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Jürgen Weber (Hrsg.)

Verhaltensanalyse im Controlling

Herausgeber der Schriftenreihe: Prof. Dr. Dr. h. c. Jürgen Weber

Prof. Dr. Dr. h. c. Jürgen Weber lehrt Controlling an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Vallendar. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift Controlling & Management Review (CMR) sowie Autor zahlreicher Fachartikel und Bücher, unter anderem der Einführung in das Controlling. Darüber hinaus ist er einer der Gründungspartner der Managementberatung CTcon.

Prof. Dr. Bernhard Hirsch ist seit September 2006 Professor für Controlling an der Universität der Bundeswehr München. In den Jahren 2001 bis 2006 war er als Wissenschaftlicher Assistent und Habilitand am Lehrstuhl für Controlling & Telekommunikation der WHU – Otto Beisheim School of Management in Vallendar tätig. Seine Forschungsgebiete sind das Behavioral Controlling und das Controlling in öffentlichen Institutionen.

Assistant Prof. Dr. Stefan Linder lehrt und forscht zum strategischen Controlling, dem Zusammenspiel Controlling und Intrapreneurship und der Anreizgestaltung an der ESSEC in Paris und Singapur. Er ist Autor diverser Artikel in nationalen und internationalen Zeitschriften wie zum Beispiel der European Accounting Review und Co-Autor des Advanced Controlling Bandes 64 Neugestaltung der Budgetierung mit Better und Beyond Budgeting?

Dr. Maximilian Riesenhuber berät internationale Unternehmen bei Fragestellungen der Auswahl und Entwicklung von Managern im Executive Bereich. Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Orientierung hin zu einer Strategie, die People, Planet und Profit gleichermaßen berücksichtigt. Als Gründungspartner und Geschäftsführer des globalen Beratungsunternehmens Tripl3Leader betreut er internationale Kunden in Europa.

Dr. Eric Zayer war Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Dr. h. c. Jürgen Weber an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Vallendar. Dort hat er sich intensiv mit verhaltensorientierter Forschung beschäftigt und zum Thema Verspätete Projektabbrüche in der F&E promoviert. Heute arbeitet er als Berater für Bain & Company.

Verhaltensanalyse im Controlling

Durch psychologische Erkenntnisse den Unternehmenserfolg steigern

Advanced Controlling, Band 91

Jürgen Weber (Hrsg.)

Herausgeber der Schriftenreihe:
Prof. Dr. Dr. h. c. Jürgen Weber

 

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Vorwort

Liebe Leser,

vor Ihnen liegt ein neuer Band unserer Schriftenreihe Advanced Controlling, der bei näherem Hinsehen so neu gar nicht ist. Er fasst nämlich im Wesentlichen Arbeiten zusammen, die wir am Institut schon vor längerer Zeit durchgeführt haben und die unter anderem in die Bände 29 und 34 gemündet sind. Beide liegen ein gutes Jahrzehnt zurück.

Wir sind auf die behandelte Thematik »damals« durch unsere Arbeiten am Rationalitätssicherungsansatz des Controllings gestoßen. Dieser geht – wie mehrfach in dieser Schriftenreihe diskutiert – davon aus, dass Manager – wie menschliche Akteure generell – sowohl nicht frei von Opportunismus sind als auch kognitiven Begrenzungen unterliegen. Kognitive Begrenzungen waren in der traditionellen Betriebswirtschaftslehre zwar grundsätzlich bekannt, fanden aber keinen Eingang in die typischen Modelle und Handlungsempfehlungen – trotz der Arbeiten des Nobelpreisträgers Daniel Kahneman und anderer Psychologen, die zu neuen Einsichten über Problembereiche des vorherrschenden Grundmodells des Homo oeconomicus geführt haben. In gleicher Weise traf dies für den Bereich des Controllings zu, auch wenn Albrecht Deyhle in seinen Schulungen schon seit den 1970er Jahren großes Gewicht auf das »Psycho-Logische« in der Beziehung zwischen Controller und Manager gelegt hatte.

Die »werktätigen« Controller waren mit dem Phänomen kognitiver Begrenzungen überhaupt nicht vertraut. Sie bauten stark auf klassische ökonomische Rationalität, auf Rechenbarkeit und Zahlen. Wie wir aus Reaktionen der Leserschaft der beiden oben genannten Bände wissen, haben diese bei vielen eine Art Aha-Effekt ausgelöst, was uns bestätigt und sehr gefreut hat. Exakt dies wollten wir ja auch erreichen. Man blickt grundsätzlich anders auf die Menschen im Unternehmen, wenn man sie nicht – stark vereinfachend – als vollständig rationale Wesen versteht.

Unsere Forschung endete nicht mit den beiden oben genannten Bänden, sondern wurde in den Folgejahren noch verstärkt. Ein offensichtliches Zeichen dafür sind die dem Thema »Verhaltensorientiertes Controlling« gewidmete Habilitationsschrift von Bernhard Hirsch (2007), eine Habilitationsschrift und zwei Dissertationen zum Thema »Multiagentensysteme« (Meyer 2008; Hufschlag 2008; Heine 2008), in denen kognitive Begrenzungen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, und zwei Dissertationen zum Thema »Projekteskalation« (Zayer 2007; Mahlendorf 2008).

Heute ist das Thema im Controllerumfeld grundsätzlich bekannt. Es taucht in der Liste der wichtigsten Zukunftsthemen des Controllings ebenso auf (wir werden im letzten Teil dieses Bandes darauf noch einmal kurz eingehen), wie es auch Gegenstand der Arbeit der Ideenwerkstatt des Internationalen Controller Vereins im Jahr 2012 gewesen ist. Dennoch geht das Wissen vieler Controller nicht über eine grundsätzliche Intuition zum verhaltensorientierten Controlling hinaus.

Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, das Thema wieder aufzugreifen und vorhandene Texte zu einem neuen Band der Schriftenreihe zusammenzufügen. Hierzu greifen wir – wie bereits angesprochen – zum einen auf den Band 29 Controlling & Psychologie zurück, der auf eine sehr anschauliche Weise die nicht-rationalen Fallen auflistet, in die Menschen tappen können (Weber/Riesenhuber 2002). Veranschaulicht werden diese jeweils auch durch ganz konkrete Arbeitssituationen von Controllern. Zum anderen haben wir ein Kapitel aus dem Band 34 Verhaltensorientiertes Controlling ergänzt (Weber/Hirsch/Linder/Zayer 2003, S. 11–30), das sich mit Investitionsentscheidungen beschäftigt. An solchen Entscheidungen kann man die einzelnen Rationalitätsdefizite in ihrem Zusammenwirken sehr gut nachvollziehbar darstellen.

Beide Bände sind – wie angesprochen – bereits vor Jahren erschienen. Die Erforschung von Geist und Verhalten des Menschen geht zwar sehr schnell voran, doch ist auf Ebene der grundsätzlichen Zusammenhänge das meiste schon seit geraumer Zeit bekannt. Die Gattung Mensch verändert sich nicht innerhalb einiger Jahre, sondern frühestens über mehrere Generationen hinweg. Also mussten wir an den vorliegenden Bänden weder große Änderungen vornehmen, noch sind wir Gefahr gelaufen, Ihnen einen veralteten Text anzubieten. Dies gilt auch für die zitierte Literatur, die wir nicht aktualisieren mussten. Nur ein Hinweis noch: Wer sich in die Thematik sehr tiefgehend einarbeiten und dabei auch erfahren will, wie es zu der Karriere eines Nobelpreisträgers gekommen ist, sei auf das höchst lesenswerte Buch von Daniel Kahneman Schnelles Denken, langsames Denken verwiesen, das in der deutschen Übersetzung 2012 im Siedler-Verlag erschienen ist.

Nun verbleibt mir nur, Ihnen viel Spaß beim Lesen zu wünschen. Nicht immer sollten Sie bei der Lektüre einen Manager vor Augen haben, den es angesichts seiner kognitiven Begrenzungen von Ihnen zu ergänzen und zu begrenzen gilt. Die Begrenzungen gelten auch für Sie selbst, so wie für jeden anderen Menschen ...

Ihr Jürgen Weber

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Controlling und Psychologie

Jürgen Weber/Maximilian Riesenhuber

Zur Motivation

»Einen Wahn verlieren macht weiser als die Wahrheit finden.«

Ludwig Börne

Die Psychologie ist die Wissenschaft vom Handeln und Erleben des Menschen – ein Feld, in dem alle Menschen als Experten gelten. Dennoch beansprucht die Psychologie Erkenntnisse für sich, die über Erfahrungen, die wir im täglichen Leben machen, hinausgehen.

Im Folgenden werden verschiedene psychologische Phänomene und deren Wirkmechanismen beschrieben. Anschließend werden sie auf mögliche Auswirkungen auf die Arbeit des Controllers hin untersucht. So werden die Auswirkungen von Gefühlen (Affekten) auf unsere Informationsverarbeitung (siehe Abschnitt »Informationsverarbeitung im Affekt«), die Gegenwehr (Reaktanz) gegen jegliche Beschneidung der empfundenen Freiheit (siehe Abschnitt »Kontrolle, Hilflosigkeit und Reaktanz«) und ähnliche Verhaltensweisen des Menschen beleuchtet. Ein besonderes Gewicht bekommen die Mechanismen, die das Urteilsvermögen beeinträchtigen, die Urteile also verzerren. Ein besonderes Gewicht sollen sie deshalb haben, weil Entscheidungen – und damit Urteile – im betrieblichen Alltag von besonderer Bedeutung sind. Die hier möglicherweise wirksamen Verzerrungen und Fehlerquellen betreffen den Kern der Aufgabe des Controllers.

Alle diese Phänomene bedeuten, dass in der Folge ihrer Erscheinung Handlungen nur noch insofern als rational gelten können, als dass sie aus Sicht des Handelnden und in Kenntnis der Situation nachvollziehbar sind. Die Ergebnisse weichen dabei von den eigenen Zielen ab, ebenso wie sie erheblich von dem abweichen können, was das Unternehmen anstrebt – ein Zustand also, den es zu vermeiden gilt.

Nimmt man die Rationalitätssicherung als Funktion des Controllings an (vgl. Weber/Schäffer 2014), so handelt es sich nicht nur um ein Thema des täglichen Erlebens und Handelns von Controllern, sondern vielmehr um deren Kernaufgabe. Um beiden Aspekten (Aufgabe und persönlicher Beteiligung) gerecht zu werden, seien jeweils mögliche Auswirkungen auf Manager (als diejenigen, die die zu sichernde Rationalität produzieren sollen) und auf Controller (die eben jene Rationalität sichern sollen und im Rahmen dieser Aufgabe selber zu Produzenten von Rationalität werden) betrachtet. Es wird dementsprechend zu jedem Verhaltensphänomen eine allgemeine Darstellung geben, der eine spezielle Betrachtung möglicher Auswirkungen auf die Zusammenarbeit von Managern und Controllern folgt. In dieser speziellen Betrachtung soll illustriert werden, wie das Verhalten eines Managers aussehen könnte und welche Probleme daraus resultieren. Im nächsten Schritt wird skizziert, welche Möglichkeiten ein Controller hat, darauf zu reagieren.

Bei der Illustration der Wirkmechanismen für Controller und Manager werden wir die Phänomene in überzeichneter Weise darstellen. Selbstverständlich treten sie in der Realität nicht oder nur selten in der beschriebenen Intensität und Vollständigkeit auf, denn glücklicherweise sind wir dazu in der Lage, unser Verhalten weitgehend zu kontrollieren. Die gewählte Darstellungsweise soll uns helfen, ein plastisches Bild möglicher Situationen zu skizzieren. Dies kann uns helfen, wenn solche Situationen tatsächlich eintreten und wir selbst oder unsere Gesprächspartner doch nicht mehr zu der eben erwähnten Kontrolle des Verhaltens in der Lage sind, diese zu erkennen und zu verstehen. Im besten Fall können wir dann sinnvoll gegensteuern.

Um eine größere Nähe zum betrieblichen Alltag herzustellen, wird jeder Abschnitt von einer kurzen Geschichte eingeleitet. Diese Geschichte soll alltägliche Situationen beschreiben, die Elemente des Folgenden beinhalten. Am Ende jeden Abschnittes wird dieselbe Geschichte mit veränderten Verhaltensweisen des Controllers erzählt. Diese Darstellung ist natürlich ebenfalls stark vereinfacht und kann, um realistisch zu bleiben, nur Teilaspekte der verschiedenen Phänomene beinhalten.

Informationsverarbeitung im Affekt