Universität Tübingen kennt er beide Hochschularten und damit die Bedürfnisse der Studierenden. Durch seine knapp zehnjährige Berufstätigkeit als Justiziar beim Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg kann er seine Praxiserfahrung im Privat- und Sachenrecht durch viele praktische Beispiele den Studierenden weitergeben. Seine Lehrtätigkeit begann er 2004 mit einem Lehrauftrag im Sachenrecht an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen, bevor er 2009 an dieser Hochschule zum Professor berufen wurde. Daneben lehrt er an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg das Handels- und Gesellschaftsrecht und hielt Seminare bei der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Baden-Württemberg zum Facility Management, Miet- und Grundstücksrecht.
Dem Autor ist es ein großes Anliegen, Gesetze und Rechtsvorschriften so zu erklären, dass sie jeder verstehen kann. Gesetze sind schließlich für den Bürger gemacht und sollten für jeden verständlich sein.
Unsere Welt und unser Alltag sind von Sachen geprägt. Sei es, dass Sie ein Paket vom Paketzusteller erhalten, ein Grundstück erwerben und darauf ein Haus errichten, in Ihrem Urlaub ein Auto mieten oder die Verpackung einer Ware wegwerfen, immer geht es um Sachen. Diese können wirtschaftlich betrachtet einen mehr oder weniger hohen Wert haben. Mit diesen Werten kann und soll gewirtschaftet werden, weshalb der Staat in unserem Grundgesetz in Artikel 14 das Eigentum und Erbrecht schützt. Aus diesem Grund ist es wichtig zu wissen, was man als Eigentümer oder Besitzer von Sachen alles darf und was nicht. Welche Möglichkeiten eröffnen sich dadurch und welche Regelungen gibt es hierzu? Kurzum, das Sachenrecht ist ein bedeutsames Rechtsgebiet in unserer Gesellschaft und unserem Alltag.
Es lohnt sich also über den Allgemeinen Teil des BGB und das Vertragsrecht hinaus auch das Sachenrecht mit seinen Vorschriften über Eigentumserwerb und den sachenrechtlichen Teilrechten zu kennen, um sich sicher im (Rechts-)Alltag zu bewegen und gezielt wirtschaften zu können.
Und nicht zuletzt spielt das Sachenrecht als juristisches Fach in vielen Studiengängen an Universitäten und Hochschulen eine nicht unbedeutende Rolle. Das Sachenrecht ist deshalb so interessant, weil Sie Regelungen des Allgemeinen Teils des BGB anwenden können und diese Rechtsmaterie von den Regelungen des Schuldrechts abgrenzen müssen. Mit dem Sachenrecht kann man sehr schön erkennen, ob ein Prüfling in der Lage ist, mit dem Gesetz zu arbeiten und Zusammenhänge der einzelnen Bücher des BGB zu erkennen. Entsprechend wichtig ist das Sachenrecht auch für Prüfungen.
Das Sachenrecht wird unseres Erachtens zu Unrecht manchmal als schwer empfunden. Vielleicht kommt es daher, dass nach dem Einstieg ins Zivilrecht mit BGB Allgemeiner Teil und Schuldrecht das Sachenrecht als dritte Disziplin noch dazukommt. Dabei ist das Sachenrecht wesentlich strukturierter als das Schuldrecht. Außerdem dürfen Sie im Sachenrecht nur die Instrumente verwenden, die Ihnen das Gesetz zur Verfügung stellt. Im Schuldrecht hingegen ist Ihrer Gestaltungsfreiheit von Vertragsarten keine Grenze gesetzt und etliche Vertragsarten finden Sie gar nicht im Gesetz. Das macht das Sachenrecht einfacher und Sie sollten keinesfalls davor zurückschrecken. Uns ist daran gelegen, Ihnen mit vielen Übersichten diese Strukturen aufzuzeigen und anhand von Beispielen zu erklären, sodass Sie nach einer intensiveren Arbeit mit diesem Buch eine grundlegende Sicherheit im Mobiliar- und Immobilienrecht haben. Falls Sie Themen üben wollen, steht Ihnen auch Sachenrecht – Fälle und Schemata für Dummies unterstützend zur Verfügung.
Sachenrecht für Dummies möchte in einer anderen Art als typisch juristische Lehrbücher eine für den Alltag wichtige Rechtsmaterie erklären. Es soll ein Grundverständnis für das Sachenrecht geben. Dafür versuchen wir
Wir bitten bereits jetzt um Nachsicht, falls uns der Verzicht auf die Juristensprache – nach Jahrzehnten im juristischen Alltag – an der einen oder anderen Stelle nicht vollständig gelungen sein sollte.
Es ist uns aber ein ernsthaftes Anliegen, Ihnen mit etwas Humor und klarer Sprache darzulegen, wie Sachenrecht funktioniert. Dazu entpacken wir es an vielen Stellen zunächst von den juristischen Begriffen, fügen diese aber auch an.
Sie erhalten damit die Möglichkeit, Recht einmal anders als in den typischen juristischen Lehrbüchern kennenzulernen. Wir sind überzeugt, dass es so für viele, die sich mit Recht befassen wollen oder müssen, noch besser geht. Dabei soll auch der Spaß nicht zu kurz kommen – Jura muss nicht zwangsläufig eine trockene Materie sein und auch nicht unverständliches Fachchinesisch. Ganz im Gegenteil. Die folgenden Seiten werden Ihnen zeigen, dass Recht – auch das Sachenrecht – lebendig ist, weil es täglich zur Anwendung kommt.
Sachenrecht für Dummies ist trotz eines anderen Ansatzes inhaltlich genauso vollständig wie andere Lehrquellen auch.
Dieses Buch hat nicht den Anspruch,
Sachenrecht für Dummies kann und wird auch nicht die Grundelemente studentischen Wissens ersetzen:
Wir konzentrieren uns auf eine klare, einfache Darstellung. Aber bei aller Struktur, die wir als roten Faden aufzeigen, sind Einzelprobleme recht komplex. Ob wir dabei immer den richtigen Weg zu Ihrem Verständnis finden, können wir nicht garantieren, setzen aber alles daran.
Sie erhalten also eine Ergänzung zu üblichen Lehrbüchern, aber kein Allheilmittel.
Und falls Sie auf der Suche nach Antworten zu einem konkreten Fall sein sollten, kann dieses Buch eine fundierte Rechtsberatung natürlich auch nicht ersetzen.
Die Leser dieses Buches für ungebildet oder ignorant zu halten wäre töricht. Dass Sie sich für dieses Buch entschieden haben, belegt vielmehr das Gegenteil:
Wenn Sie bereits Zugang zum Zivilrecht und damit zur manchmal wundersamen juristischen Denk- und Arbeitsweise gefunden haben, können Sie sofort loslegen.
Weil Sie einen thematischen Teilausschnitt des Zivilrechts vorliegen haben, müssen wir aber von Ihren Grundkenntnissen aus dem Allgemeinen Teil des BGB und aus dem Schuldrecht ausgehen.
Die Vorkenntnisse sind nicht absolut zwingend und wir erklären nebenbei auch den ein oder anderen Zusammenhang. Es wäre aber hilfreich, wenn Sie insoweit eine Basis mitbringen würden.
Wenn Sie sich zum ersten Mal mit dem Sachenrecht beschäftigen, beschäftigen Sie sich am besten zunächst mit Teil I »Sachen gibt’s …« als Einstieg. Ansonsten können Sie generell nach Lust und Laune die Kapitel lesen – vor allem die Teile über bewegliche und über unbewegliche Sachen frei ansteuern.
Der Gesetzgeber hat Ihnen und uns aber auch ein Gesamtwerk vorgelegt, das sich oft thematisch auf andere Themen bezieht und aufbaut. Daher ist unsere generelle Empfehlung: Gehen Sie das Buch beziehungsweise die beiden Teile für sich, chronologisch durch.
Bei uns Autoren hat sich in vielen Jahren Praxis und Lehre die Überzeugung gebildet, dass auch viel Frustration daher kommt, dass man Rechtsbücher von »A bis Z« liest. Das bedeutet oft aber, sich lange und ausgiebig mit einzelnen Begriffen und Definition trocken abzumühen, bis es endlich inhaltlich losgeht. Insofern bauen wir auch Vorlesungen gerne mal ganz anders auf und starten mit der Materie, über die dann die Grundbegriffe erarbeitet werden.
Für dieses Buch sollte jeder selbst entscheiden, was ihm liegt und wie es angegangen werden soll. Die Hauptsache ist, Sie machen es.
Nehmen Sie dieses Angebot an und lesen Sie auch wirklich den Gesetzestext – so häufig wie möglich.
Denn – an dieser Stelle schon ein ganz wertvoller Tipp für Sie: Unkommentierte Gesetzestexte sind in Klausuren fast immer das einzig zugelassene Hilfsmittel. Dieses Buch können Sie – so schade das ist – dann nicht mitnehmen.
Damit Sie sich in diesem Buch gut zurechtfinden, haben wir es in fünf Teile aufgeteilt.
Der erste Teil erläutert Ihnen die Grundgedanken des Sachenrechts und zeigt Ihnen grundlegende Strukturen auf. Sie erhalten eine Übersicht zu den Zusammenhängen mit und den Abgrenzung zum Allgemeinen Teil des BGB und dem Schuldrecht. Vorgestellt werden Ihnen die notwendigen Begriffe und Definitionen, die das Sachenrecht benötigt. Darüber hinaus erläutern wir die Grundsätze, nach denen das Sachenrecht funktioniert. Und schließlich treffen Sie erstmals auf die ganz zentralen Begriffe von Besitz und Eigentum.
Ihnen wird der rechtliche Umgang mit beweglichen Sachen erläutert. Wie kommt es wirksam zum Besitz an Sachen, wie wird sogar das Eigentum erworben? Wie entstehen und vergehen einzelne Voll- und Teilrechte an Sachen? All das – und das Geheimnis, warum das Sachenrecht nicht darum herumkommt, sich in Regeln über bewegliche und unbewegliche Sachen aufzuteilen – erfahren Sie in diesem Teil. Sie werden den Sachenrechtsweg entdecken!
Auch dieser Abschnitt gibt in weiten Teilen einen parallelen Einblick, allerdings in Voll- und Teilrechte an Immobilien, die schlichtweg Grundstücke sind. Wie entstehen sie im Normalfall und mit welchen Sondervoraussetzungen, welche einzelnen Teilrechte gibt es und wie kann ich mit dem Wert, den ein Grundstück hat, einen Kredit absichern und so weiter. Die erstaunlich gleichartigen Strukturen und Vorgänge werden zudem um einen Überblick über die Grundbuchordnung ergänzt.
Dieser Teil gibt Ihnen Einblicke in ein sehr beliebtes Klausurgebiet. Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. Die Regelungen gelten sowohl für bewegliche Sachen als auch für Grundstücke. Deshalb stehen sie am Ende des Buches. Es setzt Kenntnisse sowohl im Sachenrecht als auch im Schuldrecht voraus. Immer wenn ein Eigentümer einen Herausgabeanspruch gegen einen Besitzer geltend machen kann, müssen Sie an diese Regelungen denken und diese prüfen. Daher stehen diese im Sachenrecht. Es handelt sich aber um schuldrechtliche Sonderregelungen, wenn es um Nutzungen, Schadensersatz oder Verwendungen auf eine Sache geht.
Entsprechend der Tradition der … für Dummies-Bücher enthält der Top-Ten-Teil einige besonders wichtige Hinweise, die Ihnen als Rechtssuchende im realen Leben oder wissbegierigen Studierenden in der Prüfung einiges erleichtern können.
Wie in allen … für Dummies-Büchern finden Sie auch in diesem Symbole, und zwar die folgenden:
Sie haben einiges über unsere Ziele, die Inhalte und den Aufbau des Buches erfahren. Jetzt liegt es an Ihnen, mit viel gutem Mut an die Arbeit zu gehen. Ja, Arbeit. Denn von allein geht es im Recht leider nicht – es hat sich nicht umsonst zu einer Wissenschaft entwickelt! Aber – es ist eine gut strukturierte, recht logische Materie. Gehen Sie auf die Entdeckungsreise nach den Strukturen und Zusammenhängen. Fragen Sie sich und das Buch immer nach dem Warum und Ihre Neugierde müsste sich auszahlen.
Aber seien Sie am Anfang auch noch nicht zu streng mit sich selbst. Es könnte etwas dauern, bis Sie die ersten Erfolge und Aha-Erlebnisse haben. Lassen Sie sich aber auch nicht zu schnell entmutigen. Recht kann jeder begreifen. Wichtige Faktoren sind Ausdauer und Wille, wie in jedem Sport …
Legen Sie also los und beginnen Sie entweder mit den Basisinformationen oder mit einem Teil von beweglichen oder unbeweglichen Sachen.
Wir wünschen viele und gute Erkenntnisse!
Teil I
Kapitel 1
IN DIESEM KAPITEL
Beim Sachenrecht ist der Name Programm. Es geht um Sachen und Rechte daran. Vielleicht haben Sie sich schon einmal gefragt: Bin ich eigentlich durch den Kauf dieses Buches Eigentümer geworden? Oder wie ist es sachenrechtlich einzuordnen, wenn ich mir das Buch nur ausgeliehen habe? Tatsächlich ist man in beiden Fällen schon mittendrin im Sachenrecht. In beiden Fällen wurde Ihnen das Buch als Sache zugeordnet. Daher bezeichnet man das Sachenrecht auch als Zuordnungsrecht.
Jede Sache, egal ob im Eigentum oder Besitz, hat grundsätzlich einen Bezug zu einer Person. Aber auch wenn eine Sache einmal keiner Person zuzuordnen ist, weil die Sache beispielsweise weggeworfen wurde, regelt das Sachenrecht, wie mit solchen herrenlosen Dingen umgegangen werden kann. Das ist im Schuldrecht anders. Dort geht es immer um zwei oder mehr Personen, die ein Rechtsverhältnis zueinander haben. Durch dieses entstehen Ansprüche, Forderungen und Verpflichtungen. Eine Sache wird dort noch keiner anderen Person zugeordnet. Dies geschieht erst dann, wenn die Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis erfüllt werden. Wie dies geschieht, regelt wiederum das Sachenrecht.
Was können Sie als Eigentümer mit Ihrem Buch Sachenrecht für Dummies alles tun? Im Grunde genommen, tun und lassen, was Sie wollen. In erster Linie sollten Sie es natürlich lesen und verstehen. Aber es geht noch vieles mehr!
Und vieles mehr werden Sie in diesem Buch kennenlernen.
Schuldrechtliche Beziehungen wirken dagegen immer nur zwischen den Personen, die sie betreffen. Man nennt sie daher auch relative Rechte.
Ist Ihnen die Bezeichnung einer Sache schon einmal spontan nicht eingefallen? Dann haben Sie diese möglicherweise einfach als das »Ding« bezeichnet. Sie haben das Wort »Ding« als Synonym für eine bestimmte Sache verwendet. Auch im Sachenrecht finden Sie dieses Phänomen. Sachenrechte werden nämlich auch als dingliche Rechte bezeichnet. Der Begriff »dingliches Recht« taucht im BGB selbst nur an wenigen Stellen auf. Beispielsweise in § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB im Rahmen der Verjährung oder in der Überschrift des § 954 BGB beim Erwerb von Früchten.
Die Väter und Mütter des Bürgerlichen Gesetzbuchs hatten zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des BGB zum 1.1.1900 bereits sehr früh erkannt, dass Sachen eine wesentliche Bedeutung haben. Greifbare Dinge wie das Kraftfahrzeug oder das Grundstück werden als »Sachen« bezeichnet und dementsprechend in einem eigenen Buch, dem dritten Buch in den §§ 854 bis 1296 BGB, geregelt. Dieses dritte Buch trägt die Überschrift »Sachenrecht«. Das bedeutet aber nicht, dass Sie dieses dritte Buch völlig getrennt von all den anderen Büchern des BGB betrachten dürfen. Um es zu verstehen, müssen Sie vielmehr auch alle anderen Bücher des BGB im Auge behalten.
Abbildung 1.1 zeigt die Bücher des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Überblick.
Das erste Buch des BGB, der Allgemeine Teil, legt die Grundlagen für alle anderen Bücher des BGB. Dort sind grundlegende Regelungen enthalten, die Sie in allen anderen weiteren Büchern benötigen. Aus diesem Grund werden sie vorangestellt oder anders ausgedrückt, vor die Klammer gezogen. Diese Regelungen müssen Sie beherrschen, um die weiteren Bücher zu verstehen. So ist beispielsweise im Allgemeinen Teil geregelt, wer eine gültige Willenserklärung abgeben kann, wie Verträge zustande kommen, welche Voraussetzungen notwendig sind, um sich von jemandem vertreten zu lassen, und vieles mehr.
Weshalb brauchen Sie den Allgemeinen Teil für das Sachenrecht?
Auch im Sachenrecht schließen Sie Verträge ab. Wenn Sie beispielsweise das Eigentum an einer beweglichen Sache erwerben wollen, müssen Sie nach § 929 S. 1 BGB einen eigenen Vertrag abschließen. Auch hier müssen zwei übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen. Wer diese wirksam abgeben kann, ob eine Vertretung möglich ist, wird im ersten Buch des Allgemeinen Teils geregelt.
Sie finden im Allgemeinen Teil aber auch Regelungen zum Sachenrecht selbst. So ist dort beispielsweise in den §§ 90 ff. BGB geregelt, was eine Sache ist und was zu einer Sache alles dazugehört. Ist der Strom in einer Batterie eine Sache oder doch nur die Ummantelung der Batterie? Ist das Warndreieck in einem Auto Zubehör?
Sie können das Sachenrecht daher nicht getrennt vom Allgemeinen Teil betrachten. Aufgrund dieser Kombinationsmöglichkeiten ist das Sachenrecht vielmehr auch für Klausuren äußerst beliebt.
Auch das zweite Buch im BGB, das Schuldrecht, spielt im Zusammenhang mit dem Sachenrecht eine sehr bedeutende Rolle. Im Schuldrecht sind einige typische Vertragsarten aufgeführt. Hier wird geregelt, wer welche Pflichten hat, wenn ein Vertrag abgeschlossen wird. So wird beispielsweise in dem am häufigsten abgeschlossenen Vertrag, dem Kaufvertrag, in § 433 BGB geregelt, welche Pflichten der Verkäufer und welche der Käufer haben. Wie diese Pflichten erfüllt werden, regelt jedoch das Sachenrecht. Das Sachenrecht ist sozusagen die nächste Stufe, wie kaufvertragliche Pflichten erfüllt werden. Über die im Schuldrecht angebotene Auswahl an Vertragsarten können Sie dort neue Vertragsarten erfinden, die es im Gesetz nicht gibt. Beispielsweise den Leasing- oder Franchisevertrag. Im Sachenrecht haben Sie diese Möglichkeit nicht. Im Sachenrecht müssen Sie mit den im Gesetz vorgegebenen Regelungen klarkommen und können keine neuen erfinden.
Die Abgrenzung des Schuldrechts vom Sachenrecht ist grundlegend für das Verständnis des BGB und damit ebenso äußerst beliebt in Klausuren.
Sie dürfen nicht nur die Verbindung des Allgemeinen Teils mit dem Sachenrecht oder des Schuldrechts mit dem Sachenrecht betrachten. Sie müssen vielmehr alle drei Disziplinen beherrschen und deren Zusammenspiel im Auge behalten.
Lassen Sie uns als Beispiel den Eigentumsvorbehalt anschauen, den der Gesetzgeber in § 449 Abs. 1 BGB im Schuldrecht gesetzlich definiert. Um zu wissen, was das BGB unter Eigentumsvorbehalt versteht, müssen Sie zunächst ins Buch 2, also ins Schuldrecht, und sich die Definition ansehen. Anschließend geht die Reise weiter ins Buch 3, also das Sachenrecht, und schließlich noch ins Buch 1, also den Allgemeinen Teil.
(1) Hat sich der Verkäufer einer beweglichen Sache das Eigentum bis zur Zahlung des Kaufpreises vorbehalten, so ist im Zweifel anzunehmen, dass das Eigentum unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung des Kaufpreises übertragen wird (Eigentumsvorbehalt).
(2) …
Der Eigentumsvorbehalt behandelt die Frage, wie man das Eigentum an einer Sache erwirbt, wenn man den Kaufpreis noch nicht vollständig bezahlt hat und ein Eigentumsvorbehalt vereinbart wurde. Das Eigentum soll nach dieser Regelung erst dann übergehen, wenn der Kaufpreis vollständig bezahlt wird.
§ 449 Abs. 1 BGB spricht von Eigentumsübertragung. Wie das Eigentum an einer beweglichen Sache erworben wird, ist jedoch nicht im Schuldrecht, sondern im Sachenrecht in § 929 S. 1 BGB geregelt. Schon sind wir in Buch 3.
1Zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache ist erforderlich, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll. …
Zur Eigentumsübertragung an einer beweglichen Sache ist eine Einigung, das heißt ein Vertrag über den Eigentumsübergang notwendig sowie die Übergabe der Sache. Dieser Vertrag über die Eigentumsübertragung ist es, der nach § 449 Abs. 1 BGB unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung steht.
Doch was versteht das Gesetz unter einer aufschiebenden Bedingung? Hierzu müssen Sie auf § 158 Abs. 1 BGB des Allgemeinen Teils des BGB zurückgreifen. Jetzt sind wir in Buch 1.
(1) Wird ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen, so tritt die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung mit dem Eintritt der Bedingung ein.
(2) …
Mit Rechtsgeschäft ist hier der Vertrag über die Eigentumsübertragung nach § 929 S. 1 BGB gemeint. Dieser wird automatisch wirksam, wenn die Bedingung, das heißt die Kaufpreiszahlung, eintritt.
Anhand dieses Beispiels haben Sie nicht nur drei Regelungen aus drei Büchern kennengelernt, sondern auch gesehen, wie diese zusammenspielen.