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Title Page Image

Inhalt

Cover

Titelei

Impressum

Einleitung

Kapitel 1: Grundgedanken der Fundamentalanalyse: Anlageentscheidungen in Fakten verankern

Anlageentscheidungen unter Unsicherheit

Ursprünge der Fundamentalanalyse

Grundaussagen der Fundamentalanalyse

Wie sich Fundamentalanalyse von anderen Investmentansätzen unterscheidet

Realistische Erwartungen an die Fundamentalanalyse

Kapitel 2: Technische Grundlagen der Fundamentalanalyse

Unternehmen schaffen Wert im operativen Geschäft

Modigliani-Millers nobelpreiswürdige Erkenntnis: Finanzierungstätigkeit schafft keinen Wert

Der erwirtschaftete Wert lässt sich am besten durch Übergewinne messen

Rendite, Marge und Kapitalumschlagshäufigkeit als zentrale Werttreiber

Free Cashflow als alternatives Wertmaß

Mit Bewertungsmodellen vom erwirtschafteten Wert zum Unternehmenswert

Prozess der Fundamentalanalyse: In fünf Schritten zur Bestimmung des inneren Werts eines Unternehmens

Praxisbeispiel Sika

Kapitel 3: Schritt 1 der Fundamentalanalyse – ein Unternehmen kennen

Vorgehen beim Kennenlernen eines Unternehmens

Erläuterung und Anwendung der Kernfragen auf Sika

Kapitel 4: Schritt 2 der Fundamentalanalyse – Informationen analysieren

Fokus auf das operative Geschäft

Temporäre versus nachhaltige Ergebniskomponenten

Fokus auf Werttreiber

Analyse des Wachstums

Kapitel 5: Schritt 3 der Fundamentalanalyse – Wertgenerierung prognostizieren

Prognose als Kern der Bewertung

Einfache Prognosen

Umfassende Prognosen

Kapitel 6: Schritt 4 der Fundamentalanalyse – von der Prognose zum Unternehmenswert

DCF-Modell

Übergewinn-Modell

Kapitel 7: Schritt 5 der Fundamentalanalyse – Entscheidungen treffen

Entscheidungsregel

Schlussbemerkungen

Glossar

Literaturhinweise

Stichwortverzeichnis

Wiley End User License Agreement

Einführung

»Price is what you pay, value is what you get.«

BENJAMIN GRAHAM

Nach dem Platzen mehrerer Blasen und extremen Kursschwankungen in den letzten Jahren suchen Anleger wieder verstärkt nach einer verlässlichen Basis, um Anlageentscheidungen zu treffen. Die Fundamentalanalyse bietet diese Basis. Ihr Ziel ist es, den Wert eines Unternehmens aus hinreichend sicheren »Tatsachen« abzuleiten. Die entscheidende »Tatsache« ist dabei, in welchem Ausmaß ein Unternehmen nachhaltig Wert erwirtschaften kann.

Die übergeordnete Aufgabe der Fundamentalanalyse ist es deshalb auch, den Wert zu prognostizieren, den ein Unternehmen in Zukunft erwirtschaften wird. Die Transformation dieser Prognosen in einen Unternehmenswert ist dagegen eine vergleichsweise einfache Aufgabe.

Fundamentale Anleger gehen davon aus, dass sich der Preis einer Aktie an der Börse für kürzere oder längere Zeit von den Fakten entkoppeln kann. Sie glauben nicht, dass der Kurs einer Aktie immer ein präziser und verlässlicher Indikator für den Wert eines Unternehmens ist. Fundamentale Investoren wollen sich deshalb nicht blind auf den Markt verlassen. Sie wissen, dass Märkte irrational sein können. Fundamentale Investoren wollen vielmehr das Urteil des Markts durch eigene Analysen und Überlegungen hinterfragen, widerlegen oder bestätigen.

Fundamentale Anleger wissen aber auch, dass eine Unternehmensbewertung selbst bei einem sehr gewissenhaften Vorgehen immer unsicher ist: Die Zukunft kann und wird sich in den meisten Fällen anders entwickeln als erwartet. Aus Sicht der klassischen Fundamentalanalyse sollen Anleger Aktien deshalb nur kaufen, wenn zwischen dem aktuellen Marktpreis und dem fundamental für richtig empfundenen inneren Wert eines Unternehmens ein ausreichend großer Sicherheitspuffer liegt.

Neben diesen grundsätzlichen Überlegungen hat die Fundamentalanalyse eine weitere wichtige Funktion. Sie stellt eine Technik zur Verfügung, die Anleger in die Lage versetzt, Investmententscheidungen zu treffen, von denen sie mit ausreichender Sicherheit erwarten können, damit ihr Kapital zu erhalten und eine zufriedenstellende Rendite zu erzielen.

Die folgenden sieben Kapitel beschreiben detailliert, wie die fundamentale Bewertung eines Unternehmens Schritt für Schritt durchgeführt wird.

Adressaten der Fundamentalanalyse

Fundamentalanalyse ist nicht nur etwas für Experten. Dieses Buch richtet sich an Anleger, die selbst verantwortliche Anlageentscheidungen treffen wollen und eine Leidenschaft dafür haben, Fragen zu stellen und Antworten zu bekommen.

Alles, was Sie dafür brauchen: einen wachen Geist, Freude am Analysieren und Hinterfragen, Interesse an Unternehmen, Geschäftsmodellen und wirtschaftlichen Entwicklungen und ein gewisses Verständnis für grundlegende finanzwirtschaftliche Zusammenhänge.

KAPITEL 1

Grundgedanken der Fundamentalanalyse

Anlageentscheidungen in Fakten verankern


ÜBERSICHT
Anlageentscheidungen unter Unsicherheit
Berg-und-Tal-Fahrt an den Börsen
Umfeld für Anlageentscheidungen von ausgeprägter Unsicherheit gekennzeichnet
Ursprünge der Fundamentalanalyse
Grundaussagen der Fundamentalanalyse
Unterscheidung zwischen Preis und Wert
»Margin of Safety« und Nachhaltigkeit als Kaufkriterien
Gründliche Analyse als Kern der Fundamentalanalyse
Investieren statt Spekulieren
Wie sich Fundamentalanalyse von anderen Investmentansätzen unterscheidet
Fundamentalanalyse versus passive Investmentansätze
Fundamentalanalyse versus Markttechnik
Realistische Erwartungen an die Fundamentalanalyse

»Those who read their Graham & Dodd will continue to prosper. «

WARREN BUFFETT

ANLAGEENTSCHEIDUNGEN UNTER UNSICHERHEIT

Berg-und-Tal-Fahrt an den Börsen

An den Börsen sind in den letzten Jahren mehrere Blasen geplatzt. Extreme Kursschwankungen waren die Folge. Ein Blick auf den Deutschen Aktienindex (Dax) verdeutlicht diese Entwicklung:

Am 7. März 2001 erreichte der Dax nach einem mehrjährigen Anstieg der Kurse einen Höhepunkt von rund 8 060 Zählern. Nach dem Platzen dieser später als »Internetblase« bezeichneten Übertreibung sank der Markt in den folgenden drei Jahren um rund 75 Prozent. Der Tiefpunkt wurde im März 2004 bei 2 200 Punkten erreicht. Daran schloss sich eine mehrjährige Erholungsphase an. Der Dax erklomm Ende 2007 bei rund 8 000 Zählern erneut den Höchststand aus dem Jahr 2001. Die von den USA ausgehende Sub-prime-Krise ließ ihn anschließend wieder auf einen Stand von rund 3 700 Punkten zurückfallen.

In den folgenden Jahren trieben dann der gigantische Fiskalimpuls Chinas und global sinkende Zinsen den Dax auf neue Höchststände. Ein erster Schub nach oben wurde im Jahr 2011 durch die Eurokrise unterbrochen. Der Dax brach von einem Zwischenhoch bei rund 7 500 Zählern im Mai 2011 auf ein Niveau von rund 5 200 Punkten im November 2011 ein. Danach stieg er – getrieben durch eine extrem expansive Geldpolitik der Zentralbanken – Anfang 2015 auf ein neues Allzeithoch von rund 12 300 Zählern. Dieses konnte er jedoch nicht lange halten. Seit dem zweiten Quartal 2015 bis Ende des ersten Halbjahrs 2016 verharrte er bei rund 10 000 bis 10 500 Zählern.

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Abbildung 1.1 Entwicklung des Deutschen Aktienindex (Dax) von 1995 bis 2016.

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von Daten von Thomson Reuters.

Anlegern, die diese Berg-und-Tal-Fahrt mitgemacht haben, war im besten Fall etwas mulmig zumute: Wenn sie Glück hatten, dann konnten sie allen Verwerfungen zum Trotz ihr Kapital erhalten und vielleicht sogar einen Gewinn erzielen. Im schlimmsten Fall haben sie massive Verluste erlitten. Das ist vor allem jenen Investoren passiert, die eher spät und vermutlich bereits zu hohen Preisen auf den Zug aufsprangen und dann bei einem der vielen Abstürze finanziell oder emotional nicht in der Lage waren, die Marktkorrekturen durchzustehen.

Umfeld für Anlageentscheidungen von ausgeprägter Unsicherheit gekennzeichnet

Aber statt nun endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, stellen Anleger derzeit fest, dass die Erde unter ihren Füßen bebt und einstmals sichere Fundamente ins Wanken geraten:

Unsicherheit über die Nachhaltigkeit etablierter Geschäftsmodelle

Die Welt ist im Umbruch. Die Globalisierung erschüttert die Wettbewerbsfähigkeit vieler Industriezweige und Regionen. Digitalisierung und Automatisierung wirken wie tektonische Verwerfungen, die viele Branchen auf den Kopf stellen und vormals etablierten Geschäftsmodellen bedrohliche Risse zufügen. Dass sich sehr vieles sehr fundamental ändern wird, steht außer Frage. Welche Strukturen sich am Ende herausbilden werden, ist dagegen noch nicht klar erkennbar.


Beispiel
Der Kampf zwischen Uber und dem etablierten Taxigewerbe verdeutlicht diese Entwicklungen eindrücklich: In der digitalen Welt kontrolliert nicht mehr der »kapitalintensive« Eigentümer der Lizenz und des Autos, wie die Gewinne über die Wertschöpfungskette hinweg verteilt werden. Im Zentrum des heute alles entscheidenden Netzwerks aus Daten und Informationsflüssen sitzt die schlanke Organisation von Uber. Mit minimalem Kapitaleinsatz sorgt sie für eine Umverteilung des Kuchens: hin zu sich, hin zu vormals schlecht bezahlten angestellten Taxifahrern, hin zu einer Vielzahl neuer Anbieter von Fahrdienstleistungen. Und weg von denen, die früher die Wertschöpfungskette kontrolliert und »gemolken« haben.

Implikationen für Anleger

Investoren müssen mehr denn je kritisch hinterfragen, wie sich die Fähigkeit von Unternehmen verändert, Wert zu erwirtschaften. Globalisierung und Digitalisierung ändern die Welt dramatisch und dramatisch schnell. Geschäftsmodelle, die heute noch zuverlässig Wert erwirtschaften, können morgen bereits obsolet sein – und dies schneller und radikaler als jemals zuvor. Fundamentale Investoren wissen, dass sie sich diesen Herausforderungen stellen und die Nachhaltigkeit von Geschäftsmodellen und Eintrittsbarrieren entsprechend kritisch hinterfragen und prüfen müssen.

Unsicherheit über zukünftiges Wachstum

Die Überalterung der westlichen Gesellschaften, die Höhe der an vielen Orten angehäuften Schulden und die sehr deutliche Verlangsamung des Wachstums in den Emerging Markets lassen es fraglich erscheinen, ob sich die Wachstumstrends der vergangenen Jahrzehnte fortsetzen werden oder ob eine Periode mit niedrigeren Wachstumsraten bevorsteht.


Beispiel
Die Entwicklung in China in den letzten Jahren ist ein eindrückliches Beispiel: Die mittlerweile nach den USA zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt wächst derzeit real nur noch mit rund 6 Prozent. Vor zehn Jahren lagen die realen Wachstumsraten noch bei 10 bis 14 Prozent. Ein zentraler Grund dafür ist, dass der Zuwachs an Arbeitskräften in China seinen Höhepunkt überschritten und begonnen hat zu schrumpfen. China muss nicht mehr – und kann auch nicht mehr – so stark wachsen wie in der Vergangenheit, als jährlich rund 10 bis 20 Millionen Chinesen vom Land in die Wirtschaftszentren zogen und in den Arbeitsprozess integriert werden mussten. Der Rückgang der Wachstumsraten in China und anderen Emerging Markets bremst aber unmittelbar auch das Wachstumspotenzial vieler europäischer Exportunternehmen.

Implikationen für Anleger

Investoren müssen mehr denn je kritisch hinterfragen, wie hoch das nachhaltig erreichbare Wachstum sein kann und wie viel sie bereit sind, heute für zukünftiges Wachstum zu zahlen. Fundamentale Investoren verstehen sehr deutlich, dass überzogene Wachstumsannahmen, die dann nicht realisiert werden, ein zentrales Anlagerisiko darstellen. Fundamentale Investoren sind sich bewusst, dass eine Anlage umso riskanter und spekulativer wird, je mehr Wachstum bei der Bewertungsanalyse unterstellt wurde.

Unsicherheit über Kapitalkosten und Bewertungsniveaus

Angesichts der Politik der negativen Zinsen – im Juni 2016 wiesen Staatsanleihen im Umfang von 10 Billionen US-Dollar eine negative Verzinsung auf und die durchschnittliche Umlaufrendite aller deutschen Staatsanleihen rutschte in den negativen Bereich – fällt es Investoren schwer, festzulegen, wie hoch die erwartete Rendite sein soll, die bei der Bewertung von Unternehmen und Aktien angelegt wird.

Ausgangspunkt für die Bestimmung der erwarteten Mindestrendite – in der Fachliteratur wird auch von Kapitalkosten gesprochen – ist der risikolose Zins. Er zeigt an, wie viel es einen Schuldner kostet, sich Geld für einen bestimmten Zeitraum zu leihen, wenn die Rückzahlung und die Verzinsung absolut sicher sind. In der Praxis wird dieser risikolose Zins häufig mit der Rendite einer 10-jährigen Bundesanleihe gleichgesetzt. Sind Rückzahlung und Verzinsung des bereitgestellten Kapitals unsicher, wird zum risikolosen Zins noch ein Risikoaufschlag hinzuaddiert.

Die Höhe der Kapitalkosten hat dabei einen unmittelbaren Einfluss auf den Preis von Anlageinstrumenten. Je tiefer die Renditeerwartungen von Anlegern fallen, desto höhere Preise sind sie bereit, für Anlagemöglichkeiten zu zahlen.

Doch auch in dieser Hinsicht steht die Welt derzeit auf dem Kopf. Vermutlich in der gesamten Wirtschaftsgeschichte musste ein Schuldner an die Gläubiger Zinsen zahlen, wenn er sich Geld lieh. Bei negativen Zinsen verhält es sich andersherum: In diesem Fall zahlt der Gläubiger dem Schuldner Geld, damit er dessen Anleihen »halten darf«.

Neben der Problematik, die richtigen Kapitalkosten zu bestimmen, stellt sich für Investoren auch die Frage, ob der Rückgang des Zinsniveaus an den Börsen nicht zu einer gigantischen Blase geführt hat mit Preisen, die fundamental nicht zu rechtfertigen sind.


Beispiel
Die Entwicklung der Preise für langlaufende Bundesanleihen verdeutlicht diesen Sachverhalt eindrücklich. So ist der Preis von Anleihen mit langer Laufzeit, die noch zu einer Zeit begeben wurden, als »normale« Zinsen gezahlt wurden, in den letzten Jahren sehr stark gestiegen. Der Preis einer 40-jährigen Bundesanleihe, die Anfang 2008 emittiert wurde, stieg im Lauf der Zeit von rund 100 Prozent auf knapp 200 Prozent (vgl. Abbildung 1.2). Die durchschnittliche Rendite 10-jähriger Regierungsanleihen im Euroraum fiel dagegen auf knapp 0 Prozent.
Bei Aktien, die keine begrenzte Laufzeit haben, ist der Effekt unter Umständen noch stärker. Und dies nicht zuletzt deshalb, weil die ultratiefen Zinsen auch dazu geführt haben können, dass die Risikoprämien nicht mehr ausreichend hoch sind.

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Abbildung 1.2 Kurse und Renditen langlaufender europäischer Staatsanleihen.

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von Daten von Thomson Reuters.

Implikationen

Für Investoren bedeutet dies: Sie müssen mehr denn je aktiv analysieren und beurteilen, welche erwartete Rendite sie für die übernommenen operativen und finanziellen Risiken einfordern sollen. Und sie sollten auch umsichtiger als sonst prüfen, ob die aktuellen Preise in einem ausreichenden Maß durch die Fähigkeit eines Unternehmens abgedeckt sind, Wert zu erwirtschaften.

URSPRÜNGE DER FUNDAMENTALANALYSE

In dieser – zumindest gefühlt – von extremer Unsicherheit geprägten Welt und nach vielleicht schmerzhaften Verlusten suchen Investoren wieder verstärkt nach Ansätzen und Prozessen, die es ihnen ermöglichen, robuste Anlageentscheidungen zu treffen. Die Fundamentalanalyse stellt diese Ansätze und Prozesse bereit. Ihr zentraler Grundgedanke ist: Investoren sollen nur Anlageentscheidungen treffen, von denen sie aus guten Gründen und mit ausreichender Sicherheit erwarten können, damit ihr Kapital zu erhalten und eine zufriedenstellende Rendite zu erzielen. Dies gelingt Anlegern nach Meinung der Fundamentalanalyse dadurch, dass Anlageentscheidungen in möglichst sicheren Tatsachen verankert und durch einen systematischen, disziplinierten Prozess vorbereitet werden.

Die zentralen Verankerungspunkte, die Anlageentscheidungen einen sicheren Boden geben, sind:

Die Fundamentalanalyse ist dabei kein neues Konzept. Ihre zentralen Gedanken gehen auf die 1930er-Jahre zurück, als Investoren im Zuge des Zusammenbruchs der New Yorker Börse im Oktober 1929 und der sich daraufhin entfaltenden Weltwirtschaftskrise ebenfalls mit gravierenden Umbrüchen und hoher Unsicherheit zu kämpfen hatten. Und auch wenn die Ursachen des Wall Street Crashs von 1929 bis heute noch nicht abschließend geklärt werden konnten, so wurde zumindest damals häufig die Meinung vertreten, dass die Preise einfach nicht mehr der langfristigen Entwicklung der Produktivität amerikanischer Unternehmen entsprochen hatten und nur noch von Spekulanten nach oben getrieben wurden, die darauf hofften, dass »morgen« ein anderer Spekulant einen noch höheren Preis für eine Aktie zahlen würde.


Exkurs: Benjamin Graham – Urvater der Fundamentalanalyse
Benjamin Graham (1894 – 1976) gilt als der Urvater der Fundamentalanalyse. Nach einem Studium an der Columbia University in New York arbeitete Graham für verschiedene Wertpapierfirmen an der Wall Street und gründete schließlich seine eigene Wertpapierfirma. Ab Ende der 1920er-Jahre unterrichtete Graham an der Columbia University Wertpapieranalyse. 1934 veröffentlichte er zusammen mit David Dodd das Buch »Security Analysis«, in dem erstmals grundlegende Aspekte der Fundamentalanalyse dargestellt wurden und das allgemein als »Bibel der Fundamentalanalyse« angesehen wird. Wegen der Prägnanz, mit der dort grundlegende Konzepte dargestellt werden, ist die »Security Analysis« auch heute noch ein Werk mit hoher Aktualität und Relevanz.

Trotz dieser langen Tradition ist die Fundamentalanalyse keineswegs »angestaubt«. Die Überzeugung, durch eigene Überlegungen und Analysen Übertreibungen des Markts erkennen und sich vor ihnen schützen beziehungsweise sie ausnützen zu können, steht zugegebenermaßen etwas quer zum »Mainstream« der heutigen Lehrmeinungen. Diese gehen vielfach davon aus, dass eigene Analysearbeit sinnlos ist, weil der Kapitalmarkt zu jedem Zeitpunkt alle relevanten Information umfassend und in der richtigen Weise verarbeitet hat und der Preis eines Unternehmens an der Börse stets der beste Indikator für dessen inneren Wert ist.

Gleichzeitig hat die Fundamentalanalyse aber in Theorie und Praxis bedeutende Anhänger. Der bedeutendste Praktiker ist sicherlich Warren Buffett, Vorstandsvorsitzender des Investmentunternehmens Berkshire Hathaway, der durch die selektive Auswahl von Aktien und Anleihen mit einem betont langfristigen Anlagehorizont zu einer der reichsten Personen der Welt wurde.


Exkurs: Warren Buffett – bekanntester fundamentaler Investor
Warren Buffett (*1930) erwarb 1951 an der Columbia University den Master in Economics. Der nach eigenen Aussagen einflussreichste Lehrer an der Columbia University war Benjamin Graham. Er machte Buffett mit den Grundlagen der Fundamentalanalyse vertraut. Von 1954 bis 1956 arbeitete Warren Buffett in der Investmentfirma seines Lehrers als Wertpapieranalyst, um in der Folge in mehreren Schritten das Investmentunternehmen Berkshire Hathaway aufzubauen. Benjamin Grahams Gedanken zur Fundamentalanalyse waren dabei für Buffett wegweisend. Berühmt ist er nicht nur wegen seines herausragenden Erfolgs als Investor, sondern auch wegen seiner jährliche Briefe an die Aktionäre von Berkshire Hathaway, in denen er es schafft, grundsätzliche Überlegungen zur Kapitalanlage, die oft von den Überlegungen Benjamin Grahams inspiriert sind, in prägnanter Weise darzustellen Die »Shareholder Letters« sind auf der Homepage von Berkshire Hathaway allgemein verfügbar und für fundamentale Investoren uneingeschränkt lesenswert.

Auch in Forschung und Wissenschaft gibt es namhafte Befürworter der Fundamentalanalyse, die den blinden Glauben, dass die Börsenkurse die realen ökonomischen Bedingungen immer richtig widerspiegeln, ablehnen und die Bedeutung fundamentaler Analysen hervorheben. Der profilierteste von ihnen ist vermutlich Stephen Penman, der, ähnlich wie Benjamin Graham rund 80 Jahre vor ihm, Professor an der Business School der Columbia University in New York ist.

So ist die Fundamentalanalyse trotz ihrer langen historischen Wurzeln keine tote, angestaubte Materie, die auf dem Stand der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stehen geblieben ist, sondern ein uneingeschränkt relevanter Investmentansatz, der weltweit von vielen Investoren erfolgreich eingesetzt wird.


Exkurs: Stephen Penman – moderner Klassiker der Fundamentalanalyse
Ein moderner Klassiker der Fundamentalanalyse ist Stephen Penman, Professor an der Business School der Columbia University in New York. Penmans besonderes Verdienst ist es, zu zeigen, wie der von Benjamin Graham entwickelte Investmentansatz – unter Berücksichtigung der Entwicklungen, die die Finanzwissenschaften in den letzten Jahrzehnten vollzogen haben – zeitgemäß implementiert werden kann. Das von ihm 2001 erstmals herausgegebene Buch »Financial Statement Analysis and Securities Valuation« mit rund 800 Seiten und das an Praktiker gerichtete Buch »Accounting for Value«, das im Jahr 2009 erschien, gelten mittlerweile als moderne Klassiker der Fundamentalanalyse und haben die Art und Weise, wie Fundamentalanalyse an Universitäten gelehrt und in der Praxis angewandt wird, nachhaltig geprägt.

GRUNDAUSSAGEN DER FUNDAMENTALANALYSE

Unterscheidung zwischen Preis und Wert

Die Aussage »Preis ist, was man als Investor heute bezahlt, Wert dagegen, was man morgen als Ergebnis und Rendite einer Kapitalanlage bekommt« wird häufig Benjamin Graham in den Mund gelegt und bringt zum Ausdruck, dass der Wert eines Unternehmens und der Preis, den Anleger für die Aktien eines Unternehmens an der Börse bezahlen, aus Sicht der klassischen Fundamentaltheorie grundsätzlich unterschiedliche Dinge sind.

Preis als Spiegel der Zahlungs- beziehungsweise Verkaufsbereitschaft der letzten Transaktion

Preis ist der Geldbetrag, zu dem die Aktien eines Unternehmens zuletzt an der Börse gekauft und verkauft wurden. Er ist der heute in den Einheiten einer Währung bezahlte Gegenwert für Anteile an einem Unternehmen. Er ist konkret und präzise messbar. Der aktuelle Preis gibt die Zahlungsbereitschaft und die Verkaufsbereitschaft des Käufers beziehungsweise Verkäufers bei der zuletzt getätigten Transaktion an.

Wert als Spiegel der Zahlungsflüsse, die ein Unternehmen in Zukunft hervorbringt

Der Begriff Wert ist dagegen etwas komplexer. In der ökonomischen Theorie ist der Gedanke tief verwurzelt, dass menschliches Glück eng mit Konsum verbunden ist. Die klassische Volkswirtschaftslehre nimmt an, dass es dem Menschen besser geht und er glücklicher ist, wenn er mehr konsumieren kann. Mehr Konsum erfordert aber mehr Geld. Investieren bedeutet, heute auf Konsum zu verzichten in der Hoffnung, morgen mehr konsumieren zu können. Der Wert einer Investition ergibt sich entsprechend aus diesem »Mehr« an Konsum, das der heutige Verzicht morgen ermöglicht.

Dieser Gedanke wurde auch auf die Bewertung von Unternehmen übertragen. Der Wert eines Unternehmens wird entsprechend von den Zahlungsüberschüssen bestimmt, die ein Unternehmen in Zukunft erwirtschaften kann. Diese zukünftigen Zahlungsüberschüsse sind aber nicht einfach »gottgegeben« und fallen nicht wie »Manna vom Himmel«, sondern sie müssen erst noch erarbeitet und erwirtschaftet werden.

Für gewöhnlich sind diese Rückflüsse auch keineswegs sicher. Sie hängen von vielfältigen Faktoren ab: dem Glück und der Geschicklichkeit eines Unternehmens, attraktive Produkte zu konkurrenzfähigen Preisen auf den Markt zu bringen, dem Nachfrageverhalten der Kunden oder dem Verhalten der Konkurrenz, um nur einige Faktoren zu nennen.

»Wert« hat also eine völlig andere zeitliche Dimension und Präzision als »Preis«. Preise zahlen Investoren heute, Wert muss in Zukunft erst noch erarbeitet werden; der Preis ist präzise, sicher und greifbar, während Wert auf Prognosen, Annahmen und Schätzungen basiert. Anlegern fällt es deshalb in den meisten Fällen schwer, den Wert eines Unternehmens präzise zu bestimmen.

Bei jeder Börsentransaktion besteht zwischen Käufer und Verkäufer zwar Einigkeit über den Preis, die Ansichten über den Wert fallen jedoch vermutlich auseinander: Der Käufer hält ein Unternehmen für unterbewertet und sieht zusätzliches Wertpotenzial. Der Verkäufer hält dasselbe Unternehmen jedoch für überbewertet und will sich beim gegebenen Marktpreis lieber von den Titeln trennen.

Die Launen von »Mr. Market« – Preis und Wert können voneinander abweichen

Fundamentale Investoren sind davon überzeugt, dass es an den Kapitalmärkten immer wieder Situationen gibt, in denen der heutige Preis für ein Unternehmen nicht mit dem Wert in Einklang steht, den ein Unternehmen in Zukunft erwirtschaften wird. In einem seiner Aktionärsbriefe schreibt Warren Buffett, wie Benjamin Graham versuchte, Studenten an der Columbia University diesen Sachverhalt mit der folgenden Anekdote vom gefühlskranken »Mr. Market« zu verdeutlichen: Benjamin Graham verglich die Börse mit einem sehr zuvorkommenden Geschäftspartner und Mitgesellschafter eines Unternehmens. Jeden Tag kommt »Mr. Market« unaufgefordert und nennt einen Preis, zu dem er Anteile kaufen oder seine eigenen verkaufen würde. Das Geschäft ist absolut stabil, die von »Mr. Market« genannten Preise schwanken im Gegensatz dazu jedoch sehr stark. »Mr. Market« ist nämlich unheilbar gemütskrank. Manchmal fühlt er sich euphorisch und sieht nur Aspekte, die das Unternehmen positiv beeinflussen könnten. Wenn er in dieser Stimmung ist, dann nennt er einen sehr hohen Kauf- und Verkaufspreis, weil er befürchtet, dass man ihm seine Anteile unter Wert wegschnappen und ihm kurz bevorstehende großartige Gewinne vorenthalten könnte. An anderen Tagen ist er depressiv und sieht nur Probleme. Bei einer solchen Stimmungslage nennt er sehr tiefe Preise aus Angst, man könnte ihm Anteile zu einem zu hohen Preis verkaufen.

Für Vertreter der Fundamentalanalyse steht seit den 1930er-Jahren bis heute unverändert fest, dass es immer wieder Situationen gibt, in denen der Preis vom Wert eines Unternehmens abweicht. Einer von vielen Gründen dafür ist, dass Investoren sich eben nicht immer rational verhalten, sondern vielfach auch irrationale Entscheidungen treffen, eine Tatsache, der auch in den Finanzwissenschaften zunehmend mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Vertreter der Fundamentalanalyse sind deshalb davon überzeugt, durch eigene Überlegungen und Analysen Übertreibungen des Markts erkennen und sich vor ihnen schützen beziehungsweise sie ausnützen zu können.

»Margin of Safety« und Nachhaltigkeit als Kaufkriterien

Ausreichend großer Abstand zwischen Preis und Wert

Die »Margin of Safety« (auf Deutsch: Sicherheitsmarge) bezieht sich auf den Abstand zwischen Preis und Wert. Konkret besagt das »Margin of Safety«-Konzept, dass Investoren ein Unternehmen oder Aktien eines Unternehmens kaufen sollen, wenn der Wert dieses Unternehmens ausreichend weit über dem Börsenkurs liegt. Es stellt Investoren also eine klare Regel zur Verfügung, mit der sie attraktive Investments identifizieren und beurteilen können.

Die klassischen Vertreter der Fundamentalanalyse machen dabei keine präzisen Angaben, wie groß die »Margin of Safety« sein soll. Warren Buffett beantwortet die Frage nach der Größe der »Margin of Safety« mit dem folgenden Beispiel:

»You don't try and buy a business worth 83 million dollars for 80 million dollars. You leave yourself an enormous margin. When you build a bridge, you insist it can carry 30 000 pounds, but you only drive 10 000-pound trucks across it. And the same principle works for investing

Die »Margin of Safety« ist auch nicht als starre Größe zu verstehen. Sie sollte vielmehr umso höher sein, je größer die Gefahr ist, dass sich ein Unternehmen anders entwickelt als erwartet. Das kann unterschiedliche Gründe haben. Möglicherweise ist das Geschäftsmodell eines Unternehmens so komplex, dass es für Investoren sehr schwierig ist, robuste Annahmen zu entwickeln, in welchem Ausmaß ein Unternehmen in Zukunft Wert erwirtschaften kann. Andererseits können Risiken bestehen, die die Nachhaltigkeit eines Geschäftsmodells infrage stellen. Grundsätzlich gilt deshalb: Je transparenter und stabiler das Geschäftsmodell ist, desto geringer ist auch das Risiko, dass sich das Unternehmen in Zukunft anders entwickelt als erwartet, und umso geringer muss auch die »Margin of Safety« sein.

Irrtum und Unsicherheit von Prognosen als Grund für die »Margin of Safety«

Der Grund, warum die klassischen Vertreter der Fundamentalanalyse eine »Margin of Safety« fordern, ist, dass Investieren immer auf Annahmen über die Zukunft beruht. Dies birgt jedoch die Gefahr, dass die tatsächliche Entwicklung ganz anders verläuft als ursprünglich erwartet. Die Gründe für Prognosefehler sind vielfältig: fehlende Informationen, eine falsche Interpretation vorliegender Informationen oder einfach nur unpassende Schlussfolgerungen. Es kann aber auch sein, dass die Entwicklung eines Unternehmens mehr oder weniger zufällig unerwartete Wendungen nimmt, die man ohne wahrsagerische Fähigkeiten nicht hätte vorhersehen können.

Erfahrene fundamentale Investoren maßen sich nicht an zu behaupten, zuverlässig prognostizieren zu können, wie sich ein Unternehmen in Zukunft entwickeln wird. Ganz im Gegenteil, sie begegnen der Zukunft mit großer Vorsicht. Mit der »Margin of Safety« wollen sie der Möglichkeit Rechnung tragen, dass sie mit ihren heutigen Prognosen falsch gelegen sind. Die »Margin of Safety« entschärft also das Problem, präzise Prognosen erstellen zu müssen. Zur »Margin of Safety« sagt Benjamin Graham deshalb auch: »The purpose of the margin of safety is to render the forecast unnecessary.«

Entwickelt sich ein Unternehmen wie erwartet grandios, werden Investoren eine »reiche Ernte« einfahren. Entwickelt sich ein Unternehmen sehr viel schlechter als erwartet, soll die »Margin of Safety« sicherstellen, dass Investoren ihr Kapital nicht verlieren und eine gewisse Mindestrendite erreichen. Aus Sicht der Investoren bedeutet die »Margin of Safety« im Ergebnis, das eingesetzte Kapital mit einer ausreichend hohen Sicherheit zu erhalten und eine angemessene Verzinsung zu erzielen.

Die Fähigkeit, nachhaltig Wert zu erwirtschaften

Ein zweites wichtiges Kriterium bei der Auswahl von Unternehmen ist die Fähigkeit eines Unternehmens, nachhaltig Wert zu erwirtschaften.

Nachhaltigkeit ist für fundamentale Investoren aus mehreren Gründen wichtig:

Ohne eine gewisse nachhaltige Fähigkeit, Wert zu erwirtschaften, ist eine ausreichend sichere Bewertung nicht möglich und das »Margin of Safety«- Konzept kann im Extremfall nicht angewendet werden.

»Margin of Safety« und Nachhaltigkeit als Suchkriterien

»We are trying to buy businesses with sustainable competitive advantages at a low – or even a fair price

CHARLES MUNGER, Vice President Berkshire Hathaway

Die praktische Bedeutung der »Margin of Safety« und des Nachhaltigkeitskriteriums liegt aber nicht nur in der Beurteilung der Attraktivität von Anlagemöglichkeiten. Die beiden Kriterien sind zuallererst auch eine Beschreibung dessen, welche Art von Unternehmen Investoren suchen sollten. Präzise formuliert lautet die Instruktion für Investoren: Suche Unternehmen mit möglichst beständigen Geschäftsmodellen, bei denen gleichzeitig der Preis ausreichend weit unter dem inneren Wert liegt.

Hält man sich vor Augen, dass es allein in Europa mehrere Tausend Unternehmen gibt, deren Aktien börsennotiert sind, dann wird unmittelbar klar, dass Investoren ohne klare Kriterien bei der Auswahl von Aktien verloren sind. Denn wenn man nicht weiß, was man sucht, dann wird man es auch nicht finden.

Verkauf einer Aktie, wenn der Preis über den inneren Wert steigt

In Umkehrung des »Margin of Safety«-Konzepts ergibt sich für fundamentale Investoren die Regel, Aktien an einem Unternehmen dann zu verkaufen, wenn der Preis aufgrund spekulativer Übertreibungen deutlich über deren Wert steigt und fundamental nicht mehr gerechtfertigt werden kann. Fundamentalen Investoren bleibt dann irgendwann nichts anderes mehr übrig, als die Aktien an einem Unternehmen zu verkaufen und zu warten, bis der Preis wieder auf ein Niveau gefallen ist, das sich fundamental rechtfertigen lässt. Dies ist aber kein Problem. Aktien und Märkte, die zu teuer geworden sind, können irgendwann die überzogenen Erwartungen der Marktteilnehmer nicht mehr erfüllen und korrigieren. Dies ist dann auch der Zeitpunkt, um die Aktien eines solchen Unternehmen gegebenenfalls erneut zu kaufen.

Die Empfehlung, Aktien zu verkaufen, wenn der Preis nicht mehr durch den inneren Wert gedeckt wird, bedeutet jedoch nicht, auf kurze Sicht Aktien zu kaufen und zu verkaufen. Fundamentale Investoren sind keine Trader. Sie investieren in Unternehmen, weil sie das Potenzial sehen, dass ein Unternehmen dauerhaft Wert erwirtschaften kann. Auf die Frage, was sein präferierter Anlagehorizont sei, antwortete Warren Buffett deshalb auch mit: »Für immer.« Von ihm stammt auch der Ausspruch, man solle Aktien an einem Unternehmen keine zehn Minuten besitzen, wenn man sich nicht vorstellen könne, sie für zehn Jahre zu halten.

Im Extremfall kann diese Regel bedeuten, dass fundamentale Investoren in ausgedehnten Blasen einfach auch längere Zeit abseitsstehen und hohe Bestände an flüssigen Mitteln halten. Generell gilt, dass fundamentale Investoren in Marktphasen, in denen teure Aktien noch teurer werden – eine solche Phase waren beispielsweise die Jahre vor dem Platzen der sogenannten Internetblase im Jahr 2001– häufig zeitweise schwächere Renditen erzielen als der Gesamtmarkt, weil sie einfach nicht mehr genügend attraktiv bewertete Unternehmen finden und aus dem Markt aussteigen, obwohl dieser noch eine Weile weiterläuft.

Kein Investor kann wissen, wann genau Blasen platzen oder Märkte einen Boden finden. Aber mit einem klaren Verständnis über die Fähigkeit eines Unternehmens, Wert zu erwirtschaften, weiß man schon ziemlich genau, wann ein Unternehmen »einfach zu teuer« oder »einfach zu billig« wird.

Die Zielsetzung fundamentaler Investoren ist nicht von vornherein, in jeder Marktphase eine höhere Rendite als der Gesamtmarkt zu erzielen. Das ist das Ziel eines Fondmanagers, der daran gemessen wird, eine höhere Rendite als der Index zu erreichen, und das sowohl bei steigenden als auch bei fallenden Kursen. Ziel eines fundamentalen Investors ist es dagegen, Verluste zu vermeiden und ausreichend attraktive Renditen auf das eingesetzte Kapital zu erzielen. Und zwar dadurch, dass man in Unternehmen investiert, die nachhaltig Wert erwirtschaften können. Warren Buffett sagt dazu prägnant: »Anlageregel 1 ist: Nie Geld verlieren. Anlageregel 2 ist: Regel 1 nie vergessen.«

Gründliche Analyse als Kern der Fundamentalanalyse

»The critical investment factor is determining the intrinsic value of a business and paying a fair or bargain price

WARREN BUFFETT

Wie der Titel »Security Analysis« des Hauptwerks von Benjamin Graham schon andeutet, ist die Analyse eines Unternehmens und seines Werts der Kern der Fundamentalanalyse. Um die »Margin of Safety« zu bestimmen, müssen Investoren den inneren Wert abschätzen und diesen dann mit dem Preis vergleichen.


Zwei wesentliche Fragen bei der Wertermittlung sind:

Diese beiden Fragestellungen werden nachfolgend näher erläutert.

Bisheriger Leistungsausweis: Konnte ein Unternehmen in der Vergangenheit Wert erwirtschaften?

Für die klassischen Vertreter der Fundamentalanalyse wie Benjamin Graham war die Analyse, ob und wie ein Unternehmen in den zurückliegenden Jahren Wert erwirtschaften konnte, ein entscheidender erster Schritt. Über das Ausmaß, in dem ein Unternehmen Wert geschaffen hat, gibt in erster Linie der Jahresabschluss Auskunft. Die Analyse der Jahresabschlüsse eines Unternehmens nimmt deshalb bei der Fundamentalanalyse seit jeher eine zentrale Stellung ein. Voraussetzung für eine gute Analyse der Zahlen wiederum ist, ein Unternehmen im Detail zu kennen.

Bei der Abschlussanalyse widmeten die klassischen Autoren der Aufgabe, die wahre Ertragsstärke herauszufinden, besondere Aufmerksamkeit. Und zwar weil die wahre Ertragsstärke in vielen Fällen nicht mit dem Gewinn übereinstimmt, der in der Erfolgsrechnung ausgewiesen wird, auch wenn das Management eines Unternehmens in den 1930er-Jahren sehr viel größere Freiräume hatte, die Höhe des ausgewiesenen Gewinns zu beeinflussen. Aber auch heute gibt es vielfältige Aspekte, die die tatsächliche Ertragsstärke eines Unternehmens verschleiern können: von der Frage, welche Auswirkungen gewisse realwirtschaftliche Trends und Entwicklungen auf die Ertragsstärke eines Unternehmens haben werden, bis hin zu den Möglichkeiten von »Creative Accounting« oder Bilanzkosmetik. Die Notwendigkeit, die wahre Ertragsstärke beziehungsweise den tatsächlich erwirtschafteten Wert zu verstehen, ist deshalb auch heute noch ein entscheidender Aspekt der fundamentalen Analyse und Bewertung eines Unternehmens.

Sind die historischen Leistungen ein verlässlicher Indikator für zukünftige Gewinne?

Nun könnte man fragen: Warum die historischen Abschlüsse analysieren, wenn doch der Unternehmenswert allein davon abhängt, ob es einem Unternehmen gelingt, in Zukunft Wert zu erwirtschaften? Der zweite Aspekt, mit dem sich fundamentale Investoren auseinandersetzen müssen, ist deshalb die Frage, ob sich aus dem historischen Leistungsausweis eines Unternehmens belastbare Schlüsse auf die Fähigkeit ziehen lassen, in Zukunft Wert zu erwirtschaften. Die klassischen Autoren wiesen offen darauf hin, dass dies der wichtigste und gleichzeitig auch der unbefriedigendste Aspekt der Unternehmensanalyse sei. Der wichtigste, weil der einzige Grund, ein Unternehmen zu analysieren, ist das Ziel, Aussagen über die zukünftige Fähigkeit abzuleiten, Wert zu erwirtschaften. Gleichzeitig ist dies der unbefriedigendste Grund, weil diese Schlüsse nie zuverlässig sind und sich oft genug als nicht belastbar erweisen. Die Nützlichkeit der Analyse eines Unternehmens wird dadurch zwar eingeschränkt, aber nicht entwertet. Die klassischen Autoren gehen davon aus, dass es eine ausreichend große Anzahl Unternehmen gibt, bei denen robuste Prognosen entwickelt werden können. Ob der historische Leistungsausweis ein relevanter und verlässlicher Indikator für die zukünftige Fähigkeit eines Unternehmens ist, Wert zu erwirtschaften, ergibt sich dabei nicht primär aus den Finanzzahlen an sich, sondern aus den qualitativen Eigenschaften und Merkmalen eines Unternehmens.

An diesen Grundkoordinaten der Fundamentalanalyse und den damit verbundenen Herausforderungen hat sich bis heute nichts geändert. Investoren, die fundamental arbeiten, müssen die oben gestellten Fragen für Unternehmen, in die sie investieren wollen, immer wieder neu beantworten.

Warnung vor unrealistischen Präzisionserwartungen

Investoren, die die Fundamentalanalyse einsetzen wollen, sollten keine unrealistischen Vorstellungen hinsichtlich der Genauigkeit des ermittelten Werts haben. Die Ermittlung des Werts eines Unternehmens im Gegensatz zum Preis ist zwar das Ziel der Fundamentalanalyse, gleichzeitig haben aber gerade die klassischen Autoren immer wieder darauf hingewiesen, dass der Wert eines Unternehmens, anders als der Börsenkurs, letztlich keine präzise bestimmbare Größe ist. Darin liegt, wie oben bereits erwähnt wurde, auch die Bedeutung der »Margin of Safety«. Mit ihr lässt sich der Tatsache Rechnung tragen, dass sich Unternehmen in Zukunft anders entwickeln können und werden als erwartet. Gleichzeitig ist es auch gar nicht nötig, den Wert eines Unternehmens bis auf die Kommastelle genau zu bestimmen, wenn nur der Abstand zwischen Preis und Wert ausreichend groß ist.

Investieren statt Spekulieren

Fundamentale Investoren verstehen den inneren Wert eines Unternehmens als den Wert, der durch ausreichend sichere Tatsachen gerechtfertigt ist. Zugleich ergibt sich der heutige innere Wert eines Unternehmens immer nur aus dem Wert, den ein Unternehmen in Zukunft erwirtschaften kann. Bewertung ist ohne Prognosen über die Zukunft nicht möglich. Die entscheidende Frage aus Sicht der Fundamentalanalyse ist: Wann hören Prognosen auf, ausreichend sicher zu sein?

Die Antwort auf diese Frage wurde teilweise schon gegeben: Fundamentale Investoren müssen für alle Komponenten des in der Vergangenheit erwirtschafteten Gewinns prüfen, ob es gute Gründe gibt, dass sie sich in Zukunft wiederholen werden. Aber auch die umgekehrte Frage müssen sich Investoren stellen: Gibt es Anhaltspunkte, dass sich einzelne Gewinnkomponenten in Zukunft nicht wiederholen könnten? Für Benjamin Graham hat eine derartige Prognose zwar »spekulative« Elemente, ist aber gut begründet. Er spricht in diesem Zusammenhang von »intelligentem Spekulieren«.

Leichtfertig getroffene Annahmen ohne robuste Begründung und insbesondere die Annahme, dass ein Unternehmen in Zukunft leistungsfähiger sein wird als in der Vergangenheit, sind für die klassischen Vertreter der Fundamentalanalyse dagegen naives Spekulieren. Privatanleger sollten nach Meinung der klassischen Vertreter der Fundamentalanalyse aber konsequent als Investoren handeln und nicht als Spekulanten. Das bedeutet, dass sie in der Lage sein müssen, jeden Kauf und jeden gezahlten Preis durch objektive und belastbare Argumente zu rechtfertigen. Und zu rechtfertigen ist ein Kauf nur dann, wenn der gezahlte Preis einschließlich »Margin of Safety« durch den Wert eines Unternehmens gedeckt ist.

Die Zukunft: eher Gefahr als Chance

Die klassischen fundamentalen Investoren sind sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, positive Entwicklungen vorwegzunehmen und bereits heute in den Prognosen und im gezahlten Preis zu berücksichtigen. Sie sehen vielmehr immer die Gefahr, dass ein Unternehmen in Zukunft weniger Wert erwirtschaften könnte als erwartet. Die Zukunft wird in diesem Sinn eher als Gefahr denn als Chance gesehen. Diese Art des vorsichtigen Vorgehens mag auf den ersten Blick erstaunen, ist aber nicht anachronistisch. Bei schuldenfinanzierten Unternehmenskäufen streichen die finanzierenden Banken radikal jede Art von Verbesserung aus den Planungsannahmen, wenn sie die Sicherheit der vergebenen Kredite prüfen. Und wenn Fremdkapitalgeber, die im Falle eines Konkurses immer noch einen Eigenkapitalpuffer »vor sich« haben, dieses Konzept anwenden, dann kann es für Eigenkapitalgeber, die diesen Puffer nicht haben, keine falsche Überlegung sein.

Unterscheidung sicherer und spekulativer Wertkomponenten

Analog zur Unterscheidung zwischen ausreichend sicheren »Tatsachen« einerseits und spekulativen Annahmen andererseits schlagen die klassischen Vertreter der Fundamentalanalyse vor, auch bei der Bewertung zwischen einem sicheren Minimalwert und spekulativen Wertkomponenten zu unterscheiden.

Der sichere Minimalwert basiert dabei auf dem heutigen Buchwert und den nachhaltigen Gewinnen und Renditen, die ein Unternehmen derzeit erzielen kann. Spekulative Wertkomponenten ergeben sich daraus, dass Investoren bei der Bewertung zusätzliches Umsatzwachstum oder eine Ausweitung der Margen einbeziehen. Zukünftiges Wachstum in die Bewertung einzubauen, stellt für fundamentale Investoren immer ein Risiko dar. Zukünftiges Wachstum muss immer erst realisiert werden. Bezahlen Investoren heute schon dafür, dann gehen sie ins Risiko. Und je mehr zukünftiges Wachstum bei einer Bewertungsanalyse unterstellt wird, desto riskanter ist eine Kapitalanlage.

WIE SICH FUNDAMENTALANALYSE VON ANDEREN INVESTMENTANSÄTZEN UNTERSCHEIDET

Fundamentalanalyse versus passive Investmentansätze