Einleitung

Schön, dass Sie sich (wieder) für lineare Algebra interessieren. Lassen Sie mich Ihnen kurz die Spielregeln erläutern, damit Sie wissen, worauf Sie sich einlassen. Keine Angst ich bin auf Ihrer Seite!

Was Sie schon immer über lineare Algebra wissen wollten

Im ersten Teil des Buches Schnellkurs Lineare Algebra habe ich Ihnen die drei Welten der linearen Gleichungssysteme, der linearen Abbildungen und auch die der Matrizen mit all ihren Details näher gebracht. Sind Sie nun bereit für den nächsten Schritt und möchten endlich Koordinaten von Vektoren von einer Basis in eine andere transformieren? Sehr gut.

Ich zeige Ihnen weiterhin, wie Sie Darstellungen von linearen Abbildungen in Matrizenform zu beliebigen Basen aufstellen können. Auf der Suche nach der perfekten Darstellungsart beschäftigen wir uns mit der Eigenwerttheorie, die unter anderem die Hauptachsentransformation und Diagonalisierung nach sich zieht. Wir sprechen viele Beispiele zu diesen Themen durch. Anschließend lernen Sie, in allgemeinen Vektorräumen Längen und Winkel zu messen. Dies wird zu Orthonormalsystemen und dem Gram-Schmidtschen Orthonormalisierungsverfahren führen. Aber damit nicht genug. Schließlich zeige ich Ihnen Varianten der Diagonalisierung: Wir trigonalisieren! Und danach wird die Königsklasse aller Darstellungsformen betrachtet: die Jordansche Normalform. Alles langsam und anhand zahlreicher Beispiele. Seien Sie gespannt!

Meine Leser

Das Buch führt Sie tiefer in die Welt der linearen Algebra ein. Sie ist ein Teilgebiet der Mathematik, das so grundlegend ist, dass es Stoff fast jedes Studiums mit mathematischen Bereichen ist: Sei es im Bachelorstudium des Faches Mathematik selbst oder in Kursen für Mathematiklehrämtler, aber eben auch in den Studienkursen für Ingenieure, Naturwissenschaftler, Wirtschafts- und Geowissenschaftler, Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaftler und viele andere mehr.

Das Buch bietet keine Nachhilfestunde für einführende Kurse in der Schule. Es hilft Ihnen, die ersten Semester Ihres Mathematikanteils zu überleben. Beachten Sie aber dabei, dass es inhaltlich die Fortsetzung des ersten Buches Schnellkurs Lineare Algebra darstellt und somit die dort erlernten Bereiche voraussetzt. Mehr dazu im ersten Kapitel.

Die typische potentielle Leserin ist also Studentin in einem solchen, gerade beschriebenen Studiengang. Das Lesen dieses Buches möge Ihnen trotz kommender Schweißtropfen Spaß bereiten. Vielleicht möchten Sie Ihr Wissen in linearer Algebra auffrischen? Vielleicht möchten Sie als Vorgeschmack in diese Themen hineinschnuppern? Hauptsache ist, dass Sie motiviert und mit Spaß an das Buch herangehen.

Glauben Sie mir, es wird Übungsaufgaben geben, an denen Sie kurzzeitig fast verzweifeln werden. Es wird frustrierend sein. Sehr gut, denn dann sind Sie gerade dabei, etwas zu verstehen. Nur weiter so und durchhalten! Schaffen Sie es, dann belohnen Sie sich ganz alleine mit ihrem mathematischen Durchbruch. So lernt man Mathematik, eben auch die lineare Algebra. Dann macht es auch Spaß und Sie möchten weiterlesen. Dürfen Sie sehr gern, also los!

Ziel des Buches

Ich zeige Ihnen im Wesentlichen, was Sie alles mithilfe des erlernten Wissens über lineare Gleichungssysteme, lineare Abbildungen und Matrizen aus dem ersten Schnellkurs nun darüber hinaus in der linearen Algebra anstellen können. Wir steigen tiefer in die Materie ein, lernen Eigenwerte und Eigenvektoren kennen, diagonalisieren und trigonalisieren Matrizen und durchleuchten schließlich die Jordansche Normalform. Nebenbei (ver)messen wir Vektoren in allgemeinen Vektorräumen und lernen so Skalarprodukte und Orthonormalsysteme zu schätzen. Das alles lernen Sie hier in diesem Buch. Und auch das ist echte und echt spannende Mathematik.

Nötiges Vorwissen

Ich setze in diesem Buch ganz klar das Wissen aus dem ersten Buch Schnellkurs Lineare Algebra voraus. Das Buch soll Sie an dieser Stelle noch weiter und tiefer in die Welt der linearen Algebra einführen. Wie immer sollten Sie eine gewisse Grundvertrautheit mit der Mathematik mitbringen. Sie sollten keine Angst vor mathematischen Grundbegriffen haben, wohl aber den nötigen Respekt vor den Themen, um nach Hintergründen zu fragen. Glauben Sie nicht an mathematische Aussagen fragen Sie nach Beweisen!

Was bedeutet was

Der Text ist (relativ) leicht lesbar geschrieben. Die mathematischen Inhalte habe ich in kleine Häppchen verpackt, so dass sie (fast) leicht verdaulich sind. Neue Begriffe habe ich zur besseren Sichtbarkeit in Fettdruck gesetzt. Die außerdem noch sichtbaren kursiven Worte sollen bestimmte Passagen in eine von mir gewünschte Richtung betonen.

Tipp

Hier erhalten Sie Tipps, manchmal Eselsbrücken und ebenso nützliche Aussagen zum jeweiligen Thema. Manchmal sind es auch nur einfache Aussagen, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte, aber dennoch nicht weiter begründen oder gar beweisen werde.

Satz

Unter einem Satz versteht der Mathematiker eine mathematische Aussage oder Formel, die Ihnen in ihrer Anwendung das Leben einfacher gestaltet. Es werden Zusammenhänge zwischen Begriffen geklärt oder Behauptungen aufgestellt. Solche Aussagen verlangen einen Nachweis, einen so genannten mathematischen Beweis, den ich auch direkt nach dem Satz gebe. Ein solcher Beweis wird mit dem Endesymbol IMG abgeschlossen.

Definition

Bei diesen Passagen müssen Sie sich besonders konzentrieren. Hier verstecken sich Begriffe, die geklärt werden müssen oder manchmal einfach nur falsch verstanden werden könnten. Eine solche Begriffsklärung und -festlegung erleichtert das Weiterlesen.

Beispiel 1.1

In diesem Buch wird es viele Beispiele und Anwendungen der Theorie geben. Manchmal scheinbar noch immer theoretischer Art, manchmal vollkommen aus der Praxis genommen. Rechnungen hinter diesem Symbol sind in der Regel besondere Beispiele, die das Gelernte noch ergänzen oder Ihnen näher bringen mögen.

Nur Mut zum Stolpern

Sie interessieren sich noch immer für dieses Buch? Sehr gut! Das freut mich. Dann können wir ja langsam mit der Mathematik beginnen.

Bedenken Sie, ich führe Sie immer tiefer in die Materie ein. Ich leite den Weg, halte Ihre Hand, wenn Ihnen das hilft. Aber ich brauche Ihre Mithilfe, man lernt Mathematik nur dann, wenn man selbst stolpert! Also nur Mut zum Stolpern. Der entstehende Frust wird auch wie im realen Leben wieder vergehen. Haben Sie eine (mathematische) Hürde gemeistert, werden Sie nicht mehr über (virtuelle) blaue Flecken jammern, sondern stolz auf sich sein und Mut für weitere Hürden geschöpft haben.

Wenn Sie nicht ab und zu stolpern, etwas stocken oder nicht weiter wissen, dann lassen Sie sich nicht tief genug auf den Stoff ein. Dieser ist nämlich nicht so leicht. Auch wenn ich dies manchmal behaupten werde, Sie müssen echt arbeiten, um hier durchzukommen.

Also stolpen Sie! Wie? Übungsaufgaben sind das Stichwort. Ich habe im gesamten Buch jede Menge davon ans Ende eines Kapitels gesetzt. Nutzen Sie die Chance und versuchen Sie es. Erst wenn Sie selbst Probleme lösen, werden Sie die Probleme und Strategien wirklich verinnerlichen. Erst dann werden Sie die Finessen verstehen und sehen, warum Mathematiker die jeweiligen Wege gegangen sind.

Mathematik lernt sich nicht, indem Sie das Buch wie einen Roman lesen. Üben Sie, hinterfragen Sie, beweisen Sie, lösen Sie die Aufgaben. Das ist frustrierend? Ja, genau. Und das gehört dazu. Starten Sie mit dem Einstiegstest und testen Sie, wo Sie stehen.

Mit diesem Test können Sie versuchen einzuschätzen, wo Sie stehen. Ich habe exemplarisch eine Aufgabe pro Kapitel herausgesucht. Aber denken Sie daran, es handelt sich um eine exemplarische Auswahl ein Hineinschnuppern in die einzelnen Kapitel wird sich auf jeden Fall lohnen!

EINSTIEGSTEST – HIER KÖNNEN SIE SEHEN, WO SIE STEHEN

Kapitel 1. Die Aufgabe in meinen Prüfungen: Rechnen Sie nach, dass der Kern einer linearen Abbildung stets ein Untervektorraum des Urbildraumes ist.

Kapitel 2. Ein wenig abstrakte Geometrie zum Warmwerden: Stellen Sie die darstellende Matrix einer Spiegelung in der reellen Ebene bezüglich der Basis C auf, die durch einen Vektor auf der Spiegelgeraden und einen zweiten, dazu senkrecht stehenden gegeben ist.

Kapitel 3. Der Zaubertrick für Darstellungsmatrizen können Sie mitzaubern? Geben Sie Basen B und C des Vektorraumes 2 an, so dass die darstellende Matrix einer Drehung um 90 Grad bezüglich dieser Basen gerade die Einheitsmatrix ist.

Kapitel 4. Ein (fast) ganz normaler familiärer Abend: Auf der Couch hört man eine heiße Diskussion über Drehungen in der reellen Ebene. Unruhe macht sich breit. Kattrin behauptet, dass sie Eigenwerte von Drehungen in der reellen Ebene kennt. Der kleine Benrich dreht ein paar Vektoren auf dem Papier und schüttelt den Kopf. Auch seine große Schwester Klara kann dabei keine Hauptachsen erkennen. Können Sie den Dreien helfen?

Kapitel 5. Viele Wege führen nach Rom und auch zur Determinante sind Sie so einfallsreich wie unsere Evi hier? Sie berechnet nämlich gern Determinanten großer Matrizen. Stolz nutzt sie den Gauß-Algorithmus hierfür, um die Matrizen zunächst in Form zu bringen. Sehen Sie, wie dieser bei der Bestimmung der Determinante helfen kann?

Kapitel 6. Gescheit die Antwort geschlossen: Die beiden Brüder Tristan und Tobias rechnen mutig das charakteristische Polynom einer allgemeinen Spiegelung in der reellen Ebene aus. Beide stutzen kurz und grinsen sich dann zufrieden an. Doch Tina versteht nicht, warum beiden bereits danach schon klar ist, dass eine Spiegelung diagonalisierbar ist. Können Sie die Antwort geben?

Kapitel 7. Achtsam Fehler meiden: Stellen Sie sich vor, dass das charakteristische Polynom einer reellen (3 × 3)-Matrix in Linearfaktoren zerfällt. Was könnte nun auf dem Weg der Diagonalisierung alles schief gehen?

Kapitel 8. Mutig neuen Maßeinheiten eine Chance geben: Gegeben sei die Diagonalmatrix mit den Einträgen 1, 3 und 5. Berechnen Sie die Länge des Vektors v = IMG bezüglich des durch diese Diagonalmatrix A induzierten Skalarproduktes: IMGu,wIMGA := ut A w.

Kapitel 9. Mit den neuen Maßen Altes neu erleben: Seien e1 und e2 die ersten beiden Einheitsvektoren im standard-euklidischen Raum 3. Wie wirkt sich das Gram-Schmidtsche Orthonormalisierungsverfahren auf diese beiden Vektoren zusammen mit dem Vektor v der vorhergehenden Aufgabe aus? Beantworten Sie diese Frage einmal bezüglich des Standardskalarproduktes und einmal bezüglich des in der vorhergehenden Aufgabe betrachteten Skalarproduktes.

Kapitel 10. Können Sie dem Gedanken folgen? Geben Sie die Ebene E an, so dass der Vektor v aus den beiden vorhergehenen Aufgaben im Kern der Projektion auf E liegt.

Kapitel 11. Genau lesen lernen und dann mit Hilfe der Mathematik die Antwort geben: Können Sie begründen, weshalb die Determinante einer symmetrischen Matrix über gleich dem Produkt der Eigenwerte ist?

Kapitel 12. Wenn man die Begriffe kennt, ist es ganz leicht: Wenn beim nächsten Telefonat mit Ihrer Mutter die Frage im Raum steht, ob es trigonalisierbare, aber nicht-diagonalisierbare Matrizen gibt was antworten Sie?

Kapitel 13. Andere Darstellungsform, gleiche Fragestellung auch die gleiche Antwort? Überraschen Sie mit einer Gegenfrage: Kennen Sie eine nicht-diagonalisierbare (2 × 2)-Matrix, die in eine Jordanform transformiert werden könnte?

Kapitel 14. Charakteristisch oder minimal: Das Polynom ist hier gefragt! Überlegen Sie sich, welche Auswirkung Ihre Matrixwahl auf das Minimalpolynom der Matrix in der vorhergehenden Aufgabe hat.

Kapitel 15. Der Partystar die königliche Darstellungsform feiern: Geben Sie eine Strategie zur Bestimmung der Jordanbasis und Jordanform für die Matrix aus den vorhergehenden beiden Aufgaben an.

LÖSUNGEN DER AUFGABEN DES EINSTIEGSTESTS

1. Sei f : V W eine lineare Abbildung. Dann gilt per Definition:
IMG
Es sind die drei Unterraumbedingungen zu untersuchen:
  • Wegen f(0) = 0 ist der Kern nicht leer.
  • Es ist die Abgeschlossenheit bezüglich der Vektoraddition zu prüfen.
    Wenn also u,v Kern(f ), so auch u + v Kern(f ):
    IMG
    Ich überlasse es Ihnen, sich zu überlegen, weshalb die einzelnen Gleichheitszeichen gelten.
  • Es ist noch die Abgeschlossenheit bezüglich der Skalarmultiplikation zu prüfen. Wenn nun v Kern(f ) und λ K, so gilt λv Kern(f ):
    IMG
2. Sei C = (v1,v2) die Basis, wobei v1 ein Vektor auf der Spiegelachse und v2 der Vektor senkrecht dazu ist. Dann gilt für die Spiegelung f :
IMG
In der darstellenden Matrix stehen dann spaltenweise die Bilder der Basis C, und das jeweils in den Koordinaten bezüglich der Basis C selbst. Somit gilt:
IMG
3. Sei f die betrachtete Drehung. Wir nutzen die Idee aus dem Dimensionssatz aus dem Buch Schnellkurs Lineare Algebra diese Antwort wird aber auch ohne große Erinnerung verständlich werden: Dort wurde eine Basis des Kerns von f genommen und zu einer Basis des Gesamtraums ergänzt. Der Kern ist hier trivial, so dass unsere Startbasis auch einfach die kanonische Basis B = (e1,e2) sein kann. Die Zielbasis erhalten wir nun, indem wir einfach die Bilder von B nehmen: Somit sei C = (v1,v2), wobei:
IMG
Dann ist wie gewünscht: DM(f ) = IMG = IMG = E2.
4. Drehungen haben im Allgemeinen keine Hauptachsen, also keine Eigenwerte und -vektoren, da bei den (allgemeinen) Drehungen die Richtungen der Ausgangsvektoren und Bildvektoren verschieden sind es sei denn, die Drehung ist trivial: Wenn wir um ein Vielfaches von π drehen, wird der Vektor entweder in der Richtung umgekehrt (ungerade Vielfache von π) oder auf sich selbst abgebildet (gerade Vielfache von π). Im ersten Fall haben wir den Eigenwert λ = -1 und im zweiten Fall den Eigenwert λ = 1. Insofern gibt es zwar Drehungen mit Eigenwerten, aber nur die eher langweiligen.
5. Der Gauß-Algorithmus kann sogar sehr nützlich sein: Determinanten ändern ihr Vorzeichen beim Tauschen von Zeilen oder Spalten. Wird eine Zeile mit einem Skalar multipliziert, so wird die Determinante um das gleiche Vielfache verändert. Wird dagegen ein Vielfaches einer (Arbeits-)Zeile zu einer anderen Zeile addiert, wobei die multiplizierte Arbeitszeile beibehalten wird, so ändert sich die Determinante nicht!
Durch solche Matrizenmultiplikationen mit Buchführung der Veränderungen können Sie jede noch so große Matrix zunächst auf eine Zeilestufenform bringen. Anschließend lässt sich die Determinante der Zeilenstufenform (aufgefasst als eine obere Dreiecksmatrix) sehr leicht als Produkt der Hauptdiagonalen berechnen.
6. Die Spiegelung an der Geraden, die mit der x-Achse im mathematisch positiven Sinne den Winkel IMG bildet, hat die folgende darstellende Matrix:
IMG
Das charakteristische Polynom berechnet sich wie folgt:
IMG

Die Nullstellen dieses Polynoms sind daher gerade λ1 = 1 und λ2 = -1. Damit gibt es zwei verschiedene Eigenwerte, die mindestens (aber in dieser Situation auch höchstens) je einen eindimensionalen Eigenraum nach sich ziehen. Zusammen bilden bereits je ein Basisvektor pro Eigenraum eine Gesamtbasis des 2, bezüglich derer die darstellende Matrix eine Diagonalgestalt besitzt, da bei beiden Eigenwerten die algebraische gleich der geometrischen Vielfachheit ist.
7. Bei einer (3 × 3)-Matrix können drei verschiedene Eigenwerte zum Vorschein kommen oder es gibt genau eine problematische mehrfache Nullstelle des charakteristischen Polynoms. Im ersten Fall ist die Matrix sofort diagonalisierbar. Im zweiten Fall muss nur der Eigenwert λ näher angeschaut werden, dessen algebraische Vielfachheit größer als eins ist also gleich zwei oder gleich drei ist. In diesem Fall muss nur der Eigenraum dieses Eigenwertes λ betrachtet werden. Ist dieser dann ebenfalls zwei- beziehungsweise dreidimensional (entsprechend der algebraischen Vielfachheit von λ), dann ist die Matrix diagonalisierbar. Anderenfalls fehlen Eigenvektoren, um eine Basis des 3 zu erhalten.
8. Die Länge eines Vektors im euklidischen Raum ist die Wurzel aus dem Skalarprodukt mit sich selbst dies gilt ebenso für standard als auch nicht-standard euklidische Räume:
IMG

Somit gilt für die Länge des Vektors in diesem Raum: ||v||A  =  IMG  =  3.
9. Es geht hier um die Vektoren v1 := e1, v2 := e2 und v3 := v, wobei v wie auch die Matrix A aus der vorhergehenden Aufgabe stammen. Im standard-euklidischen Raum ändern sich die ersten beiden Vektoren während des Gram-Schmidtschen Verfahrens nicht. Beim dritten Vektor werden die Anteile von v1 und v2 abgezogen, die jeweils genau einmal darin enthalten sind, und so klappt der dritte Vektor stur auf die z-Achse und ist normiert e3.
Wird das durch A verzerrte Skalarprodukt genommen, lässt sich leicht nachrechnen, dass die Vektoren ihre Richtungen ebenfalls nicht ändern. Während der Normierung tritt dagegen im Falle von v2 und v3 aufgrund der Einträge auf der Hauptdiagonalen in der Matrix wirklich ein Unterschied auf.
10. Im Kern der Projektion auf die gesuchte Ebene E liegen all die Vektoren, die durch diese Abbildung dem Nullvektor zugeordnet werden. Das sind genau die Vektoren, die senkrecht zu E stehen. Wenn nun v ein solcher Vektor ist, dann steht v senkrecht zu E. Nach Analyse der Dimensionen ist somit die Ebene E das orthogonale Komplement zur Menge {v}, so dass gilt:
IMG
11. Reell-symmetrische Matrizen haben nur reelle Eigenwerte und sind diagonalisierbar. Die Determinante ändert sich beim Basiswechsel nicht. Außerdem ist die Determinante einer Diagonalmatrix einfach nur das Produkt der Elemente auf der Hauptdiagonalen, auf der nach dem Diagonalisieren eben genau die Eigenwerte stehen.
12. Trigonalisierbar sind alle Matrizen, deren charakteristische Polynome in Linearfaktoren zerfallen. Für das Diagonalisieren müssen zusätzlich pro Eigenwert noch die algebraischen und geometrischen Vielfachheiten übereinstimmen. Daher erfüllt die folgende Matrix die gewünschten Bedingungen:
IMG
Hierbei ist die algebraische Vielfachheit des Eigenwerts λ = 1 gleich 3, die geometrische allerdings nur gleich 2.
13. Eine Jordanform ist stets erreichbar, sobald das charakteristische Polynom vollständig in Linearfaktoren zerfällt. Eine nicht-diagonalisierbare (2 × 2)-Matrix mit einem doppelten Eigenwert, aber nur eindimensionalem Eigenraum ist dann beispielsweise gegeben durch: A = IMG .
14. Für die Matrix A = IMG aus der vorhergehenden Lösung gilt für das charakteristische Polynom:
IMG
Die Potenz k0 von (1 - λ) innerhalb des Minimalpolynoms
IMG
kann aufgrund von pA(λ) entweder 1 oder 2 sein, da in diesem Fall 1 k0 2 gelten muss. Da nun nach der Theorie die Dimension des iterierten Kerns
IMG
15. gerade die algebraische Vielfachheit des Eigenwerts 1 sein muss, gilt k0 = 2: Wäre nämlich k0 = 1, so ist U nichts anderes als der Eigenraum E(1) selbst, der aber wegen des Mangels an Diagonalisierbarkeit von A nicht die Dimension 2 haben kann. Somit stimmen beide Polynome überein: pA = μA.
16. Die Jordanform ist bereits mit der Matrix A dargestellt. Die Eigenwerte stehen auf der Hauptdiagonalen und es gibt eine Eins auf der Nebendiagonalen. Damit ist die kanonische Basis selbst schon die gesuchte Jordanbasis.
Im Allgemeinen suchen Sie hier eine Jordankette zu dem einen Eigenwert 1. Diese Kette starten Sie mit einem Vektor v2 aus der Menge
IMG
Der Kette folgend bilden Sie dann: v1 = (A - E2) v2.
Hier ist (A - E2)2 gleich der Nullmatrix und damit der Kern ganz 2. Der Eigenraum dagegen wird durch den Vektor e1 aufgespannt. Daher erfüllt v2 = e2 die gesuchte Bedingung und wir setzen:
IMG
Die Mathematik gibt uns den Rest: Die Transformationsmatrix ist in der Tat die Einheitsmatrix.

Wenn Sie nicht all diese Aufgaben in allen Finessen einfach so lösen konnten oder meine Lösungen nicht in allen Details verstanden haben, dann ist das Buch genau richtig für Sie.

Blättern Sie weiter und folgen Sie mir wir gehen es Schritt für Schritt gemeinsam durch ...

Über den Autor

Dr.Thoralf Räsch studierte Mathematik und Informatik an der Humboldt-Universität zu Berlin und promovierte anschließend an der Universität Potsdam im Bereich der Mathematischen Logik. Zurzeit ist er Akademischer Oberrat am Mathematischen Institut der Universität Bonn und unterrichtet dort seit vielen Jahren Mathematik in verschiedenen Bachelorstudiengängen der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät. Außerdem engagiert er sich schon seit mehr als einem Jahrzehnt in verschiedenen Projekten für Schülerinnen und Schüler zunächst aus dem Berliner und später Bonner Raum, in denen auf unterschiedlichem Niveau begeisternd in die Welt der Mathematik eingeführt wird. Nicht zuletzt durch Erfahrungen in Kursen der Volkshochschule kennt er so die mathematischen Wünsche, aber auch die Ängste von Jung und Alt und zeigt in seinen Projekten, dass Mathematik auch Spaß bereiten kann. Diese Projekte und seine Bücher sind inhaltlich stets verständlich und unterhaltsam motivierend angelegt, um potentielle Ängste gegenüber der Mathematik abzubauen.

Danksagung

Das Buch basiert auf meinem Vorlesungsmanuskript zur Linearen Algebra, das in den letzten zehn Jahren stetig erweitert wurde. Daher bin ich dem Bonner Fachbereich Mathematik für die Möglichkeit dankbar, durch meine Lehre das Manuskript in Hinblick auf das im Buch angesprochene Zielpublikum immer weiter optimieren zu können: Dies sind vor allem Studierende der Physik, Informatik und des Lehramts Mathematik samt der eingebauten Anwendungen für Studierende der Naturwissenschaften und Ingenieurswissenschaften. Dies alles zeichnet nun dankenswerterweise beide Schnellkursbücher Lineare Algebra und Lineare Algebra II aus.

Ich danke insbesondere allen meinen Studierenden der letzten Jahre, die mich mit ihren hilfreichen Fragen und Kommentaren enorm inspirierten und so viele Details ins Buch einfließen ließen. Nicht weniger danke ich meinen Kolleginnen und Kollegen, die direkt oder auch nur indirekt Passagen des Manuskriptes gewinnbringend beeinflußten; exemplarisch möchte ich hier die sehr geschätzten Herren Kollegen Joachim Gräter, Peter Koepke und Michael Welter nennen.

Weiterhin danke ich der Lehramtsstudentin Christiane Langel, vor allem für ihre überdurchschnittlich professionelle und detailverliebte penible Umsetzung meiner Abbildungswünsche sowie für das Korrekturlesen eines Großteils des Buches. Vor allem das tapfere Durcharbeiten meiner Lösungen im letzten Kapitel hat sie viel Kraft gekostet. Ihre unermütliche Zuarbeit trägt im besonderen Maße zur Qualität und dem Lesevergnügen des Buches bei.

Ich danke darüber hinaus den drei Lehramtstudierenden Roman Kiriljuk, Jessica Rolauf und Britta Schmidt meiner Kurse aus den Jahren 2013/14 für das enorm nützliche Korrekturlesen jeweils des gesamten Buches. Sie alle haben dankenswerterweise und durch ihre Korrekturen in Quantität und Qualität unglaublich dazu beigetragen, dass viele mögliche Problemstellen erst gar nicht problematisch wurden, sondern bereits im Keim erstickt werden konnten. Ihre sehr fleißig erstellten und in ihrer Genauigkeit mich immer wieder beeindruckenden Anmerkungen halfen mir darüber hinaus, den Lesefluss noch einmal zu verbessern.

Nicht zu vergessen mögen die lieben Menschen sein, die bereits im Vorfeld das Vorlesungsskript positiv beeinflusst haben. An dieser Stelle danke ich für ihren jeweiligen besonderen Einsatz den drei Mathematikern Anika Markgraf-Smith, Angel Koutev und Robert Kucharczyk sowie den folgenden (damaligen) Studierenden: Lea Krüger, Cina Razzaghi, Roman Schmitz, Ruben Sparka, Anja Stein, Martin Üding und Frank Zickenheiner.

Des Weiteren möchte ich auch einmal mehr bei diesem Projekt meinem Lektor, Herrn Marcel Ferner, für die professionelle, hilfreiche und sehr angenehme Unterstützung bei der Umsetzung dieses Projektes danken.

Last but not least: Ich danke den Dreien in der Vier für die letzten fünf schönen Jahre.

Th.R.

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Schnellkurs Lineare Algebrawas bisher geschah...

In diesem Kapitel

Es freut mich, dass Sie noch mehr über lineare Algebra lernen möchten. Sie haben im Titel lesen können und ich hoffe, ich erschrecke Sie jetzt dabei nicht , dass es sich bei diesem Buch um einen zweiten Teil handelt. Es handelt sich um die inhaltliche Fortsetzung des ersten Teils:

Schnellkurs Lineare Algebra.

Das bedeutet zum einen, dass dieses Buch zwar erneut modular geschrieben wurde, so dass Sie hin- und herblättern können und ich Sie sogar dazu verstärkt ermutigen möchte. Das bedeutet aber auf der anderen Seite eben auch, dass ich inhaltlich das Wissen aus dem ersten Teil voraussetzen werde und auch nicht darum herum komme. Dafür ist dort bereits (thematisch) sehr viel passiert.

Wenn Sie das erste Buch gelesen haben, dann können Sie stolz sein, dass Sie nun einen Gesamtbogen schlagen können, um drei scheinbar völlig unterschiedliche Welten miteinander zu verbinden:

Folgen Sie mir noch einmal in die Vergangenheit und prüfen Sie, ob Sie die wesentlichen Punkte verstanden haben und blättern Sie mit mir etwas durch den ersten Teil des Buches ... Im ersten Kapitel finden Sie einen Überblick über die Zahlbereiche. Ich führe Sie in die Konstruktionsideen der Zahlen ein: Startend von den natürlichen Zahlen mit ihren grundlegenden Eigenschaften, entwickeln wir die ganzen Zahlen und können plötzlich subtrahieren, lernen die rationalen Zahlen mit der Bruchrechnung und dann noch die reellen Zahlen, die insbesondere die irrationalen Zahlen wie π oder IMG in sich tragen. Dies ist in Abbildung 1.1dargestellt.

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Abb. 1.1 Die Zahlbereiche im Vergleich

Außerdem erlernen Sie im ersten Kapitel grundlegende Techniken, wie den Umgang mit Variablen, dem Summenzeichen oder mit Funktionen. Sie lernen zwischen notwendigen und hinreichenden Bedingungen zu differenzieren nehmen daher auch den Unterschied zwischen einer Implikation und einer Äquivalenz wahr. Im zweiten Kapitel geht es um die logischen Grundlagen der Mathematik. Hier lernen Sie Mathematik als formale Sprache kennen. Ja genau, Sie lernen Mathematik lesen und schreiben ein bisschen Grammatik, ein bisschen Rechtschreibung. Dieses Bewusstsein ist wichtig, um Mathematik in der Praxis korrekt anzuwenden. Beachten Sie, dass Sie kein Mathematik-Poet werden sollen, aber Sie müssen sich gewissermaßen ausdrücken und verständlich machen können. Und fast noch wichtiger: Sie müssen die Antwort verstehen, die man Ihnen mathematisch gibt.

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A B A C (A B) (A C)

Abb. 1.2 Darstellung von (A B ) (A C )

So lernen Sie im zweiten Kapitel, mit Mengen umzugehen und diese darzustellen. Siehe dazu auch Abbildung 1.2. Sie lernen die Worte und Sätze in der mathematischen Sprache. Außerdem unterhalten wir uns kurz über unendliche Mengen und grundlegende Beweistechniken in der Mathematik. Ein bunter großer Werkzeugkasten für die große weite Welt der Mathematik steht Ihnen zur Verfügung. Im dritten Kapitel schauen wir uns Arbeitstechniken rund um das Thema lineare Gleichungssysteme an. Ich zeige Ihnen zunächst an einfachen Beispielen, wann Gleichungen der Form ax = b, aber auch ax2 + bx + c = 0 allgemein lösbar sind und wie ihre Lösungsmengen aussehen: Ja, ich weiß, dass Sie solche Gleichungen schon längst lösen können. Hier geht es also darum, Lösungsmengen allgemein mathematisch korrekt herzuleiten.

Beispiel 1.1

Im ersten Teil des Schnellkurses haben wir lineare Gleichungssysteme der Form Ax = b über einem Körper IMG betrachtet und diese in die so genannte Zeilenstufenform mittels des Gaußschen Algorithmus überführt:

a1j(1)xj(1)+ + + a1mxm = b1
a2j(2)xj(2)+ + + a2mxm = b2
IMG IMG
aij(i)xj(i) + + aimxm = bi

Hierbei sei i n und a1j(1),a2j(2),…,aij(i) die Pivot-Koeffizienten, auch Pivot-Elemente genannt, die alle ungleich null sein sollen. Die Lösungsmenge sieht dann wie folgt aus:

Lös(A,b) = IMG(x1,…,xm) ∈ IMGm|fürk = 1,…,i gilt
xj(k) = IMGIMGbk - l=j(k)+1ma klxlIMGIMG.

Am Ende des dritten Kapitels gehe ich auf den legendären Gauß-Algorithmus zum Lösen von linearen Gleichungen ein, wie Ihnen das Beispiel schon suggeriert. Und natürlich üben wir das, denn dieser Algorithmus entschärft beliebig große lineare Gleichungssysteme.

Tipp

In meinen Vorlesungen bemerke ich nicht selten, dass eingefahrene Muster aus Ihrem früheren (Schul-)Leben teilweise nur noch sehr schwer zu ändern sind. Manchmal ist es selbst der Gauß-Algorithmus, der anfangs fast schon sabotiert wird, so dass auch bei großen Systemen mit fünf oder mehr Unbekannten doch wieder auf das Einsetzungsverfahren etc. zurückgegriffen wird. Warum? Keine Ahnung. Nehmen Sie Gauß! Das ist eine gute Antwort, die viel Rechenärger erspart.

Im vierten Kapitel lernen Sie mehr über Vektorräume. Siehe dazu Abbildung 1.3. Allerdings geht die Einführung über Ihr Schulwissen hinaus. Ich führe dort Vektorräume ganz abstrakt ein, so dass nicht nur der Pfeil im ebenen Koordinatensystem, sondern auch gleich ganze Funktionenräume als Vektorräume aufgefasst werden können. Das ist gewöhnungsbedürftig und braucht seine Zeit, um verdaut zu werden. Pfeile sind nicht immer nur die einzigen Vektoren, manchmal sind eben auch Polynome im Polynomraum selbst die Vektoren.

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Abb. 1.3 Vier Vektoren im IMG2

Im letzten Teil des vierten Kapitels führe ich besonders praktische Teilmengen von Vektoren ein, so genannte Untervektorräume. Diese sind nicht leer und abgeschlossen unter den Vektorraumoperationen. Somit merken Vektoren in diesen (Teil-)Welten gar nicht, dass es vielleicht noch mehr da draußen gibt, denn Ihre Reichweite an Operationen reicht nicht aus, um über den Tellerrand zu schauen. Interessante Sichtweise, oder?

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sich schneidend parallel zueinander
     
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identisch windschief

Abb. 1.4 Die (Lage-)Beziehung zweier Geraden

Im fünften Kapitel wiederholen und konkretisieren wir unser Wissen rund um Punkte, Geraden und Ebenen im dreidimensionalen reellen Raum. Wir analysieren diese Objekte anhand von verschiedenen Gleichungsarten und Verfahren, damit wir sie für unsere Zwecke geeignet manipulieren können. Insbesondere werden Lagebeziehungen von Geraden und Ebenen untereinander diskutiert und praktisch berechnet. Siehe dazu exemplarisch Abbildung 1.4.

Im sechsten Kapitel fängt man leicht an zu Schwitzen, weil ich etwas an Ihrem (mathematischen) Boden wackle. Wir sprechen über Gruppen, Ringe und Körper. Falls es nun nicht bei Ihnen Klick macht, sollten Sie auf jeden Fall noch einmal hineinschauen. Ich zeige Ihnen, unter welchen Umständen 0 = 1 gelten kann und was diese Gleichung überhaupt bedeuten kann. Hier lernen Sie relativ zu denken, das heißt zu überlegen, was in welchen Strukturen möglich ist und was eben auch nicht.

Beispiel 1.2

Mein Lieblingssatz in einem (kommutativen) Ring mit Eins ist übrigens der, dass das additiv Inverse des Einselements mit sich selbst multipliziert gerade das Einselement selbst ist, also nichts anderes als: (-1) ⋅ (-1) = 1. Oder Sie überlegen sich, weshalb eigentlich in einem solchen Ring gilt: 0 ⋅ λ = 0. Diese Gleichung lässt sich allgemein wie folgt beweisen:

0 ⋅ λ  =  λ ⋅ 0 (Kommutativität der Multiplikation)   =  λ ⋅ 0 + 0 (Neutrales Element der Addition)   =  λ ⋅ 0 + (λ ⋅ 0 + (-(λ ⋅ 0))) (Inverses Element der Addition)   =  (λ ⋅ 0 + λ ⋅ 0) + (-(λ ⋅ 0)) (Assoziativität der Addition)   =  λ ⋅ (0 + 0) + (-(λ ⋅ 0)) (Distributivität)   =  λ ⋅ 0 + (-(λ ⋅ 0)) (Neutrales Element der Addition)   =  0 (Inverses Element der Addition)

Am Ende des Kapitels zeige ich Ihnen eine praktische Rechenanwendung mit den Resten der Division von ganzen Zahlen. Die so genannte Modulo-Rechnung taucht im täglichen Leben öfter auf, als Sie vielleicht glauben mögen: Wie selbstverständlich stehen Sie nach acht Stunden Schlaf morgens um sechs Uhr auf, wenn Sie abends um 22 Uhr ins Bett gegangen sind Sie rechnen modulo der Zahl 24. Dann ist nämlich 22 + 8 = 6. Dies sind gleichzeitig auch echte Anwendungen von endlichen Körpern. (Beachten Sie: Die typischen Körper, die Ihnen so vor die Nase kommen, wie die reellen oder komplexen Zahlen, sind unendlich groß.)

Im siebten Kapitel führe ich den Körper der komplexen Zahlen ein. Wir lernen jenseits der reellen Zahlen zu rechnen, indem wir auch Wurzeln aus negativen Zahlen ziehen können. Das ist neu und führt zu interessanten Eigenschaften: So haben alle nicht-konstanten Polynome plötzlich immer Nullstellen diese sind allerdings womöglich imaginär.

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Abb. 1.5 Multiplikation zweier komplexer Zahlen z1 z2

Ich stelle die beiden Darstellungsformen der komplexen Zahlen nämlich als zweidimensionale Vektoren mit reellen Einträgen und durch die legendären Polarkoordinaten gegenüber. Zur Darstellung der Multiplikation mittels der Polarkoordinaten siehe auch Abbildung 1.5. Am Ende gebe ich noch einen kleinen Ausblick in die Welt jenseits der bereits sehr mächtigen komplexen Zahlen: Wir sprechen über Quaternionen und Oktonionen. Dies aber auch nur ganz kurz, um Ihnen zu zeigen, was in der Mathematik alles so möglich ist und worüber sich Physiker in der Quantenphysik freuen. Im achten Kapitel sprechen wir über hilfreiche Überlebenstaktiken im Umgang mit Vektorräumen. Damit Sie dort nicht untergehen, brauchen Sie Werkzeuge, um Vektoren in ihrem natürlichen Lebensraum analysieren zu können: Wir sprechen über Basen und warum diese überhaupt (allgemein) existieren. Des Weiteren sehen wir, dass man Vektoren verschiedener Basen gegenseitig austauschen und Mengen linear unabhängiger Vektoren zu Basen ergänzen kann.

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Abb. 1.6 Basen als Optimum zweier Begriffe

Um Basen zu verstehen, müssen Sie unbedingt verstanden haben, was hinter den Begriffen von Erzeugbarkeit und linearer Unabhängigkeit steckt: In meinen Vorlesungen spüre ich an dieser Stelle oft ein trügerisches Scheinverständnis, was Sie unbedingt abgelegt haben sollten. Betrachen Sie dazu auch Abbildung 1.6. Mit solchen Analysen wird außerdem auch klar, weshalb ein Vektorraum zwar verschiedene Basen haben kann, wohl aber nur eine (eindeutige) Dimension als die Anzahl der Elemente einer Basis! Im neunten Kapitel sprechen wir über Abbildungen zwischen Vektorräumen, die Vektoren anderen Vektoren linear zuordnen: Linearität bedeutet, dass das Bild der Summe von zwei Vektoren gleich der Summe der Bilder dieser Vektoren ist. Analoges gilt für das Skalieren von Vektoren. Wir führen zur Analyse solcher Abbildungen Kerne und Bilder ein und erkennen, dass diese Unterräume sind. Siehe dazu auch Abbildung 1.7.

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Abb. 1.7 Kern und Bild einer linearen Abbildung

In diesem Kapitel gibt es ein mathematisches Feuerwerk nach dem anderen: Wir erkennen, dass lineare Abbildungen, nur auf einer Basis des Urbildraumes angegeben, bereits wohldefiniert und dadurch schon eindeutig sind. Außerdem sind n-dimensionale IMG-Vektorräume sofort zum IMGn isomorph. Und schließlich haben wir den Dimensionssatz, auch Bild-Kern-Satz genannt, der besagt, dass Rang plus Defekt einer linearen Abbildung gleich der Dimension des Urbildraumes ist.

Im zehnten Kapitel lernen wir die Welt der Matrizen kennen. Matrizen werden als schematische und auf das wesentliche konzentrierte Darstellungen von Homomorphismen motiviert. Wir erkennen, dass es für jeden Homomorphismus genau eine darstellende Matrix gibt. Diese Bijektion zwischen den beiden Welten können wir zu einem Isomorphismus erweitern: Dazu haben wir die Addition und Skalarmultiplikation für Matrizen eingeführt sowie anschließend noch die Matrizenmultiplikation als Pendant zur Hintereinanderausführung von Abbildungen. Siehe dazu auch Abbildung 1.8. Am Ende des Kapitels führen wir die Inverse einer Matrix ein, sofern diese existiert.

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Abb. 1.8 Isomorphismus zwischen den Welten: lineare Abbildungen und Matrizen

Im elften Kapitel zeige ich Ihnen Anwendungen der Matrizentheorie: Zunächst überlegen wir uns, wie die darstellenden Matrizen von Spiegelungen und Drehungen in der reellen Ebene aussehen. Siehe dazu beispielsweise eine Analyse der Winkel beim Spiegeln des zweiten Einheitsvektors in Abbildung 1.9. Anschließend befassen wir uns kurz mit den so genannten Überführungsmatrizen in allgemeinen Produktionsprozessen.

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Abb. 1.9 Spiegelung des zweiten Einheitsvektors an der gegebenen Spiegelgeraden

Am Ende des Kapitels befassen wir uns mit den so genannten elementaren Umformungen, die Sie aus dem Gauß-Algorithmus kennen. Für solche Gauß-Operationen führen wir jeweils eine passende Matrix ein, die eine beliebige Matrix mittels Linksmultiplikation derart manipuliert, wie Sie es auch per Gleichungsumformung getan hätten, wäre diese Matrix eine Koeffizientenmatrix eines linearen Gleichungssystems. Das brauchen wir im letzten Kapitel für das Invertieren von Matrizen. Im zwölften Kapitel schließen wir den Bogen und ernten die Früchte der Analyse aus dem gesamten Buch: Wir interpretieren die Koeffizienten in einem linearen Gleichungssystem als Matrix, Matrizen als lineare Abbildungen und Homomorphismen durch ihre Darstellungen als Matrizen. Wir wandeln zwischen den Welten umher und wählen eine, je nachdem welche gerade besser passt und unser Problem schneller löst.

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Abb. 1.10 Um einen Vektor verschobene Unterräume: Affine Unterräume

Insbesondere befassen wir uns mit der Geometrie von Lösungsmengen, homogener und inhomogener linearer Gleichungssysteme: Wolken und Luftballons mit Wolken um den Koordinatenursprung als Metapher für die Unterräume, die Lösungsmengen von homogenen Systemen darstellen. Und mit Luftballons als am Nullpunkt verankerte, aber um einen Vektor verschobene Unterräume, die gerade den Lösungsmengen von inhomogenen Gleichungssystemen entsprechen. Solche geometrischen Luftballons sehen Sie auch in Abbildung 1.10. Schließlich lernen Sie mithilfe der elementaren Umformungen und mit den ganzen Sätzen aus dem Vollen schöpfend, wie man algorithmisch und ganz praxisnah Matrizen mittels des Gauß-Algorithmus invertieren kann.

Das war’s und bitte nehmen Sie diese Gedanken ernst. Hier ist eine Menge Theorie enthalten, die Sie für diesen zweiten Teil benötigen. Ich werde, falls es mir nötig erscheint, direkte Verweise auf den ersten Teil angeben, damit Sie genau wissen, wo Sie Lücken nachlesen können.

Sie fühlen sich gut? Sind bereit, mehr lineare Algebra zu lernen und wollen endlich Eigenwerte berechnen, Matrizen diagonalisieren, trigonalisieren oder deren Jordanform bestimmen? Ebenso möchten Sie später in allgemeinen Vektorräumen Längen und Winkel messen, wie auch schon in der reellen Ebene? Sehr gut. Dann können Sie beruhigt weiterlesen.

Aufgabe 1.1

Beschreiben Sie geometrisch alle Unterräume des IMG3.

Aufgabe 1.2

Geben Sie im Vektorraum der reellen Polynome eine Darstellung des Polynoms p(x) = 2x3 + x - 5 als Linearkombination der folgenden Vektoren an:

q1(x) = 2, q2(x) = x2 + x, q 3(x) = 4x3 - 7, q 4(x) = 3x2 + 4,
q5(x) = 2x4 - 3x3 + 1.

Aufgabe 1.3

Es sei (e1,e2,e3) die kanonische Basis des IMG3. Für ein fest gewähltes a IMG sei fa : IMG3IMG3 die durch die Vorschrift

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definierte lineare Abbildung. Berechnen Sie den Rang und den Defekt von fa.

Aufgabe 1.4

Betrachten Sie die beiden folgenden Vektoren

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Zeigen Sie, dass es unendlich viele lineare Abbildungen f : IMG4-→IMG2 gibt, die die Bedingungen f (v1) = IMG und f (v2) = IMG erfüllen.

Aufgabe 1.5

Bestimmen Sie die darstellende Matrix DM(F) für die lineare Abbildung F : Pol2(IMG) →Pol2(IMG), wobei Pol2(IMG) die Menge der Polynome vom Grade höchstens 2 (als Abbildungen) mit reellen Koeffizienten und der Unbekannten x bezeichnet. Die Standardbasis dieses Raumes, bestehend aus den Monomen, könnte hier nützlich sein. Die Abbildung ist bereits eindeutig beschrieben durch:

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Aufgabe 1.6

Bestimmen Sie, für welche Parameter s,t IMG die folgenden Matrizen invertierbar sind (und warum). Berechnen Sie gegebenenfalls die inversen Matrizen.

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Aufgabe 1.7

Gegeben sei die Matrix

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(a) Bestimmen Sie die Dimension der Lösungsmenge des homogenen linearen Gleichungssystems (A, 0).
(b) Geben Sie Rang und Defekt der Matrix A an.
(c) Ist die lineare Abbildung A injektiv? Ist sie surjektiv?

Auf einen Blick

  • Kapitel 1: Zahlbereiche und die mathematische Grundsprache
  • Kapitel 2: Mathematik als Sprache logisch betrachtet
  • Kapitel 3: Von linearen Gleichungssystemen zum Gauß-Algorithmus
  • Kapitel 4: Vektorräume axiomatisch einführen
  • Kapitel 5: Punkte, Geraden und Ebenen im dreidimensionalen reellen Raum
  • Kapitel 6: In Gruppen, Ringen und Körpern formal rechnen lernen
  • Kapitel 7: Mit komplexen Zahlen rechnen und Wurzeln aus negativen Zahlen ziehen
  • Kapitel 8: Linearkombinationen, Basen und Dimensionen in Vektorräumen bestimmen
  • Kapitel 9: Den Dimensionssatz für lineare Abbildungen sowie den Isomorphiesatz für die Pfeilwelten zu schätzen lernen
  • Kapitel 10: Mit Matrizen rechnen und diese als lineare Abbildungen erkennen lernen
  • Kapitel 11: Drehungen und Spiegelungen als Matrix zu analysieren lernen
  • Kapitel 12: Der Wandel zwischen den drei Welten: Lineare Gleichungssysteme, Matrizen und lineare Abbildungen