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Title

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Autoren

Vorbemerkung

Normen, Merkblätter und Richtlinien

Chapter 1: Allgemeines

1.1 Vorteile der Werksfertigung

1.2 Geschichtliche Entwicklung

1.3 Europäische Normung

Chapter 2: Entwurf von Fertigteilbauten

2.1 Randbedingungen beim Entwerfen von Fertigteilen

2.2 Aussteifung von Fertigteilbauten

2.3 Tragende Elemente

2.4 Fassaden aus Betonfertigteilen

2.5 Knotenpunkte

2.6 Aktuelle Einzelfragen zur Bemessung

Chapter 3: Verbindungen von Fertigteilen

3.1 Druckverbindungen

3.2 Zugverbindungen

3.3 Schub- und Querkraftverbindungen

Chapter 4: Fertigung im Werk

4.1 Fertigungsverfahren

4.2 Betonarten im Fertigteilbau

4.3 Herstellung des Betons im Werk

4.4 Bewehrungstechnik bei Werksfertigung

4.5 Qualitätssicherung und Güteüberwachung

Literatur

Sachverzeichnis

Vorwort

Das Bauen mit Betonfertigteilen ist so alt wie das Bauen mit Beton selbst. Allerdings hat sich diese Bauweise erst in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zu einer industrialisierten Bauweise entwickelt. Dazu hat insbesondere die Entwicklung von schweren Hebezeugen, der Einsatz von mechanisierten Stahlschalungen und in jüngster Zeit die Automatisierung der Herstellung speziell von Deckenelementen beigetragen.

Diese Abhandlung über den Betonfertigteilbau erschien zum ersten Mal im Betonkalender 1988 unter den Verfassern Steinle/Hahn und wurde dort im Jahre 1995 fortgeschrieben. Sie erschien dann 1998 in Buchform in der Reihe Bauingenieur-Praxis des Verlages Ernst & Sohn. Im Betonkalender 2009 erschien dann der Beitrag unter den Verfassern Bachmann/Steinle/Hahn und erscheint nun in diesem Buch in zweiter aktualisierter Auflage.

Nun hat sich in den vergangenen 10 Jahren im Normenbereich einiges verändert. So erschien insbesondere nach langer Vorarbeit die neue DIN 1045, Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton.

Sie ist seit September 2002 in der Bundesrepublik Deutschland bauaufsichtlich eingeführt und gilt nach einer Übergangsfrist seit 1.1.2005 ausschließlich. Sie wurde auf der Grundlage der europäischen Norm DIN EN 1992-1, Planung von Stahlbeton und Spannbetonbauwerken (früher Eurocode 2 genannt), erarbeitet und stellt somit die Umsetzung dieser europäischen Norm in eine nationale Norm dar.

Darüber hinaus zeichnet sich ein grundsätzlicher Wandel bei der Bemessung von Betonfertigteilen ab.

Im Zusammenhang mit der Schaffung des Europäischen Binnenmarktes entstand die Bauproduktenrichtlinie, die seit 1992 in Deutschland als Bauproduktengesetz in Kraft ist und zwischenzeitlich in die daraufhin novellierten Länderbauordnungen eingeflossenist. Dies erfordert für die verschiedenen Betonfertigteilprodukte spezielle europäisch harmonisierte Produktnormen, um alle Fertigteile letztendlich mit dem CE-Zeichen versehen grenzüberschreitend einbauen zu können.

Beim modernen Bauen mit industrialisierten Fertigungsmethoden, wozu das Bauen mit im Werk vorgefertigten Teilen gehört, wird der Entwurf der einzelnen Elemente und auch das gesamte Bauwerk maßgeblich durch die Fertigung beeinflusst. Seitens der Herstellungsmethoden ist ein verstärkter Trend zu mechanisierter und automatisierter Herstellung festzustellen.

Die Entwicklung von hochleistungsfähigen Betonen bietet die Chance, diese insbesondere im Fertigteilbau anzuwenden, da im Werk hervorragende Voraussetzungen für deren Anwendung vorliegen. So entstehen bereits erste Fertigteile aus ultrahochfestem Beton für den Brückenbau und den Einsatz bei Fassaden. Neben der industriellen Fertigung kommen hier zunehmend Einzelstücke zum Einsatz, welche die ausgezeichneten Fertigungsmöglichkeiten nutzen um hohe Qualitätsansprüche zu realisieren. Diese Tendenzen werden sich mit der weiteren Entwicklung des Werkstoffs Beton noch verstärkt fortsetzen.

Es ist das Anliegen der Verfasser, dem planenden Ingenieur und dem entwerfenden Architekten, einerseits die Randbedingungen und andererseits die Möglichkeiten aufzuzeigen, die sich durch die Vorfertigung im Werk ergeben, und somit Hilfestellung zur Weiterentwicklung des Betonfertigteilbaus zu liefern.

V. Hahn  A. Steinle  H. Bachmann

Stuttgart, im November 2009

Ed. Züblin AG

Autoren

Volker Hahn (1921–2009) hat seine ganze berufliche Tätigkeit in der Bauindustrie verbracht. Er hat seit Anfang der 50er Jahre die Entwicklung der Fertigteilbauweise nicht nur bei der Firma Züblin sondern auch in ganz Deutschland entscheidend beeinflusst. So war er insbesondere an der Entwicklung der Skelettbauweise engagiert, die er mit dem Züblin’schen 6M-System zum meist angewandten Fertigteilsystem für Geschossbauten ausbaute. Er befasste sich als erster mit ausgeklinkten Trägerenden und erfand die spiegelgelagerte TT-Platte. Seine umfangreichen theoretischen Erkenntnisse und Erfahrungen konnte er im Rahmen eines Lehrauftrages mit dem Thema „Vorfertigung von Betonteilen“ an der Universität Stuttgart seit 1963 an Studenten weitergeben. Volker Hahn beendete 1987 seine aktive berufliche Laufbahn als Vorstandsmitglied bei Züblin mit dem Bau des weithin bekannten Züblin-Hauses. Er starb am 1.5.2009.

Alfred Steinle (*1936) hat die Hahn’sche Vorlesung dann Anfang der 70er Jahre zu einem Manuskript ausgearbeitet, das Grundlage für dieses Buch war. Er war ebenfalls bei Züblin nach einigen Jahren im Brückenbau vorwiegend auf dem Gebiet des Fertigteilbaus tätig. Seine theoretischen Arbeiten befassten sich im Brückenbau mit Torsion und Profilverformung bei Hohlkastenbrücken und im Fertigteilbau im Rahmen des 6M-Systems mit Konsolen, ausgeklinkten Trägerenden und Köcherfundamenten. Er war drüber hinaus an vielen Fertigteilbauvorhaben wie 6M-Schulen, dem Bau der Universität Riyadh, Schulen aus Schaumbetonwandtafeln im Irak, dem Züblin-Haus und am Bau eines modernen automatischen Betonfertigteilwerkes maßgebend beteiligt. Alfred Steinle beendete 1999 seine berufliche Laufbahn als Prokurist im Technischen Büro der Hauptverwaltung von Züblin.

Hubert Bachmann (*1959) begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 1976 mit der Ausbildung zum Beton- und Fertigteilbauer in einem konstruktiven Fertigteilwerk. Nach dem Bauingenieurstudium und anschließender Promotion an der Universität Karlsruhe (TH) ist er seit 1993 im Technischen Büro Konstruktiver Ingenieurbau (TBK) der Ed. Züblin AG in Stuttgart tätig. Seine Aufgabenbereiche umfassen Ausführungsplanungen von Ingenieurbauten aller Art sowie die Forschung und Entwicklung im Hoch- und Ingenieurbau. Seit 2003 führt er die Hahn’sche Vorlesung an der Universität Stuttgart zum Thema „Bauen mit Betonfertigteilen“ fort.

Alle drei Verfasser waren resp. sind darüber hinaus in den Verbänden der Bauindustrie in vielen technischen Gremien und in nationalen und internationalen Normenausschüssen, die sich mit dem Fertigteilbau befassten, intensiv engagiert.

Vorbemerkung

Der erste Abschnitt beinhaltet Allgemeines zum Fertigteilbau, zur geschichtlichen Entwicklung und zum Stand der europäischen Normung. Im zweiten Abschnitt werden der Entwurf des Tragwerks von Fertigteilbauten und der Entwurf der Betonfertigteilelemente behandelt. Abschnitt 3 behandelt die Verbindungen. Abschließend wird im Abschnitt 4 auf die Fertigung selbst eingegangen, um dadurch beim Leser das Verständnis für die Bauweise unter Berücksichtigung der Herstellung zu erweitern.

Das Thema wird aus der Sicht der deutschen Bauindustrie betrachtet. Im Hinblick auf den künftigen gemeinsamen europäischen Markt und auf die Tätigkeit deutscher Firmen im Ausland wird versucht, den Stand des Betonfertigteilbaus auch in anderen Ländern in gewissem Umfang mit zu berücksichtigen.

Die Verfasser beschränken sich dabei vor allem auf den allgemeinen Hochbau. Es sei aber nicht unerwähnt gelassen, dass sich der Betonfertigteilbau beträchtliche Marktanteile in vielen anderen Bereichen des Bauens durch Entwicklung von wirtschaftlichen Sonderlösungen erobern konnte. Als Beispiel seien folgende Gebiete genannt:

Zu diesen Fachgebieten muss auf die entsprechende Spezialliteratur verwiesen werden. Auch sei hier nur über konstruktive oder architektonische Fertigteile des Hochbaus berichtet und nicht über „Betonwaren“, d. h. kleinformatige und in Großserien auf Lager produzierbare und über den Handel absetzbare Teile wie Kanalrohre, Pflastersteine u. Ä.

Das Literaturverzeichnis ist gegenüber der letzten Fassung erweitert worden. Die Literaturstellen wurden i. W. beibehalten, da sie Lösungsansätze grundlegender Problemstellungen enthalten, die auch heute noch gültig sind.

Bezüglich älterer Literatur wird auf die früheren Beiträge zum Thema Betonfertigteilbau im Beton-Kalender [1–3] verwiesen. Ebenso wird auf die Erfassung der allgemeinen Literatur des Stahlbetonbaus verzichtet und auf die entsprechenden Beiträge im Beton-Kalender verwiesen, sofern es sich nicht um Arbeiten handelt, die spezielle Probleme des Fertigteilbaus mit berühren. Für einen umfassenden Überblick über das Thema empfehlen sich neben den mehrbändigen Werken über den Fertigteilbau von Koncz aus den 1960er-Jahren [4] auch die Broschüren der Fachvereinigung Deutscher Betonfertigteilbau e. V. [5–8]. Das Beton- und Fertigteil-Jahrbuch [9], das jährlich erscheint, behandelt neben den kleinformatigen Betonwaren auch laufend unterschiedliche Kapitel aus dem Bereich des konstruktiven Fertigteilbaus und der Fertigteilarchitektur. Über „Betonwaren“ wird umfassend in [12] berichtet. Einige grundsätzliche bzw. allgemeine Gedanken über das industrielle Bauen mit Betonfertigteilen finden sich in [10, 11]. Aus den Vorlesungsmanuskripten einiger Hochschulprofessoren entstanden die Bücher [13–16]. Die im Zusammenhang mit diesem Thema zu berücksichtigenden wichtigsten DIN-Normen mit den diesem Beitrag zugrunde liegenden Ausgaben sind hier vorab zusammengefasst. Ebenso werden anschließend die für den Fertigteilbau relevanten Richtlinien des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton und die Merkblätter des Deutschen Beton-Vereins und der Fachvereinigung Deutscher Betonfertigteilbau zusammengestellt. Auf den Stand und die Entwicklung des Europäischen Normenwerkes wird in Abschnitt 1.3 näher eingegangen. Darüber hinausgehende Richtlinien oder Merkblätter sind unter den einzelnen Literaturangaben zu finden.

Normen, Merkblätter und Richtlinien

Tabelle 1 Für den Betonfertigteilbau relevante DIN-Normen des NA 005 (NABau)

DIN Ausgabejahr Teile/Titel
488 2009 Teil 1 bis 7 Betonstahl
1045 2008 Teil 1 bis 4 Beton- und Stahlbetonbau
1048 1991 Teil 1 bis 5 Prüfverfahren für Beton
1055 2002–2007 Teil 1 bis 10, 100 Einwirkungen auf Tragwerke
1164 2003–2005 Teil 10 bis 12 Zement mit besonderen Eigenschafen
EN ISO 17 660 2006–2007 Teil 1 bis 2 Schweißen von Betonstahl (Berichtigungen)
4102 1977–2004 Teil 1 bis 4 und 22 Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen
4108 1981–2009 Teil 1 bis 10 Wärmeschutz und Energieeinsparung in Gebäuden
4109 2003–2006 Teil 1 und 11 Schallschutz im Hochbau
4141 1984–2008 Teil 1 bis 3 und 13 Lager im Bauwesen
EN 1337 2005 Teil 3 Lager im Bauwesen, Elastomerlager
4149 2005 Bauen in deutschen Erdbebengebieten
4212 1986 Kranbahnen aus Stahlbeton und Spannbeton
4213 2003 Vorgefertigte bewehrte Bauteile aus haufwerksporigem Leichtbeton
4223 2003 Teil 1–5 Vorgefertigte bewehrte Bauteile aus dampfgehärtetem Porenbeton
  2008 Teil 100 bis 103 (Entwurf)
4226 2002 Teil 100 Recyclierte Gesteinskörnungen für Beton
EN ISO 9606 1999–2005 Teil 2 bis 5 Prüfung von Stahlschweißern
EN 10 088 2005–2009 Teil 1 bis 5 Nichtrostende Stähle
18 057 2005 Betonfenster, Betonrahmenfenster
18 065 2000 Gebäudetreppen
18 162 2000 Wandbauplatten aus Leichtbeton (unbewehrt)
18 200 2000 Übereinstimmungsnachweis für Bauprodukte – werkseigene Produktions-Kontrolle, Fremdüberwachung und Zertifizierung von Produkten
18 202 2005 Toleranzen im Hochbau
18 203 1997 Teil 1 Toleranzen im Hochbau; Vorgefertigte Teile aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton
18 230 1998–2002 Teil 1 bis 3 Baulicher Brandschutz im Industriebau
18 500 2006 Betonwerkstein (Vornorm)
18 515 1993–1998 Teil 1 bis 2 Außenwandbekleidungen
18 516 1990–2009 Teil 1 und 3 bis 5 Außenwandbekleidungen hinterlüftet
18 540 2006 Abdichten von Außenwandfugen im Hochbau mit Fugendichtstoffen
18 542 2009 Abdichten von Außenwandfugen mit imprägnierten Fugen-Dichtungsbändern aus Schaumkunststoff
18 800 2008 Teil 1 bis 4 Stahlbauten
18 801 1983 Stahlhochbau

Tabelle 2 DBV-Merkblätter bzw. Sachstandsberichte
(Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V., Berlin)

Ausgabejahr Titel
  Bautechnik
2005 Parkhäuser und Tiefgaragen
2006 Schnittstellen Rohbau/Technische Gebäudeausrüstung – 2 Teile
2006 Begrenzung der Rissbildung im Stahlbeton und Spannbetonbau
2002 Betondeckung und Bewehrung
  Betontechnik
2001 Stahlfaserbeton
2002 Hochfester Beton
2004 Selbstverdichtender Beton
2004 Betonoberfläche – Betonrandzone
1996 Nicht geschalte Betonoberfläche
2007 Besondere Verfahren zur Prüfung von Frischbeton
  Bauausführung
2004 Sichtbeton
2004 Betonierbarkeit von Bauteilen aus Beton und Stahlbeton
2006 Betonschalungen und Ausschalfristen
  Bauprodukte
2002 Abstandhalter
2008 Rückbiegen von Betonstahl und Anforderungen an Verwahrkästen
1996 Fugendichtungen im Hochbau
1997 Trennmittel für Beton – Teil A: Hinweise zur Auswahl und Anwendung
1999 Trennmittel für Beton – Teil B: Prüfungen
  Bauen im Bestand
2008 Leitfaden
2008 Brandschutz
2008 Beton und Betonstahl

Tabelle 3 FDB-Merkblätter (Fachvereinigung Deutscher Betonfertigteilbau e. V., Bonn)

Nr. Ausgabejahr Titel
1 2005 Sichtbetonflächen von Fertigteilen aus Beton und Stahlbeton
2 2005 Korrosionsschutz von nicht zugänglichen stählernen Verbindungselementen (Einbauteile) von Betonfertigteilen
3 2007 Planung vorgefertigter Betonfassaden
4 2006 Befestigungstechnik vorgefertigter Betonfassaden
5 2005 Planungs- und Zeichnungsfehler
6 2006 Passungsberechnungen und Toleranzen von Einbauteilen und Verbindungsmitteln
7 2008 Merkblatt Brandschutzanforderungen von Betonfertigteilen

Tabelle 4 DAfStb-Richtlinien (Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Berlin)

Ausgabejahr Titel
1989 Wärmebehandlung von Beton
1995 Herstellung von Beton unter Verwendung von Restwasser, Restbeton und Restmörtel
2000 Belastungsversuche an Massivbauwerken
2001 Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Teil 1 bis 4)
2003 Selbstverdichtender Beton (SVB-Richtlinie)
2004 Betonbau beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen
2004 Beton nach EN 206-1 und DIN 1045-2 mit rezyklierten Gesteinskörnungen nach DIN 4226-100
2006 Beton mit verlängerter Verarbeitungszeit (verzögerter Beton)
2006 Herstellung und Verwendung von Zementgebundenem Vergussbeton und Vergussmörtel
2007 Vorbeugende Maßnahmen gegen schädigende Alkalireaktion in Beton (Alkali-Richtlinie), Teil 1 bis 3

1

Allgemeines

1.1 Vorteile der Werksfertigung

Das unternehmerische Ziel bei Einsatz eines Produktionsverfahrens, das sich am Markt durchsetzen soll, muss lauten: ein Produkt besser oder billiger oder schneller herzustellen als die Konkurrenz. Das Optimum wäre, wenn statt dem „oder“ ein „und“ erreichbar wäre. Wie steht es damit beim Bauen mit Stahlbetonfertigteilen?

a) Qualitätsverbesserung

– Nur bei Werksfertigung lassen sich architektonisch strukturierte und farblich gestaltete Betonbauteile herstellen, insbesondere für die Fassadengestaltung.

– Durch eine stationäre Fertigung lässt sich wie in anderen Industriebereichen außerhalb des Bauwesens ein effizienteres Qualitätsmanagement realisieren.

b) Verringerung der Herstellkosten

c) Verkürzung der Bauzeit

1.2 Geschichtliche Entwicklung

Vorfertigung, also die Fertigung von Bauteilen nicht an der vorgesehenen Stelle im Bauwerk, und nachfolgende Montage ist eine Produktionsmethode, die so alt ist wie der Stahlbetonbau selbst. Die Entwicklung des modernen Stahlbetonfertigteilbaus zu einer Form des industrialisierten Bauens hat sich allerdings erst in den vergangenen 60 Jahren vollzogen. Eine umfassende Darstellung über die Entwicklung der Vorfertigung im Hausbau in Deutschland bis 1945 findet man in [20].

Auch wenn man die ersten Blumenkübel oder Boote aus Stahlbeton eines Joseph Monier oder Joseph Louis Lambot in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch nicht als vorgefertigte „Bauteile“ bezeichnen mag (Bild 1.1), so können doch um die Jahrhundertwende 1900 die ersten ernsthaften Versuche mit tragenden Stahlbetonfertigbauteilen als Beginn dieser Bauweise festgehalten werden (z. B. 1891 durch Coignet beim Casinobau in Biarritz, Frankreich, bzw. 1896 vorgefertigte Bahnwärterhäuser von Hennebique bzw. Züblin, Bild 1.2) [17].

Diese Entwicklung setzte sich in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts in ganz Europa und in den USA fort, wenn auch nur zögernd. Der Hauptgrund hierfür liegt in den zu dieser Zeit noch fehlenden größeren und flexiblen Hebegeräten.

Der eigentliche Durchbruch kam erst nach dem Zweiten Weltkrieg [18]. In einer ersten Phase von 1945 bis 1960 war der außergewöhnlich große Wohnraumbedarf eine gewaltige Aufgabe für die Bauwirtschaft. In dieser Zeit haben die Systeme der Franzosen (z. B. Camus, Estiot) und der Skandinavier (z. B. Larsson, Nielsen) entscheidende Impulse für den Großtafelbau gebracht. Ihre Patente beherrschten über Lizenznehmer auch den deutschen Markt.

Bild 1.1 Joseph Monier (um 1850) [17]

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Bild 1.2 Vorgefertigtes Bahnwärterhaus (um 1900) [17]

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In der zweiten Phase, etwa 1960 bis 1973 (vgl. hierzu auch [18]) führte wachsender Wohlstand zu einem erhöhten Bedarf an eigenen Wohnungen mit größerem Komfort. Durch inflationäre Tendenzen entstand eine Kapitalflucht in Immobilien. Der steigende Facharbeitermangel zwang ebenfalls zur Werksfertigung und verhalf dem Fertigteilbau zum Durchbruch.

Neben dem Wohnungsbau kam durch den verstärkten Ausbau des Schul- und Hochschulwesens die Entwicklung der Skelettsysteme als Tragwerke mit Stützen, Trägern und weit gespannten Deckenplatten (7,20 m / 8,40 m) zur vollen Reife. Der Industrie- und Sportstättenbau brachte Typenprogramme für Hallenbauten aus vorgefertigten Stützen und vorgespannten I-Bindern und Pfetten bzw. Shed-Dächern.

In der dritten Phase von etwa 1973 bis 1985 geriet die Bauwirtschaft und hier in erster Linie der Wohnungsbau in eine schwere Krise. Einen gewissen Ausgleich konnte die Bauindustrie durch die verstärkte Baunachfrage der ölexportierenden Länder erreichen. So wurden dort Projekte im Wohnungsbau, im Schul- und Universitätsbau und im Verwaltungsbau durchgeführt, die ganz neue Dimensionen in der Industrialisierung von Fertigteilbauten eröffnet haben. Dieser Ausgleich kam aber Anfang der 1980er-Jahre durch den Ölpreisverfall wieder fast voll zum Erliegen.

In der folgenden Phase seit 1985 brachte ein allgemeiner Konjunkturanstieg einen gewaltigen Aufschwung auch in der Bauindustrie. Allerdings zwangen die hohen Lohn- und Lohnnebenkosten die Fertigteilwerke dazu, sich auf mechanisierte und automatische Fertigungsmethoden umzustellen.

Bild 1.3 Betonerzeugnisse und Fertigteile in Deutschland;
(a) Betonerzeugnisse insgesamt gegenüber großformatigen Fertigteilen (oben),
(b) großformatige Fertigteile für den Hochbau (unten)

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Seit Ende 1989 zeigte sich ein erneuter großer Wohnraumbedarf durch Einwanderer und Übersiedler aus dem Osten. Die Öffnung der Grenzen zur ehemaligen DDR im Jahr 1990 brachte große Aufgaben für die Bauindustrie in den neuen Bundesländern.

Das wachsende Umweltbewusstsein führte u. a. zu einer neuen Lärmschutzverordnung, wodurch Produkte wie Lärmschutzwände verstärkt nachgefragt wurden.

Die erhöhte Baunachfrage nach der Wende hielt aber nur kurz an. Danach kam von etwa 1994 bis etwa 2004 eine fast zehnjährige Talfahrt der Baukonjunktur verbunden mit einem drastischen Beschäftigungsrückgang und gestiegenen Insolvenzen sogar von Großkonzernen. Das zeigt auch die Statistik der produzierten Betonwaren und Fertigteile, die in Bild 1.3 dargestellt ist. Seit 2005 ist erfreulicherweise eine Trendwende eingetreten.

1.3 Europäische Normung

Im Zusammenhang mit der Schaffung des Europäischen Binnenmarktes ist die Entwicklung des künftigen europäischen Regelwerkes voll im Gange. Hier ist vor allem die Verabschiedung der „Bauproduktenrichtlinie“ durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaft (KEG) von Bedeutung. Sie ist seit 1992 in Deutschland als „Bauproduktengesetz“ in Kraft und hat zentrale Bedeutung für das Bauwesen. Inzwischen sind auch die Länderbauordnungen daraufhin novelliert, da auch in Zukunft die Kompetenz im Bauordnungsrecht bei den Ländern liegen wird. In der Bauproduktenrichtlinie werden die wesentlichen Anforderungen an Bauwerke (und nicht an die Bauprodukte) in allgemeiner Form festgelegt.

Diese sind:

1. Mechanische Festigkeit und Standsicherheit.

2. Brandschutz.

3. Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz.

4. Nutzungssicherheit.

5. Schallschutz.

6. Energieeinsparung und Wärmeschutz.

Diese Anforderungen werden in sechs sog. „Grundlagendokumenten“ konkretisiert, die dann die Grundlage für „Mandate“ zur Ausarbeitung harmonisierter europäischer Normen (bzw. Leitlinien für europäische Zulassungen) bilden sollen. Diese Mandate müssen auch Anforderungen an Klassen und Leistungsstufen der einzelnen Produkte (z. B. nur für ruhende Belastung, Feuersicherheitsklasse usw.) enthalten. Die EN-Normen sollen dann von der europäischen Normenorganisation (CEN-Sitz in Brüssel) ausgearbeitet werden. Produkte, bei denen sich die „Konformität“ mit diesen harmonisierten europäischen Normen nachweisen lässt, sind künftig am CE-Zeichen zu erkennen (vgl. auch Abschn. 4.5). Bis heute sind Mandate für die Normung von 30 Produktfamilien von der KEG an CEN erteilt.

Die Normungsarbeit wird in sog. Technischen Komitees (TC) oder Unterkomitees (SC) und den zugehörigen Working Groups (WG) bzw. Task Groups (TG) erarbeitet. Wenn eine CEN-Norm von der „qualifizierten“ Mehrheit der EG- und EFTA-Mitglieder angenommen wurde, sind alle Mitgliedstaaten zur Übernahme dieser Norm verpflichtet, auch wenn sie nicht von der KEG „mandatiert“ wurden. Bei „mandatierten“ harmonisierten EN-Normen werden dann bei der bauaufsichtlichen Einführung durch die Bundesländer keine Änderungen bzw. Ergänzungen wie bisher bei DIN-Normen mehr zugelassen sein, da dadurch neue „Handelshemmnisse“ entstehen würden.

Bild 1.4 Systeme der Konformitätsnachweisverfahren nach der Bauproduktenrichtlinie [29]

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Eine wesentliche Neuerung ist, dass die obersten Baubehörden der Länder sog. „Bauregellisten A, B und C“ herausgegeben haben, die vom DIBt einheitlich aufgestellt werden [28].

In der Bauregelliste A / Teil 1 werden Bauprodukte aufgeführt, an die bauaufsichtliche Anforderungen gestellt werden (z. B. Deckenplatten, Betonstahl usw.). Dieses entspricht der bisherigen bauaufsichtlichen Einführung.

Die Bauregelliste A / Teil 2 wird Produkte enthalten, für die nur ein bauaufsichtliches Prüfzeugnis gefordert wird (z. B. nicht tragende leichte Trennwände).

In die Bauregelliste B werden alle Bauprodukte aufgenommen, die nach EU-Vorschriften in Verkehr gebracht und gehandelt werden dürfen und die die CE-Kennzeichnung tragen. Zu jeder mandatierten Produktnorm gehört ein Anhang ZA, der die Regelungen zum CEZeichen und dem anzuwendenden Konformitätsnachweisverfahren [29–31] festlegt. Für konstruktive Fertigteile gilt das Konformitätsnachweisverfahren 2+: Erstprüfung des Produktes, werkseigene Produktionskontrolle und Zertifizierung durch eine offiziell zugelassene Stelle (s. Bild 1.4).

Die Bauregelliste C wird letztlich Bauprodukte enthalten, die nur untergeordnete Bedeutung haben (z. B. Dachrinnen, Estriche usw.). Sie dürfen kein Ü-Zeichen tragen.

Für die Kennzeichnung mit dem CE-Zeichen lässt der Anhang ZA ein vereinfachtes Etikett zu entsprechend Bild 1.5. Die Angaben zum Produkt sind in einem Begleitdokument entsprechend Bild 1.6 niedergeschrieben. Bei den darin erwähnten Bemessungsunterlagen handelt es sich um die Elementzeichnung und die statische Berechnung.

Zum Zeitpunkt der Bearbeitung dieses Beitrags (Ende 2007) haben nur zwei Stahlbetonfertigteile ein CE-Zeichen, und zwar

– vorgefertigte bewehrte Bauteile aus haufwerksporigem Leichtbeton nach DIN EN 1520,

– vorgefertigte Stahlbeton- und Spannbeton-Hohlplatten nach DIN EN 1168.

Nur diese erscheinen derzeit somit in der Bauregelliste B/Teil 1 (Ausgabe 2007/1) in Abschnitt 1.1.6.

Zusätzlich verlangt nun die deutsche Bauaufsicht vom NABau, dass zu jeder harmonisierten Norm noch ein sog. nationales Anwendungsdokument (NAD, DIN 20 000-XXX) erstellt wird, mit dessen Hilfe die jeweilige EN-Norm mit den in Deutschland vorgegebenen Baubestimmungen anwendbar und kompatibel ist. Mit Einführung einer EN-Norm wird eine Koexistenzphase festgelegt, während derer sowohl DIN-Norm als auch EN-Norm angewendet werden dürfen.

Tabelle 1.1 Anwendung der Produktnorm „Elementdecke“

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Bild 1.5 Beispiel für ein vereinfachtes Etikett

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Bild 1.6 Beispiel für das dazugehörige Begleitdokument, siehe Bild 5

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Als Beispiel für die praktische Anwendung einer Produktnorm sei hier die Elementdecke angeführt und deren Zuordnung zu nationalen und internationalen Bemessungs- und Stoffnormen (s. Tabelle 1.1). Die Koexistenzphase für diese Norm endete am 1.5.2008. Ihre Einführung in die Bauregelliste B steht bevor [32].

Auf nationaler Ebene werden die Arbeiten des CEN von sog. Spiegelausschüssen des DIN begleitet, die meist die Arbeiten eines TC’s betreuen. Derzeit sind etwa 80 CEN / TC’s auf dem Gebiet des Bauwesens tätig. Im Folgenden sind die derzeit installierten und für den Betonfertigteilbau relevanten CEN TC’s zusammengestellt mit den von diesen bearbeiteten Normen.

Im CEN / TC 250 werden die Normen für die Bemessung (Eurocodes) erarbeitet, wobei das SC 2 für den Betonbau federführend ist. Seit Ende 2007 sind alle Eurocodes in der Drei-Sprachenfassung veröffentlicht. Über den Stand der europäischen Normung bzgl. Beton wird in [26] und bzgl. Betonstahl und Spannstahl in [27] berichtet. Nach derzeitigem Kenntnisstand (Ende 2008) wird EC 2 mit den entsprechenden deutschen Anwendungsregeln erst 2010 verwendet werden können.

CEN / BTS 1 Technisches Sektorbüro für das Bauwesen
CENTC’s (Technical Committees) und dort bearbeitete EN-Normen, die für den Betonfertigteilbau relevant sind

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ECISS Europäisches Komitee für Eisen- und Stahlnormung

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