Einführung

Stellen Sie sich vor, Sie liegen an einem verregneten Samstagnachmittag gemütlich auf der Couch und sehen sich im Fernsehen Ihre Lieblingssendung an. Sie haben eine harte Arbeitswoche hinter sich und sich auf ein Wochenende ohne Verpflichtungen gefreut. Sie müssen über eine Szene im Fernsehen schmunzeln. Mitten in Ihren wohlverdienten Frieden platzt Ihr(e) Partner(in) in den Raum und hält Ihnen ein amtliches Schreiben unter die Nase: »Das lag für dich im Briefkasten.« Sie denken: »Was mag das wohl sein?«, und öffnen umständlich den Umschlag. »Verdammt …«: Was Sie da in den Händen halten, ist ein Bußgeldbescheid der Polizei wegen Geschwindigkeitsüberschreitung. Mit Ihrer guten Stimmung ist es mit einem Schlag vorbei, der Tag ist für Sie sozusagen gelaufen. Sie ärgern sich nur noch über die Kleinlichkeit der Behörden und darüber, dass Sie das Blitzgerät nicht rechtzeitig gesehen haben.

Mit dieser kleinen Episode sind wir schon mitten im Thema: Überlegen Sie einmal, welches Wechselbad der Gefühle Sie in kurzer Zeit durchlaufen haben. In einem Augenblick fühlten Sie sich geborgen und glücklich wie ein Kind und haben sich auch so verhalten. Sie waren in Ihrem Kind-Ich. Im nächsten Augenblick mussten Sie die Situation analysieren wie ein Computer, das geschah in Ihrem Erwachsenen-Ich. Bruchteile von Sekunden später waren Sie verärgert, empört ob Ihrer eigenen Unvorsichtigkeit und der fiesen technischen Tricks der Polizei. Sie waren abwechselnd in Ihrem Eltern-Ich und Ihrem rebellischen Kind-Ich.

Wie wäre wohl eine Unterhaltung mit Ihrem Partner verlaufen, als Sie noch in Ihrem freien, unbekümmerten Kind-Ich waren, und wie würde sie jetzt verlaufen, da Sie sich in einem ganz anderen Ich-Zustand befinden? Wohl ganz anders. Unsere Transaktionen, unsere Kommunikationspfade, verlaufen je nach eingeschaltetem Ich-Zustand ganz anders, was oft genug zu Missverständnissen, Irritationen und zu Konflikten führt.

Die Transaktionsanalyse beschäftigt sich mit der Frage, wie wir die Zeit strukturieren und welche psychologischen Spiele wir manchmal spielen, um zu Anerkennung und Beachtung zu kommen. Anerkennung und Beachtung sind auch die Stichwörter, die eine Rolle spielen, wenn wir unser Drehbuch des Lebens schreiben, unser Skript. Wer außerdem noch daran mitschreibt, erfahren Sie in diesem Buch.

Die Transaktionsanalyse ist ein sehr anschauliches Modell menschlicher Kommunikation und Verhaltensweisen, das von dem amerikanischen Psychiater Eric Berne vor etwa 60 Jahren entwickelt wurde. Bald war die Transaktionsanalyse im Management- und Kommunikationstraining sowie im Coaching von Führungskräften nicht mehr wegzudenken. Ihre Bedeutung für die Psychotherapie wurde erst spät erkannt und ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Heute spielt die Transaktionsanalyse eine bedeutende Rolle in der Traumatherapie und hat die psychodynamische Therapie, die Kognitive Verhaltenstherapie und die Systemische Therapie wesentlich beeinflusst.

Über dieses Buch

In diesem Buch möchte ich Sie mit der faszinierenden Welt der Transaktionsanalyse bekannt machen. Ich möchte Sie dazu einladen, sich selbst und Ihre Beziehungen einmal mit ganz anderen Augen zu betrachten. Sie sollen nach der Lektüre des Buches sich selbst ein wenig besser verstehen und wertschätzen, Ihre Beziehungen zufriedener gestalten und Ihre (Lebens-)Zeit besser nutzen können. Ich möchte Sie in die Lage versetzen, sich ein besseres Bild über Ihr Leben und Ihre Verhaltensmuster zu machen und eine Antwort auf folgende Fragen zu geben:

check.gif Was sind die Inhalte meiner Ich-Zustände? Wie bin ich als Persönlichkeit strukturiert?

check.gif Was muss passieren, damit sich mein Kind-Ich, mein Eltern-Ich oder mein Erwachsenen-Ich zu Wort meldet?

check.gif Wann läuft eine Unterhaltung schief? Welche Arten von Transaktionen sind schuld daran?

check.gif Welche Streicheleinheiten brauche ich. Was tue ich, um sie zu bekommen?

check.gif Wie strukturiere ich meine Zeit, um zu Anerkennung und Beachtung zu kommen?

check.gif Welche Psychospiele spiele ich und welche Erfahrungen habe ich damit gemacht?

check.gif Wie war mein Verhältnis zu meinen Eltern? Welche Botschaften haben Sie mir mitgegeben und was habe ich daraus gemacht?

check.gif Wie kann ich mit Konflikten besser umgehen?

Dieses Buch soll Ihnen auf kurzweilige Art die Modelle und Methoden der Transaktionsanalyse näherbringen, sodass Sie nach der Lektüre wissen, wie Sie und Ihre Liebsten davon profitieren können, wie Sie die Rahmenbedingungen für Ihr privates und berufliches Leben gestalten können, um ein Gewinner im Leben zu werden.

Konventionen in diesem Buch

Um Ihnen die Lektüre zu erleichtern und damit Sie den größtmöglichen Nutzen daraus ziehen können, halte ich mich an folgende Konventionen:

check.gif Sie werden in dem Buch immer wieder einmal dazu aufgefordert, eine Übung oder ein Experiment zu machen. Manche davon können Sie allein durchführen, für andere brauchen Sie einen Partner. Sie profitieren mehr von diesem Buch, wenn Sie den Einladungen folgen.

check.gif Ich habe wegen der besseren Lesbarkeit darauf verzichtet, jeweils von dem »Therapeuten« und der »Therapeutin«, von dem »Klienten« und der »Klientin«, dem »Partner«, der »Partnerin« – oder von dem »Leser« und der »Leserin« zu sprechen –, also nach Geschlecht zu unterscheiden, wohl wissend, dass sich hinter den Bezeichnungen stets kompetente Frauen und Männer verbergen.

Was Sie nicht unbedingt lesen müssen

Um Ihren Lesefluss nicht zu unterbrechen, habe ich Passagen und Textstellen, die Sie nicht unbedingt lesen müssen, um dem Inhalt zu folgen, kenntlich gemacht.

check.gif Grau hinterlegte Kästen enthalten interessante Erklärungen und Hintergrundinformationen zum jeweiligen Kapitel. Sie müssen sie aber nicht unbedingt lesen, um dem Inhalt folgen zu können.

check.gif Symbole bringen noch einmal etwas auf den Punkt. Sie müssen sie aber nicht in jedem Fall beachten, um den Text zu verstehen.

Törichte Annahmen über den Leser

Jeder Autor macht sich, bewusst oder unbewusst, ein Bild von seiner Leserschaft. Als »typischen« Leser von Transaktionsanalyse für Dummies stelle ich mir Sie so vor:

check.gif Sie sind an Beziehungen und Erkenntnissen der Beziehungspsychologie interessiert.

check.gif Sie wollen sich privat und beruflich weiterentwickeln.

check.gif Sie fragen sich, was in Ihren Beziehungen gerade schiefläuft und wie Ihnen ein Buch über Transaktionsanalyse helfen könnte, Ihre Probleme zu lösen.

check.gif Vielleicht tragen Sie sich mit dem Gedanken, eine Weiterbildung in einer interessanten psychologischen Richtung zu machen. Dann ist die Transaktionsanalyse genau das Richtige für Sie. In diesem Buch können Sie sich schon einmal einen Überblick verschaffen.

Wie dieses Buch aufgebaut ist

Transaktionsanalyse für Dummies ist in vier Teile und 20 Kapitel gegliedert. Um sich einen schnellen und unkomplizierten Zugang zu verschaffen, können Sie sich im Inhaltsverzeichnis über die Inhalte der einzelnen Kapitel vorab informieren. Im Anhang finden Sie interessante Internetadressen sowie ein Glossar der wichtigsten Begriffe der Transaktionsanalyse.

Teil I: Die Welt mit den Augen der Transaktionsanalyse betrachten

In diesem Teil erfahren Sie, was es mit der Transaktionsanalyse auf sich hat, woher sie kommt und wie Sie sie zum besseren Verständnis Ihrer selbst und Ihrer Beziehungen nutzen können. Ich informiere Sie über die Grundlagen: die Ich-Zustände, die Transaktionen, wie wir die Zeit strukturieren, die Psychospiele und das Lebensskript und wie das alles miteinander zusammenhängt. Sie wissen am Ende des ersten Teils über die Schwerpunkte und unterschiedlichen Konzepte der Transaktionsanalyse Bescheid und sind schon gespannt auf die praktische Anwendung.

Teil II: Die Transaktionsanalyse im Alltag nutzen

Jetzt geht’s mitten ins Leben und in den Alltag. Sie erfahren, wie Sie die Transaktionsanalyse für eine bessere Kommunikation nutzen können. Zum Beispiel indem Sie erkennen, in welchen Ich-Zuständen Sie und Ihr Gesprächspartner sich gerade befinden, und darauf angemessen reagieren. Wie Sie einen konstruktiven inneren Dialog führen, der Ihnen Lösungen statt noch mehr Sorgen und Probleme beschert. Wie Sie Ihre Zeit besser nutzen können, um Ziele zu erreichen, statt die Zeit mit fruchtlosen Psychospielen totzuschlagen. Wie Sie Ihr Lebensskript positiv verändern können.

Teil III: Anwendungsfelder der Transaktionsanalyse

Die Transaktionsanalyse hat schnell Verbreitung in verschiedenen Anwendungsbereichen gefunden. In diesem Teil erfahren Sie, wie sie hilft, Kommunikationsprozesse besser zu verstehen, und wie sie zu einem festen Bestandteil von Führungs- und Kommunikationstrainings in der Wirtschaft geworden ist. Sie kann wertvolle Einsichten und Problemlösungen in Erziehungsfragen, im Unterricht, im Coaching und in der Supervision, in der Psychotherapie und der Menschenführung anbieten und ist aus diesen Bereichen nicht mehr wegzudenken.

Teil IV: Der Top-Ten-Teil

Im Top-Ten-Teil, ohne den kein … für Dummies-Buch auskommt, möchte ich Ihnen noch einmal die wichtigsten Grundsätze der Transaktionsanalyse und Tipps für die Lebensgestaltung in Erinnerung rufen. Außerdem werde ich Sie über die Weiterentwicklungen der Transaktionsanalyse und ihren Einfluss auf angrenzende Therapieverfahren informieren, damit Sie auf dem letzten Stand sind.

Symbole, die in diesem Buch verwendet werden

Sie werden in dem Buch immer wieder verschiedene Symbole finden, die Ihnen helfen, sich besser zu orientieren.

Icon_Hand.jpg»Das kenn ich doch von irgendwoher«, werden Sie bei diesem Symbol vielleicht sagen. Richtig, daran können Sie sich erinnern. Es wurde an anderer Stelle bereits ausführlich behandelt.

Icon_Tipp.jpgDieses Symbol verweist auf einen Tipp. Sie werden dazu aufgefordert, einmal etwas Neues auszuprobieren, ganz unverbindlich, versteht sich.

Icon_achtung.jpgHier spricht der Fachmann. Dieses Symbol hilft Ihnen, einen methodischen Zusammenhang zu verstehen.

Icon_Warnung.jpgHier lauert Gefahr. Dieses Symbol will Ihnen sagen: »So nicht …« – eine falsche Annahme, eine fragwürdige Schlussfolgerung, der Sie nicht folgen sollten.

Wie es weitergeht

Jedes Kapitel in diesem Buch ist so geschrieben, dass es für sich gelesen werden kann, ohne dass Sie das Vorwissen aus den vorangegangenen Kapiteln benötigen. Wenn Sie wissen möchten, wie eine gute Kommunikation funktioniert, sollten Sie sich zuerst mit den Ich-Zuständen und den Transaktionen beschäftigen. Tiefenpsychologisch wird es, wenn Sie sich die Kapitel über die Zeitstrukturierung und das Lebensskript vornehmen. Bevor Sie sich den Anwendungsmöglichkeiten der Transaktionsanalyse im privaten und beruflichen Alltag, also dem praktischen Teil, zuwenden, sollten Sie sich vorher über die Grundlagen informiert haben.

Gute Reise

Jetzt bleibt mir nichts anderes, als Ihnen eine gute Reise in die faszinierende Welt der Transaktionsanalyse zu wünschen. Sie werden bald feststellen, dass die Reise in Ihre ganz persönliche Welt geht, in Ihre Persönlichkeit, Ihre Beziehungen und Ihre Lebensgestaltung. Ich wünsche Ihnen dabei viele neue Eindrücke und Einsichten.

A

Anhang

 

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In diesem Teil . . .

Hier finden Sie Informationsquellen über die wichtigsten Organisationen der Transaktionsanalyse sowie ein kleines Wörterbuch mit wichtigen Begriffen.

Informationsquellen und Anlaufstellen

Die wichtigsten Organisationen der Transaktionsanalyse und Internetseiten:

check.gifDGTA – Deutsche Gesellschaft für Transaktionsanalyse www.dgta.de

check.gifÖGTA – Österreichische Gesellschaft für Transaktionsanalyse www.transaktionsanalyse.at

check.gifÖATA – Österreichischer Arbeitskreis für Tiefenpsychologische Transaktionsanalyse www.oeata-transaktionsanalyse.at

check.gifDSGTA – Deutschschweizer Gesellschaft für Transaktionsanalyse www.dsgta.ch

check.gifEATA – European Association for Transactional Analysis www.eatanews.org

check.gifITAA – International Transactional Analysis Association www.itaaworld.org

B

Anhang

Kleines Wörterbuch der Transaktionsanalyse

Abwertung (Discount): Das »Discounten« ist das Abwerten, Leugnen und Übersehen von Informationen, das in einer konflikthaften Situation zu einer verzerrten Wahrnehmung der Realität führt.

Antreiber: Das sind skriptbedingte Denkmuster und Verhaltensweisen, die zum Ziel haben, das unbewusste Lebensskript zu erfüllen. Beispiele für Antreiber: »Sei perfekt«, »Sei anderen gefällig«, »Streng dich an«, »Sei stark«, »Beeil dich«.

Ausschluss: Gemeint ist der Ausschluss eines oder mehrerer Ich-Zustände, die in der Kommunikation nicht mehr verfügbar sind.

Autonomie: Bewusstheit, Spontaneität und die Fähigkeit zur Intimität.

Befangenheit: Das Gefangensein in einem Ich-Zustand, das dazu führt, dass andere Ich-Zustände nicht genutzt werden können.

Drama-Dreieck: Ein Diagramm, das veranschaulicht, wie sich Menschen im Umgang miteinander abwechselnd in die Rolle des Verfolgers, des Retters und des Opfers begeben, dadurch den Konflikt aber nicht lösen.

Erlaubnis: Eine Neuentscheidung des (wohlwollenden) Eltern-Ich, um den inneren Antreibern (»Sei perfekt«) etwas entgegenzusetzen beziehungsweise sie zu entschärfen. Beispiel: »Du darfst dir Zeit lassen.«

Ersatzgefühl: Der Transaktionsanalytikerin Fanita English zufolge ein nicht wirklich empfundenes, sondern zur Schau gestelltes Gefühl, um gesellschaftlich nicht anzuecken. Beispiel: Fröhlich sein auf einer Hochzeit, obwohl man sich langweilt.

Galgentransaktion: Eine doppelbödige Transaktion mit dem Ziel, Mitleid zu erregen und sich selbst abzuwerten. Die offene Transaktion kommt vom Erwachsenen- Ich als Information (»Ich habe meinen Job verloren«), die versteckte Botschaft kommt aus dem Kind-Ich und fordert zu einem »Schlag mich«- oder »Hau mir eins rein«-Spiel auf.

Gegenskript: Dem Transaktionsanalytiker Claude Steiner zufolge der mehr oder weniger erfolgreiche Versuch, sich aus den Fängen einschränkender elterlicher Botschaften (zum Beispiel: »Du wirst es nie zu etwas bringen.«) zu befreien, indem man sich den Erwartungen widersetzt und einen Gegenentwurf schreibt (»Die sollen mal sehen ...«).

Grundbotschaft (Seins-Botschaft): Die gefühlsmäßige Einstellung der Eltern dem neugeborenen Kind gegenüber, die aus deren Kind-Ich stammt: »Du bist uns willkommen. Wir lieben dich.« oder: »Du bist uns nicht willkommen. Du störst uns.« Bei einer bedingten Seins-Botschaft ist das Willkommensein des Kindes an Bedingungen geknüpft: »Du bist nur dann willkommen, wenn du uns später Ehre machst.«

Ich-Zustand: Die Gesamtheit von zusammenhängenden Verhaltensweisen, Denkmustern und Gefühlen, die in einer bestimmten Situation als Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich oder Kind-Ich erlebt werden. Es ist die Art und Weise, wie wir einen Teil unserer Persönlichkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt äußern.

Intimität: Dem Gründer der Transaktionsanalyse, Eric Berne, zufolge die reifste und die zufriedenstellendste Form der Zeitstrukturierung: das Zusammensein mit einer vertrauten Person, das Identität, Offenheit und den Austausch echter Gefühle ermöglicht.

Kleiner Professor: Teil des Kind-Ich, das Erwachsenenzüge trägt. Der Transaktionsanalyse zweiter Ordnung zufolge: der Erwachsene im Kind.

Masche, Maschengefühl: Ähnlich wie die Ersatzgefühle handelt es sich dabei um Verhaltens- und Gefühlsschablonen, um zu Beachtung und Anerkennung zu kommen. Beispiel: Wenn Weinen und Hilflosigkeit häufig zum Erfolg führen, werden sie leicht zu einem Maschenverhalten und -gefühl.

Neu-Beelterung: Eine therapeutische Beziehung, in der sich der Therapeut als Elternersatz für das unterentwickelte und verletzte Kind-Ich des Klienten zur Verfügung stellt, um dadurch eine Nachreifung zu ermöglichen. Der Ansatz geht auf die Transaktionsanalytikerin Jacqui Lee Schiff zurück.

Neuentscheidungstherapie: Ein therapeutisches Konzept, das von dem amerikanischen Psychiater Robert Goulding und seiner Frau Mary Goulding in den 1960er-Jahren auf Grundlage der Transaktionsanalyse sowie der Gestalttherapie und der Verhaltenstherapie entwickelt wurde. Grundlage ist das Skript. Klienten werden in die Lage versetzt, ihre hinderlichen Lebenseinstellungen durch bewusste Neuentscheidung zu verändern.

Rabattmarken: Alle ungelebten, von der Person aufbewahrten positiven und negativen Gefühle, die zu einem späteren Zeitpunkt zur Auszahlung kommen.

(Lebens-)Skript: Jeder von uns entwirft seine eigene Lebensgeschichte. Die Grundzüge des Lebenslaufs verfassen wir in früher Kindheit vor dem Hintergrund elterlicher Botschaften und eigener Erfahrungen, noch ehe wir richtig sprechen können.

(Psycho-)Spiel: Eine Reihe von verdeckten Transaktionen mit einem unbewussten Motiv. Das Spiel ist dem Erwachsenen- Ich oft nicht zugänglich. Spiele führen dazu, dass die Beteiligten verwirrt sind, sich missverstanden fühlen und dem anderen die Schuld geben.

Streicheln: Das ist jede Handlung (verbal oder nonverbal), mit der jemand anders zur Kenntnis genommen, sein Handeln und Tun anerkannt wird.

Symbiose: Abhängigkeitsverhältnis zwischen zwei oder mehr Personen, das sich in wiederkehrenden Transaktionen (meist von Eltern-Ich zu Kind-Ich) äußert, wobei das Erwachsenen-Ich weitgehend ausgeschlossen ist.

Transaktion: Jeder verbale oder nonverbale Austausch von Mitteilungen.

Trübung: Der Teil des Kind-Ich oder Eltern-Ich, den eine Person irrtümlich für ihr Erwachsenen-Ich hält. Anders ausgedrückt: Wenn das rationale Erwachsenen- Ich durch das Eltern-Ich oder Kind-Ich überschattet wird.

T-Shirt: Selbstdarstellung einer Person. Auf der Vorderseite des T-Shirts steht, wer man gerne sein möchte, auf der Rückseite, wer man ist.

(Behandlungs-)Vertrag: Gemäß der humanistischen Tradition der Transaktionsanalyse eine Übereinkunft zwischen Therapeut und Klient auf Augenhöhe, in der beide Seiten Verantwortung für den Therapie-/Beratungsprozess übernehmen.

Zeitstrukturierung: Die Art und Weise, wie wir unsere Zeit strukturieren, um zu Streicheleinheiten zu kommen. Möglichkeiten, die Zeit zu strukturieren, sind: Rückzug, Rituale, Aktivitäten und Zeitvertreibe, Psychospiele und Intimität.

Über den Autor

Paul Gamber, Dr. phil., M. A. hat in Heidelberg Psychologie, Erziehungswissenschaft und Philosophie studiert. Nach langjähriger Tätigkeit als Managementtrainer, Personalentwickler für verschiedene Institute und Lehrbeauftragter für Psychologie an Fachhochschulen arbeitet er heute als Systemischer Familientherapeut, Coach und Supervisor. Seit 2005 ist er Geschäftsführer und Inhaber der Systemic Approach Academy, Institut für systemische Weiterbildung, Beratung und Therapie mit Sitz im Schloss Braunshardt in der Nähe von Darmstadt (www.systap.de). Unter anderem hat er sich in Transaktionsanalyse ausbilden lassen. Als Autor hat er zahlreiche Bücher zu Management- und Trainingsthemen sowie zur Systemischen Therapie (Systemische Therapie für Dummies) und zuletzt Familientherapie für Dummies veröffentlicht.

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Was Transaktionsanalyse ist und woher sie kommt

In diesem Kapitel

arrow Etwas über die Entstehung der Transaktionsanalyse erfahren

arrow Wissen, wer Eric Berne war

arrow Konzepte, Grundannahmen und Anwendungsfelder der Transaktionsanalyse kennenlernen

Kreative Leistungen in Kunst, Technik und Wissenschaft sind manchmal das Produkt von Zufällen oder persönlichen Krisen: So auch bei Eric Berne und der Transaktionsanalyse. Wäre Berne nicht der gewesen, der er war, ein Individualist und kreativer Beobachter menschlicher Verhaltensweisen, und hätte er sich nicht schon früh mit der Zunft der Psychiater und Psychoanalytiker seiner Zeit angelegt, die Transaktionsanalyse hätte es, zumindest in dieser Form, wahrscheinlich nicht geben.

Worüber reden wir bei der Transaktionsanalyse? Manche Leser denken bei dem Wort vielleicht an Geld und Finanztransaktionen. So falsch liegen sie damit nicht. Denn auch bei dem psychologischen Modell der Transaktionsanalyse geht es um Ein- und Auszahlungen, hier nicht um Geldmittel, sondern um Gefühle und um Kommunikationseinheiten (Transaktionen). Wie in der Finanzwelt spielen auch im menschlichen Miteinander Täuschung und manchmal Ent-Täuschung, Lug und Betrug, sogar der Umlauf von Falschgeld und Geldwäsche eine Rolle. Lassen Sie sich in diesem Kapitel also in die faszinierende (Unter-)Welt der psychologischen Transaktionen und ihrer Bedeutungen entführen.

Icon_achtung.jpgDas Wort Transaktion lässt sich am besten als ein Austausch von kommunikativen Signalen (Wort, Geste, Bewegung) im zwischenmenschlichen Kontakt definieren.

Alltagskommunikation unter die Lupe nehmen

Die Transaktionsanalyse ist aus der objektiven, wertungsfreien Beobachtung von Alltagssituationen entstanden. Deshalb möchte ich eine solche Situation, die jeder von uns schon einmal in der einen oder anderen Weise erlebt hat, vorstellen, um danach zu erklären, was es mit der Transaktionsanalyse auf sich hat.

Der versteckten Agenda in der Kommunikation auf der Spur

Kai, Industriemechaniker, verheiratet mit Susanne und Vater von zwei heranwachsenden Kindern, würde sich selbst als lebensbejahenden, geselligen Menschen bezeichnen, der gerne mit Freunden abends beim Bier zusammensitzt und in seiner Freizeit Handball spielt. Eigentlich ein großer Junge, der mit allen gut auskommt. Doch seitdem in seiner Firma, einem mittelständigen Maschinenhersteller, das Gerücht die Runde macht, dass wegen der schlechten Auftragslage Entlassungen bevorstünden, ist die Stimmung bei ihm gedrückt.

Er spürt, dass ihn in letzter Zeit auch Kleinigkeiten im Umgang mit seinen Mitmenschen, über die er vorher hinweggesehen hätte, leicht auf die Palme bringen. So auch als er nach einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause kommt. Er möchte nur eine Kleinigkeit essen, danach sich bei einem Bier vor der »Glotze« ausruhen. Ihm fällt nicht auf, dass sich Susanne an diesem Abend besonders fein herausgeputzt hat und ihn erwartungsvoll anschaut. »Hast du was zu essen gemacht?«, ist seine erste Frage. »Hast du vergessen, welcher Tag heute ist?«, fragt Susanne leicht genervt. »Was für ein Tag soll heute sein?«, fragt Kai ebenso genervt zurück. »Unser Hochzeitstag«, gibt Susanne kühl zur Antwort. »Wieso, der ist doch erst am Siebten«, sagt Kai. Darauf Susanne: »Schau einmal auf den Kalender …« Tatsächlich, es ist der Siebte. Verdammt noch mal, auch das noch neben all dem Stress in der Firma. Kai fühlt sich in diesem Moment so, wie er als Junge einmal von seinem Vater wochenlang ignoriert wurde, als er dessen Geburtstag vergessen hatte. Jetzt nur nicht das Falsche sagen oder tun, denn er weiß, wie Susanne dann reagieren würde. »Okay, ich ziehe mir schnell was anderes an und wir gehen in unser Lieblingsrestaurant.« Das war genau das Falsche. Susanne setzt sich auf den Rand der Wohnzimmercouch und bricht in Tränen aus: »Du hast nicht einmal bemerkt, dass ich eine neue Frisur habe. Und Blumen hast du mir auch nicht mitgebracht. Wahrscheinlich liebst du mich gar nicht mehr.« Das war mitten auf die Zwölf, denn Kai weiß um Susannes Verletzlichkeit in puncto Beziehungen, da ihre Mutter jahrelang von ihrem Vater betrogen wurde und Susanne selbst schlechte Erfahrungen in einer früheren Beziehung gemacht hat.

»Aber Schatz, versteh doch. Du weißt ja selbst, wie es in der Firma steht …« Kai ist am Ende seines Lateins und als dann noch seine Tochter Lisa ins Wohnzimmer kommt und wissen will, was da los ist, schreit er sie an: »Los raus, du hast hier im Moment nichts verloren.«

Kai und Susanne wissen um ihre Verletzlichkeiten und schließlich gelingt es Kai Susanne zu beruhigen, er nimmt sie in den Arm. So sitzen sie eine Weile da, wie zwei verlorene Kinder, und es wird – vielleicht gerade deshalb und trotzdem – noch ein schöner Abend, bei dem sich beide ihrer Beziehung vergewissern.

Das Pingpong-Spiel von Reiz und Reaktion erkennen

Diese alltägliche Geschichte zeigt, wie Menschen aufgrund ihrer Vergangenheit, ihrer Verletzlichkeiten, ihrer größeren und kleineren Ängste und Befürchtungen ihre Kommunikation gestalten. Womit wir schon mitten in der Arbeitsweise und bei der Methode der Transaktionsanalyse angelangt sind. Sie untersucht die unterschiedlichen Erlebensformen im zwischenmenschlichen Miteinander, das Wechselspiel von Reiz und Reaktion in der Kommunikation und zeigt, welcher Anstrengungen es manchmal bedarf, um aus einer schwierigen Situation wieder herauszukommen.

Icon_Hand.jpgDie Transaktionsanalyse ist aus der Beobachtung von alltäglicher Kommunikation heraus entstanden. Transaktionsanalytiker interessieren sich für das Pingpong-Spiel von Reiz und Reaktion in der Kommunikation zwischen zwei Menschen.

Die Ursprünge der Transaktionsanalyse

Die Transaktionsanalyse ist eine von dem amerikanischen Psychiater Eric Berne in den 1950er- und 1960er-Jahren entwickeltes Modell der menschlichen Persönlichkeit und Kommunikation. Sie ist zugleich eine Methode der Psychotherapie, die darauf abzielt, sowohl die Entwicklung als auch die Veränderung der Persönlichkeit zu fördern.

Eric Berne, ein Querdenker der Psychologie

Die Transaktionsanalyse entstand nicht zuletzt aufgrund von Bernes kritischer Auseinandersetzung mit der Psychiatrie und Psychoanalyse. Seine Aufgabe als amerikanischer Militär-Psychiater während des Zweiten Weltkriegs bestand unter anderem darin, Soldaten auf ihre psychische Konstitution hin zu untersuchen. Dazu sollte er verschiedene psychiatrische und tiefenpsychologische Tests bei ihnen durchführen. Eric Berne aber machte sich nicht viel aus Testverfahren und vertraute lieber auf seine Intuition. Er machte er sich einen Spaß daraus, während Routineuntersuchungen die Berufe und persönlichen Eigenarten der von ihm interviewten Rekruten zu erraten. Und er lag dabei meistens richtig. Ein umfassendes, ganzheitliches Verständnis seiner Patienten in ihrem verhaltensmäßigen und körperlichen Ausdruck war ihm wichtiger als psychiatrische Diagnosen und Tests.

Berne schrieb danach mehrere Aufsätze zur Rolle der Intuition bei psychiatrischen Begutachtungen. Damit machte er sich nicht nur Freunde. In psychiatrischen und psychoanalytischen Kreisen galt er von da an als Quertreiber, Kaffeesatz-Psychologe, den man nicht besonders ernst nahm. Als er nach seinem Militärdienst daranging, die Grundzüge der Transaktionsanalyse zu entwickeln und zu veröffentlichen, führte das dazu, dass ihm die Psychoanalytische Vereinigung in Kalifornien die Aufnahme verweigerte.

Icon_achtung.jpgEric Berne interessierten weniger Symptome und Diagnosen, sondern vielmehr die Individuen, die zu ihm in die Praxis kamen. Ihn interessierte, worüber sie lachten, weinten, ernst oder heiter wurden, erbost, erzürnt waren, wie sich das an ihrem äußeren Ausdruck festmachen ließ, wie sie dann kommunizierten, wie sich ihr Ich-Erleben anderen mitteilte. Vielleicht deshalb, weil er selbst Individualist war.

Als praktizierender Psychiater und Therapeut machte Eric Berne die Erfahrung, dass sich seine Patienten in verschiedenen Situationen ganz unterschiedlich verhielten.

Zum Beispiel kam eine Mutter mit ihrer siebzehnjährigen Tochter zu ihm in die Praxis. Die Mutter redete die ganze Zeit über die Symptome der Tochter, über ihre Aufsässigkeit und ihre Bulimie (Ess-Brech-Sucht) – in der dritten Person, etwa so: »Herr Doktor, Sie glauben nicht, wie widerspenstig sie bei den kleinsten Aufgaben ist. Sie lässt sich einfach nichts sagen, dabei ist sie immer noch ein Kind und ausgesprochen unselbstständig. Mein Mann und ich geben uns die größte Mühe mit ihr, aber sie will einfach nichts annehmen. Und sehen sie nur, wie dünn sie geworden ist.« Die Tochter saß da, ohne ein Wort zu sagen, und verzog nur dann und wann das Gesicht – wie das Teenager manchmal tun, wenn ihnen etwas unangenehm ist.

Zur nächsten Sitzung lud Berne nur die »bulimische« Tochter ein, und erlebte eine ganz andere Person: eine fast erwachsene junge Dame, die anscheinend wusste, was sie wollte. Sie saß ihm aufrecht gegenüber und sagte mit fester Stimme: »Meine Mutter will einfach nicht wahrhaben, dass ich erwachsen geworden bin. Immer behandelt sie mich wie ein kleines Kind, besonders in Anwesenheit von anderen Personen. Ich wusste lange Zeit keinen anderen Ausweg, als krank zu werden. Dabei ist sie selbst noch wie ein Kind.«

Die Entdeckung der Transaktionen

Zwei Situationen, zwei verschiedene Persönlichkeiten, die sich Berne in derselben Person darboten. Erst machte die Mutter ihre Tochter zum unmündigen Kind, dann die Tochter die Mutter. Wer war nun die erwachsene Person, wer war das Kind? Wie waren die unterschiedlichen Kommunikationsweisen (Transaktionen) erklärbar? Berne war klar, dass man diese Frage nicht ohne Kenntnis der Beziehung der beteiligten Personen und der Situation, in der sie sich befanden, beantworten konnte. Nur hatte das für Berne nichts Krankhaftes an sich, sondern war für ihn der Normalfall. Jeder von uns kennt Situationen, in denen ihm eher ernst, sozusagen erwachsen, dann wieder kindlich (traurig, lustig oder trotzig) zumute ist – oder in denen er den moralischen Zeigefinger hebt, wenn seine persönlichen Werthaltungen betroffen sind.

Wie verhält sich ein Mensch in Konfliktsituationen, wie kommuniziert er dann anders, wie verhalten sich Menschen in hierarchischen Situationen, wenn es ein tatsächliches oder vermeintliches »Oben« und »Unten« gibt? Wie, wenn sie sich selbst als »mächtig«, »im Recht« und überlegen fühlen. Welche impliziten Erinnerungen löst das in ihnen aus? Wie reagiert der andere Gesprächspartner dann auf einer ihm unbewussten »Schiene«? Welche – vorhersagbaren – Transaktionsmuster ergeben sich im Weiteren daraus?

Icon_achtung.jpgDie Transaktionsanalyse entstand aus der Beobachtung von – oftmals blitzschnellen – Verhaltensänderungen, die dann bei einem Patient auftraten, wenn ein neuer Stimulus wie etwa ein Wort, eine Geste oder eine nebensächliche Bewegung seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Diese Wahrnehmung verursachte beim Patienten selbst sichtbare Veränderungen in seinen Reaktionen: ein anderer Gesichtsausdruck, eine andere Stimmmodulation, Veränderungen in der Wortwahl, eine andere Gestik und Körperhaltung. Es war, als bestünde das Individuum aus verschiedenen Persönlichkeiten, wobei je nach den Reizgegebenheiten in der Situation eine die Vorherrschaft übernahm.

Das waren Fragen, aus der therapeutischen Praxis geboren, die sich so aber noch kein Psychiater oder Psychoanalytiker gestellt hatte. Vor allem die Frage: Wie lassen sich die Beobachtungen und Erkenntnisse der Transaktionsanalyse therapeutisch und pädagogisch nutzen? Berne entwickelte das Konzept der Transaktionsanalyse ständig weiter zu einem umfassenden Modell menschlichen Erlebens, Verhaltens, menschlicher Kommunikation und Entwicklung.

Womit sich die Transaktionsanalyse beschäftigt

Als Modell der menschlichen Persönlichkeit vermittelt die Transaktionsanalyse ein Bild davon, wie Menschen psychologisch beschaffen sind, wie sie miteinander kommunizieren und wie sie im täglichen Umgang miteinander ihre Bedürfnisse befriedigen und ihre »verborgene Agenda« an den »Mann« beziehungsweise an die »Frau« bringen. Diese Teilmodelle der Transaktionsanalyse sind im Einzelnen:

check.gif Das Ich-Zustands-Modell beziehungsweise Strukturmodell (Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich, Kind-Ich) hilft, die verschiedenen Anteile einer Person und ihre Verhaltensweisen zu verstehen. Ein Ich-Zustand ist die Gesamtheit von zusammenhängenden Denkmustern, Verhaltensweisen und Gefühlen.

check.gif Die eigentliche Transaktionsanalyse stellt ein Kommunikationsmodell dar. Die Analyse der Transaktionen hilft, menschliche Kommunikation auf eine neue Weise zu verstehen und positiv zu beeinflussen. Klienten, die in der Transaktionsanalyse unterwiesen sind, können ihre Kommunikation besser steuern, Konflikte vermeiden oder mildern und daher zu einem besseren zwischenmenschlichen Klima beitragen.

check.gif Die Spielanalyse untersucht wiederkehrende unproduktive Transaktionsmuster (beispielsweise zwischen Eltern und Kindern, zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern) auf ihre unbewussten Anteile und gibt Hilfen für einen konstruktiveren Umgang. Die sogenannte Racket-Maschen-Analyse geht der Frage nach, was Menschen oftmals unbewusst und manipulativ tun, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und um Anerkennung zu bekommen. Die Transaktionsanalyse unterscheidet dabei bewusst zwischen konstruktiven und destruktiven Spielen.

check.gif Die Transaktionsanalyse ist auch ein Entwicklungsmodell. Das Konzept des Lebensskripts erklärt, wie Erlebens- und Verhaltensmuster, die in früher Kindheit entstanden, im Erwachsenenalter wieder auftauchen und – meist erfolglos – zur Lösung von Problemen herangezogen werden. Auch hier kann die Transaktionsanalyse helfen, destruktive Lebensskripte zu erkennen und in positive Bahnen zu lenken.

Icon_achtung.jpgBei der Transaktionsanalyse gewinnen Klienten emotionale und intellektuelle Einsichten in ihr Verhalten und ihre Gefühle. Der Prozess ist oft analytisch, in dessen Verlauf der Mensch zu dem Schluss kommt: »So ist das also«.

Ursprünglich wurde die Transaktionsanalyse als eine psychotherapeutische Methode entwickelt. Sie wurde und wird vorzugsweise in der Paar-, Familien- und Gruppentherapie angewandt. Die Gruppe schafft eine Situation, in der sich Menschen ihrer selbst, der Struktur ihrer individuellen Persönlichkeit, ihrer Transaktionen mit anderen, ihrer Spiele und ihrer Rollen bewusster werden können. Diese Bewusstheit hilft ihnen, sich selbst klarer zu sehen und das zu verändern und zu fördern, was ihnen wichtig ist.

Icon_Hand.jpgDie Transaktionsanalyse ist nicht nur eine nützliche Methode innerhalb der Psychotherapie, sie vermittelt auch tiefe Einsichten in menschliches Verhalten und kann von den meisten Menschen wegen ihrer einfachen Sprache verstanden und genutzt werden. Statt eines wissenschaftlichen Fachjargons verwendet sie Wörter, die einfach und direkt sind und häufig aus der Umgangssprache kommen, zum Beispiel Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich, Kind-Ich, psychologische Spiele, Maschen und Ersatzgefühle, um nur einige zu nennen.

Die Transaktionsanalyse ist eine beschreibende, rationale, nicht aber eine (be-)wertende Methode. Sie beschreibt das, was sich bei der inneren und äußeren Kommunikation abspielt, welche inneren und äußeren Reizgegebenheiten dabei eine Rolle spielen und zu welchen – oft voraussagbaren – Konsequenzen dieses Verhalten bei anderen führt, für die das wahrgenommene Verhalten selbst zu einem Stimulus wird. Sie unterscheidet dabei nicht zwischen gut und schlecht, besser und schlechter oder krankhaft und gesund. Sie überlässt jedem Menschen die Entscheidung, sich so oder anders zu verhalten, zeigt aber Konsequenzen auf.

Icon_achtung.jpgWichtiger als intellektuelle, verstandesmäßige Einsicht war Eric Berne das Verstehen und Akzeptieren der menschlichen Emotionen. Und wichtiger als ein einseitiges Verhaltensmanagement waren für ihn die therapeutischen Ziele der Aufrichtigkeit, Spontaneität und Offenheit gegenüber Neuem.

Ein Konzept der humanistischen Psychologie

Nicht nur persönliche Krisen treiben eine Wissenschaft voran, sondern auch kollektive Katastrophen wie Kriege. Der Krieg ist der Vater aller Dinge, heißt es in einem Sprichwort. So war die Zeit jeweils nach den beiden Weltkriegen vor allem auch eine Zeit von Umwälzungen in den Humanwissenschaften, darunter auch in der Psychotherapie. Die Lehre der klassischen Psychoanalyse und ihrer Dogmen wurde in Kreisen innovativer junger Therapeuten und Psychologen wie Carl Rogers, Fritz Perls, Jacob L. Moreno, Abraham Maslow und später auch Eric Berne immer mehr angezweifelt.

Fritz Perls entwickelte bereits in den 1920er- und 1930er-Jahren die Gestalttherapie, in der die Wahrnehmung und Akzeptanz von Gefühlen, auch durch deren Übertreibung (und nicht nur das Reden darüber), angestrebt wird.

Bei der Methode des Psychodramas von Jacob Moreno werden Klienten dazu angehalten, ihre Gefühle sogar szenisch, in einer Art Stehgreiftheater, darzustellen. Das Psychodrama inspirierte später Therapeuten wie Virginia Satir zu der Methode der Familienaufstellung und der Aufstellungsarbeit mit Persönlichkeitsanteilen (Parts Party), die sich von der kopflastigen Methode der Psychoanalyse deutlich abhebt.

Dem hierarchischen Persönlichkeitsmodell der Psychoanalyse (Ich, Es, Über-Ich) stellten diese Therapeuten die Vielfältigkeit der menschlichen Natur und den krank machenden Kindheitserfahrungen die jedem Menschen innewohnenden Selbstheilungskräfte gegenüber. Das hierarchische Verhältnis von Therapeut und Patient – liegende, »embryonale« Haltung des Patienten auf der Couch, aufrecht sitzender Analytiker – wurde durch eine Begegnung »auf Augenhöhe«, die von Empathie, Echtheit (Authentizität) und Wertschätzung gekennzeichnet ist, aufgegeben. Moral und innere Werthaltungen und deren Verwirklichung wurden nicht mehr nur als eine Sublimierung aggressiver und sexueller Triebregungen, sondern nach Abraham Maslow als ein menschliches Grundbedürfnis eingestuft, das es in der Therapie zu würdigen gilt. Gefühle, auch negative wie Hass, Rachsucht, Neid, wurden nicht länger als Ausdruck pathologischer Entwicklungen gesehen, sondern durchaus dem Spektrum menschlicher Emotionen zugerechnet. Sie erweisen sich nur dann als zerstörerisch, wenn sie verdrängt und unterdrückt werden. Kurzum: Die humanistische Psychologie mit ihrem durchaus optimistischen Welt- und Menschenbild wurde aus der Taufe gehoben, zu der sich auch die Transaktionsanalyse gesellte.

Grundüberzeugungen und Menschenbild der Transaktionsanalyse

Die Transaktionsanalyse, die der humanistischen Tradition in der Psychotherapie zugerechnet wird, teilt auch deren Menschenbild. Dazu haben sich Eric Berne und seine Nachfolger immer bekannt und auch persönlich geäußert. Die Grundüberzeugungen der Transaktionsanalyse im Einzelnen sind:

check.gif Jeder Mensch ist in Ordnung, auch in den verschiedenen Facetten seiner Persönlichkeit.

Icon_Hand.jpgEric Berne sagt: »Für dich als Mitmensch und für mich gilt: Wir haben beide unseren Wert und unsere Würde als Menschen. Ich akzeptiere mich, so wie ich bin, und ich akzeptiere dich, so wie du bist. Ich stehe nicht über dir, und du stehst nicht über mir, sondern als Menschen bewegen wir uns auf der gleichen Ebene. Das ist auch so, wenn wir uns in Alter, Geschlecht, Lebensstil, beruflicher Funktion, Rasse oder Religionszugehörigkeit unterscheiden.«

check.gif Jeder Mensch hat die Fähigkeit, Verantwortung für sich selbst und für seine sozialen Beziehungen zu übernehmen.

check.gif Jeder Mensch hat das Potenzial, sich zu ändern. Er hat die Fähigkeit, zu denken und selbstständig Probleme zu lösen.

Icon_Warnung.jpgJedes Mal, wenn wir eine Entscheidung treffen, haben wir auch die Möglichkeit, diese Entscheidung wieder zu ändern. Doch wir schaffen eine Änderung nicht allein durch unseren Verstand, sondern dadurch, dass wir aktiv daran arbeiten, eingeschliffene Denk- und Verhaltensgewohnheiten zu verändern.

check.gif Jeder Mensch besitzt Selbstheilungskräfte, die es im therapeutischen Prozess zu aktivieren gilt.

check.gif Jedem Menschen ist es möglich, durch den Gebrauch seines Verstands verantwortliche Entscheidungen für sich und andere zu treffen.

check.gif Jeder Mensch ist in der Lage, Verantwortung für sein Leben und dessen Gestaltung zu übernehmen.

check.gif Jeder Mensch wird als fähig angesehen, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und sein Lebenskonzept konstruktiv zu gestalten.

Icon_Hand.jpgFür Transaktionsanalytiker haben Autonomie im Sinne von Selbstbestimmung, Spontaneität im Gefühlsausdruck, positive Weltbezogenheit, Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und anderen höchsten Stellenwert.

Wo die Transaktionsanalyse eingesetzt wird

Die Transaktionsanalyse lässt sich überall dort anwenden, wo es um das Verständnis des Einzelnen, von sozialen Beziehungen und sogar das Verhalten von Organisationen geht. Im Folgenden stelle ich Ihnen einige Anwendungsgebiete vor.

Psychotherapie

Die Transaktionsanalyse wurde von ihrem Gründer Eric Berne als ein wichtiges Analyseinstrument im Rahmen seiner Tätigkeit als Psychotherapeut entwickelt. Ich bin allerdings nicht der Ansicht, dass es sich bei der Transaktionsanalyse um ein eigenständiges Psychotherapieverfahren – vergleichbar mit der Gesprächstherapie, der Psychoanalyse, der Verhaltenstherapie oder der Systemischen Therapie – handelt. Dazu fehlen ihr wichtige Voraussetzungen wie eine plausible Krankheitslehre, ein symptomspezifisches und überprüftes (evidenzbasiertes) Behandlungsmodell für verschiedene Störungen. Die Transaktionsanalyse lässt sich aber sinnvoll in psychotherapeutischen Situationen einsetzen, etwa in Gruppentherapien oder wenn es um die Analyse von Kommunikation zwischen Paaren, Eltern und Kinder oder Arbeitsteams geht. Außerdem hat das Strukturmodell der Transaktionsanalyse (Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich, Kind-Ich) wichtige Anregungen für die moderne Traumatherapie, die Schematherapie und die Systemische Therapie geliefert (mehr dazu erfahren Sie in Kapitel 14).

Erziehung und Pädagogik

Die Transaktionsanalyse ist für Pädagogen und Erzieher zu einem wichtigen Werkzeug für die erzieherische Arbeit geworden. Allgemein kann sie als eine Richtschnur für die Erfordernisse einer gesunden menschlichen Entwicklung angesehen werden. Zum anderen hilft sie, die Prozesse im Umgang mit den Adressaten (Kinder, Jugendliche, Schüler, Studenten, Auszubildende) besser zu verstehen und effektiver zu gestalten. So können zum Beispiel transaktionsanalytische Methoden zu einem besseren Verständnis für zwischenmenschliche Konflikte, Missverständnisse in der Kommunikation und einem besseren Lehrer-Schüler-Verhältnis beitragen. Die Transaktionsanalyse kann auch zu diagnostischen Zwecken zum Rollenverhalten in Gruppen (Führer, Gefolgschaft, Ausschluss und die entsprechenden Kommunikationsmuster) eingesetzt werden. Dabei werden aber keine Etiketten verteilt. Vielmehr sollen die diagnostischen Möglichkeiten der Transaktionsanalyse dazu genutzt werden, um weitere Förderziele und Entwicklungsschritte auszuweisen.

Kommunikationstraining

Die Transaktionsanalyse fand schon früh Eingang in das Kommunikationstraining in der Erwachsenenbildung und im Managementtraining. In den frühen 1970er-Jahren gab es in Deutschland einen regelrechten Boom, ausgelöst durch Autoren wie Thomas A. Harris (»Ich bin o. k. Du bist o. k.«). Heute ist die Transaktionsanalyse zum festen Bestandteil von Kommunikations-, Konflikt- und Verhaltenstrainings in der Erwachsenenbildung geworden.

Organisationsentwicklung und Unternehmensberatung

Die Kommunikation nach innen und nach außen spielt in jedem Unternehmen und in jeder Organisation eine wichtige Rolle. Wie wird kommuniziert, hierarchisch »von oben herab« oder gleichberechtigt »auf Augenhöhe«? Wie werden Kunden und Geschäftspartner angesprochen? Das sind Fragen, die sich Transaktionsanalytiker stellen, die für Unternehmen arbeiten. Manchmal erstellen sie für ein Unternehmen oder eine Organisation ein sogenanntes »Strukturdiagramm«. Das ist eine bildliche Darstellung der »Ich-Anteile«: Welche Eltern-, Erwachsenen- und Kindanteile hat ein Unternehmen und wie wirkt sich das auf die Kommunikationspolitik des Unternehmens, auf die Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit, aus?

Coaching und Supervision

Die Transaktionsanalyse ist mittlerweile zu einem beliebten Instrument im Coaching geworden und dort nicht mehr wegzudenken. Ganz gleich, ob es sich um das Coachen von Privatpersonen, Mitarbeitern und Führungskräften handelt. Das Coachen von Beratungsprofis zum Beispiel in Kliniken, Beratungsstellen, Schulen, Heimen und so weiter nennt man Supervision. Auch dort ist die Transaktionsanalyse zu einem wichtigen Verständigungs- und Analysewerkzeug geworden.

Icon_Tipp.jpgAuf die verschiedenen Anwendungsfelder der Transaktionsanalyse werde ich in Teil III des Buches noch näher eingehen.