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Klimagerechtes Bauen ist besser als baugerechtes Klimatisieren

Prof. Dr.-Ing. Dr. sc. techn. Karl Petzold (1926–2006)

Ordinarius für Bauklimatik an der Technischen Universität Dresden 1970–1991

Vorwort

Ganz plötzlich ist die Bewahrung der klimatischen Schutzfunktion der irdischen Atmosphäre zu einer politischen Schlüsselaufgabe von Weltrang geworden. Dem klimagerechten Bauen bei voller Gewährleistung der Funktionssicherung (z.B. hygienisch optimales Raumklima oder Einhaltung der von den Produktionstechnologien vorgegebenen Grenzen) und Eigensicherung (z.B. Langlebigkeit der Bauteile durch Vermeidung von Feuchteschäden) von Gebäuden kommt eine von Fachleuten längst angemahnte und häufig genug gegen Widerstände durchgesetzte, aber jetzt auch von der öffentlichen Meinung massiv vertretene Bedeutung zu.

Das Buch „Bauphysik“ ist klassisch gegliedert – Klima, Wärme, Feuchte, Schall – weicht aber in den Einzelinhalten und Vermittlungsmethoden häufig von den eingefahrenen Wegen ab und ist somit über weite Strecken keine Wiederholung gängiger oder bewährter Literatur. Bauphysikalische Normen sind aufgrund der intensiven Wissensschöpfung kurzlebig. Es wird deshalb nur recht sparsam darauf Bezug genommen, geschweige denn ein seitenlanger Normenabdruck angeboten – beim Planen liegt die aktuelle Norm sowieso am Platz.

Alle bauphysikalischen Zusammenhänge sind in der einfachen Software Mathcad formuliert. Das Arbeiten mit Mathcad verlangt eine mathematische Quantifizierung aller Aussagen. Um eine willkürliche Empirie zu vermeiden, müssen die verwendeten Gleichungen für den unter Zeitdruck lernenden und praktizierenden Ingenieur leicht verständlich und deshalb meist näherungsweise aus den physikalischen Grundgesetzen abgeleitet werden. Das betrifft zum einen zahlreiche bekannte bereits zur Innovationsferne erstarrte Formeln zum anderen aber auch die vielen neuen weit über das Normenlevel hinaus gehenden und dennoch praktikablen und plausiblen Aussagen und Anwendungen. Obgleich auf allen Gebieten der Bauphysik mehr oder weniger nutzerfreundliche Software-Tools auf der Basis numerischer Simulationsverfahren vorliegen, beruht der Schwerpunkt des Buches auf geschlossenen analytischen Darstellungen der wesentlichen Sachverhalte. Die Ergebnisse sind aber im Hintergrund mit dem genannten Werkzeug validiert worden.

Eine CD mit allen durch das „Ergibtzeichen := ” programmierten und jeweils beispielhaft getesteten analytischen Gleichungen – lauffähig ab „Mathcad 2001 Professional“ – ist beigefügt und kann zum Rechnen, grafischen und tabellarischen Darstellen, Vorbemessen und Planen benutzt werden.

Dem Verlag Ernst & Sohn sei für die Herausgabe dieser „Bauphysik“ gedankt und dem Leser, oder besser Nutzer, ein erfolgreiches Arbeiten gewünscht und versprochen. Gedankt sei auch „meinen jungen Leuten“ am Institut für Bauklimatik der Technischen Universität Dresden, die mich in den letzten 15 Jahren erzogen und gebildet haben, sowie den Drittmittelgebern der EU, der DFG, der DBU, aus der Wirtschaft, des BMVB, aber insbesondere dem Projektträger Jülich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie.

Dresden, im Juli 2007

Peter Häupl

Inhaltsverzeichnis

CD Bauphysik Aktiv in Mathcad

Einführung

Die Aufgabe der Thermophysik beim Entwerfen, Planen, Berrechnen und Errichten von Gebäuden besteht darin, das Raumklima in Wohnungs- und Gesellschaftsbauten in den von der Hygiene und in Produktionsbauten in den von der Technologie vorgegebenen Grenzen zu halten sowie die Eigensicherung und Langlebigkeit der Bauwerke, hauptsächlich durch Vermeidung von Feuchteschäden, zu gewährleisten.

Das Raumklima, das sich im Gebäude einstellt, ist das Ergebnis der Wechselwirkung zwischen dem Außenklima (Klima außerhalb des Gebäudes, Temperaturgang der Außenluft, kurz- und langwellige Strahlungsbelastung, Luftfeuchte, Wind und Niederschlag, Luftdruck), dem hygrothermischen Verhalten des Bauwerkes bzw. der einzelnen Bauteile (Wärmetransportwiderstände und Wärmespeicherverhalten, Feuchtetransportwiderstände und Feuchtespeicherverhalten), dem Lüftungsförderstrom bzw. der Luftwechselrate, den Funktionsnebenwirkungen (Innere Wärme- und Feuchtequellen durch Personen, Geräte, Verdunstung ,Beleuchtung) und den gebäudetechnischen Einrichtungen (Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen).

Das Außenklima und die Funktionsnebenwirkungen stören das thermische und hygrische Gleichgewicht des Gebäudes. Der Wärmebelastung setzt das Gebäude seine Transport- und Speicherwiderstände entgegen und dämpft die Belastungsspitzen. Durch diese Eigenschaften (vernünftige Lüftung vorausgesetzt) kann das Gebäude selbst das Raumklima während eines großen Teils des Jahres in den vorgegebenen Toleranzen halten. Reichen diese Eigenschaften nicht aus (hohe Wärme- und Feuchtebelastung, ungünstig ausgeführter Baukörper, enge Toleranzgrenzen) müssen Heizungs- und Klimaanlagen zugeschalten werden. Wegen der hohen Betriebskosten eines (klimatisierten) Gebäudes entscheidet maßgeblich sein thermisches Verhalten über dessen Wirtschaftlichkeit. Allerdings ist klimagerechtes Bauen allemal besser als baugerechtes Klimatisieren.

In werden zunächst die Komponenten des Außenklimas (in Mitteleuropa) gebäudegerecht quantifiziert und die wesentlichen hygrothermischen Anforderungen an das Raumklima festgelegt.

Das behandelt die Grundlagen des Wärmetransportes durch Wärmeleitung, Wärmeströmung und Wärmestrahlung.

beinhaltet das thermische Verhalten einzelner Bauwerksteile. Die Kenngrößen Wärmewiderstand und Wärmedurchgangswert werden ausführlich erläutert. Dieses Kapitel schließt thermische Schwachstellen im Gebäude in Form von Wärmebrücken mit ein. Ein längerer Abschnitt widmet sich den belüfteten Konstruktionen. Außerdem werden einige typische instationäre Phänomene wie Temperaturfelder bei periodischer Belastung und bei Sprungbelastung (z.B. Wärmeableitung durch Fußböden) analytisch gelöst.

Im Hauptkapitel 4 wird das thermische Verhalten des gesamten Gebäudes untersucht. Nach der Quantifizierung der Gewinn- und Verlustwärmeströme eines Gebäudes in der kalten Jahreszeit wird der Heizenergiebedarf berechnet und dem aus ökonomischen, ökologischen und baukörpergeometrischen Gründen festgelegten Grenzwert gegenübergestellt. Aus einer quasistationären, exponentiellen Aufheizung während einer fünftägigen Schönwetterperiode im Sommer werden Kriterien des sommerlichen Wärmeschutzes entwickelt. Für eine genauere Beschreibung werden die Jahres- und Tagesgänge der Empfindungstemperatur im Raum bei freier Klimatisierung näherungsweise berechnet.

Im Mittelpunkt von stehen die feuchtetechnischen Probleme am Gebäude. Sie sind hauptsächlich für die Eigensicherung von Belang. Die Möglichkeiten einer hygrischen Bemessung durch Berücksichtigung des Wasserdampftransportes und des kapillaren Feuchtetransportes im Baustoff werden vorgestellt. Bei der Simulation der Raumluftfeuchte wird neben der Stärke der Feuchtequellen und der Luftwechselrate auch die hygrische Speicherfähigkeit der Raumumschließungsfläche berücksichtigt.

Der Hauptteil 6 Schall wird in einer separaten Einführung vorgestellt und der Schallpegel im Außenund Innenraum sowie die Schalldämmung der Bauteile gewürdigt.

Alle Beziehungen werden aus einfachen physikalischen Grundgesetzen abgeleitet und unter Verwendung von Mathcad formuliert. Das heißt, daß alle Formeln mit dem Ergibtzeichen := quasi programmiert sind und zum Rechnen, Vorbemessen, Planen bzw. einer grafischen oder tabellarischen Darstellung der Ergebnisse genutzt werden können.

Eine CD mit allen programmierten analytischen Gleichungen ist beigefügt. Diese sind in „Mathcad Professional“ lauffähig. Numerische Lösungsverfahren der thermischen und hygrischen Transportgleichungen und numerische Simulationsverfahren für das hygrothermische Verhalten von Gebäuden und des Raumklimas werden nicht behandelt, dienen aber im Hintergrund zur Validierung der zahlreichen Näherungsbeziehungen.