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Ronald A. Hites, Jonathan D. Raff und Peter Wiesen

Umweltchemie

Eine Einführung mit Aufgaben und Lösungen

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Vorwort zur englischen Originalausgabe

Praktisch alle Chemiestudiengänge und Studiengänge der Umweltwissenschaften verfügen heute bereits über eine oder mehrere Lehrveranstaltungen mit dem Fokus Umweltchemie und es gibt eine Vielzahl von Lehrbüchern, die sich dieser Thematik widmen. Allerdings behandeln diese Bücher häufig sehr unterschiedliche Themen und sind leider auch qualitativ sehr unterschiedlich. Nach unserer Meinung muss ein gutes Lehrbuch – unabhängig vom didaktischen Potenzial des Lehrenden – quantitativ ausgerichtet sein. Das heißt, dass die Studierenden die Themen des Lehrbuches mit zahlreichen realen Problemen erarbeiten sollen.

Folglich zielt dieses Lehrbuch auf eine quantitative Herangehensweise an die Umweltchemie ab. Das vorliegende Buch soll die Studierenden mit den Grundlagen der Umweltchemie vertraut machen und sie gleichzeitig mit den notwendigen Werkzeugen zur Lösung konkreter Probleme versorgen. Diese Fähigkeiten sind dann auch auf andere Bereiche über die Umweltchemie hinaus übertragbar, können aber auch zum Verständnis weitaus komplexerer Umweltprobleme beitragen.

Das vorliegende Buch ist relativ kurz und beinhaltet eine große Zahl konkreter Probleme, deren Lösungen Schritt für Schritt erarbeitet werden. Es ist ein interaktives Lehrbuch, das am besten mit einem Bleistift in der Hand gelesen werden sollte, damit der Leser der Lösung der Probleme und den Berechnungen folgen kann. Das reine Lesen dieses Buches, ohne sich intensiv mit den Problemen zu beschäftigen, wird nicht genügen. Nur durch die intensive Beschäftigung der Studierenden mit den Problemen und deren Lösung wird sich der entsprechende Lernerfolg einstellen.

Zusätzlich zu den Aufgaben in den einzelnen Abschnitten endet jedes Kapitel mit einer Sammlung weiterer Aufgaben. Neben der Vertiefung von Lösungskonzepten, die in dem jeweiligen Kapitel vorgestellt wurden, haben wir versucht, Themen aus der wissenschaftlichen Literatur und aus der „realen Welt“ in diese problembezogenen Aufgaben aufzunehmen. Die Lösungen zu den Aufgaben sind in einem Anhang des Buches aufgeführt. Die genauen Lösungsansätze und die Lösungswege sind in einem separaten Lösungsbuch verfügbar. Die meisten der Aufgabensätze beinhalten mindestens ein Problem, dessen Lösung mehr Zeit erfordert und/oder die Anwendung einfacher Computerprogramme. Diese sogenannten Gemeinschaftsaufgaben sollen die Studierenden ermutigen, bei der Lösung dieser Aufgaben zusammenzuarbeiten.

Als eigenständiger Text eignet sich dieses Buch für eine einsemestrige Lehrveranstaltung für Studierende in einem Bachelorstudiengang der Chemie oder für Chemieingenieurwissenschaften bzw. Studierende am Anfang eines entsprechenden Masterstudiengangs, wenn diese über nur wenige Physikkenntnisse verfügen. Grundkenntnisse in Differenzial- und Integralrechnung beim Leser wären hilfreich, sind aber nicht zwingend erforderlich.

Die zweite Auflage der englischen Originalausgabe wurde komplett überarbeitet. Aus dem ehemaligen Kapitel über die Chemie der Atmosphäre wurde der Klimawandel herausgenommen. Diesem wichtigen Thema ist jetzt ein eigenes Kapitel gewidmet. Die Reihenfolge der Kapitel über Chemodynamik und Pestizide, Blei und Quecksilber wurde umgekehrt. Ein neues Kapitel über polychlorierte Biphenyle und Dioxine sowie polybromierte Flammschutzmittel wurde am Ende des Buches eingefügt. Ebenso enthält die zweite Auflage des Buches nun im Anhang eine kurze Einführung in die Nomenklatur organischer Verbindungen und ihrer Strukturen.

Wir danken Todd Royer und Jeffery White für ihre hilfreichen Kommentare zu Teilen des Buches. Wir danken auch der großen Zahl von Studierenden, die Teile des Buches bereits während ihres Studiums über mehrere Jahre verwendet haben und die nicht schüchtern waren, uns auf Fehler und Mängel hinzuweisen.

Wir danken auch Robert Esposito, Chefredakteur bei John Wiley & Sons, mit dessen Hilfe es gelungen ist, dieses Buchprojekt fertigzustellen.

Wir würden uns über jedwede Rückmeldung freuen. Vielleicht haben wir ja Ihr Lieblingsthema vergessen oder es war trotz aller Mühen etwas noch immer unklar oder es verstecken sich trotz aller Sorgfalt noch Fehler in den Lösungen der Übungsaufgaben.

Bloomington, Indiana im November 2011

Ronald A. Hites und
Jonathan D. Raff

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Fünf Jahre nach Erscheinen der zweiten Auflage des erfolgreichen Buches „Elements of Environmental Chemistry“ liegt dieses nun erstmals in einer deutschen Übersetzung vor. Ich habe mich bei der Übersetzung bemüht, den besonderen Charakter der Originalausgabe als „Tutorial“ so weit wie möglich zu erhalten. Andererseits wurde die deutsche Ausgabe an verschiedenen Stellen erweitert, aktualisiert und an die Bedürfnisse des deutschsprachigen Raums angepasst.

So wurde neben einer Aktualisierung des Kapitels 4, das sich mit dem Klimawandel beschäftigt, im Kapitel 8 der PCB-Skandal um die Fa. ENVIO und die Dioxinbelastung des Marsberger Kieselrot eingefügt.

Darüber hinaus wurde das Abschn. 6.1/Pestizide auf deren Verwendung in der Europäischen Union erweitert. Soweit möglich, wurden auch die den einzelnen Kapiteln folgenden Übungsaufgaben für den deutschsprachigen Raum geändert.

Mein besonderer Dank gilt meiner Ehefrau Alexandra für die erste Korrekturlesung des Manuskriptes. Bedanken möchte ich mich aber auch bei Herrn Dr. Andreas Sendtko stellvertretend für alle Mitarbeiter des Verlages, ohne dessen Kompetenz, Einsatz, Ermutigung und Geduld das Vorhaben nicht so reibungslos vonstattengegangen wäre.

Wuppertal, im Juni 2017

Peter Wiesen

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Einfache Werkzeuge oder: Was man weiß – was man wissen sollte

In diesem Kapitel werden wir uns mit Grundeinheiten, dem Umrechnen von Einheiten, der Abschätzung von Größen, dem idealen Gasgesetz und der Stöchiometrie chemischer Reaktionen beschäftigen. All dieses wird uns in den folgenden Kapiteln immer wieder begegnen und es ist wichtig, diese grundlegenden Dinge richtig zu beherrschen.

1.1 Umrechnung von Einheiten

Es gibt mehrere wichtige Vorsilben für Maßeinheiten, die Sie kennen sollten:

Präfix Symbol Wert Präfix Symbol Multiplier
Yokto y 10−24 Zenti c 10−2
Zepto z 10−21 Dezi d 10−1
Atto a 10−18 Kilo k 103
Femto f 10−15 Mega M 106
Piko p 10−12 Giga G 109
Nano n 10−9 Tera T 1012
Mikro μ 10−6 Peta P 1015
Milli m 10−3 Exa E 1018

So ist z. B. ein Nanogramm 10−9 g und ein Kilometer ist 103 m lang. Aber das ist ziemlich trivial.

Obwohl in vielen Ländern inzwischen das SI-Einheitensystem1) per Gesetz vorgeschrieben ist, gibt es eine Vielzahl von Einheiten, die aus historischen Gründen noch immer verwendet werden. Zur Umrechnung von Einheiten, die in Großbritannien und den USA verwendet werden, sind die folgenden Umrechnungsfaktoren hilfreich:

  1. 1 Pfund (lb) = 454 Gramm (g)
  2. 1 Zoll (in) = 2,54 Zentimeter (cm)= 1 Zoll (′′)
  3. 12 Zoll = 1 Fuß (ft)
  4. 1 Meter (m) = 3,28 f t
  5. 1 Meile = 5280 ft = 1610 m
  6. 3,8 Liter (L) = 1 US-Gallone (gal)

Es gibt einige andere gemeinsame Umrechnungsfaktoren, die Länge, Volumina und Flächen verbinden:

  1. 1 Liter (L) = 103 cm3
  2. 1 m3 = 103 L
  3. 1 km2 = (103 m)2 = 106 m2 = 1010 cm2

Eine weitere nützliche Einheitenumrechnung ist

  1. 1 Tonne = 1 t = 103 kg = 106 g

Eine Einheit, die Chemiker häufig verwenden, um Abstände zwischen den Atomen in einem Molekül anzugeben, ist das Ångström2). Diese Einheit hat das Symbol Å. Ein Ångström sind 10−10 m. Zum Beispiel ist die Länge einer C–H-Bindung in einem organischen Molekül typischerweise 1,1 Å oder 1,1 × 10−10 m. Die OH-Bindung in Wasser ist 0,96 Å lang.

Lassen Sie uns nun die Umrechnung von Einheiten an einigen einfachen Beispielen üben. Schreiben Sie sich die Umrechnung der Einheiten immer auf, auch wenn Sie glauben, alles im Kopf ausrechnen zu können.

Nehmen wir an, dass das menschliche Kopfhaar im Monat 0,5 Zoll wächst. Wie viel wächst das Haar in einer Sekunde? Bitte verwenden Sie SI-Einheiten.

Ansatz: Lassen Sie uns Zoll in Meter und Monate in Sekunden konvertieren. Je nachdem wie klein das Ergebnis ist, können wir dann die richtigen Längeneinheiten wählen:

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Wir werden in diesem Buch fast immer die wissenschaftliche Schreibweise verwenden. Diese ist viel einfacher, wenn man mit sehr kleinen oder sehr großen Zahlen operiert.

Wir können das Ergebnis dann wie folgt schreiben:

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Ein Wort zu signifikanten Nachkommastellen. In der Aufgabe wurde die Wachstumsgeschwindigkeit mit einer Nachkommastelle angegeben. Dann sollte das Ergebnis der Berechnung auch nicht mit mehr als einer Nachkommastelle angegeben werden. Bei der Berechnung selber kann man natürlich mit mehr signifikanten Stellen rechnen, aber zum Schluss muss eine entsprechend sinnvolle Rundung vorgenommen werden.

Die Gesamtmenge an Schwefel, die pro Jahr durch die Verbrennung von Kohle in die Atmosphäre eingetragen wird, beträgt etwa 75 Mio. t. Welches Volumen hätte ein Würfel, wenn man annimmt, dass der Schwefel in fester Form vorliegt. Berechnen Sie dazu die Kantenlänge des Würfels in SI-Einheiten und nehmen Sie an, dass Schwefel die doppelte Dichte von Wasser hat.

Ansatz: Nun ja, das ist jetzt ein bisschen mehr als nur das Umwandeln von Einheiten. Zunächst müssen wir das Gewicht in ein Volumen umrechnen. Dazu benötigen wir die Dichte von Schwefel. Die Dichte hat die Einheit Masse pro Volumeneinheit. In unserem Beispiel soll die Dichte des Schwefels doppelt so groß sein wie die des Wassers, die ja 1 g∕cm3 beträgt. Die Dichte des Schwefels können wir daher mit 2 g∕cm3 ansetzen. Wenn wir das Volumen des Schwefels kennen, können wir die Kubikwurzel des Volumens ziehen und erhalten die Seitenlänge des Würfels:

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Dieser Würfel ist riesig. Es ist so hoch wie das Empire State Building in New York, aber auch 335 m lang und tief. So veranschaulicht ist die Umweltverschmutzung sehr beängstigend. Natürlich müssen wir aber auch berücksichtigen, dass sich diese Menge nicht an einem Ort befindet, sondern in der gesamten Erdatmosphäre verteilt und somit verdünnt wird.

1.2 Schätzung

Sehr oft ist es sehr hilfreich, vor einer genauen Berechnung eine Größe abzuschätzen. Oftmals reicht es schon, die Größenordnung3) abzuschätzen. Lassen Sie uns mit ein paar einfachen Beispielen starten.

Wie viele Autos gibt es in den USA und auf der gesamten Welt?

Ansatz: Ein möglicher Ansatz ist, lokal zu denken. Unter unseren Freunden und Familien scheint es, als ob etwa jeder Zweite ein Auto besitzt. Wenn wir die Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) kennen, dann können wir diese 0,5 Autos pro Person als Umrechnungsfaktor verwenden, um die Zahl der Autos in den USA zu ermitteln. Es wäre aber eindeutig falsch, wenn wir diese 0,5 Autos pro Person für den Rest der Welt verwenden würden. Beispielsweise gibt es in China noch keine 600 Mio. Autos. Wir könnten aber einen Multiplikator verwenden, der sich auf die Größe der Wirtschaft der USA gegenüber dem Rest der Welt ergibt. Wir wissen, dass die US-Wirtschaft etwa ein Drittel der Weltwirtschaft ausmacht. Wir können dann die Anzahl der Fahrzeuge in den USA mit drei multiplizieren, um die Zahl der Autos auf der Welt abzuschätzen.

In den USA leben mittlerweile mehr als 300 Mio. Menschen, und jede zweite Person hat ein Auto. Somit erhält man:

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Die US-Wirtschaft macht etwa ein Drittel der Weltwirtschaft aus. Daher ist dann die Anzahl der Fahrzeuge auf der Welt

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Die tatsächliche Zahl ist nicht genau bekannt, aber eine Internetrecherche sagt uns, dass die Zahl der Autos weltweit 1,2 × 109 beträgt. Unsere Schätzung ist zwar etwas niedrig, aber auch nicht völlig falsch.

Es ist hier auch überhaupt nicht wichtig, eine genaue Antwort zu erhalten. Wichtig ist es, eine Abschätzung zu erhalten, die es uns schnell erlaubt, eine Entscheidung zu treffen, ob es sich lohnt, eine genauere Berechnung durchzuführen. Wenn wir z. B. ein Gerät entwickelt wollen, das jedes Auto auf der Welt benötigt, aber unser geschätzter Gewinn nur 1 € je Auto betragen würde, dann könnte man schnell mit der Gesamtzahl der Autos den gesamten Gewinn errechnen, bevor man die Idee aufgibt. Bei einer geschätzten weltweiten Zahl von 500 Mio. Autos würde der Gewinn die stolze Summe von 500 Mio. € ausmachen.

Wie viele Leute arbeiten in Deutschland bei McDonald’s?

Ansatz: In Köln, der viertgrößten Stadt Deutschlands, gibt es bei einer Einwohnerzahl von etwa einer Mio. 27 McDonald’s Restaurants. Wenn man annimmt, dass diese Zahl der Restaurants auf die deutsche Bevölkerung übertragen werden, dann erhält man:

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Aufgrund der örtlichen Beobachtungen und der Befragung der Beschäftigten hinter der Theke scheint die Annahme sinnvoll, dass etwa 25 Menschen in jedem dieser Restaurants arbeiten. Man erhält daher:

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Diese Schätzung könnte viel zu hoch sein, wenn man berücksichtigt, dass die Zahl der Restaurants in Ballungsräumen viel größer ist als auf dem Land. Tatsächlich wohnen in Deutschland etwa 75% der Bevölkerung in Städten mit mehr als 2000 Einwohnern. Im Jahr 2015 arbeiteten nach Angaben des deutschen Statistischen Bundesamtes bei McDonald’s in Deutschland etwa 58 000 Personen. Unsere Schätzung ist also nicht so schlecht. Es zeigt sich aber, dass die Schätzung von vielen Faktoren abhängig sein kann und das Ergebnis damit auch rein zufällig ganz gut stimmen kann.

Wie viele Fußbälle passen in ein Volumen von einem Kubikmeter?

Ansatz: Zunächst benötigen wir den Durchmesser eines normalen Fußballs. Dieser beträgt 22 cm. Die einfachste Überlegung ist nun, dass wir annehmen, dass die Bälle aufgepumpt sind und sich nicht zusammendrücken lassen. Dann berechnen wir das Volumen des Fußballs, in dem wir annehmen, dass er würfelförmig ist und packen diese Würfel dann gleichmäßig in das vorhandene Volumen, das wir uns als Würfel mit 1 m Kantenlänge vorstellen.

Somit passen in das Volumen 4 × 4 × 4 = 64 Bälle. Wir verschenken so aber eine Menge Raum, da vier Bälle nebeneinander gerade einmal 88 cm Platz benötigen und somit 12 cm ungenutzt bleiben.

Wir könnten aber auch einfach das Gesamtvolumen durch das Volumen eines Balles dividieren.

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Diese Zahl ist vermutlich zu groß. Sie sehen, dass Schätzungen nicht immer einfach sind und fast immer von vielen Randbedingungen abhängen.

1.3 Das ideale Gasgesetz

Wenn wir uns später mit Luftverschmutzung beschäftigen, sollten wir uns vorher noch einmal an das ideale Gasgesetz erinnern. Das ideale Gasgesetz lautet:

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mit p = Druck in Atmosphären (atm), Torr (760 Torr = 1 atm) oder Pascal (Pa) als SI-Einheit des Druckes, V = Volumen in Litern (L), n = Anzahl der Mole, R = Gaskonstante (0,082 L atm K−1 mol−1), T = Temperatur in Kelvin (K = Grad Celsius + 273,15).

Die Größe Mol mit der Einheit mol bezieht sich auf 6,023 × 1023 Moleküle oder Atome. In einem Mol gibt es also 6,023 × 1023 Moleküle oder Atome. Diese Zahl ist im Übrigen bemerkenswert nahe an 279, die Sie stattdessen verwenden können. Der Begriff Mol tritt häufig auf in Molekulargewichten, die in der Einheit von Gramm pro Mol (oder g/mol) angegeben werden. Zum Beispiel beträgt das Molekulargewicht des molekularen Stickstoffs (N2) 28 g/mol. Die Zahl 6,023 × 1023 ist auch als Avogadro-Konstante4) NA bekannt. Häufig wurde im deutschsprachigen Raum als Synonym für die Avogadro-Konstante der Begriff Loschmidt-Konstante5) benutzt. Tatsächlich gibt die Loschmidt-Konstante NL aber die Zahl der Teilchen eines idealen Gases pro Volumen (V0) unter Normalbedingungen (T0 = 273,15 K und p0 = 101,325 kPa) an. Der Zusammenhang zwischen den beiden Größen ist:

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Wir werden in den folgenden Kapiteln sehr häufig die Zusammensetzung der trockenen Erdatmosphäre benötigen. Die folgende Tabelle gibt deren Zusammensetzung gemeinsam mit dem Molekulargewicht der Gase an. Die Einheiten ppm und ppb beziehen sich auf Teile pro Million oder Teile pro Milliarde. Dies sind Anteilsbruchteile wie Prozent (%) nur entsprechend kleiner. Um ausgehend von einem dimensionslosen Bruchteil diese relativen Einheiten zu erhalten, müssen wir diese für% mit 100, für ppm mit 106 bzw. 109 für ppb multiplizieren. Zum Beispiel ist ein Bruchteil von 0,0001 gerade 0,01% oder 100 ppm bzw. 100 000 ppb. Für die Gasphase werden%, ppm und ppb immer auf Volumen pro Volumen oder Mol pro Mol bezogen. Streng genommen sind diese Einheiten somit keine Konzentrationen, sondern dimensionslose Volumenmischungsverhältnisse. Manchmal benutzt man deshalb auch die Schreibweise ppmV oder ppbV. Beispielsweise enthält die Atmosphäre 78 L Stickstoff pro 100 L Luft oder 78 mol Stickstoff pro 100 mol Luft. Es sind eben nicht 78 g Stickstoff je 100 g Luft. In Wasser, Feststoffen oder Biota bezieht man dagegen die Mischungsverhältnisse auf Gewicht pro Gewicht.

Gas Symbol Mischungsverhältnis Molekulargewicht (g/mol)
Stickstoff N2 78% 28
Sauerstoff O2 21% 32
Argon Ar 1% 40
Kohlendioxid CO2 390 ppm 44
Neon Ne 18 ppm 20
Helium He 5,2 ppm 4
Methan CH4 1,5 ppm 16

Wie groß ist das Molekulargewicht trockener Luft?

Ansatz: Der Wert, den wir suchen, erhält man als gewichteten Mittelwert der Hauptkomponenten in der Luft, also Stickstoff mit 28 g∕mol, Sauerstoff 32 g∕mol und vielleicht ein bisschen Argon mit 40 g∕mol. Somit ist

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Welches Volumen besitzt 1 mol eines Gases bei 1 atm und 0 °C bzw. bei 1 atm und 15 °C? Diese letztere Temperatur ist wichtig, weil sie gegenwärtig die durchschnittliche Lufttemperatur auf der Erdoberfläche ist.

Ansatz: Wir suchen das Volumen pro Mol und erhalten das Ergebnis, indem wir das ideale Gasgesetz pV = nRT neu anordnen:

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Für 15 °C erhält man mit dem Verhältnis der absoluten Temperaturen (Boyle-Gesetz):

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Bitte beachten Sie, dass wir hier immer mit der absoluten Temperatur und nicht mit der Celsius-Temperatur rechnen müssen.

Wie groß ist die Dichte der Erdatmosphäre bei 15 °C und 1 atm Druck?

Ansatz: Denken Sie daran, dass die Dichte der Quotient aus der Masse eines Körpers und seinem Volumen ist. Aus dem mittleren Molekulargewicht der trockenen Luft und dem Molvolumen erhalten wir dann nach Umstellen des idealen Gasgesetzes pV = nRT:

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Wie groß ist die Masse der Erdatmosphäre?

Ansatz: Diese Frage ist ein bisschen schwieriger zu beantworten, da wir zunächst eine andere Größe bestimmen müssen. Wir benötigen nämlich den durchschnittlichen Luftdruck, also die Masse der Luft pro Flächeneinheit. Sobald wir den Druck bestimmt haben, können wir ihn mit der Oberfläche der Erde multiplizieren und das Gesamtgewicht der Atmosphäre erhalten.

Wir erinnern uns an die TV-Wetterberichte, in denen manchmal der Luftdruck noch in Torr – das sind mm Quecksilbersäule – angegeben wird. Das ist zwar keine SI-Einheit, aber im Gegensatz zur SI-Einheit Pascal (Pa) anschaulich. Der Normaldruck sind 760 Torr, also 76 cm Quecksilber. Diese Länge der Quecksilbersäule kann in einen „wahren“ Druck umgewandelt werden, indem man sie mit der Dichte von Quecksilber, die 13,5 g∕cm3 beträgt, multipliziert:

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Als Nächstes benötigen wir die Oberfläche der Erde. Diese können wir leicht herausfinden. Sie beträgt 5,11 × 108 km2. Daher beträgt das Gesamtgewicht der Atmosphäre:

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Dies entspricht 5,3 × 1015 t.

Wie groß wäre das Volumen der Erdatmosphäre (in Litern) bei 1 atm Druck und 15 °C.

Ansatz: Da wir in der vorherigen Frage das Gewicht der Atmosphäre berechnet haben, können wir das Volumen durch Division des Gewichtes durch die Dichte von 1,23 kg∕m3 bei 15 °C erhalten:

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Versuchen Sie bitte, diese Zahl zu behalten.

Eine Luftprobe aus einer geschlossenen Garage enthält mit 0,9% eine vermutlich tödliche Menge Kohlenmonoxid (CO). Wie groß ist die CO-Konzentration in dieser Probe in Einheiten von g∕m3 bei 20 °C und 1 atm Druck? CO hat ein Molekulargewicht von 28 g/mol.

Ansatz: Da die Konzentration pro 100 mol Luft 0,9 mol CO ist, müssen wir die Mole von CO in ein Gewicht konvertieren. Dazu benutzen wir das Molekulargewicht von CO, das 28 g/mol beträgt. Wir müssen aber auch die 100 mol Luft in ein Volumen umrechnen. Dazu benutzen wir das Molvolumen von 22,4 L∕mol, das wir noch für die Temperatur korrigieren müssen:

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Beachten Sie den Faktor 273/293, den wir benötigen, um die Änderung des Volumens bei der Temperaturänderung von 0 auf 20 °C zu berücksichtigen.

1.4 Stöchiometrie

Bei chemischen Reaktionen reagieren Substanzen immer in molaren Masseverhältnissen, wie z. B.

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Dies bedeutet, dass 1 mol Kohlenstoff mit einer Masse von 12 g mit 1 mol Sauerstoff mit einer Masse von 32 g zu 1 mol Kohlendioxid mit einer Masse von 44 g reagiert.

In der folgender Tabelle sind einige Atomgewichte aufgelistet, die Sie kennen sollten. Das komplette Periodensystem der Elemente finden Sie im Anhang C.

Element Symbol Atomgewicht (g/mol)
Wasserstoff H 1
Kohlenstoff C 12
Stickstoff N 14
Sauerstoff O 16
Schwefel S 32
Chlor Cl 35,5

Angenommen, dass Benzin nur aus Oktan (C8H18) besteht. Wie viel Gramm Sauerstoff werden benötigt, um 1g des Kraftstoffs zu verbrennen?

Ansatz: Zunächst stellen wir die Reaktionsgleichung auf:

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Die Stöchiometrie zeigt, dass 1 mol (8 × 12 + 18 × 1 = 114 g) des Kraftstoffs mit 12,5 mol [12,5 × (2 × 16)= 400 g] Sauerstoff reagieren und 8 mol [8 × (12 + 2 × 16)= 352 g] Kohlendioxid und 9 mol [9 × (2 + 16)= 162 g] Wasser gebildet werden. Daraus ergibt sich als Antwort auf die Frage:

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Nehmen wir an, dass ein sehr schlecht eingestellter Rasenmäher so betrieben wird, dass die Verbrennungsreaktion jetzt C9H18 + 9O2 → 9CO + 9H2O ist. Wie viel Gramm CO entstehen aus jedem Gramm verbranntem Kraftstoff?

Ansatz: Wir benutzen wieder die Molekulargewichte der verschiedenen Verbindungen. Der Kraftstoff hat ein Molekulargewicht von 126 g/mol. Für jedes Mol verbranntem Kraftstoff werden 9 mol CO erzeugt. Daher ergibt sich:

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1.5 Übungsaufgaben

  1. 1.1 Wie groß ist der durchschnittliche Abstand zwischen den Kohlenstoffatomen im Diamant, wenn dessen Dichte 3,51 g∕cm3 beträgt?
  2. 1.2 In Nikel in Nordwestrussland in der Nähe von Murmansk beträgt die durchschnittliche jährliche Konzentration von Schwefeldioxid bei 1 atm und 15 °C 50 μg/m3. Welchem SO2-Mischungsverhältnis [ppbV] entspricht dies?
  3. 1.3 Moderne Autos werden neuerdings zum Teil ohne aufgeblasenen Ersatzreifen ausgeliefert. Der Reifen ist zusammengefaltet und muss aufgeblasen werden, wenn er am Fahrzeug montiert ist. Um den Reifen aufzublasen, befindet sich im Fahrzeug eine Druckdose mit Kohlendioxid, deren Inhalt ausreicht, um drei Reifen damit aufzublasen. Bitte schätzen Sie ab, wie viel Kohlendioxid in der Druckdose ist.
  4. 1.4 Der Luftqualitätsstandard für NO2 in der Europäischen Union liegt im Jahresdurchschnitt bei 40 ppbV. Wie groß ist die Konzentration in μg/m3?
  5. 1.5 Wie groß wäre der Gewichtsunterschied (in Gramm) zweier Basketbälle, wenn einer mit Luft und einer mit Helium gefüllt wäre? Die Basketbälle haben einen Umfang von 749 mm und werden auf 0,55 bar aufgepumpt.
  6. 1.6 Saurer Regen war vor einiger Zeit ein wichtiger Streitpunkt zwischen den USA und Kanada. Der saure Regen wurde zu einem großen Teil durch die Emission von Schwefeldioxid aus Kohlekraftwerken im südlichen Indiana und Ohio verursacht. Das Schwefeldioxid löste sich im Regenwasser, bildete Schwefelsäure und damit „sauren Regen“. Wie viele Tonnen Kohle mit einem durchschnittlichen Schwefelgehalt von 3,5 Gew.% (Gewichtsprozent) müssen verbrannt werden, um so viel H2SO4 zu emittieren, dass eine Niederschlagshöhe von 3 cm und einem pH-Wert von 3,90 eine Fläche von 20 000 km2 bedeckt?
  7. 1.7 Ein Kraftwerk verbraucht zur Stromerzeugung 3,5 Mio. L Öl pro Tag. Nehmen Sie an, das Öl besteht aus C18H32 mit einer Dichte von 0,85 g∕cm3. Im Abgaskamin des Kraftwerks misst man 45 ppmV NO. Wie viel NO wird pro Tag ausgestoßen?
  8. 1.8 Stellen Sie sich vor, dass 300 kg trockener Klärschlamm in einen kleinen See mit einem Volumen von 300 Mio. L Wasser eingebracht werden. Wie viel Kilogramm Sauerstoff werden benötigt, um den Klärschlamm abzubauen? Nehmen Sie der Einfachheit halber an, dass der Klärschlamm die elementare Zusammensetzung C6H12O6 hat.
  9. 1.9 Angenommen ein falsch eingestellter Rasenmäher wird in einer geschlossenen Garage betrieben, die für zwei Autos vorgesehen ist. Die Verbrennungsreaktion im Motor ist C8H14 + 15∕2 O2 → 8 CO + 7 H2 O ist. Schätzen Sie ab, wie viel Gramm Benzin verbrannt werden müssen, um das CO-Volumenmischungsverhältnis in der Garage auf 1000 ppmV zu erhöhen?
  10. 1.10 Die durchschnittliche atmosphärische Konzentration an polychlorierten Biphenylen (PCB) rund um die Großen Seen in Nordamerika beträgt etwa 2 ng∕m3. Rechnen Sie diese Konzentration in Moleküle/cm3 um. Das mittlere Molekulargewicht von PCB beträgt 320 g∕mol.
  11. 1.11 In einer Zeitschrift erschien folgendes Zitat: „Ein Baum kann etwa 6 kg CO2 pro Jahr assimilieren, was in etwa der CO2-Menge entspricht, die von einem Auto bei einer Fahrstrecke von 42 000 km emittiert wird.“ Ist diese Aussage korrekt? Begründen Sie Ihre Antwort quantitativ. Nehmen Sie an, dass Benzin die Zusammensetzung C9H16 hat, dass seine Verbrennung vollständig ist und dass der Wagen 10 L Benzin auf 100 km verbraucht.
  12. 1.12 Wenn morgen jeder Mensch auf der Welt einen Baum pflanzen würde, wie lange würde es dauern, bis diese Bäume die atmosphärische CO2-Konzentration um 1 ppm gesenkt hätten? Nehmen Sie für die Berechnung an, dass die Weltbevölkerung sieben Mrd. Menschen beträgt und dass ein Baum, unabhängig von seinem Alter, pro Jahr 9 kg O2 produziert. Durch den Prozess der Fotosynthese entstehen aus CO2 und Wasser C6H12O6 und O2.
  13. 1.13 Auf der Welt gibt es momentan etwa 1,5 × 109 Altreifen, was zu einem großen Entsorgungsproblem führt.
    1. a) Wenn diese Reifen komplett verbrannt würden, wie viel Kohlendioxid (in Tonnen) würde dann emittiert?
    2. b) Vergleichen Sie dies mit der aktuellen jährlichen CO2-Menge, die durch Menschen in die Atmosphäre eingetragen wird. Nehmen Sie für die Berechnung an, dass Kautschuk die Zusammensetzung C200H400 hat, jeder Altreifen 8 kg wiegt, einen einen Durchmesser von 48 cm hat und zu 85% aus Gummi besteht.
  14. 1.14 Schätzen Sie ab, wie viele Zahnärzte in Deutschland arbeiten.
  15. 1.15 Sie sind Umweltchemiker und wurden zu einer Dinnerparty in Berlin mit einflussreichen Bundestagsabgeordneten eingeladen, die gerade ein neues Emissionsschutzgesetz auf den Weg bringen wollen. Während Sie mit einer Abgeordneten bei einem Prosecco über Ihre Forschung diskutieren, bemerken Sie, dass diese überhaupt nicht versteht, wenn Sie die Schadstoffkonzentrationen im Hinblick auf die Mischungsverhältnisse beschreiben. Bitte erklären Sie der Abgeordneten die Mischungsverhältnisse ein Teil pro Million (ppm) und ein Teil pro Milliarde (ppb) am Beispiel von Tropfen Holundersaft in einer Badewanne voll Prosecco.
  16. 1.16 Wasser ist in der Atmosphäre allgegenwärtig und haftet praktisch an allen Oberflächen, die man in der Umwelt findet (Boden, Vegetation, Fenster, Gebäude etc.). Wie groß wäre der Bedeckungsgrad (Moleküle/cm2), wenn man eine Fensterscheibe gleichmäßig mit einer Monoschicht Wasser belegen würde?
  17. 1.17 Während der Deepwater-Horizon-Ölpest im Jahr 2010 wurden etwa 800 Mio. L Öl in den Golf von Mexiko eingetragen. Wie groß müsste ein würfelförmiger Container sein, um diese Ölmenge aufzunehmen? Schätzen Sie ab, welche Fläche man bedecken würde, wenn diese Ölmenge in einer Monoschicht gleichmäßig auf der Wasseroberfläche verteilt würde?