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EINSTIEGSTEST

Kapitel 1: Was „macht“ ein Prozess?

Kapitel 2: Welche Ziele verfolgt das Prozessmanagement?

Kapitel 3: Aus welchen Phasen besteht das Prozessmanagement?

Kapitel 4: Welche Elemente eines Prozesses sollten für eine vollständige Prozessdokumentation erhoben und dokumentiert werden?

Kapitel 5: Was sind gängige Methoden der Prozessdokumentation?

Kapitel 6: Mit welcher Methoden lassen sich Prozesse kostenmäßig bewerten?

Kapitel 7: Durch welche Maßnahmen lassen sich Prozesse beschleunigen?

Kapitel 8: Bei welchem Ansatz zur Prozessgestaltung erfolgt ein fundamentales Umdenken und eine radikale Neugestaltung von Geschäftsprozessen?

Kapitel 9: Welcher Top-Erfolgsfaktor sollte unbedingt erfüllt sein, um Prozessverbesserungen wirkungsvoll umzusetzen?

Kapitel 10: Welche Schritte sind durchzuführen, um Risiken zu beurteilen?

LÖSUNGEN ZUM EINGANGSTEST

Kapitel 1: Ein Prozess transformiert einen oder mehrere definierte Inputs in einen oder mehrere definierte Outputs.

Kapitel 2: Prozessmanagement soll zu Transparenz innerhalb der gesamten Prozessstruktur, aber auch zu Einsparung von Kosten, Verbesserung der Qualität und Steigerung der Kundenzufriedenheit führen. Daneben soll Prozessmanagement auch die Einführung einer prozessorientierten Organisation sowie von Automatisierungstechnologien oder IT-Anwendungen unterstützen.

Kapitel 3: Prozessmanagement besteht aus den Phasen Prozessstrategie, Prozessdokumentation, Prozessoptimierung, Prozessumsetzung, Prozessdurchführung und Prozesscontrolling.

Kapitel 4: Für eine vollständige Prozessdokumentation sollten Sie erheben und dokumentieren: die Prozessbezeichnung, den Prozessauslöser, den Output, den oder die Kunden, den Input, den oder die Lieferanten, die Prozessbeschreibung, den oder die Prozessverantwortlichen, den oder die Prozessbeteiligten sowie relevante Prozesskennzahlen.

Kapitel 5: Gängige Methoden der Prozessdokumentation sind der Programmablaufplan oder das Flussdiagramm, ereignisgesteuerte Prozessketten (EPK), Business Process Model and Notation (BPMN), die Unified Modeling Language (UML), die Wertstromanalyse (WSA) und das Supply Chain Operations Reference Model (SCOR).

Kapitel 6: Für eine kostenmäßige Bewertung von Prozessen bietet sich die Prozesskostenrechnung an.

Kapitel 7: Prozesse lassen sich unter anderem dadurch beschleunigen, dass Teillose gebildet werden, dass Prozesse auf dem kritischen Pfad verbessert werden, dass Transport- und Wartezeiten reduziert werden, dass Rüstvorgänge verkürzt werden und dass Prozesse automatisiert werden.

Kapitel 8: Ein fundamentales Umdenken und eine radikale Neugestaltung von Geschäftsprozessen erfolgt beim Business Process Reengineering.

Kapitel 9: Um Prozessverbesserungen wirkungsvoll umzusetzen, sollten die Mitarbeiter eingebunden werden – oder: Betroffene sollten zu Beteiligten gemacht werden.

Kapitel 10: Die Schritte einer Risikobeurteilung sind Risikoidentifikation, Risikoanalyse und Risikobewertung.

Einleitung

Was Sie schon immer über Prozessmanagement wissen wollten

Wenn Sie bei einem der großen Online-Versandhändler ein Produkt bestellen, ist es häufig innerhalb von einem Werktag bei Ihnen. Zukünftig soll die Zustellung der Produkte sogar am Tag der Bestellung erfolgen; man spricht dann von same-day delivery. Für uns als Kunden ist das – zumindest unter Serviceaspekten – toll. (Oder warten Sie lieber doch länger?) Derartig kurze Lieferzeiten haben etwas mit Logistik zu tun – das wird Ihnen klar sein. Aber: Das Logistiksystem kann nur dann so gut und so schnell sein, wenn die zugrunde liegenden Prozesse genau aufeinander abgestimmt sind. Und diese Abstimmung von Prozessen, diese enge Verzahnung der Aktivitäten kommt nicht von alleine. Sie ist das Ergebnis eines strukturierten Ansatzes – dem Prozessmanagement.

Das Beispiel aus dem Online-Versandhandel ist ein besonders einleuchtendes und gleichzeitig positives Beispiel. Sie werden aber auch Fälle kennen, in denen Sie lange auf ein Produkt oder eine Dienstleistung warten mussten. Ohne öffentlichen Institutionen nahe treten zu wollen, sind doch Verwaltungseinrichtungen häufig Beispiel dafür, dass Prozesse lange dauern und umständlich gestaltet sind – oder zumindest umständlich erscheinen. Aus Kundenperspektive gilt dieser Eindruck teilweise auch für Krankenhäuser, deren Prozesse nicht immer schlank und einfach gestaltet sind.

Auch wenn diese Beispiele nicht umfassend sind, verdeutlichen sie doch einen Aspekt besonders gut: Wenn Prozesse nicht effizient gestaltet sind, führen sie aus Kundensicht oftmals zu Ärger oder Frust. Und sie führen, was wir als Kunden nicht sehen können, oftmals auch zu Mehrkosten. Wenn Prozesse dagegen gut gestaltet sind, dann läuft es rund. Das heißt: Als Kunden sind wir zufrieden, weil wir Produkte schnell erhalten, weil wir schnell bedient werden und weil das Ergebnis eines Ablaufs für uns stimmt. Versuchen Sie, wenn Sie Prozesse bewerten oder gestalten, sich also immer an den guten, den schlanken, den einfachen, den schnellen und den kostengünstigen Prozessen zu orientieren.

Nun stellt sich die Frage: Was machen Unternehmen mit guten Prozessen anders als Unternehmen mit schlecht funktionierenden Prozessen? Ganz einfach (wenn auch etwas verkürzt): Sie haben ein Prozessmanagement. Dabei lässt sich in einer ersten Definition nach Schmelzer und Sesselmann Prozessmanagement wie folgt verstehen:

Geschäftsprozessmanagement ist ein integriertes System aus Führung, Organisation und Controlling, das eine zielgerichtete Steuerung der Geschäftsprozesse ermöglicht. Es ist auf die Erfüllung der Bedürfnisse der Kunden und anderer Interessengruppen ausgerichtet und trägt wesentlich dazu bei, die strategischen und operativen Ziele des Unternehmens zu erreichen. (Schmelzer und Sesselmann 2013)

Diese Definition ist richtig und wichtig – aber sie ist nur die Spitze von dem, was hinter Prozessmanagement steckt. Diese Definition muss also mit Leben gefüllt werden – sprich: mit Konzepten, Modellen und Methoden. Genau das werden wir in diesem Buch tun, sodass Sie nach dem Lesen ein gutes Grundlagenwissen aufweisen und aktiv bei Aufbau und Umsetzung eines Prozessmanagements mitwirken können.

Meine Leser

Ich kenne Sie nicht persönlich, und von daher muss ich vor dem Verfassen des Buchs ein paar Annahmen zu Ihnen treffen, mit denen ich selbst einen Rahmen für das Buch stecken möchte:

  • Möglicherweise studieren Sie an einer Universität, Fachhochschule, dualen Hochschule, einer VWA oder an einer anderen Bildungseinrichtung – und haben nun mit dem Thema Prozessmanagement zu tun. Dann möchten Sie das Fach effektiv und effizient absolvieren und am besten auch mit einer guten Note abschließen.
  • Oder Sie haben einen neuen beruflichen Aufgabenbereich übernommen, beispielsweise die Mitarbeit oder gar die Leitung eines Projekts zum Aufbau und Betrieb eines Prozessmanagements. In diesem Fall benötigen Sie einen schnellen Einstieg in das Thema.
  • In beiden Fällen wünschen Sie, kurz und knapp die wichtigsten Themen präsentiert zu bekommen. Sie möchten Konzepte, Methoden und Instrumente kennenlernen, ohne dass Sie sich intensiv einarbeiten oder bereits Vorwissen im Bereich Prozessmanagement aufweisen müssen.
  • Vielleicht hat auch die gestiegene Bedeutung des Prozessmanagements dazu geführt, dass Sie zu meinen Lesern gehören, weil Sie gern up to date bleiben möchten.
  • Und: Sie möchten kein Wörterbuch, kein Lexikon, kein Mathematikbuch und kein Statistikbuch neben sich liegen haben müssen, um die Inhalte zu verstehen.

Wenn diese Annahmen zutreffen, dann freue ich mich, dass ich Ihre Vorstellungen hoffentlich gut erfüllen kann.

Eine letzte Annahme: Ich kann Sie, falls Sie nicht schon ausreichend motiviert sind, mit meiner Begeisterung anstecken, wenn es um Prozessmanagement geht. In vielen Projekten, die ich vor meiner Zeit an der Hochschule begleitet habe, konnte ich erkennen, dass Prozesse und Prozessmanagement das zentrale Thema für Unternehmen in Industrie, Handel und Dienstleistungen sind, um sich erfolgreich von Wettbewerbern abzusetzen. Prozessmanagement kann also ein echter Wettbewerbsfaktor sein. Und es macht Spaß, den Unternehmenserfolg durch sinnvoll gestaltete Prozesse positiv beeinflussen zu können. Also – sehen Sie dieses Thema als Bereicherung an!

Nötiges Vorwissen

Auch wenn ich in meinen Vermutungen über Sie geäußert habe, dass Sie sich ohne Vorwissen im Bereich Prozessmanagement in die Thematik einarbeiten möchten, gibt es doch einen gewissen Grundstock an Wissen, den Sie mitbringen sollten, um diesen Schnellkurs auch wirklich schnell absolvieren zu können. Es hilft Ihnen vor allem, wenn Sie wesentliche Begriffe, Konzepte und Methoden der Betriebswirtschaftslehre kennen. Dazu zählen beispielsweise Grundlagen der Organisation, aber auch elementare Kenntnisse in den Bereichen Controlling und Logistik. Dieses Grundwissen ist kein Muss, aber ein wenig Erfahrung wird Ihnen beim Verständnis helfen.

In jedem Fall sehen Sie, dass Sie kein Profi sein müssen, um die Inhalte dieses Schnellkurses zu verstehen. Trauen Sie sich also!

Ziel des Buchs

Allein aufgrund meiner Vermutungen zu Ihnen sowie meinen Ausführungen zu den Voraussetzungen hoffe ich, dass Sie mit Freude beginnen, dieses Buch zu lesen. Was aber sind die Ziele, die ich mit diesem Schnellkurs verbinde?

Wenn Sie dieses Buch gelesen haben,

  • kennen Sie die wesentlichen Begriffe, Konzepte, Methoden und Instrumente des Prozessmanagements,
  • können Sie diese Konzepte, Methoden und Instrumente auf einfache Fragestellungen anwenden,
  • haben Sie das notwendige Rüstzeug, um eine Klausur in einer grundlegenden Veranstaltung zum Prozessmanagement erfolgreich zu bestehen,
  • können Sie „mitreden“, wenn es um Themen wie Prozessmanagement oder Prozessoptimierung geht, und
  • nicht zuletzt werden Sie (hoffentlich) genauso viel Freude am Thema Prozessmanagement haben wie ich.

Wie dieses Buch aufgebaut ist

Das Buch folgt einem klaren Aufbau, der – bis auf die einführenden Kapitel – den Phasen eines Prozessmanagements entspricht. (Und keine Bange, auf diese Phasen gehe ich in Kapitel 3 in aller Ruhe ein.)

Bevor wir mit dem eigentlichen Thema beginnen können, müssen wir erst die wichtigsten Begrifflichkeiten klären. Was zum Beispiel ist ein Prozess? Wir haben sicherlich ein gewisses Verständnis von Prozessen, aber können wir sie präzise definieren? Das sollten wir aber; daher beschäftigen wir uns direkt zu Beginn in Kapitel 1 mit grundlegenden Begriffen rund um Prozesse.

Im Anschluss sollten Sie verstehen, warum dem Thema Prozessmanagement eine stetig wachsende Bedeutung zukommt. Dieser Frage widmen wir uns in Kapitel 2. Sie werden erkennen, dass Prozessmanagement für den Erfolg eines Unternehmens von zentraler Wichtigkeit ist.

In Kapitel 3 geht es endlich ans Eingemachte. Sie erhalten einen Überblick über das Phasenkonzept des Prozessmanagements. Damit sind wir gut gewappnet, in den nachfolgenden Kapiteln in Details des Prozessmanagements einzusteigen.

Und das tun wir direkt in Kapitel 4. Eine wichtige Grundlage für das Prozessmanagement ist, dass Prozesse „vorhanden sind“. Mit anderen Worten: Sie müssen erhoben und dokumentiert werden. Wie allerdings können Sie Prozesse erheben? Das lernen Sie in diesem Kapitel – ebenso wie die wichtigsten Aspekte der Prozesserhebung und -dokumentation.

Für die Dokumentation von Prozessen existieren unterschiedliche Methoden: Sie können einfache Flussdiagramme nutzen oder sich mit dem Business Process Model and Notation (BMPN) auseinandersetzen. Sie können ereignisgesteuerte Prozessketten (EPK) anwenden, die Unified Modeling Language (UML) nutzen oder eine Wertstromanalyse durchführen. Was jedoch ist die richtige Methode für Sie in einer bestimmten Aufgabenstellung? Dieser Frage widmen wir uns in Kapitel 5, in dem wir die verschiedenen Werkzeuge zur Prozessdokumentation diskutieren.

Mit der Prozesserhebung und -dokumentation ist zunächst nur eine Grundlage für das Prozessmanagement gelegt. Um Prozesse verbessern und gegebenenfalls neu ausrichten zu können, müssen wir wissen, wie gut die Prozesse sind. Das heißt, wir müssen Effektivität und Effizienz von Prozessen bewerten. Mit den Grundlagen der Prozessbewertung beschäftigen wir uns in Kapitel 6.

Wenn wir bei der Prozessbewertung feststellen, dass Prozesse nicht gut sind, stellt sich automatisch die Frage: Wie können wir diese Prozesse verbessern? Dazu werden wir in Kapitel 7 viele konkrete Ansätze kennenlernen, wie einzelne Prozesse zielgerichtet angepasst werden können. Beispiele für derartige Ansätze sind die parallele oder die automatisierte Bearbeitung von Aufträgen, um die Prozessdurchlaufzeit zu reduzieren (um also schneller zu werden).

Während wir uns in Kapitel 7 mit Ansätzen beschäftigen, mit denen jeder einzelne Prozess zielgerichtet verbessert werden kann, werden wir in Kapitel 8 zwei sehr grundsätzliche Ansätze kennenlernen, die für die Prozessanpassung von Bedeutung sind. Dabei geht es zum einen um eine radikale Prozessverbesserung, die mit dem „Business Prozess Reengineering“ erreicht werden soll. Zum anderen lässt sich der Weg des „kontinuierlichen Verbesserungsprozesses“ beschreiten, der schrittweise Verbesserungen bringen soll.

Letztendlich müssen derartige Vorschläge zur Prozessverbesserung umgesetzt werden. Diese Phase ist jedoch nicht immer einfach – neben technischen oder organisatorischen Hürden müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in diesem Prozess arbeiten, „mitgenommen“ werden. In Kapitel 9 beschäftigen wir uns daher einerseits mit möglichen Hürden bei der Umsetzung, andererseits aber auch mit dem Thema Change Management als Ansatz für die Umsetzung von Prozessanpassungen.

In einer Welt, die immer globaler wird und in der – u. a. auch aufgrund einer stärkeren IT-Durchdringung – Prozesse immer schneller werden, nehmen auch die Risiken in Prozessen zu. Den wachsenden Risiken in Prozessen – einem relativ neuen Thema unter dem Dach des Prozessmanagements – widmen wir uns in Kapitel 10. Wir gehen darauf ein, inwieweit Prozessmanagement und Risikomanagement miteinander verschmelzen, um Risiken in Prozessen erkennen, bewerten und handhaben zu können.

Damit haben Sie ein solides Fundament an Wissen, um die im vorherigen Abschnitt genannten Ziele erreichen zu können.

Im Gegensatz zu meinem „Wiley-Schnellkurs Logistik“, bei dem die einzelnen Kapitel gut unabhängig voneinander lesbar sind, folgt der Aufbau in diesem Schnellkurs (mit Ausnahme des letzten Kapitels) dem grundlegenden Phasenkreislauf des Prozessmanagements. Sie können die Kapitel zwar in einer willkürlichen Reihenfolge lesen – ich empfehle Ihnen aber doch, das Buch schlicht und einfach von vorn nach hinten zu lesen.

Elemente in diesem Buch

Damit Sie das Buch noch gezielter lesen können, habe ich einige Wörter oder Passagen besonders kenntlich gemacht. Fett ausgezeichnete Wörter werden Ihnen beim Aufschlagen der Seite ins Auge fallen; sie kennzeichnen wichtige Oberbegriffe. Kursiv ausgezeichnete Wörter werden beim Lesen eines Absatzes auffallen und kennzeichnen erstmals verwendete oder strukturierende Begriffe.

Daneben nutze ich für dieses Buch noch die folgenden Textelemente:

Noch eine letzte Bemerkung: Um den Text lesbar zu halten, verwende ich, wenn es um Menschen (zum Beispiel Mitarbeiter oder Kunden) geht, in der Regel die männliche Form, schließe damit aber explizit jede Geschlechtsform ein.

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Die Bedeutung von Prozessen für ein Unternehmen

Vielleicht gehören Sie zu der Lesergruppe, die das vorliegende Buch liest, um Prozessmanagement im eigenen Unternehmen auf- und umzusetzen. Dann werden Sie bereits im Vorfeld erkannt haben, dass Prozessmanagement für Ihr Unternehmen sinnvoll und nützlich ist. Und wenn das noch nicht der Fall ist, dann werden Sie im nächsten Kapitel ausreichend Informationen dazu erhalten. Oder vielleicht müssen Sie sich für eine Veranstaltung an einer Hochschule oder Universität über Prozessmanagement informieren.

Können Sie aber dennoch schon definieren, was ein Prozess ist? Um eine notwendige Basis für die nachfolgenden Kapitel zu legen, werden wir uns zunächst mit dem Begriff Prozess beschäftigen. Das heißt konkret: Wir klären, was unter einem Prozess zu verstehen ist und welches die Eigenschaften von Prozessen sind. Anschließend beschäftigen wir uns mit der essenziellen Frage, was Kaffeedurst mit effektiven (und effizienten) Prozessen zu tun hat.

Das Wesen von Prozessen

Definitionen des Begriffs „Prozess“

Um die Frage nach dem Wesen von Prozessen zu beantworten, werden wir zunächst einige Definitionen betrachten, um daraus im nachfolgenden Abschnitt eine für uns relevante inhaltliche Abgrenzung des Prozessbegriffs abzuleiten. Sehen wir uns also zunächst die in Tabelle 1.1 aufgeführten Definitionen an.

Autor(en) (in alphabetischer Reihenfolge) Definition
Becker 2012 „Ein Prozess ist die inhaltlich abgeschlossene, zeitliche und sachlogische Folge von Aktivitäten, die zur Bearbeitung eines betriebswirtschaftlich relevanten Objekts notwendig sind.“
Gericke et al. 2013 „Unter einem Prozess (synonym: Geschäftsprozess) wird eine Abfolge von Aktivitäten verstanden, die von Akteuren durchgeführt und zur Erstellung eines definierten Ergebnisses benötigt werden.“
Koch 2015 „Ein Prozess besteht aus mehreren – in einer bestimmten Ablauffolge auszuführenden Aufgaben, die zielorientiert einen Input in einen mehrwertbehafteten Output umwandeln. Diese Ergebnisse eines Prozesses können anderen Prozessen zur Verfügung gestellt werden oder wiederum Folgeprozesse auslösen.“
Obermeier et al. 2014 „Ein Prozess beschreibt einen betrieblichen Ablauf, das heißt den Fluss und das Bewegen von Material und Informationen unter Anwendung von Operationen und Entscheidungen. Er beschreibt Reihenfolgen von funktionsübergreifenden Aufgaben mit Anfang und Ende sowie klar definierten Eingaben und Ausgaben. Aus Sicht des Unternehmens soll er einen Mehrwert schaffen.“
Schmelzer und Sesselmann 2013 „Allgemein wird unter einem Prozess eine Folge von Aktivitäten verstanden, die aus definierten Inputs definierte Outputs erzeugen. […] Ein Geschäftsprozess besteht aus der funktionsübergreifenden Folge wertschöpfender Aktivitäten, die von Kunden erwartete Leistungen erzeugen und die aus der Geschäftsstrategie und den Geschäftszielen abgeleitete Prozessziele erfüllen.“
Schmidt 2012 Ein Prozess transformiert Input, häufig über mehrere Stufen, in Output. […] Ein betriebswirtschaftlicher Prozess bzw. ein Unternehmensprozess repräsentiert die Organisation einer Produktion zur Wertschöpfung mit dem Ziel, durch Einsatz von Input-Faktoren gewünschte Output-Güter zu erzeugen.“
Staud 2006 „Ein Geschäftsprozess besteht aus einer zusammenhängenden abgeschlossenen Folge von Tätigkeiten, die zur Erfüllung einer betrieblichen Aufgabe notwendig sind. Die Tätigkeiten werden von Aufgabenträgern in organisatorischen Einheiten unter Nutzung der benötigten Produktionsfaktoren geleistet. Unterstützt wird die Abwicklung der Geschäftsprozesse durch das Informations- und Kommunikationssystem IKS des Unternehmens.“

Tabelle 1.1 Ausgewählte Definitionen des Begriffs „Prozess“

Eigenschaften von Prozessen

Lassen Sie uns aus diesen Definitionen die wichtigsten Eigenschaften von Prozessen ableiten (siehe auch Abbildung 1.1). Ich werde diese Charakterisierung im anschließenden Abschnitt an einem Alltagsbeispiel illustrieren.

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Abbildung 1.1 Grundelemente eines Prozesses

  • Ein Prozess besteht aus einer zusammenhängenden und inhaltlich abgeschlossenen Folge von Aktivitäten. Das heißt, ein Prozess kann weiter in einzelne, in der Regel einfache Tätigkeiten unterteilt werden. Der Prozess „Ware verpacken“ kann beispielsweise aus den Aktivitäten „Verpackungsmaterial nehmen“, „Ware in die Verpackung legen“, „Verpackung schließen“, „Packstück auf Palette legen“ bestehen.
  • Ein Prozess transformiert einen oder mehrere definierte Inputs in einen oder mehrere definierte Outputs. Dazu werden in der Regel weitere Ressourcen als Inputs verwendet. Diese Inputs lassen sich als Produktionsfaktoren bezeichnen, die benötigt werden, um den Transformationsprozess durchführen zu können. Im obigen Beispiel „Ware verpacken“ wird die Ware in unverpacktem Zustand bereitgestellt (Input), um durch eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter in der Packerei (ebenfalls Input) unter Nutzung von Verpackungsmaterial (auch dabei handelt es sich um Input) in einen verpackten Zustand transformiert zu werden (Output).
  • Im Rahmen der Transformation wird ein Mehrwert generiert. (Oder zumindest: Es sollte dieser Mehrwert erzeugt werden). Das heißt, ein Prozess trägt zur Wertschöpfung bei. Um auf das Beispiel zurückzukommen: Ohne die Verpackung wäre die Auslieferung der Ware zwar möglich, aber schwierig und teuer, weil die Verpackung auch eine Handlingfunktion übernimmt. Vor allem schützt die Verpackung die Ware. Diese beiden Funktionen der Verpackung und damit auch der Verpackungsprozess tragen zu einem Mehrwert bei.
  • Ein Prozess sollte aber nicht nur zur Wertschöpfung beitragen, sondern den Output auch zielorientiert erzeugen. Ein wesentliches Ziel besteht darin, den Output so herzustellen, wie er vorher – beispielsweise durch den Kunden – definiert wurde. Damit ist die Effektivität eines Prozesses angesprochen. Ein anderes Ziel kann sein, den Output mit einem möglichst geringen Ressourcenverbrauch zu erzeugen. In diesem Sinne geht es um die Effizienz eines Prozesses. (Ich werde diese beiden wichtigen Begriffe im Laufe des Buchs noch häufiger aufgreifen.) Bei unserem Verpackungsbeispiel ist der Prozess dann effektiv, wenn die Ware richtig verpackt ist und das Packstück beispielsweise transport- und umschlagsgerecht gestaltet ist. Der Prozess ist zum Beispiel dann (kosten-)effizient, wenn möglichst wenig Verpackungsmaterial verwendet – und damit Verschwendung vermieden – wird.
  • Die Folge der Aktivitäten ist funktionsübergreifend. Das bedeutet, dass ein Prozess gerade nicht an eine einzige betriebliche Funktion gebunden ist, sondern zwei oder mehr Funktionen einbeziehen kann. Abbildung 1.2 verdeutlicht diese wichtige Eigenschaft von Prozessen. In dem einfachen Beispiel von oben findet der Prozess tatsächlich nur in der Verpackungsabteilung und damit in einer einzigen Funktion statt. Wir werden sehen, dass Prozesse allerdings sehr häufig funktionsübergreifend – und damit auch abteilungsübergreifend – gestaltet sind.
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    Abbildung 1.2 Funktionsübergreifende Prozesse

    (Quelle: Schmelzer und Sesselmann 2013, S. 54)

  • Auch wenn in der Literatur teilweise die Begriffe Prozess und Geschäftsprozess synonym verwendet werden (und beide in den Definitionen in Tabelle 1.1 genutzt werden), ist es doch sinnvoll, eine Unterscheidung vorzunehmen. Von einem Geschäftsprozess spricht man demnach, wenn der Prozess auf Basis konkreter Kundenanforderungen eine erwartete oder nachgefragte Leistung für die Kunden und damit die bereits oben erwähnte Wertschöpfung erzeugt. Der Verpackungsprozess in unserem Beispiel ist kein Geschäftsprozess. Er ist aber Teil eines Geschäftsprozesses „Ware an Kunden verkaufen“. Dieser Geschäftsprozess enthält auch die Verpackung und die Auslieferung der gekauften Ware.
  • Bei den angesprochenen Kunden kann es sich um externe, aber auch interne Kunden handeln. In diesem Fall richtet sich der Prozess an einen internen Kunden, denn bevor ein externer Kunde die Ware erhält, muss sie nach dem Verpacken ausgeliefert werden. Der Auslieferprozess (beziehungsweise der dafür Verantwortliche) ist damit der Kunde des Verpackungsprozesses.

Daraus lässt sich folgende Definition des Prozessbegriffs ableiten, die diesem Buch zugrunde liegt:

Ein Prozess ist die inhaltlich abgeschlossene, zeitliche und sachlogische Folge von (auch funktionsübergreifenden) Aktivitäten, die einen oder mehrere Inputs effektiv und effizient in einen oder mehrere Outputs transformiert und damit aus Kundensicht zu einer Wertschöpfung beiträgt.

Was Kaffeetrinken mit Prozessen zu tun hat

Die inhaltliche Abgrenzung des Prozessbegriffs ist notwendig und sinnvoll, damit Sie die weiteren Ausführungen zum Prozessmanagement verstehen. Die Abgrenzung ist aber auch noch etwas abstrakt. Lassen Sie uns daher ein wenig Ausschau halten, wo uns im Alltag Prozesse begegnen.

Ihr Wunsch: Ein Becher Kaffee

Stellen Sie sich vor, Sie sind an einem sonnigen Samstag im Innenstadtbereich einer Großstadt unterwegs, um dort einzukaufen. Nach drei erfolgreichen Stunden (und etlichen besuchten Geschäften) überkommt Sie ein Kaffeedurst. Sie gehen also in den nächstgelegenen Coffee-Shop und möchten einen Kaffee bestellen.

(Ich persönlich gehe viel lieber in ein klassisches Café oder in ein Kaffeehaus. Für unser Thema Prozessmanagement ist aber ein moderner Coffee-Shop ein besseres Beispiel.)

Was passiert aus Ihrer Sicht – also aus der Sicht eines Kunden? Sie betreten den Coffee-Shop, warten vermutlich kurz in der Schlange vor dem Tresen und bestellen dann einen Kaffee. Anschließend gehen Sie an das andere Ende der Theke, warten erneut (hoffentlich nur kurz) und nehmen dann einen Kaffee in Empfang, den Sie, nachdem Sie einen Platz in einem Sessel direkt am Fenster ergattert haben, entspannt trinken.

Ein Geschäftsprozess des Coffee-Shops

Aus Sicht des Coffee-Shop-Betreibers handelt es sich dabei um einen Geschäftsprozess, der zum Beispiel als „Kaffee verkaufen“ bezeichnet werden kann. Zu Beginn steht ein konkreter Kundenauftrag (nämlich Ihrer). Dieser Kundenauftrag wird entgegengenommen; ebenso wird sichergestellt, dass Sie bezahlen. Auf der anderen Seite muss der Kaffee zubereitet und anschließend Ihnen (als Kunden) ausgehändigt werden. Oftmals ist für Auftragsannahme und Bezahlung eine andere Person zuständig als für die Zubereitung des Kaffees; damit wird deutlich, dass dieser Geschäftsprozess auch funktionsübergreifend ist.

Im Vergleich zu dem Input (u. a. Kaffeepulver, Wasser, Energie, aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern) unter Berücksichtigung der benötigten Ressourcen erfolgt aus Ihrer Sicht eine Wertschöpfung, für die Sie zu zahlen bereit sind. Für den Coffee-Shop-Betreiber ergibt sich dieser Geschäftsprozess aus der Geschäftsstrategie; außerdem verfolgt er damit konkrete Geschäftsziele.

Wenn Sie zufrieden sind, weil Ihnen möglichst ohne lange Wartezeit ein heißer und aromatischer Kaffee ausgehändigt wird, ist der Geschäftsprozess effektiv. Ob der Prozess auch effizient ist, können wir an dieser Stelle nicht beurteilen; dazu muss der Betreiber des Coffee-Shops die Prozessleistung messen und bewerten. (Wie der Betreiber dies tun kann, wird in Kapitel 6 dargestellt.)

Viele von Ihnen werden den beschriebenen Prozess in dieser oder einer ähnlichen Form kennen – oftmals aufgrund eigener „empirischer Erfahrung“. Da dieser Prozess so bekannt und gleichzeitig überschaubar ist, werden wir ihn als wiederkehrendes Beispiel für das vorliegende Buch nutzen. Viele der nachfolgenden Themen werden anhand des Coffee-Shop-Beispiels verdeutlicht. Damit sollten sich die für Sie neuen Themen schnell und einfach verstehen lassen. Ihre Aufgabe besteht dann darin, die Themen vom Coffee-Shop auf Ihre konkreten Aufgabenstellungen zu transferieren.

Übungsaufgaben

  1. Nennen Sie die wesentlichen Charakteristika eines Prozesses.
  2. Denken Sie an unseren Coffee-Shop: Sie haben Ihren Kaffee getrunken und geben die Tasse bei der Geschirrrückgabe ab. Welche Aktivitäten ergeben sich nun für den Betreiber des Coffee-Shops?
  3. Wann sind Prozesse effektiv? Wann sind Sie effizient?
  4. Wie ist ein Prozess im Allgemeinen aufgebaut?