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Autogenes Training für Dummies

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Einführung

Suchen Sie Entspannung, Wohlbefinden und angenehme Ruhe oder geistige Frische, Klarheit und Konzentrationsfähigkeit? Möchten Sie Ihre Gesundheit erhalten und stressbedingten Beschwerden vorbeugen? Oder leiden Sie bereits an einer durch Stress verursachten Erkrankung und möchten Sie wieder gesund und beschwerdefrei leben? Ist Ihre Lebensbalance gestört und wollen Sie wieder einen guten Rhythmus finden? Haben Sie die Nase voll von Alkohol oder Tabletten zur Entspannung und möchten Sie auf gesündere Weise von Hektik abschalten, einschlafen oder zur Ruhe kommen können?

Das alles können Sie haben – und noch viel mehr. Das Autogene Training hilft, es zu bekommen. Wenn Sie den Wunsch haben, etwas für sich zu tun, haben Sie das richtige Buch in der Hand. Was auch immer Sie erreichen wollen und warum Sie es wollen: Sie sind nicht allein mit diesem Wunsch. Autogenes Training gibt es seit fast hundert Jahren und Hunderttausende von Menschen haben es vor Ihnen gelernt. Dass Autogenes Training wirksam und immer noch modern und zeitgemäß ist, hat sich längst herumgesprochen und die Nachfrage ist ungebrochen. Sonst hätte ich auch nicht die Gelegenheit bekommen, dieses Buch für Sie zu schreiben.

Ich erkläre Ihnen, was Autogenes Training ist, wie es wirkt und ich zeige Ihnen einen bewährten Weg, es zu lernen. Die Übungen des Autogenen Trainings sind einfach und gleichzeitig hoch wirksam. Sie brauchen keine Vorkenntnisse oder teure Ausrüstung, um mit dem Lernen zu beginnen. Eine besondere Stärke des Autogenen Trainings besteht darin, dass Sie es sofort und unauffällig im Alltag umsetzen können.

Wahrscheinlich haben Sie selbst schon bemerkt, dass bestimmte Vorstellungen bestimmte Körperreaktionen zur Folge haben. Stelle ich mir eine frische, saftig-saure Zitrone vor, läuft mir zwangsläufig das Wasser im Mund zusammen. Auch Gefühle ziehen Körperreaktionen nach sich. Der Examenskandidat hat Angst vor seiner Prüfung und bekommt Herzklopfen oder Durchfall. Der verliebte Teenager hat Schmetterlinge im Bauch und kann nichts mehr essen. Fühlen wir uns gestresst, sind die Muskeln angespannt und der Kreislauf aktiviert. Fühlen wir uns entspannt, spüren wir Schwere und Wärme im Körper, Atem und Kreislauf werden ruhiger. Diesen Zusammenhang zwischen körperlichen Reaktionen und seelischem Befinden macht man sich beim Autogenen Training zunutze. Mit zusätzlicher Hilfe von Entspannungsformeln wird eine Entspannungsreaktion eingeübt.

Über dieses Buch

Ich verdanke dem Autogenen Training sehr viel. Ich habe es in einer Zeit erlernt, in der ich als Ärztin, Ehefrau und Mutter meinen Beruf mit vielen zusätzlichen Nacht- und Wochenenddiensten und die berechtigten Bedürfnisse meiner Familie unter einen Hut bringen wollte. Ich merkte, dass ich mich in der mir zur Verfügung stehenden knappen Zeit nicht gut entspannen konnte und dabei große Sehnsucht hatte, genau das zu tun. Das Autogene Training half mir, besser zur Ruhe zu kommen und abschalten zu können.

Das alles ist zwanzig Jahre her. Seither begleitet das Autogene Training meinen Alltag. Ich muss es nicht mehr üben, ich übe es aus, wenn mir danach ist. Diese eigenen guten Erfahrungen und meine berufliche Kompetenz waren die Voraussetzung, es später über viele Jahre lang auch anderen erfolgreich beizubringen.

Die Gelegenheit, ein Buch über Autogenes Training zu schreiben, habe ich daher gern ergriffen. Es gibt viele Bücher über Autogenes Training, auch viele gute und ausführliche. Die Besonderheit dieses Buches ist, dass Sie das Autogene Training mit seiner Hilfe Schritt für Schritt erlernen können. Ich erkläre Ihnen nicht nur, was Sie zu tun haben, sondern vor allem auch, wie Sie es tun können. Vielleicht kann man es mit einem Computerbuch vergleichen, in dem nicht nur steht: »… und nun öffnen Sie die nächste Datei«, sondern in dem auch erklärt ist, welche Tasten Sie nacheinander oder gleichzeitig zu drücken haben, um das zu tun. Andererseits ein Buch, in dem diejenigen, die schon wissen, wie eine Datei zu öffnen ist, diesen Absatz bequem überspringen können und dann trotzdem erkennen, wo sie weiterlesen können.

Ich verrate Ihnen außerdem die kleinen Tricks und Kniffe, die das Trainieren unterstützen. Und ich kenne die häufig (oder auch selten) auftauchenden Fragen oder Schwierigkeiten beim Erlernen des Autogenen Trainings und erkläre Ihnen in diesem Buch, was sie bedeuten und wie Sie sie lösen können. Damit es noch mehr Spaß macht, darüber zu lesen, habe ich sie oft in Fallbeispiele verpackt.

Sie möchten gern wissen, was Sie tun? Kein Problem, hier erfahren Sie auch einiges über das Zusammenspiel von Körper und Seele. Kurz gesagt, die gut verdauliche Mischung von informierenden Grundlagen, praktischer Anleitung und einfühlsamer Unterstützung macht dieses Buch aus. (Mehr über gute Verdauung erfahren Sie übrigens bei der Bauchübung im Kapitel 11!)

Konventionen in diesem Buch

Obwohl die einzelnen Kapitel logisch aufeinander aufbauen, müssen Sie das Buch nicht von vorn bis hinten durchlesen. Sind Sie neugierig auf ein bestimmtes Kapitel, steigen Sie gleich dort ein. Oder haben Sie eine besondere Frage, suchen Sie gezielt über das Inhaltsverzeichnis oder das Stichwortverzeichnis im Anhang nach der Antwort. Ich vermute allerdings, dass die Versuchung groß ist, sich die vielen in diesem Buch enthaltenen Informationen nicht entgehen zu lassen.

Sie haben beschlossen, das Autogene Training zu lernen? Und Sie fühlen sich theoretisch schon gut gerüstet? Dann empfehle ich Ihnen, Teil II zur Vorbereitung zu lesen und sich anschließend nacheinander mit den einzelnen Übungen des Teils III zu befassen. Beim Erlernen der Übungen sollten Sie die angegebene Reihenfolge von Schwere, Wärme, Atmung, Herz, Bauch und Kopf einhalten, sie hat sich bewährt. Sie beherrschen die Grundstufe des Autogenen Trainings bereits und möchten darauf aufbauen, haben Lust auf etwas Neues, auf eine Bereicherung? Sie suchen nach einem formelhaften Vorsatz, um ein bestimmtes persönliches Ziel zu erreichen? Dann ist der Teil IV richtig für Sie.

Fachbegriffe habe ich kursiv gesetzt und ich erkläre sie natürlich. Wörter, die ich betone oder Sätze, die ich hervorhebe, sind ebenfalls kursiv oder fett gedruckt. Neue Ausdrücke und Formulierungen des Autogenen Trainings stehen meist in »Anführungszeichen«.

Was Sie nicht lesen müssen

Ich bin mir sicher, dass die meisten von Ihnen auf einige grundlegende Informationen über den menschlichen Körper, die Seele und die Ansatzpunkte des Autogenen Trainings nicht verzichten wollen. Wer sich aber partout nicht dafür interessiert, kann die Abschnitte mit den »Vorsicht Wissenschaft«-Symbolen auch getrost überspringen.

Mit den Fallbeispielen können Sie ähnlich vorgehen. Ich habe fiktive Personen auf der Grundlage meiner langjährigen Erfahrung im Unterrichten des Autogenen Trainings geschaffen. Sie vermitteln anschaulich die beim Üben am häufigsten auftretenden Situationen oder Störungen. Daher vermute ich, Sie werden sich zwischendurch ganz gern mal mit Frau Ahlers oder Herrn Fuchs beschäftigen. Wenn nicht, ignorieren Sie die Kästen mit den Symbolen »Beispiel aus der Praxis« einfach.

Mit dem Symbol »Erinnerung« sind immer alle wichtigen Aussagen eines Kapitels zusammengefasst. Theoretisch könnten Sie auch nur diese Merksätze lesen und den Text dazwischen überspringen oder ihn nur lesen, wenn Ihnen etwas unklar ist.

Wie dieses Buch aufgebaut ist

Dieses Buch besteht aus fünf Teilen, die der Übersichtlichkeit halber in weitere Kapitel unterteilt sind.

Teil I: Das Autogene Training von A bis T

Wenn Sie noch nichts über das Autogene Training wissen, fangen Sie am besten hier an. Ich erkläre Ihnen, warum Menschen auf Stress so unterschiedlich reagieren und wie eine solche menschliche Stressreaktion abläuft. Sie lernen die Ansatzpunkte des Autogenen Trainings kennen und warum es mit seiner Hilfe zu einer Entspannungsreaktion kommt. Außerdem erfahren Sie alles über den Aufbau des Autogenen Trainings.

Teil II: Gute Vorbereitung für gutes Gelingen

Dieser Teil dient der Vorbereitung auf Ihr erstes Training. Wer, warum, wann, wie, wo, wie oft, wie lange – all diese Fragen habe ich hier beantwortet. Wenn Sie noch keine Erfahrung mit dem Autogenen Training haben, sollten Sie diesen Teil auf alle Fälle lesen.

Teil III: Erster Übungsteil – die sechs Grund- und Organübungen

Jetzt dürfen Sie endlich auch praktisch loslegen. Nacheinander zeige ich Ihnen die sechs Übungen der Grundstufe des Autogenen Trainings: Schwere, Wärme, Atmung, Herz, Bauch und Kopf. Zwischendurch gibt es das Kapitel der »Halbzeit-FAQ«, in dem alle wichtigen bis dahin auftauchenden Fragen beantwortet werden. Außerdem gebe ich auch immer wieder konkrete Übungsanleitungen, um sich auf ein Thema einzustimmen oder um einfach nur zu genießen.

Teil IV: Zweiter Übungsteil – die Kür für Fortgeschrittene

Für Könner der Grundstufe habe ich diesen Teil mit weiteren Übungsanregungen gedacht. Nichtkönner dürfen ihn natürlich auch lesen, er macht mit seiner Vielfalt Appetit auf das, was mit dem Autogenen Training noch so möglich ist und wie das Autogene Training geeignet ist, persönliche Ziele zu erreichen. Ich gebe einen Überblick über die Möglichkeiten und Grenzen des Autogenen Trainings bei bestimmten Fragestellungen, Beschwerden oder Erkrankungen. Zum Schluss zeige ich Ihnen alltagstaugliche Teil- und Kurzübungen.

Teil V: Der Top-Ten-Teil

Was wäre ein … für Dummies-Buch ohne den Top-Ten-Teil? Erfahrene Leser wissen schon, dass sie hier das Wichtigste noch einmal kurz und knapp zusammengefasst finden. Ich fasse die wichtigsten Gründe zusammen, warum das Erlernen des Autogenen Trainings sinnvoll ist. Außerdem finden Sie hier meine hilfreichen Tipps zum Üben und zur Überwindung von Schwierigkeiten.

Anhang: Glossar und Stichwortverzeichnis

Im Glossar erkläre ich wichtige Fachbegriffe noch einmal kurz und knapp. Im Stichwortverzeichnis habe ich alle wichtigen Begriffe, die in diesem Buch auftauchen, zusammentragen. Deshalb können Sie dieses Buch auch gern als Nachschlagewerk nutzen, in dem Sie alle Begriffe rund um das Autogene Training schnell und unkompliziert finden.

Symbole, die in diesem Buch verwendet werden

Wie es weitergeht

Jetzt können Sie die Initiative ergreifen und sich mit diesem Buch beschäftigen. Ich begleite Sie und stehe Ihnen als erfahrene Anwenderin des Autogenen Trainings und als Expertin weiter zur Verfügung. Ich wünsche Ihnen, dass das Autogene Training Sie ebenso überzeugt und bereichert, wie es das schon mit Tausenden vor Ihnen getan hat. Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihre mit dem Lernwunsch verbundenen Ziele erreichen – meine Unterstützung haben Sie.

Über die Autorin

Dr. med. Catharina Adolphsen ist Fachärztin für Innere Medizin, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und Psychoanalytikerin. Sie arbeitete viele Jahre als leitende Oberärztin in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie eines Krankenhauses der Maximalversorgung. Seit einigen Jahren ist sie mit einer eigenen Praxis für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Psychoanalyse in Berlin niedergelassen.

Mit Autogenem Training beschäftigt sich Catharina Adolphsen seit zwei Jahrzehnten. Ausgebildet in den 1990er-Jahren bei Dr. Sibylle Daeschlein in Berlin, bildete sie sich regelmäßig bei den Jahrestagungen der Deutschen Gesellschaft für Ärztliche Hypnose und Autogenes Training (DGÄHAT) auf dem Gebiet der Entspannungsverfahren weiter. Seit vielen Jahren nutzt sie die analytische Oberstufe des Autogenen Trainings unter der Leitung von Dr. Sabine Jablonka in Düsseldorf zur Selbsterfahrung.

Catharina Adolphsen wendet das Autogene Training nicht nur selbst an, als anerkannte Expertin gibt sie ihre Kenntnisse und Erfahrungen auch an Interessierte und Patienten weiter. Viele Jahre leitete sie die DGÄHAT-Geschäftsstelle des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Sie leitete von der Ärztekammer anerkannte Kurse – sowohl für Ärzte, die das Autogene Training im Rahmen ihrer Facharztausbildung erlernen, als auch für Therapeuten, die Entspannungsverfahren vermitteln möchten.

Vorwort

»Noch ein Buch Autogenes Training«, so könnte man fragen, »ist das denn nötig, nachdem zu diesem Thema schon so viele Veröffentlichungen und Bücher erschienen sind?« Dass Frau Dr. Adolphsen aber ein Buch in dieser Form geschrieben hat, zeigt, dass es bisher eine Lücke bei der Vermittlung des Autogenen Trainings gab, die hiermit geschlossen werden kann.

Die Autorin vermittelt die grundlegenden Informationen ausführlich und kurzweilig und steckt gleichzeitig den Rahmen, in dem Autogenes Training mit oder ohne Lehrer – besser ist es jedoch mit Lehrer – vermittelt werden kann. Auf mögliche Fragen der Leser geht Frau Dr. Adolphsen ausgiebig ein, und Inhalt und Form ermöglichen es, das Autogene Training gerade den jüngeren Lesern heute in adäquater Form nahezubringen.

Durch das Lesen wird natürlich das Üben nicht ersetzt. Es handelt sich ja bei dem Autogenen Training um ein »Trainieren«, aber dieses Buch kann dazu motivieren, auch die praktische Umsetzung einzuüben.

In leicht verständlicher Form vermittelt Frau Dr. Adolphsen ihr fundiertes Wissen. Damit hebt sich dieses Buch positiv von vielen anderen, eher oberflächlichen ab. Das liegt wohl vor allem daran, dass sich Frau Dr. Adolphsen als Expertin auf die Grundlagen von Johannes Heinrich Schultz beruft, der das Autogene Training vor nun fast neunzig Jahren entwickelt hat und die in zahlreichen Untersuchungen wissenschaftlich belegt sind.

Insofern ist dieses Buch eine Bereicherung, nicht nur für »Dummies«, sondern für jeden offenen Leser und auch für Interessierte, die sich mit dem Autogenen Training schon vorher beschäftigt haben.

Dr. med. Siegfried Stephan

Stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Ärztliche Hypnose und Autogenes Training

Teil I

Das Autogene Training von A bis T

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Kapitel 1

Autogenes Training – kein Zauber

IN DIESEM KAPITEL

  1. Die Vorteile des Autogenen Trainings
  2. Der Begriff Autogenes Training
  3. Grund- und Oberstufe des Autogenen Trainings
  4. Was uns Menschen stresst

Mit dem Begriff »Stress« kann jeder etwas anfangen. Aber was ist es eigentlich genau, was uns stresst? Wie kommt es dazu? Wo setzt ein Entspannungsverfahren wie das Autogene Training zur Stressbewältigung an? Was hat Autogenes Training für Vorteile? Woher stammt der Begriff überhaupt? Wie ist das Autogene Training aufgebaut? In diesem Kapitel finden Sie Antworten auf diese Fragen.

Stress – nein danke!

Vielleicht überrascht es Sie zu hören, dass es schon seit Beginn der Menschheit Verfahren gibt, die auf Suggestionen beruhen und die durch Übung zu Entspannung führen. Der Wunsch, Ruhe und Entspannung zu finden, hat schon unsere Vorfahren in unterschiedlichen Regionen der Erde und in verschiedenen Kulturen und Epochen beschäftigt und ist keinesfalls nur Ausdruck des modernen Zeitgeistes.

Unter den vielen Behandlungsmethoden, die sich aus diesen Entspannungsverfahren entwickelt haben, nimmt das Autogene Training eine besondere Stellung ein. Nach dem Motto »Die Guten ins Kröpfchen« entstand es durch eine sinnvolle Auswahl und Kombination der wirksamen Elemente verschiedener körperlicher und seelischer Heilverfahren, wie Wärme- und Kälteanwendungen, Meditationsübungen, Muskelentspannung oder Trancezustände.

Das Autogene Training ist eine Entspannungsmethode, deren zugrunde liegenden Mechanismen viel untersucht wurden und deren Wirksamkeit und Effektivität durch zahlreiche Untersuchungen und wissenschaftliche Studien belegt ist. Seine weite Verbreitung fand es vor allem durch seine klare und einfache Strukturierung, seine leichte Lern- und Anwendbarkeit und durch die vielen hilfreichen Erfahrungen, die unzählige Menschen seitdem mit dieser Methode machten und die sich mehr und mehr herumgesprochen haben.

Das Autogene Training hat viele Vorteile, durch die es sich auch von einigen anderen Entspannungsverfahren unterscheidet. Die Übungen sind einfach und können überall und unauffällig durchgeführt werden. Sie brauchen keine Matte, kein Kissen, kein Bänkchen, keine bestimmte Kleidung oder einen anderen, möglicherweise sogar teuren Ausrüstungsgegenstand. Wenn Sie dieses Buch gekauft haben, müssen Sie nichts Zusätzliches mehr erwerben.

Niemand sieht Ihnen an, dass Sie gerade Autogenes Training machen, wenn Sie im Bus, im Zug oder in der U-Bahn sitzen. Auch die aktivierende Rücknahme lässt sich unauffällig durchführen. Als Rücknahme wird die Beendigung der Übung durch Muskelanspannung, tieferes Atmen und Augenöffnen bezeichnet. Die täglichen Übungszeiten sind kurz. Bei regelmäßigem Üben genügen täglich dreimal drei Minuten.

Und wenn Sie mich oder Ihren Arzt oder Apotheker fragen: Das Autogene Training hat keine Risiken und keinerlei gefährliche Nebenwirkungen.

Das Autogene Training hat viele Vorteile:

  • Die Übungen sind einfach und leicht lernbar.
  • Die täglichen Übungszeiten sind ausgesprochen kurz (dreimal drei Minuten genügen bei regelmäßigem Üben).
  • Vorkenntnisse, eine besondere Vorbereitung oder irgendwelche Ausrüstungsgegenstände sind nicht erforderlich.
  • Es kann im Alltag überall, sehr schnell und vollkommen unauffällig durchgeführt werden.
  • Es ist individuell einsetzbar, ob vor einer Prüfung, einem Wettkampf, ob zur Schmerzlinderung oder zum Stressabbau.
  • Es ist hoch wirksam …
  • … und es ist ungefährlich.

Auch ich gehöre zu den Menschen, die gute Erfahrungen mit dem Autogenen Training gemacht haben. Und ich habe das Glück, das Autogene Training inzwischen aus unterschiedlichen Blickwinkeln sehen zu können.

  • Ich wende es selbst an. Dabei erlebe ich das Autogene Training nicht nur als gut funktionierende Einschlaf- und Entspannungsmethode oder als Erfrischungsmittel, sondern es hat gerade auch in der Kombination mit den Elementen der Oberstufe mein Leben sehr bereichert.
  • Ich sehe es aus dem Blickwinkel einer Ärztin und Internistin und profitiere dabei von den guten Erfahrungen, die viele körperlich Erkrankte mit diesem praktischen Verfahren gemacht haben.
  • Außerdem sehe ich es aus dem Blickwinkel einer Psychosomatikerin, Psychotherapeutin und Psychoanalytikerin. Ich weiß, dass das Autogene Training auch bei psychosomatischen Erkrankungen, bei seelischen Schwierigkeiten und in problematischen Lebenslagen hilft. Es kann dabei sehr entlastend und unterstützend sein, eine Methode zu beherrschen, die unabhängig von anderen Menschen verfügbar und nahezu überall anwendbar ist.
  • Und nicht zuletzt sehe ich das Autogene Training aus dem Blickwinkel einer Dozentin, die es an Ärzte, Krankenschwestern, Psychologen und Körpertherapeuten weitergibt, die mir wiederum von ihren Erfahrungen mit Gesunden, Patienten und Klienten bezüglich des Autogenen Trainings berichten.

Das Autogene Training ist seit Beginn der 1980er-Jahre Bestandteil der Weiterbildung für Ärzte in Deutschland. Viele Krankenkassen bezuschussen die Teilnahme ihrer Versicherten an Kursen für Autogenes Training zur Stressprophylaxe und Vorbeugung von Krankheiten.

Der Begriff Autogenes Training

Wer bei dem Wort »Auto« an sein Kraftfahrzeug denkt, ist schon fast auf der richtigen Spur. Ein Automobil ist ein »Selbst-Beweger«, das Wort »auto« bedeutet im Griechischen »selbst«. Der Begriff autogen kommt aus dem Griechischen und setzt sich aus den Wortteilen auto = selbst und genos = erzeugen zusammen. Es entsteht etwas aus sich selbst.

Beim Autogenen Training ist damit gemeint, dass durch Selbstsuggestionen (Autosuggestionen) und bestimmte Entspannungsformeln eine Entspannungsreaktion entsteht. Den Begriff »Training« kennen Sie. Mit dem Wort trainieren ist ein zielgerichtetes und regelmäßiges Üben gemeint, das einer gewissen Motivation und auch ein klein wenig Disziplin bedarf. Nebenbei: Sie können das Autogene Training natürlich auch in Ihrem Auto üben und anwenden.

Der Begriff »Autogenes Training« wurde von dem Berliner Nervenarzt Johann Heinrich Schultz geprägt und 1928 erstmals verwendet. Die Methode hatte er schon in den Jahren zuvor beschrieben und zunächst konzentrative Selbstentspannung genannt. Damit meinte er, dass das Ziel dieser Entspannungsmethode durch Konzentration, durch konzentriertes Üben erreichbar ist.

Schultz ging damals, wie viele seiner nervenärztlich tätigen Kollegen, von der Hypnose aus. Ihm war aufgefallen, dass viele seiner hypnotisierten Patienten von angenehmen Schwere- und Wärmegefühlen im Körper und einer Ruhigstellung von Herz und Atmung während der Hypnosebehandlung berichteten.

Schultz kam auf die Idee, diese unabsichtlichen Begleiterscheinungen absichtlich herbeizuführen. Mit den aus der Hypnose bekannten Wirkungen von Entspannung und Ausgeglichenheit, von Ruhe und angenehmer Müdigkeit und von Angstfreiheit stellte er sie in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Er ging davon aus, dass durch die absichtliche Herbeiführung dieser Begleiterscheinungen ein der Hypnose vergleichbarer Zustand zu erreichen sei.

So wurde aus der Hypnose als einem fremdsuggestiven Verfahren das Autogene Training als ein eigensuggestives (selbstsuggestives, autosuggestives) Verfahren entwickelt. Schultz bezeichnete das Autogene Training als »legitime Tochter der Hypnose«. Auf die Begriffe Eigen- und Fremdsuggestion gehe ich in Kapitel 3 näher ein. Wem an diesem Punkt das Wort »Suggestion« nicht gefällt, der kann sich auch merken: Autogenes Training ist ein übender Weg zur Selbstbeeinflussung.

Üben und Trainieren – Lernen und Können

Wie lange lernt man eine Sprache, ab wann kann man eine Sprache? Die Frage ist, wenn es die Muttersprache betrifft, noch relativ einfach zu beantworten. Bei einer Fremdsprache wird es schon schwieriger. Wenn Sie sie flüssig und frei sprechen können und keine Probleme haben zu kommunizieren? Wenn Sie auch die Bildsprache verstehen? Wenn Sie sich wortgewandt in dieser Sprache streiten können? Wenn Sie keiner mehr an Ihrem Akzent als Ausländer erkennt? Wenn Sie auch mit Dialekten dieser Sprache umgehen können?

Beim Erlernen einer Fremdsprache hat man Grade festgelegt, die es zu erreichen gilt. Zertifikate garantieren einen gewissen Sprachwortschatz, bestandene Tests ein Niveau des Verstehens, was beispielsweise ein Studium an einer internationalen Universität ermöglicht. Beim Autogenen Training ist es nicht viel anders (nur sehr viel einfacher): Es gibt eine Grundstufe und eine Oberstufe.

Gut und bewährt – die Grundstufe des Autogenen Trainings

Die Grundstufe des Autogenen Trainings besteht aus sechs verschiedenen Übungen, die aufeinander aufbauen. Diese sechs Übungen werden auch Grund- und Organübungen genannt und umfassen Schwere, Wärme, Atmung, Herz, Bauch und Kopf. Zum Erlernen dieser sechs Übungen werden Formeln benutzt, die Sie alle noch kennenlernen werden. Diese Formeln werden mit einem bestimmten Bild und einer bestimmten Vorstellung verknüpft, die Sie sich während der jeweiligen Übung machen.

Ruhe und Entspannung sind das Ziel des Autogenen Trainings, daher taucht die sogenannte Ruheformel immer wieder auf. Diese Ruheformel lautet: »Ich bin ganz ruhig«. Sie steht am Anfang eines Trainings und gibt Körper und Seele das Signal für den Beginn der Entspannung. Sie steht nicht nur am Anfang und Ende des Trainings, sondern verknüpft sozusagen die einzelnen Übungen miteinander. In Abbildung 1.1 habe ich für Sie ein Bild entworfen, das einen guten Überblick über die Grundstufe des Autogenen Trainings gibt.

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Abbildung 1.1: Die Grundstufe des Autogenen Trainings

Am Anfang haben Sie Ihre »Motivationslokomotive«, die Ihr Training (am besten dreimal täglich) immer wieder in Bewegung bringt. Die einzelnen Übungen reihen sich wie Waggons aneinander. Die einzelnen Waggons werden durch Puffer oder Kupplungen miteinander verbunden, diese Kupplungen bestehen in diesem Fall aus der Ruheformel. Mit der Ruheformel beginnen Sie Ihr Training und beenden es auch, bevor die aktivierende Rücknahme erfolgt. Wenn Ihre Motivationslokomotive von Ihnen immer wieder neuen Brennstoff erhält, werden Sie die Grundstufe des Autogenen Trainings nach ungefähr vier bis sechs Monaten beherrschen.

Sie können das Autogene Training dann regelmäßig anwenden und von den Effekten profitieren. Aus dem Üben wird ein Ausüben. Um autogen fit zu bleiben, sollten Sie sich wenigstens einmal am Tag damit beschäftigen. Und um Missverständnissen vorzubeugen: Die Grundstufe des Autogenen Trainings ist das Autogene Training an sich. Wer die Grundstufe beherrscht, darf also behaupten: »Ich kann Autogenes Training«.

Aber bitte mit Sahne – die Oberstufe des Autogenen Trainings

Die Oberstufe ist hingegen die »Kür« des Autogenen Trainings, sozusagen das Sahnehäubchen. Sahne kann, aber muss nicht sein. Menschen, die keine Sahne mögen, können auch wunderbar ohne sie leben. Was hat es nun mit der »AT-Sahne« auf sich?

Durch die während der Entspannung angewandten formelhaften Vorsätze können Sie gezielt positiven Einfluss auf Ihre Gedanken, Ihre Gefühlswelt und Ihr körperliches Erleben nehmen. Mithilfe dieser Formeln lässt sich das Autogene Training individuell ausbauen. Persönliche Ziele lassen sich besser erreichen und Wünsche verwirklichen. (Über die formelhaften Vorsätze erfahren Sie mehr in Kapitel 13.)

Sind schon während der Grundstufe gelegentlich spontan bildhafte Erlebnisse aufgetreten, ist es bei der Oberstufe im Hinblick auf eine vertiefte Selbstwahrnehmung und Selbsterfahrung ausdrücklich erwünscht, Bilder vor das innere Auge treten zu lassen. Im Rahmen der analytischen Oberstufe des Autogenen Trainings kann in Selbsterfahrungsgruppen unter Leitung eines Psychoanalytikers mit diesen Bildern gearbeitet werden. Für all diese Erlebnisse ist die Beherrschung der Grundstufe Voraussetzung.

Gesunder und ungesunder Stress

Der Begriff »Stress« kommt aus dem Englischen. Stress gehört zum menschlichen Leben dazu. Menschen brauchen Anregung, Forderung und Förderung, Anleitung, Herausforderung, manchmal auch ein bisschen Druck. Das hält lebendig und das Leben in Bewegung. Auf diese Art von Stress sind wir Menschen geradezu angewiesen, es ist gesunder Stress, der als Eustress bezeichnet wird. Würde er auf Dauer fehlen, würden wir krank. Er ist sozusagen das Salz in der Suppe unseres Lebens. Ohne Salz würde nicht nur die Suppe fade schmecken, sondern irgendwann gäbe es auch Mangelerscheinungen durch die fehlenden Mineralien.

Wenn es gesunden Stress gibt, gibt es natürlich auch ungesunden Stress, Dysstress genannt. Wobei es häufig gar nicht der Stress an sich ist, der ungesund ist, sondern das Ausmaß des Stresses oder das Fehlen von ausreichend Erholung und Entspannung.

Wenn aus Forderung Überforderung wird, wenn aus Anregung und Spannung dauernde Anspannung resultiert, wenn Druck zur chronischen Belastung wird und es keine Gegengewichte gibt, ist die Stressbalance gestört. Dann kann auch an sich gesunder Stress ungesund wirken und auf Dauer krank machen. Aus dem andauernden Druck resultiert dann beispielsweise ein erhöhter Blutdruck oder aus der dauernden Anspannung ein chronischer Rückenschmerz.

Techno-Musik kann für den einen Menschen anregend und zugleich entspannend sein (Eustress), während ein anderer sofort genervt wäre und den »Krach« nicht aushalten könnte (Dysstress).

Mögliche Stressreize:

  • Infektionen
  • Vergiftungen
  • Traumata, Unfälle, Operationen
  • andere schmerzhafte Zustände
  • Kälte, Hitze, extreme Temperaturschwankungen
  • Lärm
  • Frustration, Ärger, Kummer, Kränkung
  • langfristige Überlastung

Die letzten beiden Punkte zeigen, dass ein großer Teil der Stressreize durch seelische Faktoren mitbestimmt wird. Das heißt, der auslösende Faktor liegt im Menschen selbst oder in der (mehr oder weniger schwierigen) Beziehung zu seinen Mitmenschen. Natürlich können auch an sich positive Ereignisse Stress auslösen, weil sie ein bisher bestehendes Gleichgewicht aufheben, wie etwa durch die Geburt des sehnsüchtig erwarteten Nachwuchses.

Psychische Stressreize können sein:

  • Tod naher Angehöriger, Scheidung, Krankheit, Mitteilung einer schlimmen Krankheitsdiagnose
  • Armut und Schulden, plötzliche finanzielle Verluste
  • Vernachlässigung, soziale Isolation, »Mobbing«
  • Verachtung und Verfolgung; Angst vor Verhaftung, Folter, Tötung
  • Perfektionismus (zu hohe Erwartungen an sich selbst und andere); Angst, nicht zu genügen
  • Unterforderung, Langeweile, Langzeitarbeitslosigkeit
  • hohe Verantwortung oder fehlende Gestaltungsmöglichkeiten
  • dauerhafte Konflikte in Beziehungen (Partnerschaft, Familie, Arbeitsumfeld)
  • Auch positive Ereignisse können als Stressreize fungieren: Heirat, Geburt eines Kindes, Lottogewinn, Hauskauf, Umzug, Urlaub und Reisen, Selbstständigkeit und Auszug der Kinder, der langersehnte Ruhestand oder eine bestandene Prüfung oder Beförderung

Unabhängig von der Art der Stressreize kann mit dem Autogenen Training eine Entspannungsreaktion trainiert werden, die bei wiederholter Anwendung dem Stressabbau dient beziehungsweise der Entstehung von Stressgefühlen vorbeugt.

Ganz einfach ausgedrückt, kommt es durch das Autogene Training zu einer Umschaltung von Erregung auf Entspannung. Sie können darauf vertrauen, dass diese Umschaltung während der Übungen auch bei Ihnen erfolgen wird.

Diese Entspannungsreaktion ist übrigens mithilfe von Biofeedback-Geräten auch eindeutig messbar. Biofeedback-Geräte erfassen bestimmte Kenngrößen wie Blutdruck, Puls, Hauttemperatur, Hautwiderstand oder Atemfrequenz und signalisieren das Ergebnis an die Versuchsperson. Beispielsweise kann die Versuchsperson hören, wie sie sich entspannt, indem die Hauttemperatur zunimmt und der vom Gerät signalisierte Ton tiefer wird. Dieses Erfolgserlebnis motiviert und fördert die weitere Entspannung.

Regelmäßige Durchführung von Entspannungsübungen bewirkt viele positive körperliche und seelische Veränderungen.

Positive Veränderungen durch regelmäßige Entspannungsübungen sind:

  • Stressabbau
  • schnellere und bessere Erholung
  • besserer Schlaf
  • Verbesserung von Konzentration, Lern- und Merkfähigkeit
  • bessere Wärmeregulation
  • Schmerzabschirmung
  • Abschirmung störender Gefühle
  • Symptomlinderung bei körperlichen Funktionsstörungen

Was genau bei Stress im Körper passiert, wie eine Stressreaktion abläuft und auf welche körperlichen und seelischen Vorgänge das Autogene Training im Einzelnen wirkt, erfahren Sie in Kapitel 2.

Kapitel 2

Stress und Entspannung

IN DIESEM KAPITEL

  1. Körperliche und seelische Vorgänge bei Stress und bei Entspannung
  2. Das vegetative oder autonome Nervensystem des Körpers
  3. Ansatzpunkte des Autogenen Trainings
  4. Wirkungen des Autogenen Trainings und deren Nachweise

Wenn Sie zu den Menschen gehören, die neugierig sind, gern wissen, was sie tun und sich dafür auch von ein wenig Medizin und Wissenschaft nicht abschrecken lassen, sind Sie hier im richtigen Kapitel.