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Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser, in Zeiten, in denen die Interkulturalität in Unternehmen und Institutionen aus den unterschiedlichsten Gründen deutlich zunimmt, ist es uns wichtig, Ihnen als Praktikerinnen und Praktiker einen Leitfaden an die Hand zu geben. Er soll Ihnen zeigen, wie Sie mit dieser zunehmenden Interkulturalität umgehen können, die die folgenden Zahlen nochmals anschaulich verdeutlichen. Demnach sind 2015 4,7 Millionen Menschen in eines der 28 EU-Länder eingewandert1, wobei Deutschland dabei das beliebteste Zielland mit über 1,8 Millionen Einwanderern war (Eurostat 2017, BAMF 2017).

Dieses Buch möchte Ihnen zunächst im ersten Kapitel »Interkulturalität als Modell der Zukunft« einen Überblick über die Grundlagen und Implikationen von Interkulturalität geben, um dann die beiden Kerndimensionen näher zu fokussieren. So geht es einerseits aus gesellschaftspolitischer Perspektive darum, benachteiligte Gruppen sowie Schutzbedürftige, die nach Deutschland kommen, angemessen in Unternehmen und Institutionen zu integrieren. Mit diesem Aspekt beschäftigen sich die beiden Kapitel »Integration geflüchteter Menschen in den deutschen Arbeitsmarkt« sowie »Die Folgegeneration auf dem Arbeitsmarkt – Die berufliche Integration der in Deutschland geborenen Menschen mit Migrationshintergrund«. Zum anderen besteht aus volkswirtschaftlicher Perspektive angesichts bestehender und drohender Fachkräfteengpässe die Notwendigkeit, gezielt Fach- und Führungskräfte für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen und im Land zu halten, um so die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu sichern. Hierauf geht das Kapitel »Umgang mit multinationalen Belegschaften« dezidiert ein.

Wir haben unser Buch bewusst so aufgebaut, dass Sie die Möglichkeit haben, sich entweder gezielt mit einzelnen, für Sie besonders relevanten Aspekten zu beschäftigen oder aber es vollständig zu lesen.

Bedanken möchten wir uns an dieser Stelle bei unseren studentischen Mitarbeitenden Carolina de Viterbo Lage, Pascal Dehmer, Jy-Vonne Tan und Kathrin Diehl Villescas, die mit ihrem unermüdlichen Einsatz zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben.

In jedem Fall wünschen wir Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Prof. Dr. Jutta Rump,

Silke Eilers,

Lisa-Marie Kreis,

David Zapp

Hinweis

1
Interkulturalität als Modell der Zukunft

Einführung

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Interkulturalität an Bedeutung zunimmt. Die Internationalisierung des Arbeitsmarktes und die erweiterten Kommunikationsmöglichkeiten führen dazu, dass interkulturelle Begegnungen häufiger stattfinden und dass Informationen über andere Kulturen und Länder wie nie zuvor ausgetauscht werden. Diese Entwicklung bietet viele Vorteile, kann aber auch zu Konflikten führen. In Unternehmen kann kulturelle Vielfalt auf der einen Seite das Rekrutierungspotenzial erhöhen und somit Fachkräfteengpässen entgegenwirken. Außerdem kann sie die Erschließung von Märkten im Ausland begünstigen, Kreativität und Innovation fördern und die Reputation des Unternehmens stärken (Hammermann et al. 2016). Diese Vorteile können sich insgesamt positiv auf eine Gesellschaft und eine Volkswirtschaft auswirken. Auf der anderen Seite kann kulturelle Vielfalt auch mit erhöhter Komplexität, Kommunikationsschwierigkeiten und Konflikten verbunden sein (Gilson et al. 2013; Bassett-Jones 2005)1. An dieser Stelle sollte nicht unerwähnt bleiben, dass kulturelle Vielfalt nicht nur auf Staatsangehörigkeiten bezogen ist. Sie kann auch innerhalb einer kleinen Kommune beobachtet werden. Jeder Mensch wird mit bestimmten Werten, Erwartungen, Verhaltensmustern erzogen und gehört zu unterschiedlichen kulturellen Gruppen, wie zum Beispiel Familie, Ausbildung, Altersgruppe, Religion, Beruf etc. Diese Gruppen und die damit verbundenen sozialen Kontakte prägen die Werte und Verhaltensmuster eines Menschen (Spencer-Oatey 2008; Tannen 1996). Sie können somit unterschiedlichen Kulturen gleichzeitig angehören und diese Angehörigkeit jederzeit beenden. Die Kultur einer Person ist in diesem Sinne auch durch die Staatsangehörigkeit geprägt, aber nicht darauf begrenzt. Sie ist nicht statisch, sondern dynamisch und kann sich je nach Kontext ändern (Kotthoff u. Spencer-Oatey 2007).

Einen ersten Überblick zu möglichen kulturellen Aspekten, die bei der internationalen Zusammenarbeit entscheidend sind, gibt der folgende Abschnitt.

Kultur – Versuch einer Definition

Zunächst wird mit einigen ausgewählten Zitaten versucht, das Konstrukt »Kultur« näher zu beleuchten. So sieht der amerikanische Anthropologe und Ethnologe Edward T. Hall, der als Begründer der interkulturellen Kommunikation gilt, Kultur wie folgt: »Culture is man's medium; there is not one aspect of life that is not touched and altered by culture« (Hall 1989, S. 16). Dazu zählen seiner Auffassung nach beispielsweise die eigene Persönlichkeit, Ausdrucks- und Denkweisen, Problemlösungsstrategien, aber auch die Art und Weise, wie Städte und das öffentliche Personennahverkehrssystem gebaut werden (Hall 1989). Eine weitere anerkannte Definition von Kultur gibt die britische Professorin Spencer-Oatey (2008, S. 3): »Culture is a fuzzy set of basic assumptions and values, orientations to life, beliefs, policies, procedures and behavioural conventions that are shared by a group of people, and that influence (but do not determine) each member's behavior and his/her interpretations of the 'meaning' of other people's behaviour.« Die kulturellen Unterschiede sind somit größer, je weiter die Werte, Annahmen, Erwartungen, Verhaltensmuster zweier Kulturen voneinander entfernt sind. Demgegenüber umfasst Kultur beim emeritierten Professor Geert Hofstede, einem niederländischen Experten für Kulturwissenschaften »the collective programming of the mind that distinguishes the member of one group or category of people from others« (Hofstede 2011, S. 3).

Ein großer Teil der Kultur wird in einer frühen Lebensphase erworben, noch bevor man sich erinnern kann. Als Kind lernt man zum Beispiel, wie man sich zuhause und in der Öffentlichkeit benehmen sollte, welches Verhalten bestraft oder belohnt wird, wie man Gefühle und Gedanken ausdrückt sowie welche Wörter und Gesten in unterschiedlichen Situationen angebracht sind. Diese Regeln und Werte werden internalisiert, sodass man weiß oder fühlt, wie man sich in einer bestimmten Situation verhalten soll, ohne die Regeln und Werte explizit oder bewusst zu kennen (Hofstede et al. 2010). Diese manifestieren sich aber im Verhalten und in der Kommunikation. Deswegen werden die Kulturen oft durch Verhaltensmuster und Kommunikationsstile beschrieben und verglichen.

  • Verhaltensmuster sind einer der sichtbarsten Teile einer Kultur (Hofstede et al. 2010). Zum Beispiel sind sie häufig in Reise-Ratgebern zu finden: Ob man sich per Händedruck, Wangenkuss, Umarmung oder Verbeugung begrüßt, ob man mit Messer und Gabel, Stäbchen oder mit der Hand isst, ob man Beine, Schultern oder Haare in der Öffentlichkeit zeigen sollte etc. Durch diese Sichtbarkeit ist es relativ leicht, die unterschiedlichen Verhaltensweisen zu erkennen und sich gegebenenfalls anzupassen.
  • Kommunikationsstile hingegen stellen einen abstrakteren Aspekt einer Kultur dar und sind somit schwieriger zu erkennen. Unterschiedliche Arten und Weisen zu kommunizieren führen häufig zu Missverständnissen und Konflikten, ohne dass bemerkt wird, dass diese einen kulturellen Hintergrund haben. In der Literatur werden viele Arten von Kommunikationsstilen definiert. Ein Beispiel sind die sogenannten Kommunikationsstile »direkt« oder »indirekt«. In den Kulturen, die durch direkte Kommunikation geprägt sind, kommunizieren Menschen klar ihre Gefühle, Gedanken und Wünsche, äußern offene Kritik und erwarten ein ähnliches Verhalten von ihrem Gesprächspartner bzw. ihrer Gesprächspartnerin. Andere Kulturen sind durch indirekte Kommunikation geprägt. Das heißt, die Menschen kommunizieren ihre Gefühle, Gedanken und Kritik durch Andeutungen und Hinweise, zum Beispiel mithilfe von nonverbaler Kommunikation wie Gestik, Mimik und Intonation (Taylor u. Osland 2003). Sie sind in der Lage, solche Andeutungen zu interpretieren und den eigentlichen Sinn eines Gespräches zu erschließen. Sie erwarten zudem, dass ihre Gesprächspartnerinnen und -partner ebenfalls solche Methoden verwenden, um sich auszudrücken. Die deutsche und die US-amerikanische Kultur werden häufig mit einem direkten Kommunikationsstil verbunden, während Menschen aus China, Lateinamerika oder dem arabischen Raum ein indirekter Kommunikationsstil zugeordnet wird (Merkin u. Ramadan 2010; Schröder 2010; Günthner 2008).

Kulturvergleichende Studien

Versucht man die obigen Definitionen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, ist Kultur demnach allumfassend und kann ein wichtiges Differenzierungsmerkmal darstellen, wenn zwei Personen unterschiedlicher Nationalität aufeinandertreffen. Dieser Aspekt der Nationalkulturen soll im Folgenden eine nähere Betrachtung erfahren. Dabei werden die Ergebnisse einiger kulturvergleichender Managementstudien beschrieben, die das Ziel verfolgen, das Arbeitsverhalten unterschiedlicher Kulturen zu beschreiben und zu vergleichen (Festing et al. 2011). Durch »Kulturdimensionen« schaffen sie Differenzierungskriterien, die versuchen, eine Kultur von einer anderen abzugrenzen. Es gilt, sich bewusst zu machen, dass sie lediglich Hilfsmittel sind, um die zunehmend komplexe Realität unserer Gesellschaft abbilden zu können, und nicht real existieren müssen (Hofstede 2011). Zu den Dimensionen zählen nach Hofstede (2011)2:

  1. Machtdistanz (Power Distance)
  2. Unsicherheitsvermeidung (Uncertainty-Avoidance)
  3. Individualismus vs. Kollektivismus (Individualism vs. Collectivism)
  4. Maskulinität vs. Feminität (Masculinity vs. Feminity)
  5. lang- vs. kurzfristige Orientierung (Long-Term vs. Short-Term Orientation) sowie
  6. Genuss vs. Zurückhaltung (Indulgence vs. Restraint)

Sie werden in der Tabelle 1.1 näher erläutert.

Kulturdimension Erläuterung
Machtdistanz Diese Dimension gibt an, inwieweit weniger mächtige Individuen einer Organisation bzw. Institution eine ungleiche Verteilung von Macht akzeptieren bzw. erwarten. Die Machtdistanz wird mit dem Power-Distance-Index gemessen, der 2010 in einer Studie von Hofstede et al. für 76 Länder erhoben wurde. Es zeigte sich, dass die Machtdistanz in Osteuropa, Lateinamerika, Asien und Afrika höher ist als in deutsch- oder englischsprachigen Ländern (Hofstede 2011).
Unsicherheitsvermeidung Diese Dimension beschreibt, wie tolerant eine Gesellschaft gegenüber Ambiguitäten ist. Kulturen, die eine hohe Unsicherheitsvermeidung aufweisen, neigen dazu, ungewohnte Situationen durch Regeln und Gesetze zu minimieren. In der 2010 durchgeführten Studie von Hofstede et al. für 76 Länder zeigte sich, dass der Index bei ost- und zentraleuropäischen sowie deutschsprachigen Ländern höher lag als in englischsprachigen Ländern (Hofstede 2011).
Individualismus vs. Kollektivismus Diese Dimension steht für das Ausmaß, in dem Personen in einer Gesellschaft beispielsweise Eigeninitiative gegenüber dem Konzept der Großfamilie bevorzugen (Festing et al. 2011). Während in individuellen Kulturen Personen zunächst nach sich selbst und ihrer unmittelbaren Familie schauen, sind Personen in kollektiven Kulturen von Geburt an in starke Gruppen integriert, wie die eigene Großfamilie mit Onkeln, Tanten und Großeltern. Der Index wurde in der 2010 durchgeführten Studie für 76 Länder ermittelt, wobei sich zeigte, dass Individualismus vor allem in den westlichen Ländern vorherrscht, wohingegen Kollektivismus eher in östlichen Ländern vorzufinden ist (Hofstede 2011).
Maskulinität vs. Feminität Der Kulturdimension Maskulinität vs. Feminität liegt die Annahme zugrunde, dass zwischen eher maskulinen Werten und eher femininen Werten unterschieden werden kann. Diese differieren von durchsetzungs- und wettbewerbsfähig zu zurückhaltend und fürsorgend. Während die erstgenannten Werte dem maskulinen Pol zugeschrieben werden, stehen die Letztgenannten für den femininen. Bezugnehmend auf die 2010 durchgeführte Studie von Hofstede et al. findet sich ein erhöhter Index für Maskulinität in Japan und deutschsprachigen Ländern. In skandinavischen Ländern sowie in den Niederlanden ist demgegenüber ein niedriger Index zu beobachten (Festing et al. 2011).
Lang- vs. kurzfristige Orientierung Auch bei dieser Dimension lassen sich zwei Pole ausmachen, denen Personen einer Gesellschaft zugeordnet werden können. Während Werte wie Durchhaltevermögen, Sparsamkeit und statusorientierte Beziehungen der langfristigen Orientierung angehören, stehen Respekt gegenüber Traditionen, persönliche Aufrichtigkeit und Stabilität für die kurzfristige Orientierung (Festing et al. 2011). In der 2010 durchgeführten Studie zeigte sich, dass sich ostasiatische Länder, gefolgt von ost- und zentraleuropäischen Ländern durch eine langfristige Orientierung auszeichnen, wohingegen die kurzfristige Orientierung vor allem in den USA, Australien. Lateinamerika sowie in muslimischen Ländern zu finden ist (Hofstede 2011).
Genuss vs. Zurückhaltung Während »Genuss« für eine Gesellschaft steht, die eine freie Entfaltung der menschlichen Bedürfnisse ermöglicht, umfasst »Zurückhaltung« solche Gesellschaften, die die Entfaltung der menschlichen Bedürfnisse durch strikte soziale Normen regeln. Der Index für diese Dimension wurde für 93 Länder erhoben. Während »Genuss« vor allem in Süd- und Nordamerika, Westeuropa und in Teilen Afrikas zu finden ist, ist »Zurückhaltung« vor allem in osteuropäischen Ländern, Asien und der muslimischen Welt anzutreffen (Hofstede 2011).

Tabelle 1.1: Die Kulturdimensionen nach Hofstede

Ergänzend anzumerken ist, dass die ersten vier Dimensionen in der Tabelle 1.1 erstmals durch eine in den 1970er Jahren durchgeführte Umfrage beim Unternehmen IBM ermittelt wurden (Hofstede 2011).3 Ende der 1980er Jahre fügte Hofstede, inspiriert durch eine Umfrage von Michael Harris Bond, die fünfte Dimension, lang- vs. kurzfristige Orientierung, hinzu. Ein Grund bestand darin, dass diese Dimension mit dem volkswirtschaftlichen Wachstum korrelierte und bisher keine der vier Dimensionen diesen Zusammenhang aufweisen konnte (Hofstede 2011). 2010 kam dann die letzte Dimension, Genuss vs. Zurückhaltung, hinzu, die sich an Veröffentlichungen von Michael Minkov, einem bulgarischen Linguisten und Soziologen, sowie der Glücksforschung orientierte.

Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Forscher der Arbeiten von Hofstede angenommen und eigene Befragungen mit ähnlichen Fragebögen durchgeführt. Hervorzuheben sind hier vor allem die Arbeiten des Teams um House et al. (2010), die ergänzend aufgeführt werden. Im Rahmen der von ihnen durchgeführten GLOBE-Studie4 sammelte ein Forscherteam von 150 Personen Daten von 18 000 Führungskräften der mittleren Führungsebene aus 62 Ländern.5 Die Daten wurden wiederum neun kulturellen Dimensionen gegenübergestellt (Javidian u. House 2001). Dazu zählten:

  1. Leistungsorientierung (»Performance Orientation«)
  2. Zukunftsorientierung (»Future Orientation«)
  3. Durchsetzungsvermögen (»Assertiveness«)
  4. Unsicherheitsvermeidung (»Uncertainty Avoidance«)
  5. Machtdistanz (»Power Distance«)
  6. Kollektivismus (»Collectivism«)
  7. Familien-basierter Kollektivismus (»Family Collectivism«)
  8. Gleichberechtigung (»Gender Differentiation«) und
  9. Humanorientierung (»Humane Orientation«)6

Da sie den aufgeführten von Hofstede ähneln, werden sie im Folgenden nicht mehr detailliert aufgeführt, sondern vielmehr der Mehrwert der Studie adressiert. Dieser liegt zum einen darin, dass neben den gesellschaftskulturellen Unterschieden auch die jeweiligen Führungsvorstellungen in den einzelnen Ländern betrachtet werden. Während die Kulturdimensionen als unabhängige Variablen dienen, werden die kulturell eingebetteten Führungsdimensionen als abhängige Variablen gemessen. Auf Basis von qualitativen Forschungsergebnissen haben sich im Rahmen der GLOBE-Studie sechs Führungsdimensionen herauskristallisiert, durch die sich landeskulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten abbilden lassen (Festing et al. 2011 auf Basis von House et al. 2010). Sie lauten:

  • Charismatische Führung als Fähigkeit, Mitarbeitende zu inspirieren, zu motivieren sowie eine hohe Leistung zu erzielen, die auf strikten Grundwerten basiert;
  • Teamorientierte Führung als Führungsstil, der effektive Gruppenarbeit präferiert und ein gemeinsames Ziel unter den Gruppenmitgliedern etabliert;
  • Partizipative Führung als Führungsstil, bei dem Personalverantwortliche ihre Beschäftigten stark in Entscheidungen einbeziehen;
  • Humanorientierte Führung als Führungsstil, der einen großzügigen, unterstützenden und bedachten Umgang mit Mitarbeitenden beabsichtigt;
  • Autonome Führung als Führungsstil, die Unabhängigkeit und Individualität der Vorgesetzten zum Ziel hat;
  • Defensive Führung als Führungsstil, bei dem der Personalverantwortliche auf die Wahrung des Gesichts des Einzelnen und der Gruppe achtet. Die Führungspersonen sind statusorientiert, selbstzentriert, konfliktorientiert und gesichtswahrend.

Es zeigte sich, dass sich gesellschaftskulturelle Unterschiede in den jeweiligen Führungsvorstellungen niederschlagen. Allerdings wurde darüber hinaus auch deutlich, dass es globale Merkmale effektiver Führung gibt. Dazu zählen Führungsmerkmale, die mit Veränderungs- und Verbesserungsorientierung (wie zum Beispiel hohe Leistungsorientierung, vertrauenswürdig, ehrlich, gerecht, vorausschauendes Planen und Handeln, andere motivieren und ermutigen) einhergehen (Brodbeck 2008). Ein weiterer Mehrwert der Studie liegt in der Grundgesamtheit. Im Gegensatz zu Hofstede, der in seiner ersten Studie Mitarbeitende von IBM befragte, gehörten die Befragten der GLOBE-Studie unterschiedlichen Organisationen an.

Zusammenfassend bieten beide Studien Praktikerinnen und Praktikern aus Unternehmen erste Anhaltspunkte, die bei der Zusammenarbeit mit anderen Kulturen beachtet werden müssen.7 Während in Ländern mit einem hohen Grad an Individualismus individuelle Leistungsprämien präferiert werden, sollten in Ländern mit einem hohen Kollektivismus-Index Gruppenprämien gezahlt werden. Überdies stehen Länder mit einem hohen Wert in der Dimension »Leistungsorientierung« für eine direkte Kommunikation, die »Facts und Figures« präferiert. Demgegenüber bevorzugen Länder mit einem niedrigen Wert in der Dimension »Leistungsorientierung« weniger direkte, sondern vielmehr indirekte Kommunikation (u.a. Javidian u. House 2011). Neben all der Unterschiedlichkeit sollte auch bedacht werden, dass kulturvergleichende Studien nur erste Handlungsempfehlungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Menschen unterschiedlicher Nationalitäten geben können. Sie sind nicht als Universalratgeber zu verstehen, denn Individuen einer Nationalität können sich stärker voneinander unterscheiden als zwei Nationen. Vor diesem Hintergrund sollte daher immer zuerst die Persönlichkeit des Individuums, mit dem man in einem multinationalen Umfeld zusammenarbeitet, betrachtet werden.

Implikationen für den Umgang mit Interkulturalität im Unternehmen

Die beschriebenen kulturellen Unterschiede können zu Konflikten führen, indem sich aus den unterschiedlichen Erwartungen und Verhaltensmustern der Gesprächspartnerinnen und -partner Missverständnisse und/oder ein verzerrter Eindruck des bzw. der anderen ergeben. Konflikte werden hier als reale oder wahrgenommene Inkompatibilitäten über Werte oder Erwartungen zwischen zwei oder mehreren Individuen verstanden. Sie können inhaltlicher oder relationaler Natur sein und als ein unvermeidbarer Teil der menschlichen Beziehung gesehen werden (Oetzel et al. 2000). In dieser Hinsicht sind Individuen anfälliger für Konflikte, je unterschiedlicher ihre Kulturen und somit ihre Werte und Erwartungen sind.

Wenn kulturelle Differenzen und große räumliche Distanzen überwunden werden müssen, bekommt die Zusammenarbeit von Beschäftigten in einem multinationalen Unternehmen eine neue Dimension. Es gilt hier besonders, sich auf gute Kommunikation zu verstehen und Kenntnis darüber zu erlangen, worin die kulturellen Differenzen sowie Gemeinsamkeiten bestehen. Um von interkulturellen Begegnungen zu profitieren und Konflikte zu vermeiden, ist es empfehlenswert, interkulturelle Kommunikation zu erlernen. Es gibt drei wichtige Phasen des interkulturellen Lernprozesses: Die erste Phase ist »Bewusstsein«, in der man sich die Eigenschaften der eigenen Kultur bewusst macht. Die zweite Phase ist »Wissen«, in der man über die Symbole, Rituale, Werte der anderen Kultur lernt und die Sichtweise des anderen versteht. In der letzten Phase, »Kompetenzen« wendet man die Erkenntnisse aus den anderen Phasen an und entwickelt die Fähigkeit, alltägliche und komplexere Probleme in der neuen Umgebung zu lösen (Hofstede et al. 2010).

Interkulturelle Kommunikation kann in dieser Hinsicht den Integrationsprozess vereinfachen und ist insbesondere für Migranten und Migrantinnen, internationale Arbeitskräfte und im Allgemeinen für Menschen mit Migrationshintergrund wichtig. Allerdings kann die interkulturelle Kommunikation auch für Menschen ohne Migrationshintergrund vorteilhaft sein, insbesondere, wenn sie häufig Kontakt zu Angehörigen unterschiedlicher Kulturen haben. Wer die eigene und die anderen Kulturen besser versteht, kann seine Erwartungen anpassen sowie Kompetenzen entwickeln, um mit kulturellen Unterschieden umzugehen. Somit können interkulturelle Konflikte reduziert oder vermieden sowie die Vorteile der Vielfalt und der interkulturellen Begegnung besser genutzt werden.

Anmerkungen