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Technische Chemie für Dummies

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Über den Autoren

Danksagung

Einführung

Das Fach Chemie weckt bei manchem schaurige Erinnerungen an die Schulzeit. Technik wiederum bestimmt in erheblichem Maß unser Leben – das werden Sie kaum bezweifeln. Man möchte nicht darauf verzichten, aber verstehen, wie und warum das alles funktioniert, das übersteigt oft die Vorstellungskraft. Und nun auch noch die Kombination von beidem.

Haben Sie sich schon einmal gefragt, woher eigentlich die ganzen Gegenstände und Stoffe kommen, die mittlerweile aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind? – Staubsauger, Acrylbadewannen, Autolack, atmungsaktive Kleidung, Farben, Kabelisolierungen, Klebstoffe, Spezialwaschmittel, Kosmetika,. Arzneistoffe, Kerosin für Ihre Urlaubsflüge … Die Liste würde mehr als dieses Buch füllen. Bis auf wenige Ausnahmen können die Materialien, aus denen unsere Gebrauchsmittel bestehen, nicht einfach aus der Natur entnommen werden wie zum Beispiel das Holz, um einen Tisch zu bauen.

Die Tatsache, dass Chemiker im Labor Stoffe »erfunden« haben, bedeutet noch lange nicht, dass Sie in jedem Baumarkt Lichtschalter, Putzdosen oder Plastikeimer kaufen, Ihr Paket mit Klebestreifen verpacken oder wie selbstverständlich an einer Tankstelle Benzin zapfen können, wenn Ihr Tank leer ist. Selbst wenn man weiß, wie sich bestimmte künstliche Stoffe herstellen lassen, ist damit noch keine Garantie verbunden, dass diese auch in notwendig großen Mengen und in zuverlässiger Qualität erzeugt werden können.

Dafür braucht es die Technische Chemie! Holen Sie sich in diesem Buch das Verständnis dafür, wie Chemiker, Techniker und insbesondere die Chemische Industrie dieses Problem grundsätzlich angehen. Denken Sie nicht, wenn Sie dieses Buch gelesen haben, eine chemische Anlage betreiben oder gar bauen zu können. Dazu sind die Sachverhalte viel zu komplex. Es kann um nichts anderes als ein einführendes Verständnis der Dinge gehen. Wenn Sie die Prinzipien verstanden haben, haben Sie eine solide Grundlage, sich weiteres Spezialwissen anzueignen.

Törichte Annahmen über den Leser

In diesem Buch wird davon ausgegangen, dass Sie sich in Grundzügen mit Chemie bereits in irgendeiner Weise befasst haben. Wichtige Begriffe wie Stoffmenge, Konzentration oder Reaktionsgeschwindigkeit sagen Ihnen etwas, wenn auch wichtige Dinge hier noch einmal klargestellt werden. Auch sollten Sie keine Berührungsängste mit hin und wieder etwas umfangreicheren mathematischen Abhandlungen und Herleitungen haben. Wir werden in diesem Buch keine höhere Mathematik betreiben und komplizierte Gleichungen lösen, aber Sie sollten wenigsten den Anblick solcher Gleichungen ertragen, die man vielleicht lösen könnte, ohne gleich das Buch zuzuklappen. Das dient nämlich dem grundsätzlichen Verständnis und der Einordnung in den Gesamtkontext. Es wird in diesem Buch keine Gleichung geben, die einfach so dasteht, ohne eine Idee, wie sie zustande kommt.

Über dieses Buch

Technische Chemie für Dummies ist für drei Gruppen von Lesern gedacht: Studenten, die dieses Fach freiwillig oder unfreiwillig gewählt haben, Berufstätige, die sich im Berufsalltag mit interdisziplinärem Wissen sinnvoll einbringen möchten und dazu alle, die sich für eine Einführung in diese Thematik interessieren. Technische Chemie ist häufig kein Pflichtfach im Chemiestudium, obwohl es nicht schlecht wäre, sich zumindest mit den Grundzügen auseinanderzusetzen, geht es doch schließlich um die Umsetzung der im Labor erarbeiteten Erfolge in die Praxis, und was dabei grundlegend anders ist.

Wenn Sie sich mit bestimmten Problemstellungen oder Randerscheinungen der Technischen Chemie oder der Chemischen Verfahrenstechnik beschäftigen und von der Vielfalt der damit einhergehenden mathematischen Modelle oder den vielen verschiedenen Bezeichnungen und Indizes erschlagen werden, dann soll dieses Buch dazu dienen, einen Überblick über die grundsätzlichen Zusammenhänge zu bekommen. Es deckt die wichtigsten Teilgebiete in Grundzügen ab, die für einen Einstieg in die Technische Chemie wichtig sind. Zugegeben geht es manchmal auch etwas mehr in die Tiefe, was aber nur helfen soll, die Problematik besser zu verstehen.

Haben Sie sich schon einmal mit Technischer Chemie befasst, das Gelernte aber wieder vergessen oder damals schon irgendwie nicht richtig verstanden, und Sie denken, dass Sie es nun gut für Ihre Aufgaben in der beruflichen Praxis oder ein weiterführendes Studium gebrauchen können, dann bietet Ihnen Technische Chemie für Dummies eine sinnvolle Auffrischung Ihres Wissens.

Technische Chemie ohne Mathematik oder Formeln wäre wie eine Kirche ohne Maus. Deshalb gibt es in diesem Buch auch jede Menge davon (keine Mäuse, sondern Formeln). Die grundsätzlichen mathematischen Herangehensweisen dienen der Vollständigkeit – ich habe mich aber jeweils auf das wirklich Nötigste beschränkt, manchmal etwas mehr, manchmal vielleicht nicht ausführlich genug, aber das ist ja immer Geschmackssache. Fahren Sie auf der Autobahn mal staunend an Anlagen der Chemischen Industrie vorbei, denen man – besonders im Dunkeln – einen gewissen ästhetischen Reiz nicht absprechen kann (zumindest manche können das nicht), dann sollen Sie hier eine Ahnung davon bekommen, was sich in den vielen geheimnisvollen Türmen, Gerüsten, Rohren und Gebäuden abspielen könnte.

Dieses Buch ist als Einführung in die Technische Chemie gedacht, deshalb wird auch auf detaillierte Berechnungen, wie sie für die konkrete tatsächliche Umsetzung in der Praxis erforderlich sind, nicht eingegangen. Hier geht es darum, dass Sie die Prinzipien verstehen; sie können sich dann immer noch ausmalen, dass in Wirklichkeit alles viel schwieriger und komplizierter ist. Auch die Technische Chemie arbeitet mit zahlreichen theoretischen Modellen. Diese behalten ihre Gültigkeit, auch wenn es komplexer wird, mit entsprechenden Erweiterungen und Modifikationen passt man sich den jeweiligen realen Gegebenheiten an.

Es ist noch nie gelungen, einen kompletten chemischen Prozess allein am Schreibtisch zu entwickeln. Erfahrung und Empirie sind hier nicht wegzudenken und erfüllen stets ihren Zweck. Aber es hilft ungemein weiter, die zugrundeliegenden Modelle verstanden zu haben und weitgehend anzuwenden, denn was man vorher (zumindest näherungsweise) berechnen kann, hilft, Zeit und Geld zu sparen und vielleicht manchen Flop zu vermeiden.

Wie Sie dieses Buch einsetzen

Jedes Kapitel ist in sich geschlossen; sie können sich dort jeweils mit einem Teilgebiet der Technischen Chemie vertraut machen. Gibt es Berührungspunkte mit anderen Themen, werden Sie durch entsprechende Verweise darauf aufmerksam gemacht. Sie können dieses Buch natürlich auch von vorne bis hinten lesen (generell ein durchaus bewährtes Verfahren).

Symbole, die in diesem Buch verwendet werden

Vorsicht Mit diesem Symbol werden wichtige Dinge angezeigt. Diese Aussagen sollten Sie wirklich verstanden haben.

Warnung Hier werden Sie darauf aufmerksam gemacht, dass Sie vielleicht einem Irrglauben verfallen sind. Dinge sind manchmal anders, als man sie zunächst annimmt.

Erinnerung Wenn Sie dieses Symbol sehen, kommt etwas, das Sie aus der Schule oder aus dem Chemiestudium eigentlich schon wissen sollten. Falls Sie Zweifel haben, lesen Sie noch einmal nach.

Techniker Hier wird es mitunter doch etwas kompliziert, aber ich konnte mir nicht verkneifen, diese Passagen (mitunter wilde Differentialgleichungen) mit in das Buch aufzunehmen. Nicht um Sie zu ärgern, sondern um Ihnen bewusst zu machen, was wirklich dahinter steckt, auch wenn man diese Gleichungen häufig gar nicht in der Form lösen kann.

Techniker Etwas über den Tellerrand geschaut gibt es hier Erklärungen zu Personen oder Sachverhalten.

Techniker Hier finden Sie Beispiele, die das jeweilige Thema veranschaulichen und vertiefen sollen.

Was Sie nicht lesen müssen

In einigen Kapitel finden Sie Abschnitte (manche kürzer, mancher etwas länger), die mit »Nur für Streber: …« beginnen. Hier wird etwas weiter ausgeholt, besonders wenn es um die Darstellung eines mathematischen Hintergrunds geht. Da könnten Sie schon mitunter das Gefühl haben, Sie seien »im falschen Film«. Wenn Sie Dinge nachvollziehen wollen, sind Sie vielleicht dankbar für die detaillierten Ausführungen, aber Sie verpassen auch nichts, wenn Sie solche Passagen einfach nur querlesen oder überspringen. (Als Streber werden Menschen bezeichnet, die mehr wissen wollen, als sie unbedingt müssen, und genau die meine ich. Neugier und Wissensdurst sind doch eigentlich etwas Positives, deshalb ist es unverständlich, dass dieser Begriff manchmal etwas abschätzig gemeint ist.)

Wie dieses Buch aufgebaut ist

Das Buch ist in fünf Teile gegliedert. Technische Chemie setzt sich aus vielen einzelnen Teilgebieten zusammen, die alle ineinandergreifen und letztendlich zu einem chemischen Prozess führen. Sie sollen die wichtigsten Themen in Grundzügen kennenlernen. Natürlich können einige davon nur oberflächlich angekratzt werden, ohne wirklich in die Tiefe gehen zu können; dazu fehlt der Platz und es ist auch nicht Aufgabe dieses Buches, Sie in die Lage zu versetzen, beispielsweise eine Destillationskolonne für einen Durchsatz von 1000 Tonnen pro Tag bis in alle Einzelheiten zu dimensionieren. Hier soll es um das Verständnis der grundlegenden Konzepte und den großen Überblick gehen.

Teil I: Technische Chemie – ein bisschen kennen Sie schon

Es wird erklärt, was sich alles hinter dem Teilgebiet Technische Chemie verbirgt und welches die grundlegenden Prinzipien und Konzepte sind, die darin vorkommen. Sie erhalten ein eigenes kurzes Kapitel über einige nützliche mathematische Zusammenhänge; hier können Sie nachschauen, bevor Sie irgendwo im Buch an einer Gleichung verzweifeln. Zudem sollte Ihnen bewusst sein, dass Sie es immer noch mit chemischen Prozessen zu tun haben. Die Chemie als solche ist nicht anders als im Labor. Einige wichtige Grundlagen werden noch einmal rekapituliert.

Teil II: Mobilität ist angesagt – wie Stoff und Wärme transportiert werden

Durch die größeren Abmessungen in technischen Systemen lässt es sich nicht vermeiden, dass Stoffe und Wärme vergleichsweise lange Strecken zurücklegen müssen, bevor es überhaupt zu chemischen Reaktionen kommen kann. Sind mehrere Phasen beteiligt, müssen auch noch Phasengrenzen überwunden werden. Auch können Sie sich vorstellen, dass sich die Teilchen manchmal schwertun, durch die engen Poren eines Katalysators hindurchzukriechen. Erstaunlicherweise lässt sich der Transport von Stoff und Wärme nach ähnlichen Gesetzen beschreiben. Auf welche Weise dies erfolgt, da sind die Teilchen sehr einfallsreich. All das kostet Zeit, die die eigentliche Geschwindigkeit der chemischen Reaktion beeinträchtigt. Stoff und Wärme unterliegen den sogenannten Erhaltungssätzen. Sie werden in diesem Teil in die Aufstellung entsprechender Bilanzgleichungen eingeführt, die als Grundlage für viele technische Problemstellungen dienen.

Teil III: Wo die Reaktanden tanzen – Chemische Reaktoren

Hier findet Reaktionstechnik pur statt. Sie sollen erfahren, wie man einen chemischen Reaktor dimensioniert und was man dabei alles beachten muss. Zunächst werden idealisierte Modellreaktoren unter die Lupe genommen. Sie erkennen, wie diese sich voneinander abgrenzen und Grenzfälle aller denkbaren Situationen abbilden; in diesem Fall kommen wir mit einfachen Bilanzaufstellungen zurecht. Etwas unübersichtlicher wird es, wenn man doch einmal auf den Boden der Tatsachen übergeht und schaut, was in der Realität passiert. Sie werden mit Verweilzeitmodellen konfrontiert und was diese am Gesamtgeschehen ausrichten.

Teil IV: Hier sind Verfahrenstechniker gefragt

Chemische Technik bedeutet viel Verfahrenstechnik, die eigentliche chemische Reaktion macht häufig nur einen Bruchteil des Ganzen aus. Das, was Sie an einer chemischen Fabrik von Weitem erkennen können, dient im Wesentlichen dazu, Stoffe für die anstehende Reaktion vorzubereiten und Produkte aufzuarbeiten, damit man damit etwas anfangen kann. Es kann hier nicht alles besprochen werden. Der begrenzte Platz in diesem Buch wird genutzt, um sich etwas mehr in die thermischen Trennverfahren zu vertiefen, denn diese kommen oft innerhalb eines chemischen Prozesses vor. Hier können Sie sich auch mit den Grundzügen der Strömungslehre auseinandersetzen und Sie lernen, was man braucht, um die Leistung einer Pumpe zu berechnen.

Teil V: Chemische Prozesse – ganz schön interdisziplinär

Bei einem chemischen Prozess muss man den Überblick bewahren. Den brauchen Sie, um eine Anlage zu bauen und auch, um sie zu betreiben. Verschiedene Fließbilder sorgen dafür, dass zu gegebener Zeit das Richtige getan werden kann. Einer der komplexesten Prozesse, den die Chemische Industrie zu bieten hat, ist die Aufarbeitung von Erdöl mit anschließender Herstellung von chemischen Grundstoffen, die die Chemiker mit »Nahrung« versorgen. Sie erfahren, woher unsere Treibstoffe kommen und was ein Steamcracker macht. Zum Schluss wird die Vergrößerung von einem kleinen in einen größeren Maßstab – das sogenannte Scale-up – erwähnt. Hier wird es schnell sehr speziell. Es geht darum, dass Sie eine Idee bekommen, was man dabei prinzipiell tut.

Teil VI: Der Top-Ten-Teil

Hier geht es um Chemikalien, die die Welt verändern - in richtig großen Mengen produziert.

Anhang

Damit Sie wichtige Begriffe, Symbole und Abkürzungen rasch nachschlagen können, gibt es in diesem Buch einen Anhang.

Symbole und Abkürzungen

Die Bildsprache der Technischen Chemie ist übersät mit diversen Indizes, so sehr, dass man manchmal den Überblick über eine Gleichung verlieren kann. Sie sind notwendig, um die Einflussgrößen voneinander abzugrenzen oder in einen zeitlichen Rahmen zu stellen; was sind die Einsatzstoffe, welche Spezies sind damit verbunden usw. Das Schlimme ist, dass es da keine internationalen Verordnungen gibt, wie wann was zu benennen ist, und Sie finden in verschiedenen Büchern häufig unterschiedliche Bezeichnungen. Deshalb gibt es eine Liste, wie das in diesem Buch gehandhabt wird. Hier können Sie nach Belieben nachschauen, wenn Ihnen mal eine Größe suspekt vorkommt.

Glossar

Hier finden Sie einige Begriffe aus der chemischen Technologie, die ihnen teils in diesem Buch begegnen, die Sie aber vielleicht auch in einem anderen Zusammenhang gehört haben. Sie können in dieser Liste nachschauen, wenn Sie etwas Begriffsklärung wünschen. Auf keinen Fall wird hier irgendein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.

Übungsaufgaben

… gibt es in diesem Buch mit Absicht nicht. Die Aufgaben sind so vielfältig, dass es ein reiner Glücksfall wäre, wenn ich genau eine Problemstellung erwischen würde, die Sie gerade bewegt. Wären die Aufgaben für den einen Leser zu allgemein (weil vielleicht eine detaillierte Berechnung auf den Nägeln brennt), würden Beispiele aus der technischen Alltagsrealität wahrscheinlich diejenigen Leser überfordern, die erst einmal nur die Grundlagen verstehen wollen. Da ich es in diesem Punkt unmöglich jedem recht machen kann, habe ich beschlossen, Sie mit Übungsaufgaben zu verschonen. Dafür gibt es an geeigneter Stelle immer wieder Beispiele, die das Thema verdeutlichen.

Wie es weitergeht

Am besten gleich mit Teil I. Wenn Sie keine langen Vorreden brauchen, können Sie auch gleich in Teil II einsteigen. Oder Sie suchen sich ein Thema und lassen sich anhand der vielen Verweise durch das Buch leiten.

Teil I

Technische Chemie – ein bisschen kennen Sie schon

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Kapitel 1

Was ist Technische Chemie?

IN DIESEM KAPITEL

  1. nimmt die Chemische Industrie ihren Platz ein
  2. treffen sich Chemiker und Ingenieure
  3. wird das Bruttosozialprodukt gesteigert

Die Technische Chemie ist ein Teilgebiet der Chemie, so wie die Anorganische Chemie, die Organische Chemie, die Physikalische Chemie oder die Biochemie. Diese Einzeldisziplinen können Sie natürlich nicht strikt voneinander trennen, als hätten sie nichts miteinander zu tun. Das gilt erst recht für die Technische Chemie, geht es doch hier darum, aus klein groß zu machen, oder aus wenig viel – was auch immer das Kleine oder Wenige im Einzelfall sein mag. Ein Chemiestudium beginnt daher auch nicht mit Technischer Chemie, denn für dieses Teilgebiet sind schon einige chemische Vorkenntnisse erforderlich. In der Technischen Chemie werden Sie dann aber mit allen Facetten der Chemie konfrontiert, die Ihnen schon als Lernstoff begegnet sind. Auch mit solchen, wo Sie sich vielleicht gefragt haben, wofür Sie das denn lernen mussten (dazu gehören nun mal auch Physik und Mathematik). Die Technische Chemie bringt gewissermaßen die zahlreichen komplexen Inhalte eines Chemiestudiums in einen großen, praxisrelevanten Kontext ein, denn es soll ein chemischer Prozess daraus entstehen.

Standortbestimmung

Chemischen Verfahren ist gemeinsam, dass eine chemische Reaktion stattfindet. Woran denken Sie, wenn Sie den Begriff »Technische Chemie« hören?

Vorsicht Die Technische Chemie liefert das wissenschaftliche Fundament, das chemischen Produktionsverfahren zugrunde liegt:

  • Entwicklung von Verfahren
  • Übertragung in den technischen Maßstab
  • Betrieb von Produktionsanlagen

Ein Leben ohne Chemie?

Ohne Zweifel spielt die Chemische Industrie eine wichtige Rolle in unserer Zivilisation und unserem gesamten Leben. Am Bruttosozialprodukt der Industrieländer hat sie einen bedeutenden Anteil. Stellen Sie sich mal vor, Sie müssten auf so gängige Produkte wie Haarwaschmittel, Gummistiefel, Klarsichtfolie, Kühlschränke, Babywindeln, Dispersionsfarben, Plastikeimer, Regenschirme oder Kunstfasern verzichten (da ist bestimmt etwas dabei, was auch Sie gebrauchen). Das wäre so, als wenn von heute auf morgen der Strom ausfallen würde. Auf einmal müssten Sie Ihr Leben ganz anders organisieren, denn wir haben uns von der allgegenwärtigen Verfügbarkeit des elektrischen Stroms völlig abhängig gemacht. Genauso geht es uns mit vielen Produkten, die der Chemischen Industrie entstammen. Sie machen sich keine Gedanken und Sorgen, woher sie kommen – sie sind einfach da. Es fällt eigentlich erst auf, wenn sie nicht da sind. Stellen Sie sich vor, Sie fahren zu einer Tankstelle und es gibt kein Benzin – was geht dann alles nicht? Sie können nicht mehr einkaufen, kommen nicht mehr zur Arbeit und müssen nach Hause laufen. Haben Sie sich schon einmal vor Augen geführt, welche Prozesse zusammen funktionieren müssen, damit der Treibstoff aus der Tanksäule fließen und ihr Auto antreiben kann? Die Vorstellung, dass es irgendwo Millionen Jahre alte Erdölreservoire gibt, aus denen das Benzin letztendlich stammt, hilft hier in der Praxis des Alltags nicht wirklich weiter.

So ist es aber mit vielen Stoffen, die wir für unser tägliches Leben zu benötigen glauben; wir können uns darauf verlassen, dass sie da sind, wenn wir sie brauchen. Daran haben wir uns in der industriellen Welt gewöhnt. Diese Produkte garantieren unseren Lebensstandard. Natürlich ist das nicht überall auf der Welt selbstverständlich, das wissen Sie auch. Nicht einmal das saubere Trinkwasser, das für uns in akzeptabler Qualität wie selbstverständlich aus den Wasserhähnen fließt, ist jedem auf unserer Erde vergönnt. Noch haben wir hier einen gesetzlichen Anspruch auf sauberes keimfreies Trinkwasser, von dem wir nicht krank werden – ein Anspruch, der allerdings in der Regel mithilfe von biochemischen und physikalischen Prozessen in den Klärwerken eingehalten werden kann. Und wer sich an eventuellen chemischen Zusätzen stört, kann sein Trinkwasser mit entsprechenden technischen Filteranlagen, die es auch für den Küchengebrauch gibt, zusätzlich reinigen. Ob das was nützt, außer dass dabei der Grundpreis für einen Kubikmeter Wasser um ein Vielfaches steigt, ist eine Geschmacks- und Glaubensfrage. Aber auch diese Filter und deren Gehäuse müssen erst einmal hergestellt werden und geben vielleicht wieder Substanzen ab, die vorher nicht im Wasser vorhanden waren. Es hilft alles nichts – das Leben, wie wir es gewohnt sind und in das wir hineingeboren werden, läuft ohne die chemische Industrie nicht. Überhaupt nicht!