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Maschinenelemente für Dummies

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Über den Autor

Prof. Dr.-Ing. Anton Haberkern lehrt an der Hochschule Esslingen Maschinenelemente und Konstruktion. Er hält Vorlesungen für die Studiengänge Maschinenbau, Wirtschaftsingenieurwesen und Technische Betriebswirtschaft. Nach seinem Maschinenbau-Studium an der Universität Karlsruhe war er viele Jahre in der Werkzeugmaschinenindustrie tätig.

Über den Fachkorrektor

Prof. Dr.-Ing. Volker Hirsch unterrichtet an der Fachhochschule Karlsruhe in den Bereichen Mechanik und Konstruktion. Zudem betreut er ein studentisches Team bei der Entwicklung und dem Aufbau eines Prototypenfahrzeugs für den Shell Eco-Marathon, einem der weltweit größten Energieeffizienz-Wettbewerbe.

Einleitung

Es gibt sicher schon mehrere Bücher über Maschinenelemente, die sehr gut für Vollblut-Ingenieure und -Ingenieurinnen geeignet sind. Diese schon lange etablierten Bücher gehen so weit in die Tiefe, wie es notwendig ist, um Maschinenelemente selbst auslegen und gestalten zu können, sind also für das Berufsbild Maschinenkonstrukteur gedacht. Dann gibt es Bücher, die sogar noch tiefer in die Physik der Maschinenelemente eintauchen, für diejenigen, die selbst Maschinenelemente neu und weiter entwickeln wollen.

Über dieses Buch

Das Buch, das Sie gerade in Händen halten, hat eine etwas andere Zielgruppe im Auge. Es richtet sich an alle, die einen fundierten, fachlich korrekten Zugang zu den Maschinenelementen suchen, ohne selbst den Hintergrund eines voll ausgebildeten Ingenieurs zu haben. Ich habe deshalb in diesem Buch versucht, weitgehend ohne Fachchinesisch und ohne Beispiele auszukommen, die nur jemand verstehen kann, der ein Ingenieurstudium absolviert (hat). Die Zielgruppe, die ich dabei vor allem im Auge habe, sind Studierende mit Maschinenelementen als Nebenfach, oder berufstätige Praktiker, die kein Maschinenbau-Studium absolviert haben.

In diesem Buch sind zu jedem Maschinenelement die grundlegenden Berechnungsformeln enthalten und erläutert. Ich habe mich dabei auf die Formeln beschränkt, die Sie mit dem Schulwissen der Physik nachvollziehen und begreifen können. Wenn das gelingt, dann fördern die Berechnungsformeln das Verständnis der Funktionsweise! Darüber hinausgehende Formeln, die Spezialfälle abbilden und auf Erfahrungswerten beruhen, habe ich weggelassen, da sie das Verständnis nicht mehr weiter vergrößern. Ein Maschinenkonstrukteur benötigt natürlich auch diese Spezialformeln, sodass dieses Buch alleine für das Hauptfach Maschinenelemente in einem Maschinenbaustudium nicht ausreicht.

Als das Buch fertig war, habe ich bemerkt, dass es sich trotzdem auch sehr gut für »richtige Ingenieure« als Einstieg in das Thema oder als Auffrischung eignet. Vielleicht wird durch den speziellen Ansatz dieses Buches noch mehr ein breites Verständnis und die Fähigkeit zum Vergleichen und Auswählen gefördert, als dies möglich wäre, wenn man jeweils komplett die praktischen Spezialfälle abhandeln müsste.

Konventionen in diesem Buch

Was Sie nicht lesen müssen

Sie müssen dieses Buch nicht der Reihe nach von vorne bis hinten durchlesen. Fangen Sie ruhig mit dem Kapitel an, das für Sie besonders wichtig ist. Sie können jedes Kapitel für sich alleine verstehen.

Törichte Annahmen über die Leser

Ob es sehr töricht von mir war, folgende Vorstellung von Ihnen zu haben, wissen jetzt nur Sie allein:

Wie dieses Buch aufgebaut ist

Dieses Buch besteht aus fünf Teilen, die jeweils mehrere Kapitel umfassen. Folgende Inhalte erwarten Sie in den einzelnen Teilen:

Teil I – Was Maschinenelemente können

In diesem Teil werden die Grundbegriffe (wie Maschine, Element, Funktion) vorgestellt und geklärt, sodass Sie mit den richtigen Vorstellungen an die nachfolgenden Kapitel herangehen können. Am Ende dieses Teils finden Sie eine systematische Ordnung aller Maschinenelemente auf der Grundlage ihrer Funktion.

Teil II – Maschinenelemente zum Verbinden

Das Verbinden von vorher getrennt hergestellten Teilen ist eine der Hauptfunktionen zum Aufbau von Maschinen. In diesem Teil werden alle Maschinenelemente behandelt, die diese Funktion erfüllen können. Dies umfasst so unterschiedliche Möglichkeiten wie Schraubenverbindungen, Schweißverbindungen, elastische Federn und noch einige andere mehr.

Teil III – Maschinenelemente zum Abstützen von Bewegungen

In jeder Maschine bewegen sich Teile (das werden Sie in der Definition des Begriffs »Maschine« sehen). Diese Bewegungen präzise und stabil abzustützen, ist eine weitere Hauptfunktion und die Maschinenelemente, die das tun, werden in diesem Teil behandelt. Kurz gesagt sind das alle denkbaren Arten von Lagern und Führungen.

Teil IV – Maschinenelemente zum Umwandeln von Bewegungsformen

Das Umwandeln einer vorhandenen Bewegungsform in eine andere benötigte Bewegung ist die Hauptfunktion, die in diesem Teil behandelt wird. Die Maschinenelemente, die das leisten, fasst man unter dem Begriff »Getriebe« zusammen. Vielleicht werden Sie sich wundern, was es alles für verschiedene Getriebeformen gibt.

Teil V – Der Top-Ten-Teil

In diesem letzten Teil schließlich habe ich Ihnen einige, wie ich meine, interessante Daten und Fakten über die Branche und die Märkte des Maschinenbaus zusammengetragen. Hier wird zum Abschluss hoffentlich deutlich, wie die »übrige Welt« mit den Produkten des Maschinenbaus zusammenhängt.

Symbole, die in diesem Buch verwendet werden

Die folgenden Symbole zeigen Ihnen besonders wichtige und hilfreiche Passagen im Buch an:

Jetzt geht es los

Genug der Vorrede. Blättern Sie um und stürzen Sie sich in die spannende Welt der Maschinenelemente!

Teil I

Was Maschinenelemente können

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Kapitel 1

Maschinen und Maschinenelemente

Maschinenelemente werden im Maschinenbau benötigt, also zum Bauen von Maschinen, das ist irgendwie klar. Aber welche technischen Gebilde gelten eigentlich als Maschine?

Die kleinsten Teilchen im Maschinenbau

Ist eine Kuckucksuhr eine Maschine? Ist eine Schneekanone eine Maschine? Sie merken an meinen Beispielen, dass ich gerade erst im Schwarzwald unterwegs war, aber das tut jetzt nichts zur Sache, es sind einfach willkürliche Beispiele.

Auf jeden Fall sollten wir zuallererst definieren, wann wir ein technisches Ding als Maschine bezeichnen. Hier gebe ich Ihnen eine solche Definition, bitte schön:

Definition Eine Maschine ist eine Einrichtung mit mehreren mechanischen Einheiten, die sich relativ zueinander in gewünschter Weise bewegen. Bei dieser Bewegung wird Energie umgesetzt.

Das klingt wohl doch noch etwas theoretisch, da tun ein paar praktische Beispiele gut. Lassen Sie mich mit der bereits erwähnten Kuckucksuhr beginnen:

Beispiel Nach der Definition ist die Kuckucksuhr ganz klar eine Maschine. Sie hat einen Energiespeicher (zum Beispiel hochgezogene Gewichte oder eine aufgezogene Feder) und setzt diese Energie in gewünschte Bewegungen verschiedener mechanischer Einheiten um (Minutenzeiger, Stundenzeiger, Türchen, Kuckuck).

Dann ist da noch die Frage nach der Schneekanone offen.

Beispiel Auch eine Schneekanone ist nach unserer Definition eine Maschine. Sie setzt Energie in Bewegungen um, damit aus Wasser kleine Eiskristalle werden und diese dann gezielt ausgeblasen werden können.

Aus welchen Quellen kann eigentlich die Energie kommen, die in einer Maschine umgesetzt wird?

Beispiel Auch ein Fahrrad ist eine Maschine. Sowohl die eingesetzte Energie als auch die gesamten Steuerungsfunktionen dürfen durchaus vom Menschen stammen. Eine Maschine kann einen automatischen Antrieb oder eine automatische Steuerung haben, muss es aber nicht.

Mit meinem letzten Beispiel gehe ich einmal ganz weit in die Vergangenheit zurück:

Beispiel Vermutlich eine der ältesten bekannten Maschinen ist eine Tierfalle mit Auslösemechanismus, die es bereits in der Altsteinzeit gab.

Das waren einige ganz unterschiedliche Beispiele für Maschinen. Aber fallen Ihnen auch Gegenbeispiele ein, also technische Gebilde, die keine Maschinen nach der oben gegebenen Definition sind? Überlegen Sie bitte selbst einen Moment, bevor Sie weiterlesen.

Mir sind gerade folgende Beispiele für Nicht-Maschinen eingefallen: Ein Hammer, eine Herdplatte, eine Brennstoffzelle oder eine Eisenbahnbrücke (außer sie ist eine Klappbrücke, dann wäre es doch wieder eine Maschine).

Für besonders wichtige Gruppen von Maschinen gibt es spezielle Bezeichnungen, die ich Ihnen hier ebenfalls erläutern möchte:

Definition Eine Arbeitsmaschine ist eine Maschine, die nutzbare Arbeit verrichtet.

Beispiele für reine Arbeitsmaschinen sind eine Nähmaschine, die mit Fußpedal angetrieben wird, oder eine Ankerwinde, die Sie per Handkurbel bedienen.

Definition Eine Kraftmaschine ist eine Maschine, die eine beliebige vorhandene Energieform in mechanische Energie umwandelt.

Beispiele für reine Kraftmaschinen sind ein Verbrennungsmotor (wandelt chemisch gebundene Energie in mechanische um) oder ein Elektromotor (wandelt elektrische Energie in mechanische um).

Häufig werden eine Kraftmaschine und eine Arbeitsmaschine zu einer Einheit zusammengebaut. Die Gesamtmaschine besteht dann aus diesen beiden Teilmaschinen. Das ist zum Beispiel bei einem elektrischen Rasenmäher so, oder auch bei einer Diesellokomotive.

Von dem Begriff Maschine sollten Sie jetzt eine einigermaßen klare Vorstellung haben. Als Nächstes möchte ich auf die zweite Worthälfte unseres Buchtitels zu sprechen kommen. Nein, nicht auf den Dummie, sondern auf das Element.

Der Begriff »Element« ist uns unter anderem aus der Mathematik, aus der Chemie oder auch aus der Informatik bekannt. Ich möchte Ihnen jetzt eine sehr allgemeine Definition dafür geben:

Definition Ein Element ist ein Grundbaustein einer größeren Einheit, der selbst nicht mehr sinnvoll weiter zerlegbar ist. Mehrere Elemente zusammen ergeben ein größeres Ganzes.

Dies wird auch deutlich, wenn man weiß, dass das Wort Element vom lateinischen Wort Elementum abstammt, das so viel wie Grundstoff bedeutet. Wenn Sie jetzt die beiden Begriffe Maschine und Element zum Maschinenelement zusammenfügen, dann ergibt sich zwangsläufig dessen Bedeutung. Ich möchte sie gerne in folgender Definition festschreiben:

Definition Maschinenelemente sind die kleinsten, nicht mehr sinnvoll zerlegbaren und in gleicher oder ähnlicher Form immer wieder verwendeten Grundbestandteile von Maschinen.

Bitte beachten Sie, dass ein Maschinenelement nach dieser Definition nicht zwangsläufig ein Körper aus einem Stück Material (wie zum Beispiel eine Schraube) sein muss. Es kann auch aus mehreren einzelnen Teilen zusammengesetzt sein (wie zum Beispiel ein Kugellager).

Tipp Achtung: Nach der oben gegebenen Definition wäre die chemische Analogie zum Maschinenelement nicht das chemische Element, sondern ein reiner Stoff, also ein chemisches Element oder eine chemische Verbindung.

Etwas weiter oben habe ich Ihnen das Fahrrad als ein Beispiel für eine Maschine vorgestellt. Daran sehen Sie, dass eine Maschine nicht immer vollautomatisch arbeiten muss. Man spricht vielmehr von den folgenden unterschiedlichen Rationalisierungsgraden :

Mechanisierung . Hier dient die Maschine zur Verstärkung der menschlichen Kraft. Antriebsenergie und die komplette Steuerungsfunktion liegen weiterhin beim Menschen (zum Beispiel ein herkömmliches Fahrrad).

Elektrifizierung . Jetzt wird die Antriebsleistung als elektrische Energie zugeführt. Meistens liegt die Kombination Mechanisierung und Elektrifizierung vor (zum Beispiel ein E-Bike oder eine elektrische Handbohrmaschine).

Automatisierung . Nun wird die Steuerungsfunktion vom Menschen an ein automatisches System übergeben. In der Regel hat man eine Kombination aus Mechanisierung, Elektrifizierung und Automatisierung (zum Beispiel das autonome Fahren auf der Autobahn oder die fahrerlosen Transportsysteme in einer Fabrik).

Achtung: Der höchste Rationalisierungsgrad ist nicht immer der wirtschaftlichste! Das wird gerade von hoch ausgebildeten Ingenieuren manchmal vergessen. Überlegen Sie genau, ob es Sinn macht, zum Beispiel eine teure und komplizierte Automatisierung für einen vielleicht ganz einfachen Vorgang einzuführen.

Das ist ja alles so schön gleich hier

»In gleicher oder ähnlicher Form immer wieder verwendet« heißt es in der vorausgegangenen Definition über die Maschinenelemente. Das ist ein besonders wichtiger Aspekt: Maschinenelemente lassen sich standardisieren und normen. Sie können sich vorstellen, dass die Standardisierung nicht nur in technischer, sondern vor allem auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein enormer Vorteil ist. Große Stückzahlen gleicher Teile können viel kostengünstiger hergestellt werden, als wenn ein Teil jedes Mal anders aussehen müsste.

Auf einen weiteren Punkt möchte ich unbedingt noch zu sprechen kommen: Ist Standardisierung und Normung das Gleiche – was meinen Sie?

Die richtige und wichtige Antwort ist: Nein – dies sind zwei unterschiedliche Dinge!

Die Norm ist also eine auf Basis gesetzlicher Regeln erarbeitete Festschreibung. Ist die Norm selbst damit ein Gesetz? Ist es vorgeschrieben, nach Norm zu bauen? Nein, das ist es nicht, das sollten Sie sich ganz bewusst machen.

Beispiel Sie werden mit keinem Gesetz in Konflikt kommen, wenn Sie dreieckige Mülltonnen auf dem Markt anbieten und diese überall bewerben. Das Gleiche gilt für Druckerpapier, das einfach 5 % größer ist als das Format A4 (»mehr Schreibfläche gratis!«).

Ihr Problem wird eher sein, dass Sie keinen wirtschaftlichen Erfolg mit diesen Produkten haben.

Wenn Sie also eine geniale neue Idee haben, dürfen Sie jederzeit von der Norm abweichen, Sie sollten nur vorher gut überlegen, ob Sie auch damit rechnen können, dass es am Markt angenommen wird.

Nach diesen Überlegungen sollte Ihnen jetzt der Unterschied bewusst sein, ob es sich bei einem Bauteil wirklich um ein Normteil oder vielleicht doch »nur« um ein Standardteil handelt.

Normen erkennen Sie an der Bezeichnung des jeweiligen Normungsgremiums:

  • DIN (Deutsches Institut für Normung e. V.)
  • EN (Europäisches Komitee für Normung)
  • ISO (International Organization for Standardization)

Ein Standard hat dagegen einfach eine Bestellbezeichnung seines Herstellers. Achtung: Auch die Standards von den folgenden Berufs- oder Branchenverbänden sind keine Normen!

  • VDI (Verein Deutscher Ingenieure e. V.)
  • VDE (Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik e. V.)
  • UVV (Unfallverhütungsvorschrift der Berufsgenossenschaft)

Leichtfertig sollten Sie allerdings weder von einer Norm noch von einem Standard abweichen, vor allem wenn Ihr Produkt Leib und Leben der Benutzer betrifft.

Beispiel Sollte jemand durch die Benutzung Ihres Produkts zum Beispiel seinen Arm verlieren, so liegt der Verdacht einer Straftat vor, sodass zwangsläufig eine staatsanwaltliche Ermittlung folgt.

Kommt es zu einer Gerichtsverhandlung, dann wird der Richter einen sachverständigen Gutachter bestellen, um den »Stand der Technik« in Bezug auf Ihr Produkt festzustellen. Das heißt, welche Bauweisen und Ausführungen man heute für Produkte dieser Art erwarten darf. Zur Definition des »Stands der Technik« werden Normen und Standards gleichermaßen herangezogen. Und wehe, wenn das Produkt dann nicht mindestens dem Stand der Technik entspricht!

Kapitel 2

Aufgabenteilung macht stark: Die funktionale Sichtweise

Eine wichtige Erkenntnis im vorausgegangenen Kapitel war, dass Maschinenelemente immer wieder in gleicher oder ähnlicher Form in ganz unterschiedlichen Maschinen verwendet werden. Der wirtschaftliche Vorteil dieser Standardisierung liegt auf der Hand: Große Stückzahlen gleicher Teile können viel kostengünstiger hergestellt werden, als wenn die Teile jedes Mal anders aussehen.

Doch was ist der technische Hintergrund dieser Standardisierung? Warum kann zum Beispiel das baugleiche Kugellager in einem Staubsauger, einem Fahrrad und einem Flugzeugsitz verwendet werden?

Der Funktionsbegriff

Der entscheidende Begriff aus technischer Sicht ist die Funktion. In einem allgemeinen Sinne steht Funktion für »das, was jemand oder eine Sache tut oder leistet«. Dies deckt sich auch mit der Herkunft des Worts vom lateinischen functio, was so viel wie Verrichtung oder Tätigkeit bedeutet. Für die Anwendung in der Technik benötigen wir jedoch einen schärfer gefassten Funktionsbegriff. Schauen wir uns als Nächstes doch einmal an, was in der Mathematik unter einer Funktion verstanden wird.

Definition Eine mathematische Funktion ist eine Beziehung zwischen zwei Mengen, die jedem Element der einen Menge genau ein Element der anderen Menge zuordnet.

Erinnert Sie das an Ihren Mathematik-Unterricht? Man kann unter einer solchen Funktion auch eine Beziehung zwischen einer Eingangs- und einer Ausgangsgröße verstehen. Das heißt, die Funktion bestimmt, welches Ergebnis am Ausgang erscheint, wenn ein bestimmter Wert am Eingang vorliegt. Die Tätigkeit oder Verrichtung der Funktion besteht also darin, eine Ausgangsgröße in Abhängigkeit der vorhandenen Eingangsgröße zu erzeugen.

Jetzt übertragen Sie bitte diese Vorstellung aus der Mathematik in die Welt der Technik, sagen wir ganz rustikal auf eine Brechstange. Hier ist die Eingangsgröße die Kraft, die Sie mit Ihrem Arm aufbringen können (die aber viel zu klein ist, um damit den Mauerstein direkt aus der Wand herauszubrechen). Die Ausgangsgröße ist eine viel größere Kraft (groß genug, um den gewünschten Effekt zu erzielen). Sie haben jetzt eine funktionale Beschreibung der Brechstange – sagen wir allgemein des Maschinenelements Hebel. In Worten lässt sich die Funktion als »Kraft verstärken« ausdrücken. Es ist gut, wenn Sie sich angewöhnen, technische Funktionen möglichst in dieser Form »Hauptwort und Tunwort« zu formulieren.

Sie können die Funktion des Hebels auch in einer Formel ausdrücken:

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Fb

Kraft am Ausgang = Ausgangsgröße

Fa

Kraft am Eingang = Eingangsgröße

a

Hebelarm der Eingangskraft

b

Hebelarm der Ausgangskraft

Für den Maschinenbau hat es sich als nützlich herausgestellt, drei Typen von Eingangs- und Ausgangsgrößen besonders zu beachten, nämlich

  • Stoff
  • Energie
  • Signal

Und wie häufig in der Technik, wird als anschauliche Darstellungsform eine bildliche gewählt. Sie sehen das in Abbildung 2.1.

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Abbildung 2.1: Bildliche Darstellung einer technischen Funktion

Manchmal lässt sich von einem technischen Gebilde als Ganzem feststellen, dass sein Hauptzweck in der Umformung von einem dieser drei Größentypen besteht. Für diese drei Fälle gibt es spezielle Bezeichnungen:

  • Eine Maschine ist ein technisches System, das vor allem Energie umwandelt.
  • Ein Apparat ist ein technisches System, das vor allem Stoffe umwandelt.
  • Ein Gerät ist ein technisches System, das vor allem Signale umwandelt.

Die klassischen Maschinenelemente

Der im vorausgegangenen Abschnitt besprochene Hebel ist eines der sogenannten klassischen Maschinenelemente , die bereits seit der Antike bekannt sind. In der Literatur werden sie manchmal auch als »klassische Maschinen« bezeichnet, aber das wissen Sie ja bereits besser! Nach unserer Definition ist ein Hebel keine Maschine, sondern ein Maschinenelement. In Tabelle 2.1 sehen Sie eine Übersicht der klassischen – antiken – Maschinenelemente, natürlich mit Angabe ihrer jeweiligen Funktionen!

Klassisches Maschinenelement

Funktionen

Hebel

Kraft verstärken

Kraftrichtung umlenken

Seilrolle

Kraftrichtung umlenken

Keil

Kraft verstärken

Kraftrichtung umlenken

schiefe Ebene (ein ortsfester Keil, auf dem die Last verschoben wird)

Kraft verstärken

Kraftrichtung umlenken

Bewegungsschraube (ein Keil, der auf eine Zylinderfläche aufgewickelt wurde)

Kraft verstärken

Kraftrichtung umlenken

Tabelle 2.1: Die klassischen Maschinenelemente

Die Gestaltung technischer Systeme mithilfe von Funktionen

Im vorausgegangenen Abschnitt haben Sie den technischen Funktionsbegriff kennengelernt. Jetzt möchte ich Ihnen zeigen, wie nützlich dieser Begriff ist, wenn Sie technische Systeme gestalten wollen. Der Begriff der Funktion lässt sich nämlich auf unterschiedlichen Betrachtungsebenen mit jeweils zunehmendem Detaillierungsgrad anwenden. Ich möchte Ihnen das am Beispiel eines elektrischen Rasenmähers zeigen. Der Rasenmäher soll ein Kabel haben (keinen Akku) und soll vom Menschen geschoben werden (kein Fahrantrieb).

1. Betrachtungsebene

Auf der obersten Ebene ist das gesamte System eine einzige »Blackbox« und wir betrachten nur die Gesamtfunktion . Wir kümmern uns auf dieser Ebene noch gar nicht darum, wie das System aussehen soll oder welche Teile es enthält, sondern legen erst einmal nur fest, welche Gesamtfunktion wir eigentlich haben möchten. Das Ergebnis kann zum Beispiel so aussehen, wie es in Abbildung 2.2 dargestellt ist.

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Abbildung 2.2: Funktionsbeschreibung Rasenmäher (1. Betrachtungsebene)

2. Betrachtungsebene

Nun beginnen wir, die Gesamtfunktion in Teilfunktionen zu zerlegen. Als erster Detaillierungsschritt kann zum Beispiel eine Darstellung wie in Abbildung 2.3 herauskommen.

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Abbildung 2.3: Funktionsbeschreibung Rasenmäher (2. Betrachtungsebene)

Der Vorteil des Denkens in Funktionen ist, dass wir uns nicht zu früh auf eine bestimmte Gestaltung oder ein bestimmtes Lösungsprinzip festlegen, sondern so lange wie möglich offen für alternative Lösungen bleiben (die vielleicht besser sind als die zunächst naheliegende). Wir können nun für eine Teilfunktion nach der anderen nach geeigneten Lösungen suchen und jeweils überlegen, ob die einzelne Teilfunktion besser oder schlechter erfüllt wird.

3. / 4. … / X. Betrachtungsebene

Solange es für uns hilfreich ist, können wir vorhandene Funktionen weiter in kleinere Teilfunktionen untergliedern. So können mehrere weitere Betrachtungsebenen entstehen. Irgendwann erreichen wir einen Detaillierungsgrad, auf dem wir die Funktionen nicht mehr sinnvoll weiter zerlegen können. Wir sind dann bei den Elementarfunktionen angelangt. Ein Beispiel für diesen ultimativen Detaillierungsgrad sehen Sie in Abbildung 2.4. Dort ist nur noch die Aufgliederung der Teilfunktion »Messer rotieren lassen« dargestellt.

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Abbildung 2.4: Funktionsbeschreibung Rasenmäher (X. Betrachtungsebene)

Wenn wir an diesem Punkt angekommen sind, können wir nun die realen Maschinenelemente auswählen, die jeweils eine oder auch mehrere der Elementarfunktionen erfüllen. Für das Beispiel aus Abbildung 2.4 könnte die Entscheidung zum Beispiel so ausfallen:

  • Die Elementarfunktion E1 wird erfüllt durch das Maschinenelement Schraube.
  • Die Elementarfunktion E2 wird erfüllt durch das Maschinenelement Kugellager.
  • Die Elementarfunktion E3 wird erfüllt durch das Maschinenelement Elektromotor.

Vielleicht denken Sie jetzt, dass dieser Aufwand bei der Funktionsbeschreibung eines Rasenmähers nicht unbedingt nötig gewesen wäre. Dann stellen Sie sich bitte vor, Sie müssen ein System gestalten, das für Sie neu und unbekannt ist, vielleicht eine Zentrifuge zur Trennung von Blutplasma? In dem Fall wäre eine saubere Beschreibung der Teilfunktionen sicherlich sehr hilfreich.

Eine funktionsorientierte Ordnungsstruktur der Maschinenelemente

Wir befinden uns in einem Buch über Maschinenelemente und auf den vorausgegangenen Seiten habe ich Ihnen so viel über den Begriff der Funktion erläutert. Das soll sich jetzt nochmals gelohnt haben, denn nun schlage ich Ihnen vor, die technische Funktion auch als Ordnungskriterium zu benutzen, um die Fülle unterschiedlicher Maschinenelemente übersichtlich und nachvollziehbar zu ordnen. Dazu möchte ich vier Hauptfunktionen festlegen, zu denen sich alle in diesem Buch behandelten Maschinenelemente eindeutig zuordnen lassen:

Unterhalb dieser Hauptfunktionen folgen weitere Gliederungsebenen, die das physikalische Wirkprinzip der Elemente beschreiben. Das sind alternative Möglichkeiten, um dieselbe Hauptfunktion zu erfüllen. Insgesamt ergibt das die in Tabelle 2.2 dargestellte Ordnungsstruktur.

Hauptfunktion

Physikalisches Wirkprinzip zur Erfüllung der Hauptfunktion

Bezeichnung des Maschinenelements

Kapitel in diesem Buch

Teile verbinden

Kapitel 3

reibschlüssige Verbindungen

Schraubenverbindungen

Pressverbindungen

Kapitel 4

formschlüssige Verbindungen

Stiftverbindungen

Nut-Feder-Verbindungen

Profilverbindungen

Nietverbindungen

Kapitel 5

stoffschlüssige Verbindungen

Schweißverbindungen

Lötverbindungen

Klebeverbindungen

Kapitel 6

elastische Verbindungen: Federn

Metallfedern

Nichtmetallfedern

Kapitel 7

Bewegungen abstützen

Kapitel 8

Gleitlager und Gleitführungen

hydrodynamische Lager und Führungen

hydrostatische Lager und Führungen

aerostatische Lager und Führungen

feststoffgeschmierte Lager und Führungen

elektromagnetische Lager und Führungen

Kapitel 9

Wälzlager und Wälzführungen

Wälzlager und Wälzführungen mit Punktkontakt

Wälzlager und Wälzführungen mit Linienkontakt

Kapitel 10

Zwischenräume abdichten

berührende Dichtungen

berührungslose Dichtungen

Kapitel 12

Bewegungsformen umwandeln

Kapitel 13

Rädergetriebe: gleichförmige Übersetzung von Drehbewegungen ohne Zwischenelement

Zahnradgetriebe: formschlüssige Räder

Stirnradgetriebe: Wellen parallel

Kegelradgetriebe: Wellen schneiden sich

Schraubenradgetriebe: Wellen sind windschief

Kapitel 14

Reibradgetriebe: reibschlüssige Räder

Reibradgetriebe mit konstanter Übersetzung

Reibradgetriebe mit stufenlos veränderlicher Übersetzung

Zugmittelgetriebe: gleichförmige Übersetzung von Drehbewegungen mit Zwischenelement

formschlüssige Zugmittel

Kettengetriebe

Zahnriemengetriebe

Kapitel 15

reibschlüssige Zugmittel

Flachriemengetriebe

Keilriemengetriebe

Hubgetriebe: Umwandlung von Drehbewegung in Linearbewegung

Spindel-Hubgetriebe

Zahnstangen-Hubgetriebe

Zugmittel-Hubgetriebe

Schubketten-Hubgetriebe

Kapitel 16

Kupplungen und Bremsen

nichtschaltbare starre Kupplungen

nichtschaltbare nachgiebige Kupplungen

schaltbare Kupplungen

Kapitel 17

Tabelle 2.2: Ordnungsstruktur der Maschinenelemente

Diese Ordnungsstruktur soll keine vollständige Aufzählung aller denkbaren Maschinenelemente sein! So etwas kann ich Ihnen leider nicht bieten. Einige weitere Kandidaten, die man je nach Sichtweise auch als Maschinenelemente bezeichnen könnte, wären zum Beispiel Achsen, Wellen, Rohrleitungen und Druckbehälter. Bei diesen ist jedoch der Grad der Standardisierung geringer. Sie werden wesentlich individueller für die jeweilige Anwendung gestaltet. Daher habe ich sie nicht zu den Maschinenelementen im engeren Sinn gerechnet.

Mit vielen Begriffen in dieser Ordnungsstruktur können Sie im Moment vielleicht noch nichts anfangen. Aber keine Angst, dafür gibt es ja die nachfolgenden Kapitel dieses Buchs, in denen alle diese Begriffe erklärt und erläutert werden. Die Gliederung innerhalb der Kapitel folgt dabei auch der obenstehenden Ordnungsstruktur, sodass Sie jederzeit wissen, wo Sie sich gerade befinden (und wenn nicht: schauen Sie einfach in der Tabelle nach!). Das soll Ihnen helfen, die teilweise doch sehr speziellen Inhalte in ein Bild vom Großen und Ganzen einzuordnen und so den Überblick zu behalten. Die Kapitel sind jeweils in sich abgeschlossen, sodass Sie dort beginnen können, wo es für Sie sinnvoll ist und alles weglassen können, was Sie derzeit nicht benötigen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und auch Spaß bei der weiteren Arbeit mit diesem Buch!

Teil II

Maschinenelemente zum Verbinden

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Kapitel 3

Arten von Verbindungen – ein erster Überblick